Sonntag, 16. September 2007
Mein 11. September
Ich erlebte den 11.09.2001 folgendermaßen: Wir saßen im Team zusammen und gestalteten eine neue Broschüre, die wenige Tage später auf einer Pressekonferenz präsentiert werden sollte. Die L. war für die Grundinformationen zuständig, ich machte Text und die Scribbles für´s Layout, D. lieferte Bildmaterial, S. das Endlayout und die Druckvorstufe. Im Radio kam ein Bericht, demzufolge zwei zweimotorige Kleinflugzeuge in die Türme des World Trade Centers eingeschlagen waren. Wir dachten an Cessnas und Pipers, die vielleicht ein paar Büros verwüstet hatten, und ich meinte "Das waren sicher ein paar islamistische Kittelbrenner". "Der hat aber einen Kittel am brennen" war für uns ein Ausdruck wie "der ist wohl bescheuert". Was wirklich los war, bekam ich erst zuhause mit, als alle vor dem Fernseher saßen und entsetzt das Geschehen verfolgten. Quälend langsam konnten wir in Echtzeit dem Zusammenbruch der Türme zusehen. In der Folgezeit dann Nachdenklichkeit, in den Medien war von Armut in der Dritten Welt die Rede, Leute kauften sich den Koran, man versuchte zu verstehen, was da geschehen war. Auf der anderen Seite Broder im Deutschlandfunk, der von unversöhnlichem Hass sprach und den Islam in Kollektivhaftung für die Attentate nahm. Erstmals erschien er mir als der fanatische Pöbler, als den ich ihn nur noch wahrnehme und als der er mir vorher noch nie in Erscheinung getreten war.

Das erste Plenum. Alle waren betroffen, entsetzt, die Frage lautete "Wie kann sich die Linke dazu verhalten? Was ist unsere Position?" Einer der absoluten Hardcore-Typen sagte, die Linke hätte ein derartiges Attentat nie zustande gebracht, eine antiimperialistische Stoßrichtung hätte diese Aktion ja schon gehabt. Workinglasshero schrie ihn an, was denn an einer Bewegung antiimperialistisch sein sollte, die Afghanistan ins die Barbarei geführt hätte, er wäre froh, wenn die Russen noch da wären, dann gäbe es da zumindest Frauenrechte, es wäre nur sehr ironisch, dass die USA diese Spinner aufgerüstet hätten. Ich meinte, antiimperialistisch wäre nur, was sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung richte, aber kein Massenmord an Unschuldigen und Wehrlosen. Da erwiderte der Typ, das Ganze sei so entsetzlich, dass er nur zynische Sprüche von sich geben könnte, um das Ganze nicht an sich heranzulassen. Es waren wohl Viele ziemlich wirr an diesem Abend.

Ich schrieb dann ein Papier, in dem ich die Taliban als fleischgewordene Kriegsneurose und Bin Laden&Co als durchgedrehte Upperclasssöhne bezeichnete und das reale Geschehen mit dem Oliver-Stone-Film "Ausnahmezustand" verglich. Irgendwo las ich die Bezeichnung "Gucci-Guerrilla" für Leute vom Schlag Bin Ladens, wodurch ich erstmals von der Existenz dieses Labels, von dem ich mir später auch Accessoires zulegte, erfuhr. Dann kam die Phase der paranoiden Verschwörungstheorien, die in Kreisen von Hizbollah bis DKP wohl weiter gepflegt werden.

Wie die Linke mit alldem umgehen soll ist mir bis heute unklar, obwohl ich meine, alle Ursachen zu kennen.

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