Donnerstag, 4. Oktober 2007
Was das Klettern angeht
wünsche ich Thomas und Alexander Huber mal ganz verstärkt "Bergheil"!

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Feiern wie die Alten
Heute weiß echt niemand mehr, was eine gute Party ist. Man könnte nostalgisch werden: Bei einem römischen Bacchanal wurde köstlich gespiesen, teilweise etwas kitschig (gegrillter Adler, den man wieder in sein Federkleid gesteckt hatte und der einen gleichartig in sein Fell gehüllten Hasen in den Fängen hielt) und auf für uns heute gewöhnungsbedürftige Weise gewürzt (Hauptgewürz war Garum, eine Paste aus kontrolliert vergammeltem Fisch, von der noch heute zeugt, dass wir ein Gericht, das fertig zubereitet ist, als “gar” bezeichnen, es wurde gegessen bis Unterkante Oberkiefer. Dann deklamierte man Gedichte und musizierte zusammen, wer es sich leiste konnte, engagierte Tänzerinnen, dann wurde getrunken, gekaut und geschnupft, was die Botanik hergab, und dann wurde gefickt (vorzugsweise die Tänzerinnen, wenn mann sie sich leisten konnte). Das griechische Symposion war da geistig etwas gehaltvoller: Zunächst führte man philosophische, historische und naturkundliche Diskussionen auf dem höchsten wissenschaftlichen Niveau der damaligen Zeit, wozu außer veritablen Philosophen und Sophein Jünglinge aus gutem Hause, die auf diese Weise unterwiesen werden sollten, ebenso anwesend waren wie gebildete Hetären (Prostituierte mit akademischem Bildungsniveau). Nach dem Disput wurde sehr viel Fleisch gegesssen, dann wurde getrunken, gekaut und geschnupft, was die Botanik hergab, und dann wurde gefickt, sowohl die Jünglinge als auch die Hetären.

Bei einer ägyptischen Orgie war das Programm so ähnlich, wenn auch weniger akademisch, und der kombinierte Konsum von Laudanum (in Likörwein gelöstes Opium), Haschisch, Bethel, Qat, Kanna und Kokain führte dazu, dass man die ägyptischen Götter life erscheinen sah. Römer, Griechen und Ägypter waren sich einig darin, dass die Festtagsbräuche der Babylonier ausschweifend und ziemlich versaut waren.

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Unser täglich Rassismus gib uns heute, amen
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,508998,00.html

Rassismus-TV für die Quote

Von Stefan Schultz

Trommelnde Afrikaner, spießige Deutsche: Die Doku-Soap “Willkommen in der Nachbarschaft” ist noch schlimmer als befürchtet. Die Brandstifter von RTL II erniedrigen Menschen zu Klischees ihrer selbst und versuchen, mit dumpfem Rassismus Quote zu machen.

Buckow, so heißt ein Vorort Berlins, in dem leicht erkennbare Vorortmerkmale in fernsehgerecht hoher Dichte auftreten: weiße Zäune, Stiefmütterchenrabatten mit Gartenzwergen und Männchen machenden weißen Pudeln, Wohnzimmer mit Landschaftsmalereien an den Wänden und Kaffeekännchen auf dem Couchtisch, ein Gasthof namens Mauerblümchen, in dem zwischen Yuccapalmen elektrische Dartscheiben blinken.

Buckow, so heißt auch der Schauplatz der neuen RTL-II-Doku-Soap “Willkommen in der Nachbarschaft”. Fünf sogenannte Randgruppenfamilien werden hier in den nächsten fünf Wochen auf der Matte stehen, und sich um ein 250.000-Euro-Haus bewerben. Zu den Kandidaten zählen Schwarzafrikaner, Transsexuelle, Punks und Palästinenser. Um das Eigenheim zu gewinnen, müssen sie um die Gunst ihrer spießigen Nachbarn buhlen, denn die entscheiden am Schluss, wer neben ihnen einziehen darf.

Quotenfernsehen also, das die Provokation sucht und auf ein Spannerpublikum spekuliert. Politiker, Medienvertreter und Schauspieler hatten die Sendung bereits im Vorfeld als “diskriminierend” eingestuft. Doch RTL II ließ sich nicht beirren: Gestern Abend um 21.15 Uhr hatte das “Hetz-Fernsehen” (“Bild am Sonntag”) Premiere. Fazit: RTL II betreibt tatsächlich Hetze übelster Sorte, Menschen werden zu Klischees ihrer selbst verkürzt, dumpfe Stereotypisierung wird unkommentiert stehen gelassen.

Multikulti-Liebe aus dem Trommelkurs

Kopa, 41, ist Afrodeutscher, Musiker und Dauerlächler – einen Nachnamen bekommt er von RTL II nicht. Er isst sein Essen gerne in der Hocke, am Tisch zu sitzen, findet er spießig. Er besitzt ein ihm heiliges Batiktuch, einen Koran und eine Bibel. In der Anfangssequenz posiert Kopa vor Leopardenfell, Kongas und Schrumpfkopfpuppen und erklärt RTL II in schleppendem, untertiteltem Deutsch die Geschichte seiner Liebe.

