Montag, 24. April 2006
Die Schlangen und ich
Als die erste Schlange ins Haus kam, befand ich mich im Hauptstudium und bereitete mich geistig gerade auf die Magisterarbeit vor. Fasziniert hatten mich diese Tiere immer, sehr viel Verständnis fand ich dafür nicht. So fragte mich eine Frau, in die ich damals mächtig verliebt war, zum Thema Schlange: "Was bin ich für ein Perverser?". Dabei gehöre ich nicht zu der Art Menschen, die sich durch Vogelspinnen, seltsame stachelige oder zahnreiche Fischarten, Fangheuschreckern, Skorpione oder ähnliches Getier angezogen fühlen. Zu den Haustieren in meiner Umgebung gehörten ansonsten Hunde, Katzen und ein Meeerschweinchen, das, natürlich, Ernesto hieß. Jedoch fand seit meiner frühen Kindheit in meiner Nachbarschaft regelmäßig eine Reptilienausstellung statt, und mit 6 hatte ich sozusagen meinen ersten Job: Auf einem Podest mit einer Schlange um den Hals demonstrieren, wie hamlos diese Tiere sind. Das war zunächst eine etwa zwei Meter lange Rattennattter, später, als ich größer wurde, dann eine unheimlich schwarzschillernde Indigonatter (die mächtig gefährlich aussieht, aber völlig harmlos ist, ähnlich wie das mit dem schwarzen Block einer gewissen Antifa-Gruppe war), und schließlich eine eindrucksvolle Boa Constrictor. Im Grunde wollte ich seit dem ersten Mal, also seit ich 6 war, eine Schlange haben, aber die Eltern erlaubten es nicht. Nichtmal einen Dornschwanz (das ist eine pflegeleichte kleine Echse) oder einen Scheltopusik (das ist die spektakulärere griechische Großausgabe der Blindschleiche) wollten sie mir zugestehen. Es half auch nichts, dass ich schonmal ein Terrarium besorgte, um meinem Wunsch Gewicht und Nachdruck zu verleihen. Es diente dann zur Krankenpflege eines abgestürzten Mauerseglers und eines Igels mit Winterschlafstörungen.

Nun, das war viele Jahre her, ich führte ein freakiges Leben in der Spontivilla, da kam ******, die Freundin des Coach daher und fragte, ob ich eine Kornnatter wollte, ihr Vetter züchte die. Ich war begeistert. Monty, wie ich den kleinen Schlangerich in Anspielung auf meine Lieblingskomikertruppe taufte, kam in Wurmgröße zu mir ins Haus und wurde liebevoll aufgepäppelt, entwickeltze sich zu einer regelrechten Schmuseschlange. Es kostete zwar zunächst Überwindung, die Schlange mit lebenden Mäusen zu füttern, bald aber wurde die Schlangenfütterung in meiner WG zu einem panem et circenses, Gäste und Mitbewohner versammelten sich um das Terrarium, wenn die Schlange zuschlug. Als Monty das erste Mal eine erwachsene Maus bekam, war die Schlange zunächst zu klein. Es war seltsam, zuzusehen, wie Monty den Kopf neben die Maus legte, die seelenruhig an der Tränke saß und nichts mitbekam, hinsichtlich des Öffnungswinkels seiner Kiefer Maß nahm und dann verschwand, um nach einer Weile, im wahrsten Sinne des Wortes aus der Haut gefahren und ein Stückerl größer, zurückzukommen und die Maus zu erlegen. Eine kultivierte Schlange, die sich zum Essen umzog.

