Freitag, 27. August 2010
Die ach so lustigen KollegInnen
In einer Firma, in der ich lange gearbeitet hatte gab es einen schwulen Kollegen. Der war in der Schwulenszene viel unterwegs und ein ziemlich bunter Hund. Von den MitarbeiterInnen seiner Abteilung bekam er jeden Montag morgen ein "Geschenk" in sein Brieffach gelegt. Das war mal eine Tube Gleitcreme, mal eine Packung Kondome, mal ein Schwulenporno, mal eine besonders süße Süßigkeit. Er steckte das stets mit einem breiten Grinsen ein. Ich hatte ihn mal gefragt, ob ihm das nichts ausmache, ich an seiner Stelle würde mich tierisch verarscht fühlen, er aber meinte, nein, er fände das lustig, außerdem könne er die Geschenke tatsächlich gebrauchen. Die gleichen lustigen KollegInnen redeten eine vietnamesische Mitarbeiterin mit "Mjam Mjam" und einen Schwarzen mit "Chakalaka" an. Warum macht man so etwas? Warum lässt man so etwas mit sich machen?

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Zur letzten Frage:
Ist halt die Frage, ob es eine(n) weiterbringt, sich dergleichen zu verbitten und (in den Augen der Kollegen) die Spaßbremse zu geben. Schwierig.

In einer Redaktion, in der ich teilzeitete, driftete eine nachfeierabendliche Debatte zur Frage, ob es statthaft ist, einen Begriff wie Negerkuss zu verwenden, sehr ins Unlustige ab. Die, ähem, stärker pigmentierte Jungkollegin legte sich da ziemlich engagiert und emotional ins Zeug und galt fortan bei etlichen KollegInnen als nervige Krampfhenne, die sich lieber in ihrem Opferstatus suhlt anstatt sich mal bisschen locker zu machen und Souveränität zu entwickeln. Da ich an dem fraglichen Abend nicht dabei war kenne ich die Geschichte freilich nur aus zweiter Hand, aber dass es danach bei der Arbeit in dem Ressort ziemlich krampfig blieb, war für mich schon recht deutlich zu spüren.

Vielleicht hatten Deine vietnamesischen und schwarzen Ex-Kollegen um des lieben Betriebsfriedens Willen einfach keine Lust, dieses Fass aufzumachen.

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Irgendwie muss ich da an den "besonders krassen" Humor in deinem Bekanntkreis denken, von dem Du manchmal berichtest. Wenn die lustigen KollegInnen auch entsprechende Antwortwitze vertragen, dabei Humor zeigen und vielleicht selbst lachen, dann ist das doch in Ordnung. Wenn nicht, sollte man es nicht mit sich machen lassen.

Mein Beispiel dazu ist immer: Ich bin in einem Kegelclub, in dem es sehr derb zugeht. Jede Besonderheit, jede Unzulänglichkeit ist Ziel von Witzen, oft auch Sex-orientierten. Jeder teilt mal aus, jeder steckt mal ein, aber wir sind doch alle Freunde.

Und als ein Kegelbruder mal sagte "Ich hab' ja kein Problem mit euch, aber ich möchte mir euch beim Sex nicht ansehen und auch nicht vorstellen" gab ich einfach zurück: "Glaubst Du, irgendjemand hier möchte dich und deine Frau beim Sex beobachten?". Zu allgemeinem Gelächter.

Der Einarmige erzählt die meisten Einarmigen-Witze, der Dicke kennt jede Menge Witze über Dicke... so ist das für uns okay.

Einseitig würde ich mir das aber verbitten. Und sicher nicht mitlachen.

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Der besonders krasse Humor in meinem Freundeskreis hat aber einen deutlich anderen Charakter, weil da Spaß mit rassistischen Klischees und in einer bestimmten Szene zwanghaft zelebrierter politischen Korrektheit getrieben wird, eben von den undeutsch Aussehenden selber zum großen Teil, während hier nur eigentlich sinnlose Neckerei getrieben wurde, und zwar als monatelanges Dauerprogramm.

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Das ist mir schon klar, der Unterschied. Darum habe ich ja auch mein Beispiel gebracht, das dem näher kommt und für mich und alle Beteiligten okay ist.

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schon sonderbar.

als ich einmal im südbadischen arbeitete (in bin praktizierender und bekennender schwabe und die mag der südbadener gar nicht, ein guter teil seiner identität besteht darin, diese seine aversion geradezu zu zelebrieren), begann der tag mit einem schwabenwitz. nun, ich bin einer, unverkennbar, und trotzdem störte mich das nicht.
entweder gab ich noch einen schwabenwitz drauf: "wieviele schwabenwitze gibt es? - keinen einzigen, das ist alles weissgott wahr!" oder ich konterte mit einem badenserwitz, die gibt auch, wenn auch sehr viel weniger.

wohingegen ich die begriffe wessi und ossi überhaupt nicht abkann, vor allem dann, wenn ehemalige mitläufer des ddr-regimes, gerne ehemalige blockflöten, vom wessi reden.
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gewisse schreiberlinge, vor allem in den alten bundesländern (neulich erst wieder in der süddeutschen, glaube ich), meinen wohl, das seien neutrale oder ironische begriffe. vermutlich sind das dieselben, die sonst ihre pc mit löffeln gefressen haben (vielleicht stehts auch nur im redaktionsstatut, dass es schaumkuss, sinti und roma und mitbürger mit immigrationshintergrund heissen muss).

die mauer ist seit zwanzig jahren geschichte und die mauer in den köpfen ist ein konstrukt derer, die davon profitieren.

