Mittwoch, 27. März 2024
Kennt jemand Dana von Suffrin?
Mit der hörte ich gerade im DLF ein Interview zu ihrem neuen Roman "Noch mal von vorne", das mich einigermaßen nervte. Es fing schon an mit dem leierig-näselnden Tonfall, in dem sie redete und der Art und Weise, wie sie sehr spezifische persönliche Erfahrungen als Allgemeinplätze voraussetzte, was sich laut der Romanbesprechung scheinbar bei ihr als roter Faden durch ihr Werk zieht. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass sie an allen möglichen Stellen, wo das semantisch wenig Sinn ergab, "genau" sagte. Seit etwa 2 Jahren bemerke ich ja, dass jüngere Leute inflationär häufig "genau" und "keine Ahnung" sagen, womit sie ja wohl offenbaren, dass sie genau: keine Ahnung haben.

Als sie sich dann noch über den sehr langen Zeitraum ausließ, den sie zum Schreiben dieses Romans gebraucht hatte und von einem euphorisierendem Glücksgefühl sprach, wenn sie mal 10 Seiten am Stück geschrieben hatte wurde mir klar: Das war kein Interview mit einer Schriftstellerin über ihr Schaffen, sondern eher ein Therapiegespräch über Schreibblockaden;-)

... comment

 
Ihr Buch kenne ich nicht. Schlimm wird es immer dann, wenn Schriftsteller in Interviews ihren Befindlichkeitskram übers Publikum ergießen, statt über ästhetische Prozesse zu sprechen. Ich mache mittlerweile solche Sendungen, die ich eigentlich nur beim Autofahren höre, aus und schalte mir lieber Musik ein.

Daß ein Autor seine privaten Bezüge irgendwie in Literatur bringt, würde ich nicht per se als schlecht werten - nur kann man eben in der Tat persönliche Erfahrungen nicht verallgemeinern. Erzählen (als gelungene Literatur) ist ja genau die große Kunst, etwas sehr Spezielles und Individuelles in ein Allgemeines zu transformieren und trotzdem in Stil und Schreibweise das Spezifische zu belassen. Gekonnt und viruos haben diese subjektiven Erfahrungen Autoren wie Clemens Meyer in "Als wir träumten" (2006) und in neuerer Zeit Tonio Schachinger in "Echtzeitalter" verarbeitet. Und auch Lutz Seilers Bücher zur DDR haben mir gut gefallen. Sprachlich wie auch vom Sujet her.

Leider ist es bei solchen Interviews Mode, daß der Interviewer hier eher noch dem Affen Zucker gibt und solche Therapiegespräche inszeniert, weil er gerne was "Privates" hätte, anstatt das Gespräch in die Bahnen der Ästhetik zu lenken.

... link  

 
Die Rezensionen und Lesungen im DLF sind meistens gut, entsprechend war meine Erwartungshaltung an diesen Beitrag, die schon nach ein paar Sätzen enttäuscht wurde.

Dabei hat die Autorin zum Thema aktueller Antisemitismus in der deutschen Kulturszene Wahres und Zustimmenswertes geäußert:

https://taz.de/Autorin-ueber-Judenhass-in-der-Literatur/!5969820/

... link  

 
Hatte auch nochmal die Hintergründe zu ihr geschaut und finde die Themen ihrer Bücher zunächst mal spannend. Und in dem verlinkten Interview sagt sie sehr richtige und wichtige Dinge - gerade auch über den Kulturbetrieb.

Schade insofern, daß das DLF-Gespräch dann derart verunglückt lief. Leider ist das oft so, wenn es um Schreibprozesse geht. Das ist halt immer auch eine individuelle Sache. Um da genaueres wissen zu wollen, muß mich ein Schriftsteller schon sehr interessieren.

... link  

 
Vielleicht ist ihre Stärke ja einfach das Schreiben und das strukturierte Gespräch nun eben nicht.

... link  

 
Hochinteressant die Kommentare unter dem taz-Beitrag, insbesondere dieser hier: "Danke für den Hinweis auf die 3D-Regel, kannte ich nicht.

Mit "Schwarz-Weiß-Konsens" meine ich, dass es im Moment sehr schwierig ist, differenzierte Debatten ohne Vor-Unterstellungen zu führen. Dein Kommentar ist ein gutes Beispiel; Worte in den Mund gelegt.

Es muss doch möglich sein zu fragen, ob die flächendeckende Bombardierung von zivilen Stadtgebieten eine angemessene Reaktion auf einen abscheulichen, in seinem Ausmaß historischen terroristischen Akt darstellt.

Kein Vergleich, aber auffallend: Ist uns 2003 mit dem Irakkrieg anders gelungen.

Können wir nicht unserer historischen Verantwortung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens gerecht werden und gleichzeitig kritisch hinterfragen, was ein Land auf dieser Welt so tut? Wäre das nicht vielleicht sogar die angemessenere Übernahme von Verantwortung, als allenthalben uneingeschränkte Vorschuss-Solidarität auszusprechen?

Dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland momentan bedrohter fühlen als sonst und sowieso, ist entsetzlich!

Mich irritiert einerseits, dass man das vorausschicken muss. Und ich erlebe eine gewisse Dysbalance bei der Forderung nach Solidarität für die einen, und dem anhaltenden Ausbleiben von Aufmerksamkeit für die andere Sichtweise.

Wenn wir einerseits der einen Gruppe nicht genügend Schutz gewähren, ihre schlimmsten Befürchtungen bestärken, mit furchtbar Vertrautem konfrontieren, das Gefühl vermitteln, nicht willkommen zu sein - die andere Gruppe gleichzeitig als Täter und Problem stigmatisieren, ghettoisieren, das Gefühl vermitteln, nicht willkommen zu sein... Haben dann vielleicht nicht vor allem wir als Gesellschaft verloren und diejenigen gewonnen, von denen wir es verhindern sollten?

Bitte nicht falsch zitieren, "Gefühl" kommt bei mir nicht vor."

... link  


... comment