Samstag, 13. Mai 2006
Der Sozialismus der Deutschen Bank
che2001, 02:41h
Soviel Aufregung um mein letztes Posting, so viel Parolen, die ich als Klischees zu hörengewohnt bin. Neuer Mensch, Negation von Egoismus? Da zitiere ich mal einen Klassiker:
"Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen, nämlich, daß sich vieles ändern läßt, bloß nicht die Menschen."
(Karl Marx)
Wenn ich schrieb, dass ich es in bestimmten historischen (revolutionären) Situationen gut finde, wenn streikende Arbeiter (das können auch Angestellte oder sonstwie abhängig Beschäftigte sein) ihr Unternehmen besetzen, für enteignet erklären und die Produktion auf eigene Faust weitwerführen, so meinte ich damit, dass dies die einzige Form von Enteignung ist, die ich akzeptiere, im Gegensatz zu Enteignungen, die von einer Staatsmacht durchgeführt werden. Die autonome dezentrale proletarische Aktion stand hier für mich im Vordergrund. Das heißt nicht, dass es zwangsläufig so kommen muss oder ich das unbedingt so will. Was ich grundsätzlich für erstrebenswert halte, ist eine Gesellschaft, in der es ein garantiertes Mindesteinkommen ohne den Zwang zur Arbeit gibt, und eine Gesellschaft, in der der genossenschaftliche Sektor und die Arbeitnehmerbeteiligung sowohl an Unternehmensgewinnen als auch Unternehmensentscheidungen im Mittelpunkt stehen.
Btw., ich hatte da kürzlich auf einer Party ein sehr interessantes Gespräch mit einem Manager der Deutschen Bank, höheres Tier. Er wusste, wo ich stehe, und meinte, auch er sei für Sozialismus, gerade weil er als Finanzfachmann die Hintergründe kenne, wüsste er, dass es gar keine Alternative gäbe. Und dann entwarf er ein faszinierendes Szenario: Die Produktivität unserer Wirtschaft hängt mit ihrem hohen Grad an Rationalisierung zusammen, die immer schneller geht. Zwangsläufig kommt es dabei zu immer mehr steigender Arbeitslosigkeit; der Großteil der heutigen Arbeitslosen ist arbeitslos, weil sie in der Produktion, der Verwaltung und sehr bald dem Management (das mittlere Management ist eine Berufsgruppe, die demnächst fast komplett aussortiert werden dürfte) nicht mehr benötigt werden, es ist gesellschaftlich erwünscht, dass sie arbeitslos sind, weil nur dies Profitraten sichert. Also müsse man sie dafür bezahlen, dass sie nicht arbeiten. Arbeit als ausschließliche oder hauptsächliche Grundlage des Lebensunterhalts sei ein historisches Auslaufmodell. Statt dass man den HartzIV-Empfängern auch noch ihr angespartes Vermögen wegnehme, sollte man ihnen zusätzlich zum Arbeitslosengeld oder sogar stattdessen Aktienpakete und GmbH-Anteile geben, alle Kleinsparern zu Gesellschaftern machen. Mittelständischen GmbHs und KGs würde durch weite, vom Staat geförderte Streuung zusätzlicher Gesellschaftsanteile frisches Risikokapital verschafft, vom Weltkonzern bis zum Mittelständler könnte aus der Wirtschaft der Gewinn in die gesamte Gesellschaft zurückfließen, und Publikumsgesellschaften wie BASF, Deutsche Bank oder VW würden durch weiteste Aktienstreuung tatsächlich zu volkseigenen Betrieben, ohne ihre Dynamik zu verlieren.
Gut, mit meinen Vorstellungen eines revolutionären Sozialismus hat das nichts zu tun, aber es war ein sehr interessantes Gespräch. Ich hatte ja schon öfter festgestellt, dass es in den Kreisen helle Köpfe gibt; Herrhausens Vorschlag, der Dritten Welt die Schulden zu erlassen, war ein Beispiel dafür.