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Du selbst sagst doch, dass man den gelernten Ossi erkenne. Ich jedenfalls habe viele recht einschlägigeErfahrungen mit leuten, die noch in der DDR großgeworden sind und die auf einen Nenner zu bringen schwer ist, es lässt sich sehr wohl aber sagen, dass das andere Mentalitäten sind als im Westen.

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ich spreche von gelernten ddr-bürgern, wenn ich menschen meine, deren sozialisierung in der ddr stattfand.

allerdings gilt es, da wie dort, herkunft, alterstypische kohorte und, vielleicht am wichtigsten, den zeitraum der sozialisation zu berücksichtigen.

übrigens gibt es auch im westen unter berücksichtigung der obigen drei kriterien durchaus unterschiedliche mentalitäten.
so auch im beitrittsgebiet.

zur erläuterung:
ossi kann im osten der republik beleidigend gebraucht werden, wenn eine unergiebig rückwärtsgewandte haltung bezeichnet werdne soll, der gegensatz wäre der wendehals.
wessi wird im osten der republik stets abwertend für einen asozialen, ausschliesslich dem unmittelbaren und momentanen eigeninteresse verpflichteten menschen gebraucht, welche handlungweisen für die bewohner der alten bundesländer bekanntlich typisch und allgemein verbreitet sind.

man könnte sogar noch weiter gehen, und den gegensatz ihr betrügerischen wessis - wir ehrlichen ossis im gegensatz der gerissene und schlaue jude - der ehrliche deutsche vorweggenommen sehen.
interessant in dem zusammenhamg auch die vorwürfe im tzusammenhang mit dem sog. sachsen-sumpf, wonach sich staatanwälte und andere hohe beamte, aus dem westen natürlich, in illegalen bordelllen mit minderjährigen prostituierten vergnügt hätten.

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Man sollte es nicht für möglich halten nach 20 Jahren Vereinigung, aber ich erlebe da immer wieder seltsame Sachen. Vor ein paar Wochen etwa war ich Zeuge eines Autounfalls, bei dem die Geschädigten aus Leipzig kamen und sagten "immer trifft es uns Ossis". Ich hätte es nicht geglaubt, hätte ich es nicht selber erlebt. Und weit verbreitet die Abneigung, in der Öffentlichkeit, z.B. einer Kneipe, über persönliche Dinge zu reden, das ist noch die "Stasi-sitzt-am Nebentisch-und-hört-mit"-Mentalität, und ebenso ein hochproblematisches Verhältnis zum Sich gegenseitig Geld pumpen, sobald eine Person Ossi und die andere Wessi ist, so nach dem Motto "der Wessi will mich über den Tisch ziehen". Stefanolix kann ja mal schildern, ob es in seiner Umgebung so etwas auch gibt oder ob ich da nur sehr spezielle Leute kennengelernt habe.

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Interessant, weil mir das die ganze Zeit schon im Kopf herumschwirrt. Wenn man noch vor der Wende im Westen Abitur gemacht und studiert hat, dann war man auf allen möglichen Trips, aber nicht auf dem, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen, egal wie, egal gegen wen. Im Gegenteil.

Zum Beispiel hat sich mehr als die Hälfte meines Jahrgangs in Ökonomie im Hauptstudium für die Hauptthemen (mein Vertipper gerade war theken statt themen...) Soziologie und ökonomische Psychologie entschieden, und nicht für Steuer, Management oder Marketing.

Auf die Idee, dass man halbwegs legal innerhalb von fünf Jahren ein Millionenvermögen anhäufen kann, aus dem nichts heraus, auf die kam kein Mensch. Das haben wir erst staunend aus Russland, Polen, Tschechien, Bulgarien usw. gehört.

Auf der westlichen Seite der Mauer stand auch nicht: "Ab hier treffen sie Leute, die der Fernsehwerbung glauben". Klingt nicht nett, ich weiß; ich saß aber in den ersten Jahren nach der Wende in Ostbetrieben in endlosen todlangweiligen und unergiebigen Besprechungen. Bis ich fragte, ob sie irgendeine Idee hätten, wie man einen Preis kalkulieren kann. Nö, sagten sie da, keine Ahnung. Pardon, wußte ich nicht, zumal das meine Großmutter konnte, die es in ihrem Leben auf kaum sechs Schuljahre brachte.