Seine erste Frau Veronika habe er beim Trommelkursus kennen gelernt. Einblendung Veronika: “Hihi, ganz komisch, ich weiß auch nicht so recht, wie das kam.” Die zweite Frau, mit der er schläft und Kinder hat, heißt Haddy, genannt Mama Afrika. Beide Frauen wissen voneinander und akzeptieren die jeweils andere.

Der Rest der Familiengeschichte ist von allen Beteiligten schlecht geschauspielerte Belanglosigkeit. Mama Afrikas Rolle wird sich im weiteren Verlauf der Sendung aufs Kochen, Trommeln und Die-Zukunft-aus-Muscheln-Lesen beschränken. Irritierend ist auch, dass sie, als sie vorgestellt wird, vor derselben Ethnokulisse sitzt wie zuvor Kopa. Dabei liegen zwischen Kopas und Mama Afrikas Wohnungen laut RTL II rund 15 Minuten Fahrradweg.

Auch die Verhältnisse in Buckow sind bei der Ankunft von Kopas Familie klar strukturiert. Damit jeder sofort begreift, wer im sozialen Geflecht welche Rolle spielt, versieht RTL II die Protagonisten mit Typenbezeichnungen aus der Stock-Charakter-Mottenkiste.

In Buckow residieren unter anderem die “Klatschbasen”, drei Enddreißigerinnen, die heimlich in Kopas Sachen herumschnüffeln und Veronica beim Kaffeeklatsch entlocken, dass ihr Mann eine zweite Ehefrau hat. Es gibt die “Augenzeugen”, ein Rentnerpaar auf deren Balkon ein Fernrohr steht, mit dem sie alle Vorgänge auf dem Kiesweg haargenau verfolgen. Und es gibt den pensionierten “General”, der Kopa zum Hecke- und Büscheschneiden verdonnert, weil einige Äste aufs Nachbargrundstück ragen.

“Gemüse für Kopa, statt Brot für die Welt”

Bis zu diesem Punkt ist die Sendung ein dämliches Spiel mit Symbolen und Stereotypen deutscher Spießigkeit und afrikanischer Kultur. Wirklich schlimm wird es immer dann, wenn die dumpfe Schwarzweißmalerei die Grenze zum unkommentierten Rassismus überschreitet – zum Beispiel in der Szene, in der Kopa dem General die Hecke schneidet.

Als der General erfährt, dass Kopa bereits seit 18 Jahren in Deutschland lebt, entfährt es ihm: “Na, ein bisschen besseres Deutsch hätten Sie dann ja ruhig mal sprechen lernen können.” Der General betont, dass man in Buckow Wert auf nachbarschaftlichen Zusammenhalt lege. Das tue man in Afrika auch, erwidert Kopa. “Na, bei euch ist der Zusammenhalt bestimmt noch viel größer, weil ja auch die Not größer ist”, weiß da der General zu erwidern.

Als der General Kopa schließlich zum Dank fürs Heckeschneiden einen Teller Tomaten und zwei Gurken überreicht, setzt RTL II den Rassismusdiskurs sogar auf der Metaebene fort. “Gemüse für Kopa statt Brot für die Welt”, witzelt der Sprecher aus dem Off.

Rassismus ohne erklärenden Kontext

Es sind diese Passagen, in denen man sich fragt, ob sich RTL II eigentlich der Außenwirkung bewusst ist, die es als Massenmedium hat und mit der man gar nicht verantwortungsvoll genug umgehen kann. Offenbar nicht – weder werden die Ressentiments in einen erklärenden Kontext eingeordnet noch werden die Protagonisten in der Erzählung für ihren Rassismus zur Rechenschaft gezogen. Wer sich so verhält, ist ein Biedermann, der die Brandstifter gewähren lässt.

Beendet werden die Ressentiments in der Sendung stattdessen durch ein aufgepfropftes Happy End. RTL II filmt Kopa bei einem Wutausbruch, in dem er einige Bewohner Buckows als Rassisten beschimpft, die weisen den Vorwurf entrüstet zurück. Die Kandidatenfamilie schmeißt daraufhin ein versöhnendes Gartenfest, bei dem die Afrikaner trommeln, die Deutschen tanzen und ein vor Rührung weinender Kopa sagt: “Die Deutschen sind gar nicht böse.”

Wie Recht hat doch der Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss, der im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE gestern forderte: “Die Entwickler der Sendung sollten dazu verdonnert werden, ihre eigene Sendung einen Nachmittag lang auf einem Zeltplatz in Mecklenburg-Vorpommern zu gucken – um zu begreifen, was für Reaktionen sie hervorruft.”

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