Monty war äußerst anhänglich und suchte die Nähe des menschlichen Körpers, wie gesagt eine Schmuseschlange, die man um den Hals oder im Hemd in der Wohnung mit umhertragen konnte. Selbst meine kleine Nichte machte schon im Alter von anderthalb mit ihr Beknntschaft, es ist ein süßes Bild, sie mit dem Tier zu sehen. Sie wuchs sehr schnell, und mein Vater stellte mit großem zimmertechnschen Geschick ein neus, großes Terrarium her. Eines Tages büxte Monty aus und war zwei Wochen verschwunden, konnte aber mit einem Köder zurückgeholt werden: Maus ins Terrarium, Deckel auf, Maus kann nicht raus, Schlange aber rein, Schlange ist nach dem Fressen zu fett, um wieder abzuhauen. Es klappte. Leider machte der Coach eines Tages einen verhängnisvollen Fehler.l In der Absicht, der Schlange etwas Gutes zu tun, stellte er das Terrarium zum Sonnen auf die Dachterrasse und vergaß sie dort. Nun sind es Echsen, die Sonnenbäder lieben, und nicht Schlangen. Monty starb qualvoll an einem Hitzschlag. Wir setzten ihn in einem Schuhkarton auf dem jüdischen Friedhof bei. Nun stand ich vor der Frage, mir wieder eine Schlange anzuschaffen oder nicht, und obwohl Viele mir abrieten, entschied ich mich dafür. Mit Philip Boa hatte ich kein Glück, er verschwand nach wenigen Wochen spurlos. Erst Leila, meine dritte Schlange, gewöhnte sich wieder gut ein. Zwar haute auch sie einmal ab und war dann einen Monat verschwunden, der Mausetrick funktionierrte nicht: Ich hatte eine Athletenmaus erwischt, die aus dem Käfig sprang und in der Wohnung umherirrte; ich fing sie von Hand wieder ein und hielt sie jetzt im geschlossenenTerrarium, was natürlich keine Schlange zurückbrachte.
Ich hatte Leila schon aufgegeben und schweren Herzens beschlossen, mein Schlangenhalterdasein zu beenden. In Vorbereitung einer Reise in ein Land des Nahen Ostens öffnete ich eine Schublade meiner Kommode, in der nur Gegenstände aufbewahrt wurden, die ich selten brauche, unter anderem der Reisepass. Eben wegen dem öffnete ich die Schublade und griff in Leila hinein, die gemütlich vor sich hindöste. Das war ein Festtag für mich. Im Urlaub ließ ich die schlange durch meine Eltern hüten, und auch denen entkam sie mal, was dann zu einer Safari quer durch die Wohnung führte, bis sie schließlich kapitulierte und die Blumenvase räumte, in der sie sich verschanzt hatte. Leila ist heute 10 Jahre alt, 125 cm lang und eine zwar gemütliche und weitgehend friedliche Schlange, aber im Gegensatz zu Monty kein Schmusetier.

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Hörfunktipp
Lanu hatte auf Boocompany gerade das Thema Schleichwerbung durch Sentinels angesprochen, und ist man erstmal geoutet, lebt es sich gleich viel ungenierter. Also, hier kommt meine Schleichwerbung für eine Sendereihe bei Deutschlandradio:

Gefährlicher Transit: Die afrikanische Wanderung nach Europa*

*Neue Serie im Deutschlandfunk vom 24. April bis 7. Mai 2006
Täglich in "Informationen am Morgen" um 8.20 Uhr
*
Der Deutschlandfunk dokumentiert in der Serie "Gefährlicher Transit:
Die afrikanische Wanderung nach Europa" die Migrationsströme von Süd
nach Nord.
Im Zentrum stehen die vielen Menschen, die sich täglich in Afrika
auf den Weg machen, um ihr Glück in Europa zu suchen. Im Zeichen der
Globalisierung und der wachsenden Ungleichheit zwischen Arm und
Reich nimmt die Wanderungsbewegung über alle Grenzen immer mehr zu.
Während Europa auf Abschottung setzt, blüht das Geschäft der Schlepper.

In der ersten Sendewoche ab dem 24. April berichtet
Deutschlandfunk-Reporter Rüdiger Maack über Geschichten vom Weggehen
aus Mali, Senegal, Algerien und Marokko. Zum Thema werden dabei
Ängste, Hoffnungen, Strapazen und die permanente Abhängigkeit vom
Netzwerk der Schlepper.
Ab dem 1. Mai folgen Geschichten vom Ankommen in Europa, von
Schicksalen zwischen Hoffnung und Ausweisung. Reporter werden die
Ankunft im Aufnahmelager von Lampedusa schildern, die heimliche
Fahrt in den Norden, die Ankunft in London und schließlich die
Endstation im Abschiebegefängnis Berlin.

Die Serie wird von Interviews begleitet, in denen Lösungsansätze
diskutiert werden, die sich sowohl auf die Herkunfts- als auch auf
die Zielländer beziehen können.
Die Deutsche Welle wird die Serie teilweise übernehmen, so dass
neben den vom Deutschlandfunk erreichten Hörern in Deutschland auch
Hörer in Afrika angesprochen werden.

Pressemitteilung vom 19.04.2006
http://www.dradio.de/wir/presse/491370

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