Sonntag, 11. Juni 2006
Im Geist der Offensive?
Folgender Beitrag erschien in der Jungen Welt zum Thema NATO_Auslandseinsätze:


NATO stürmt voran
Militärallianz will künftig zwei große und sechs kleine Kriege gleichzeitig
führen – auch mit Wehrpflichtigen
Rainer Rupp

Bis zu 300000 Soldaten will die NATO künftig gleichzeitig in Kriege schicken.
Dabei will die Allianz bis zu acht Kampfeinsätze parallel führen können –
rund um die Welt. Das beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses am
Donnerstag in Brüssel, wo sie entsprechende Richtlinien für die militärische
Planung verabschiedeten.

Den Plänen zufolge will die Allianz künftig imstande sein, parallel zwei
größere Kampfeinsätze mit jeweils bis zu 60000 Soldaten und sechs weitere,
kleinere »Missionen« mit jeweils bis zu 30000 Soldaten durchzuführen. Nach
Auskunft der NATO sind diese Vorhaben schon dadurch gedeckt, daß die
Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsplanung zusammen 1,4 Millionen Soldaten
angemeldet haben. Mit dem Beschluß seiner Kollegen wäre
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seinem Ziel, für US-Interessen mehr
Truppen aus Europa rund um die Welt einzubinden, einen wesentlichen Schritt
näher gekommen. Weil aber nur ein Bruchteil der geplanten NATO-Streitmacht
mit Berufssoldaten abgedeckt werden kann, bedeuten die Pläne auch, daß
künftig auch wehrpflichtige Soldaten aus Europa für das transatlantische
Bündnis in gefährliche Kampfeinsätze geschickt werden.

Bei ihrem Treffen in Brüssel forderten die NATO-Minister zudem, die
Rüstungshaushalte auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
erhöhen. Der deutsche Militäretat liegt laut NATO-Angaben derzeit bei etwa
1,6 Prozent. Eine Aufstockung auf die geforderte Rate würde allein in
Deutschland fast neun Milliarden Euro jährlich mehr verschlingen. So äußerte
sich der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon mal
dahingehend, daß die Bundesregierung mittelfristig wieder »etwas mehr Mittel
für den Verteidigungsetat vorsehen« müsse.

Derweil unterstrich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die
Entschlossenheit des Bündnisses, seinen Einsatz in Afghanistan trotz
zunehmender Sicherheitsrisiken bis spätestens November auf ganz Afghanistan
auszudehnen, den gefährlichen Süden und Osten des Landes eingeschlossen. Jung
zeigte sich besorgt darüber, daß es in diesem Jahr bereits so viele Anschläge
gegeben habe wie im gesamten Vorjahr. Dennoch betonte er: »Wir haben jetzt
die Aufgabe, Gesamtafghanistan zu stabilisieren«. Deshalb hatte er sich wohl
dafür eingesetzt, daß deutschen Soldaten bei Bedarf kurzfristig auch
außerhalb ihres Einsatzgebietes im derzeit noch ruhigen Norden und in der
Hauptstadt Kabul in den Süden und Osten des Landes entsandt werden können.

In einer ersten Reaktion auf das NATO-Treffen erklärte Paul Schäfer,
verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, »die
Eskalation der Gewalt in Afghanistan« habe gezeigt, daß das Einsatzkonzept
der NATO »gescheitert« sei. Die weitere Ausweitung des Truppeneinsatzes führe
nur zu weiteren Opfern unter der Bevölkerung. Dies habe auch »das US-Massaker
in Haditha im Irak gezeigt«. Statt dessen fordert die Linksfraktion den
»sofortigen Abzug der deutschen ISAF-Einheiten aus Afghanistan«.

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