Donnerstag, 31. Mai 2007
Der Don, der Turi und die Kommerzialisierung der Bloggosphäre
Da hat sich mal wieder jemand zu weit aus dem Fenster gelehnt: Der Herr Turi wird nun des Dons Anwälte kennenlernen, alldieweil er einige Behauptungen von sich gegeben hat, die nachweislich falsch sind sowie Bildmaterial verwendete, an dem er keine Rechte hatte. Sowenig mich da die Einzelheiten interessieren, interessant ist, worum es bei diesem Donbashing wie auch dem früher verbreiteten DCT-Bashing geht oder vielmehr nicht geht. Die Geschichte steht nämlich pars pro toto für das, was mit schöner Regelmäßigkeit abgeht, wenn in der Bloggosphäre DCT bzw. Boocompany oder rebellmarkt und blogbar kritisiert werden. Irgendwie ist die Machart immer gleich.

http://www.stefan-niggemeier.de/blog/turi-stolpert-beim-tanz-durchs-minenfeld/

http://blogbar.de/archiv/2007/05/29/vom-verschwinden-eines-medienblogs-oder-warum-das-sautreiben-besser-ist

Die zentrale, in verschiedenen, sich regelmäßig wiederholenden Varianten vertretene Behauptung ist, der Mensch hinter der Figur Don Alphonso sei ein schlechter Journalist, der aus Neid und Mißgunst andere Leute herunterputzt, wie an Formulierungen wie PR-Oleten, Johurnaille und ähnlichem zu erkennen sei. Seine Medien- und NE-Schelte sei nichts weiter, als eine besonders wortgewaltige Art, für sich selber Aufmerksamkeit zu generieren, dies aus reiner Eitelkeit. Eine solche Argumentation ist entweder blitzdumm oder verlogen; in jedem Fall wird die medien- und gesellschaftspolitische Zielrichtung der alphonsinischen Kritik dadurch weggeredet bzw. für nichtexistent erklärt, dass rein persönliche Motive und Charaktereigenschaften des Kritikers in den Vordergrund gestellt und dieser als Person schlecht gemacht wird. Selbst, wenn die gegen den Menschen erhobenen Vorwürfe richtig wären (und ich kenne den Betreffenden gut genug, um zu sagen, dass sie es nicht sind) ändert sich damit noch nichts an der von ihm erhobenen Kritik - also wird versucht, diese durch ein wenig Schrebergartenpsychologie (der ist ja nur neidisch auf den Erfolg Anderer), Denunziation (der ist gar kein echter Journalist und verdient seinen Lebensunterhalt nicht selbst) und Mokieren über seinen tatsächlich höchst polemischen Sprachstil gar nicht erst wahrnehmbar zu machen. Ich würde das Bildzeitungsstil nennen: Man macht einen Menschen als Menschen zur Sau, um über seine Standpunkte nicht reden zu müssen.

- Mit dem Bloggen ist erstmals in der Medienlandschaft Kommunikation das geworden, was sie dem Wortsinn nach bedeutet: Wechselseitiger Austausch von Informationen. Damit ist die Bloggosphäre dabei, die alte Forderung aus Brechts Radiotheorie, den Konsumenten zum Produzenten zu machen endlich einzulösen. Bürgerfunk, O-Ton-Hörspiel, Mitmach-Sendungen etc. konnten dies technisch bedingt immer nur in kleinen Annäherungen.

JEGLICHE KOMMUNIKATION IN DEN OFFIZIELLEN MEDIEN IST IN WAHRHEIT DISTRIBUTION.

Nun stellen Blogs nicht nur eine Möglichkeit für annähernd jeden dar, selber die eigenen Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen und öffentlich mit anderen auszutauschen, von Anfang waren Blogs vielmehr auch ein Medium von Gegenöffentlichkeit - nicht in dem Sinne wie explizit linke Medien, sondern eher als eine Art Underground und als Möglichkeit, Zensur und Meinungsmache zu umgehen. Ein frühes Beispiel wären etwa die Warlogs des NATO-Jugoslawienkriegs oder auch des letzten Golfkriegs, die eine andere Wirklichkeit abbildeten als die "embedded" publishers.
Ganz unpolitisch entsteht auf manchen Blogs Literatur, die man lesen kann, ohne zu bezahlen oder an der man sogar selber mitstricken kann, und in der Bloggosphäre virtuelle Milieus, die sich teilweise als reale soziale Milieus im real life fortsetzen.

In diesem Sinne sind kommerzielle Blogs, PR-Blogs, Zeitungsblogs, der Einkauf reichweitenstarker Blogger durch Medienkonzerne usw. der Versuch einer Kolonisierung der frei flottierenden Bloggosphäre und die heftigen Watschen, die solche Leute, wenn sie sich allzu dreist benehmen, dafür bei Don et al abholen der legitime Versuch, eigene Freiräume zu verteidigen. Dieser Zusammenhang, der in der bisherigen Debatte wenig Beachtung findet, sollte eigentlich arschklar sein, denn ohne ihn wird das ganze Geschehen unverständlich.Das Kritisieren journalistischer Schlampereien ist bei Boocompany/DCT ja eigentlich das zentralste Anliegen, und die Reaktion vermeintlich oder tatsächlich Betroffener, die darin besteht, allerlei Nebelkerzen abzubrennen, um das Anliegen selbst nicht mehr sichtbar werden zu lassen ein alter Hut
(vgl. hier, es lohnt sich, auch alle Kommentare zu lesen: http://www.boocompany.com/index.cfm/content/story/id/11407/

, doch alte Hüte sind keine Entschuldigung dafür, dass das eigene Treiben nur ein Ziel hat: Kritischer Aufklärung die Spitze zu nehmen, indem man ihre Existenz negiert.

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