Freitag, 5. Juni 2009
Der Wahnsinn des Krieges und die Herrenmenschen
Ich habe gerade Brian De Palmas meisterhaften Film "Redacted" gesehen, der davon handelt, wie völlig verstörte, traumatisierte und orientierungslose US-Soldaten im Irak ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigen und dann sie und ihre ganze Familie umbringen, worauf der Chronist der Ereignisse angeblich oder tatsächlich von Al Qaida ermordet wird. Die Handlung ist fiktiv, aber sehr nahe an tatsächlichen Ereignissen, und als ich das sah, war ich einerseits kurz davor zu heulen, und andererseits in der Stimmung "If I had a rocket launcher, some sons of bitches would die".

In dem Film bezeichnete eine Frau diese mordenden GIs als "Herrenmenschen". Und in der Tat, sie haben sich genau so benommen. Während in Deutschland ein faschistisches Terrorregime durch eine (was die US-Truppen anging) sehr faire Besatzungsmacht abgelöst wurde, wurde im Irak ein faschistisches Terroregime durch eine völlig unfähige Soldateska abgelöst, die die Situation verschlimmbesserte. Es gibt gute Gründe, den Westen zu hassen.

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Interessant ist es einmal zu fragen, warum die Soldaten im Irak oder in Vietnam oder auch auf Kuba 1898 so anders agiert haben als etwa in Deutschland und vielleicht auch Japan oder Korea.

Liegt es an
- den Vorgesetzten
- waren die mit der Besetzung verbundenen Ziele unterschiedlich in Einklang zu bringen mit denen der Bevölkerung?
- empfanden die GIs eher Sympathie für Deutsche, Japaner und Südkoreaner?
- begünstigte ein starker gemeinsamer Feind das Miteinander?
- waren die Soldaten 1945 bzw. Anfang der 50er verantwortungsbewußter als 1898, 1969 oder 2003?

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Zunächst mal war die soziale Zusammensetzung der Streitkräfte unterschiedlich. 1941-45 und 1950-53 war das eine Wehrpflichtigenarmee, die einen Spiegel der US-Gesellschaft darstellte. Das war in Vietnam insofern schon etwas anders, als damals ja der Zeitgeist eher links stand und sehr viele progressiv eingestellte Leute bemüht waren, sich dem Kriegsdienst zu entziehen, wenn die offenen Verweigerer auch Wenige waren. Oliver Stone hatte aber ganz Recht, als er in seinem Film "Platoon" davon sprach, dass die Bodentruppen in vorderster Front in Vietnam den Bodensatz der Gesellschaft stellten. Heute bei einer reinen Berufsarmee ist das noch einmal viel krasser geworden. In den Spezialeinheiten wie z.B. Rangers sind relativ viele Leute mit Highschool- und College-Abschluss, aber bei der US-Army-Infantry häuft sich das Subproletariat. Die bezeichnen sich sogar teils selber als "Scum" oder "Trash".


Ansonsten sind/waren die im Irak auch noch in einer speziellen Situation:

http://che2001.blogger.de/stories/468568/comments/468914

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Erinnert man sich noch an den 80iger-Hit von Paul Hardcastle *19* ?

(Aus der Erinnerung:) "In world war II, the average age of the combat soldier was 26. In Vietnam he was 19."

Unterschiede:
- In Vietnam wurde kritischer berichtet... einige Sauereien aus Welt- oder Koreakrieg wurden sicherlich nicht berichtet/beachtet. Im Irak würde ich noch von Einzelfällen ausgehen
- In Vietnam spielen BTM eine größere Rolle als in den 40iger und 50igern
- Im Irak- und Vietnamkrieg war/ist ein Guerillakrieg im Gange, der reine Infanterieeinheiten eher psychisch überfordert ... (wie war noch gleich kill ratio Anfang des Jahres ?)
- Gegen Japan gab es überraschend wenige Bodenkämpfe ... die wurden in der Masse mit Eliteeinheiten der Marines ausgefochten. Es waren harte aber dennoch "kriegskonforme" Kämpfe.

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Ich fand das immer so tragisch-absurd an dem ganzen Irak-Schlamasel:
Zum einen *ist* der Vietnam-Krieg ein stark traumatisches Erlebnis für die amerikanische Gesellschaft. Und dann stürzt man sich 30 Jahre später in einen irgendwie ähnlichen Wahnsinn.
Und sowas kann einfach nicht "gewonnen" werden...

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Herold, danke für die Ergänzungen. Einen Punkt sehe ich allerdings etwas anders: "In Vietnam spielen BTM eine größere Rolle als in den 40iger und 50igern" --- Das stimmt nur bedingt, aber es waren andere BTM, und daher spielten sie eine andere Rolle. In WW II wurden Piloten, besonders die Piloten der nachts operierenden RAF-Bomber, mit Speed (Pervitin, Preludin, also frühe Amphetamin-Derivate) wach gehalten, Drogen die in den 60ern dann als Schlankmacher und Partydrogen Furore machten. Die Beatles kickten sich damit, bevor sie Haschisch entdeckten. In Korea wurden diese in WW II nur für die elitären Flieger ausgegebenen Drogen, inzwischen um reines Amphetamin und Ephedrin ergänzt, dann auch an die gewöhnliche kämpfende Truppe ausgegeben, vor allem als Fitmacher für Gewaltmärsche und um nächtliche Gefechte durchzustehen. Das gleichzeitige Einschmeißen von Speed und Tranquilizern im Gefecht (was sehr schnell zu Paranoia, aber auch absoluter psychischer abstumpfung führen kann) und das Haschisch Rauchen zur Entspannung in der Freizeit kamen dann in Vietnam völlig neu auf. Mit dem Heroin, man war ja nicht weit vom Goldenen Dreieck entfernt kam dann allerdings eine völlig neue Qualität von Rausch. Ich vermute mal, dass es ohne den Vietnamkrieg kein Heroinproblem in den USA und Westeuropa gegeben hätte, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.


Und dann muss man natürlich auch sehen, welche enormen Mengen Wodka den Wachmannschaften der Vernichtungslager verabreicht wurden und was Rotarmisten so soffen.

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Warum nun ausgerechnet deutschen oder unter deutschem Kommando stehenden Soldaten Wodka verabreicht worden sein soll ....

... aber so haben wir auch gleich über Vernichtungslager gesprochen.

Pervitin & Co. sind nicht nur Bomberbesatzungen, sondern vor allem Jagdfliegern verabreicht worden (Hallowach bei Marinefliegern ?) ...die sind allerdings eher selten mit Vergewaltigungen aufgefallen.

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Wie hätten die das auch machen sollen, Geschlechtsverkehr mit dem Richtschützen des Feindbombers im freien Fall vielleicht? Hallowach kommt schon hin, und ich erinnere mich dunkel, dass auch Schokakola einen solchen Ursprung hatte. Wodka war in Treblinka oder Sobibor leichter aufzutreiben als deutscher Doppelkorn.

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Lasse 100.000 Soldaten monatelang in der Gluthitze einer Wüste exerzieren. Isoliere sie, schikaniere sie, stachele sie auf. Sonst wäre die Combat Police ja komplett überflüssig...

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Was im klebrigen Dschungel Vietnams auch nicht viel anders war. Und "Die 8. Kompanie" zeigt den Afghanistan-Horror aus russischer Sicht ja auch ganz gut.

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