Samstag, 31. Oktober 2009
Landkreis Emsland toppt alles - Abschiebung von Kindern unter merkwürdigen Umständen und am Rande der Legalität
Zum Fall der abgeschobenen Serdana B. hat jetzt ihre Anwältin Kerstin Suschowk Stellung genommen und den Landkreis Emsland scharf kritisiert. Die Meppener Juristin war kurzfristig am Tag der Abschiebung mit dem Fall betraut worden, weil der eigentlich mit der Sache beschäftigte Anwalt aus Münster im Urlaub war.

Suschowk kritisiert „vom Landkreis aufgeführte Unwahrheiten“. Der Landkreis hatte erklärt, das Verwaltungsgericht Osnabrück habe einen Eilantrag von Suschowk auf Abschiebestopp abgelehnt.

Die Anwältin schreibt, es sei erstens zwar richtig, dass sie am Tag der Abschiebung um 11.54 Uhr einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht Osnabrück gefaxt habe, gleiches gelte für eine Vollmacht von der Familie, bei der sich Serdana aufgehalten habe. „Nahezu zeitgleich um 12 Uhr und damit circa 90 Minuten vor dem Abflugtermin um 13.28 Uhr wurde auch der Landkreis Emsland unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung davon in Kenntnis gesetzt, dass ein Eilantrag an das Verwaltungsgericht Osnabrück gestellt wurde und sich die Eltern von Serdana B. nicht im Kosovo befinden.“

Allerdings habe das Verwaltungsgericht die Vollmacht des Ergänzungspflegers von Serdana B., eines Meppener Rechtsanwaltes eingefordert, „die dieser mir trotz wiederholter Aufforderungen aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht erteilt hat“.

Zweitens habe sich die „Eilbedürftigkeit, die der Landkreis in dem Artikel moniert, durch die Abschiebetaktik des Landkreises (Abholung einer Minderjährigen um 5 Uhr) selbst ergeben. Nach Angaben des Landkreises habe eine Abschiebeverfügung nicht vorgelegen. Es stelle sich die Frage, warum quasi in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ seitens des Landkreises gehandelt worden sei.

Es stehe fest, dass die Anwaltskanzlei aus Münster, die die Familie von Serdana seit eineinhalb Jahren vertrete, „trotz beantragter Akteneinsicht diese nicht erhalten hat“, sondern dass die Abschiebung hinter ihrem Rücken und unter ‚Verletzung des rechtlichen Gehörs‘ vorbereitet und letztendlich auch durchgeführt worden ist.“

Fakt sei drittens, dass der Landkreis Emsland die Abschiebung der nicht von öffentlichen Mitteln lebenden Minderjährigen in ein Land, „in dem sich deren Eltern definitiv nicht aufhalten, hätte stoppen können, was dieser aber offensichtlich unter Nichtbeachtung einer Monate zuvor abgegebenen entsprechenden eidesstattlichen Versicherung der Verwandten der Serdana B. nicht gewollt habe. Anwältin Suschowk fragt sich, warum dies so geschehen sei.



Kreis Emsland 26.10.2009
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„Hätten uns klärendes Gespräch gewünscht“

tb Meppen.
Im Fall der in den Kosovo abgeschobenen Serdana B. sind sowohl der Landkreis Emsland als auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen mit Erklärungen an die Öffentlichkeit getreten.

Nach eigenen Angaben hat die Kreisverwaltung die Eltern des Mädchens inzwischen in Belgien ausfindig gemacht, wo sie sich seit Mai 2009 mit fünf minderjährigen Kindern als inzwischen abgelehnte Asylbewerber aufhielten. Die Familie sei seit dem 20. Oktober ausreisepflichtig und müsse in die Republik Kosovo zurückkehren, wo die Familie nun zusammengeführt werde.

Der Landkreis Emsland habe die 16-Jährige „aufgrund einer Ausreiseaufforderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ am 28. September in die Republik Kosovo zurückgeführt. Unter den damals bekannten Umständen sei die Abschiebung des Mädchens eine „Rückführung zu ihren Eltern“ gewesen. „Erst 50 Minuten vor dem Abflug“ sei „durch eine Rechtsanwältin ein allgemeiner Hinweis“ gegeben worden, „dass sich die Eltern nicht mehr im Kosovo, sondern in Belgien aufhalten sollen“. Dieser Hinweis habe „aufgrund der Kürze der Zeit und der Ungenauigkeit der Angaben“ nicht überprüft werden können. „Das Verwaltungsgericht hat die Abschiebung trotz Eilantrags nicht gestoppt.“

Der Landkreis bedauere es sehr, dass weder die Familie in Twist, bei der das Mädchen wohnte, noch die Rechtsanwälte den Landkreis Emsland über den Aufenthaltsort der Eltern in Kenntnis gesetzt hätten, heißt es. Dass diese beteiligten Personen den Ort nicht gekannt haben sollten, erscheine wenig nachvollziehbar.

Landrat Hermann Bröring würdigte in seiner Erklärung das ehrenamtliche Engagement der in diesem Bereich Tätigen und bat um eine konstruktive Zusammenarbeit. „Dies hätte auch in diesem konkreten Fall zu einer Neubewertung der Situation geführt.“ Er weist darauf hin, dass pauschalierte Schuldzuweisungen nicht angemessen seien; jeder einzelne Fall sei differenziert zu betrachten.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat derweil mitgeteilt, das abgeschobene Mädchen halte sich in Nord-Serbien bei entfernten Verwandten auf. Man habe mit Serdana sprechen können und schätze sie als „offensichtlich selbstmordgefährdet“ ein. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass sie früher gezielte „geschlechtsspezifische Verfolgung“ erlitten habe. Mit Rücksicht auf die Familie wolle man nicht konkreter werden. Dem Landkreis Emsland sei schon 2008 bekannt gemacht worden, dass Serdanas Eltern nicht mehr im Kosovo seien – eine Familienzusammenführung sei also nicht möglich gewesen. Mit den Fluchtgründen des Mädchens habe sich niemand eingehend beschäftigt.

Zudem habe die beteiligte Meppener Anwältin keinen rechtswirksamen Eilantrag auf Abschiebestopp stellen können, da ihr die dazu notwendige Vollmacht nicht erteilt worden sei (wir berichteten). Der Eilantrag sei aus formalen Gründen gar nicht erst angenommen worden.

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