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che2001, Freitag, 12. Mai 2006, 19:08
Wie meistens, auch-einer, geht Dein Beitrag in eine erhellende Richtung - und ich denke da gerade an meine IT-Erfahrungen mit nichtnur einem sehr unhierarchischen, chaotischen und liebenswerten Unternehmen...
"Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen, nämlich, daß sich vieles ändern läßt, bloß nicht die Menschen."
(Karl Marx)
Wenn ich schrieb, dass ich es in bestimmten historischen (revolutionären) Situationen gut finde, wenn streikende Arbeiter (das können auch Angestellte oder sonstwie abhängig Beschäftigte sein) ihr Unternehmen besetzen, für enteignet erklären und die Produktion auf eigene Faust weitwerführen, so meinte ich damit, dass dies die einzige Form von Enteignung ist, die ich akzeptiere, im Gegensatz zu Enteignungen, die von einer Staatsmacht durchgeführt werden. Die autonome dezentrale proletarische Aktion stand hier für mich im Vordergrund. Das heißt nicht, dass es zwangsläufig so kommen muss oder ich das unbedingt so will. Was ich grundsätzlich für erstrebenswert halte, ist eine Gesellschaft, in der es ein garantiertes Mindesteinkommen ohne den Zwang zur Arbeit gibt, und eine Gesellschaft, in der der genossenschaftliche Sektor und die Arbeitnehmerbeteiligung sowohl an Unternehmensgewinnen als auch Unternehmensentscheidungen im Mittelpunkt stehen.
Btw., ich hatte da kürzlich auf einer Party ein sehr interessantes Gespräch mit einem Manager der Deutschen Bank, höheres Tier. Er wusste, wo ich stehe, und meinte, auch er sei für Sozialismus, gerade weil er als Finanzfachmann die Hintergründe kenne, wüsste er, dass es gar keine Alternative gäbe. Und dann entwarf er ein faszinierendes Szenario: Die Produktivität unserer Wirtschaft hängt mit ihrem hohen Grad an Rationalisierung zusammen, die immer schneller geht. Zwangsläufig kommt es dabei zu immer mehr steigender Arbeitslosigkeit; der Großteil der heutigen Arbeitslosen ist arbeitslos, weil sie in der Produktion, der Verwaltung und sehr bald dem Management (das mittlere Management ist eine Berufsgruppe, die demnächst fast komplett aussortiert werden dürfte) nicht mehr benötigt werden, es ist gesellschaftlich erwünscht, dass sie arbeitslos sind, weil nur dies Profitraten sichert. Also müsse man sie dafür bezahlen, dass sie nicht arbeiten. Arbeit als ausschließliche oder hauptsächliche Grundlage des Lebensunterhalts sei ein historisches Auslaufmodell. Statt dass man den HartzIV-Empfängern auch noch ihr angespartes Vermögen wegnehme, sollte man ihnen zusätzlich zum Arbeitslosengeld oder sogar stattdessen Aktienpakete und GmbH-Anteile geben, alle Kleinsparern zu Gesellschaftern machen. Mittelständischen GmbHs und KGs würde durch weite, vom Staat geförderte Streuung zusätzlicher Gesellschaftsanteile frisches Risikokapital verschafft, vom Weltkonzern bis zum Mittelständler könnte aus der Wirtschaft der Gewinn in die gesamte Gesellschaft zurückfließen, und Publikumsgesellschaften wie BASF, Deutsche Bank oder VW würden durch weiteste Aktienstreuung tatsächlich zu volkseigenen Betrieben, ohne ihre Dynamik zu verlieren.
Gut, mit meinen Vorstellungen eines revolutionären Sozialismus hat das nichts zu tun, aber es war ein sehr interessantes Gespräch. Ich hatte ja schon öfter festgestellt, dass es in den Kreisen helle Köpfe gibt; Herrhausens Vorschlag, der Dritten Welt die Schulden zu erlassen, war ein Beispiel dafür.