Allerdings ist auch mein Eindruck, dass sich nicht die Neugierigen zuerst im Osten umgesehen haben, sondern eher die ohne 'neu'.

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Als wir uns ganz kurz nach der Wende im Osten umsahen taten wir das, weil die Buchhandlungen dort die Werke von Marx und Engels, aber auch naturwissenschaftliche Werke und Mathebücher russischer Autoren (Bronstein/Semendjajew zum Beispiel) auf den Müll warfen. Das waren schon wilde Zeiten.

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vielleicht kann man es als schwabe in baden bewitzelt aushalten, weil es keine wirkliche hegemonie in diesem verhältnis gibt. also zumindest nicht mehr als zwischen rheinländern und westfalen. (wobei diese geschwätzigen rheinländer also doch wirklich... na gut, lassen wir das;-)

die "ossis" und die "wessis" sind ja hier schon ganz hübsch aufgerollt.
ein freund, bekennender westdeutscher kommunist zudem, wurde seinerzeit abgeordnet um lpg's zu privatisieren und kam mit der erkenntnis zurück, während dieser zeit habe man viel über kolonialismus lernen können.
das sitzt wohl tief.
(die geschichte vom autounfall ist super!)

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Jetzt habe ich eine Stunde über die letzte Frage nachgedacht und komme zu keinem Ergebnis.

Ich hatte zwei Lagerarbeiter, einen türkischen und einen deutschen. Der türkische war zuverlässiger und trank weniger, aber was soll es. Der deutsche hatte immer seltsame Beleidigungen als Anrede für seinen Kollegen, die meisten davon kannte ich gar nicht richtig.

Das lief so, bis ich den deutschen am Kragen packte, an die Wand drückte, und ihm erklärte, dass er seinen Kollegen ab sofort bei seinem Namen nennen soll. Danach war Frieden. Der war zu lahmarschig, sich überhaupt zu wehren.

Wahrscheinlich ist das Gedankenlosigkeit, die dem vorhandenen Rassismus und Nationalismus Raum bietet.

Die Vietnamesen zum Beispiel galten als fleißig, obwohl ich das von den Zahlen her nicht bestätigen kann.

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Ja, sich Einmischen, nicht geschehen lassen ist fast immer die richtige Devise.

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hm
wenn die firma die firma ist, von der ich denke, dass sie die firma ist (hahaha) so kann ich nur sagen: ich hab mal in einer ähnlichen gearbeitet und auch dort fand man solche spielchen "lustig". da hilft's auch wenig, den betriebsrat wegen diskriminierung oder mobbing einzuschalten weil der ist teil des systems. man kann den schwulen kollegen nur beglückwünschen, dass er die attacken offenbar unbeschwert ins leere laufen lassen konnte.

ich persönlich habe mal erlebt, wie ein "Chakalaka" seinen "meister" krankenhausreif geschlagen hat, nachdem der ihn wiederholt einen "nigger" genannt hat. am ende wurden beide fristlos entlassen.

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Seltsam. Der Paketfahrer (Amerikaner) kam immer strahlend rein: Nigga iz here.

Ist das vorauseilende Unterwerfung? Er wußte, dass ich schwarze Musik mag, hat durch mich von Schooly D und Kool Moe Dee gehört.

Gleichzeitig hat er jedem stolz ein Bild seiner wunderschönen, blonden deutschen Freundin gezeigt.

Außer, daß ich das alles nicht versteh, kapiere ich es nicht.

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Niggaz with attitude
Das ist der besagte sehr spezielle Humor, den bestimmte people of colour öfter pflegen. Habe nie so viele schräge Witze gehört wie in der Zeit, als ich selber hauptberuflich in der Flüchtlingsarbeit beschäftigt war. Bei einem Polizeiübergriff auf Kurden tanzten diese um den Streifenwagen herum, klatschten in die Hände und skandierten "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!".

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kommt immer drauf an. wer gegenüber wem.

ein polizist kann sich im kleinen kreis schon mal als bulle vorstellen.
wer einen polizisten im dienst als bulle bezeichnet, es kann schon geld kosten, ärger obendrein.

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Das erlebe ich bei Jugendlichen.
Böse Bemerkungen über die Herkunft, Türke oder Russe, über das Aussehen, über die sexuelle Orientierung gibt es öfter.
Große Interventionen nutzen da nichts.
Sie sagen meist, dass es denjenigen nichts ausmache. Es sei ja nur Spaß.
Wenn es passt, frage ich dann aber nach im Einzelgespräch. Und ich erfahre von ihnen, dass sie denken, das eben ertragen zu müssen, und gute Miene zum bösen Spiel machen.

So versuche ich, ebenfalls humorvoll zu kontern.
Zur Zeit sage ich einfach "Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde."
Scheint meist ein Treffer zu sein. Sie gucken betreten.

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