Sonntag, 9. September 2007
Politische Grundbegriffe I
Wie angekündigt, habe ich ein wenig im Brunnner/Conze-Koselleck, dem Lexikon der politischen Grundbegriffe, geschmökert und dabei im Wesentlichen meine bisherigen Positionen bestätigt gefunden. Historiker sind gründliche und genaue Menschen, und so handelt es sich um ein Zuschlagewerk im handlichen Schrankformat, gegen das Lexika wie Brockhaus oder Enyclopaedia Britannica so etwas sind wie Disneys Lustige Taschenbücher. Zu Schlagworten wie "Liberalismus", "Konservatismus", "Sozialismus" oder "Rasse" finden sich Begriffserklärungen mit einem Volumen zwischen 5 und 30 Seiten. Der Begriff "Rätekommunismus" findet sich dort nicht, interessanterweise ist dort aber die Kritik Otto Bauers, des Vordenkers der Austromarxisten, am Leninismus wiedergegen, und sie deckt sich teilweise mit der Kritik der Rätekommunisten. Demzufolge habe Marx den Sozialismus als die nächst höhere Entwicklungsstufe der Gesellschaft nach dem Kapitalismus begriffen, die sich nur in den höchstentwickelten kapitalistischen Ländern ereignen könne. Aus diesem Grunde habe Marx seinen Wohnsitz in London, der damals modernsten, zivilisiertesten Stadt der Welt genommen. Dass der Sozialismus ausgerechnet in Russland, der rückständigsten Gesellschaft Europas, hätte realisiert werden sollen, musste demzufolge scheitern, musste auch ein dem Marx´schen Denken wesenfernes bürokratisches Monster gebären, denn die Voraussetzungen für den Sozialismus _ Aufklärung, Industrialisierung, Demokratie, bürgerlichee Zivilgesellschaft -waren ja alle gar nicht vorhanden. Unter diesem Gesichtspunkt wären die Sowjetunion, China, Vietnam, Kuba eigentlich keine sozialistischen Gesellschaften im marx´schen Sinne, sondern Modernisierungsdiktaturen, die versucht hätten, den Vorsprung der kapitalistischen Staaten mit künstlicher Entwicklung ("Staatskapitalismus") aufzuholen. Kein Wunder, dass das schief gehen musste.


Zum Begriff Liberalismus fand ich eine recht kontroverse Darstellung, derzufolge das Eineinsfallen von Freimarkt/Freihandelsvorstellungen und politischem Liberalismus ("klassischer Liberalismus") nur im 19. Jahrhundert als gegeben angesehen werden kann. Im 20. Jahrhundert hat der Wirtschaftsliberalismus hingegen eine Sonderentwicklung genommen. Zielt eine Politik auf niedrige Steuern, wenig regulierte Märkte, eine niedrige Staatsquote und geringen Staatsinterventionismus ab, dann spricht man auch dann von einer liberalen Wirtschaft, wenn der Staat überhaupt nicht liberal, sogar autoritär und repressiv ist. Umgekehrt werden eine wenig repressive Rechts- und Innenpolitik, großzügig gewährte Minderheitenrechte, aufgeklärte Sexualpolitik etc. auch dann als liberale Poltik bezeichnet, wenn die Wirtschaft eines Staates überhaupt nicht liberal ist. Wirtschafts- und politischr Lberalismus klaffen also seit dem 20. Jahrhundert auseinander, bzw. sind zwei verschiedene Begrifflichkeiten, die nicht zwangsläufig miteinander zu tun haben, die sich gegenseitig decken können, aber nicht müssen. Als Neoliberalismus werden dann die liberalen Strömungen der Nachkriegszeit bezeichnet, wie sie durch Eucken, Röpke, Popper, Albert, Topitsch, Dahrendorf und Hayek begründet wurden und als Hauptströmung der Ordoliberalismus ausgemacht. Der Begriff Neoliberalismus, wie ich ihn hier als Ordnungs- und entwicklungspolitisches bzw. auch betriebswirtschaftliches Modell aufgeführt habe

http://rebellmarkt.blogger.de/stories/898796/comments/899104

findet sich dort nicht, wäre aber zumindest anhand der vorgenommenen Unterscheidung zwischen politischem und wirtschaftlichem Liberalismus aus dieser herleitbar. Mir fällt hierzu ein, dass ich den Begriff "Neoliberalismus" mit dieser Sinngebung zum ersten Mal Anfang der 1990er gelesen habe, und zwar ausschließlich bezogen auf Südamerika. Bis dahin kannte ich als Terminus hierfür nur den Begriff Postfordismus.

... link (23 Kommentare)   ... comment


Chavez muss nachlegen
um die Qualitäten seiner prominenten Kritiker zu erreichen: http://gebloggtewelten.de/2007/09/08/da-muss-chavez-nachlegen

... link (0 Kommentare)   ... comment


Ivo im Wunderland
By Lysis und X-Berg: http://lysis.blogsport.de/2007/09/07/ivo-im-wunderland/

... link (0 Kommentare)   ... comment


Der Siegeszug der chinesischen Grammatik
In den 1970ern war blödsinnigerweise Mao Ze Dong beim autoritär-staatsfixierten Teil der damaligen Linken sehr populär, und dementsprechend verbreiteten sich politische Parolen, deren kaputte Grammatik darauf zurückzuführen war, dass es sich um wörtliche Übersetzungen aus dem Chinesischen ins Deutsche handelte. Dies holt uns nun wieder ein, nämlich in den Bedienungsanleitungen von Kameras und elektronischen Geräten. Maos später Sieg?

... link (0 Kommentare)   ... comment


Der Anarchismus der Meere
Ich lernte gerade, das das wohl meistgefürchtetste Meeresraubtier, nämlich der Weiße Hai, sich nicht nur nicht zähmen lässt, sondern fast das einzige Tier ist, das in der Gefangenschaft mit Sicherheit stirbt. Damit bekommt eine allerdings anders geschriebene alte Anarcho-Parole neue Bedeutung: Hai sein-frei sein-Terror muß dabei sein.

... link (0 Kommentare)   ... comment