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che2001, Freitag, 12. Mai 2006, 19:08
Wie meistens, auch-einer, geht Dein Beitrag in eine erhellende Richtung - und ich denke da gerade an meine IT-Erfahrungen mit nichtnur einem sehr unhierarchischen, chaotischen und liebenswerten Unternehmen...
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kranich05,
Samstag, 13. Mai 2006, 10:07
Quellen
Hallo Che,
hast Du den Satz von Karl Marx da oben aus dem Kopf zitiert? (Klingt mir ganz so.)
Wenn nicht, würde ich gern die genaue Quelle haben.
Dito hast Du in mehreren Postings behauptet, daß in den DDR-Veröffentlichungen das "Kapital" um die Werttheorie sowie die Theorie der Arbeit.... (weiß ich nicht mehr korrekt) amputiert worden sei. Würdest Du mir freundlicherweise auch dafür den Quellennachweis geben?
Übrigens lese ich Deine emanzipationstheoretischen Beiträge (ebenso wie die ideologiekritischen) mit großem Interesse.
So long.
hast Du den Satz von Karl Marx da oben aus dem Kopf zitiert? (Klingt mir ganz so.)
Wenn nicht, würde ich gern die genaue Quelle haben.
Dito hast Du in mehreren Postings behauptet, daß in den DDR-Veröffentlichungen das "Kapital" um die Werttheorie sowie die Theorie der Arbeit.... (weiß ich nicht mehr korrekt) amputiert worden sei. Würdest Du mir freundlicherweise auch dafür den Quellennachweis geben?
Übrigens lese ich Deine emanzipationstheoretischen Beiträge (ebenso wie die ideologiekritischen) mit großem Interesse.
So long.
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che2001,
Samstag, 13. Mai 2006, 12:02
Muss ich beides nachschlagen, dauert ein wenig, kommt dann aber.
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fireball,
Samstag, 13. Mai 2006, 10:54
Der Artikel hier, bzw. die Grundidee von diesem Banker errinnert mich sehr an das in Frankreich in linken Kreisen populäre Konzept der "Décroissance" (wörtlich übersetzt: Unwachstum), womit das Gegenteil von wirtschaftlichem Wachstum gemeint ist. Wie auch dem Banker klar ist, können wir nicht ewig weiterwachsen.
Es geht allerdings noch weiter, aber ich nehme einfach mal an, dass "Limits to Grow" ihnen ein Begriff ist.
Was ich jetzt sehr schade finde, ist, dass der Artikel hier erst jetzt erschienen ist, sonst hätte er vielleicht in der aktuellenQueesch erscheinen können, die sich eben die "Décroissance" zum Titelthema gemacht hat. Und falls sie es mir erlauben, einfach mal ein wenig Werbung dafür zu machen, würde ich mich einfach mal als Reseller angeben, der auch gerne ins Ausland versendet.
Es geht allerdings noch weiter, aber ich nehme einfach mal an, dass "Limits to Grow" ihnen ein Begriff ist.
Was ich jetzt sehr schade finde, ist, dass der Artikel hier erst jetzt erschienen ist, sonst hätte er vielleicht in der aktuellenQueesch erscheinen können, die sich eben die "Décroissance" zum Titelthema gemacht hat. Und falls sie es mir erlauben, einfach mal ein wenig Werbung dafür zu machen, würde ich mich einfach mal als Reseller angeben, der auch gerne ins Ausland versendet.
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che2001,
Sonntag, 14. Mai 2006, 20:39
Klar doch, immer weiterverbreiten. Für Décroissance gibt es übrigens auch einen deutschen Begriff, nämlich Entschleunigung. Übrigens sind wir auf diesem Blog per Du.Die mir bislang nicht bekannte Queesch sieht übrigens sehr interessant aus.
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