Montag, 15. Mai 2006
Nachschlag
Auf dem lesenswerten Blog eines diskussionsfreudigen Liberalen thematisierte ich mit Bezugnahme auf Proudhons Eigentumsbegriff, nicht gerade frei von Ironie, die Tatsache, dass "privat" ja eigentlich vom lateinischen "privare", "rauben " her kommt und somit etymologisch "Privateigentum" ursprünglich geraubtes Eigentum bedeutet. Abgesehen davon, dass rein historisch (also über die Jahrtausende betrachtet) ein sehr großer Teil des erblichen Eigentums an Grund und Boden auf einen irgendwann einmal stattgefundenen bewaffneten Raub zurückgeht, war Privatheit in der römischen Bürgergesellschaft etwas, das der Bürger sich als Privileg auf Kosten der Allgemeinheit (res publica) leisten konnte. Die Tatsache, dass das Gewaltmonopol in der Monarchie in den Händen des Königs lag (res privata) war eines der Hauptargumente des Aufstandes des älteren Brutus gegen den letzten römischen König Tarquinius Superbus (Tarqiunius der Überhebliche, hier liegt alles semantisch sehr offen). Das Privateigentum ist also nicht immer geraubtes, wohl aber der Allgemeinheit vorenthaltenes Eigentum. Die Alten gingen mit diesem Umstand noch sehr offen um, aber auch noch der Psychoanalytiker Erich Fromm, der dies in seinem Werk "Haben oder sein" reflektierte. Eine interessante Debatte zu dem Thema findet sich hier:

http://www.kaernoel.at/cgi-bin/kaernoel/comax.pl?page=page.std;job=CENTER:articles.single_article;ID=1338

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Fernseh-Kino- und DVD-Tipps
Wer heute (Montag, 15. Mai) Fernsehen will - Folgendes ist im Angebot:

20.15 Uhr, 3Sat
Abschiebung im Morgengrauen
(über die Arbeit der Hamburger Ausländerbehörde)
45 Minuten

22.25 Uhr, Arte
Weiße Raben. Alptraum Tschetschenien
(über den Krieg und Trauma russischer Soldaten)
95 Minuten

Ansonsten im Kino: Das Leben der Anderen (über einen Stasi-Spitzel in der Endphase der DDR), We feed the World (über Gentechnik in der Landwirtschaft und das weltweite Netzwerk des Agrobusiness) und auf DVD: Ghetto Gangz Paris (ein Alptraumszenario aus den Berliner Banlieues in naher Zukunft) und Domino (die durchaus reale Geschichte einer Kopfgeldjägerin aus LA, verglichen damit sind Tarantino-Filme harmlos).

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Rassismus remixed: EU finanziert bleiverseuchtes Wohnen
taz vom 12.5.2006, S. 10, 137 Z. (TAZ-Bericht), ERICH RATHFELDER

Schwere Vergiftung dank UN-Verwaltung

Im Kosovo wurden Roma und Aschkali von der UN-Verwaltung an einer
vergifteten Halde angesiedelt. Die Folge: schwere Gesundheitsschäden. Jetzt
zieht das Lager in Mitrovica 50 Meter weiter in Container, die Soldaten
wegen Vergiftung verließen

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Die UN-Mission im Kosovo ist nervös. Denn Berichte über Bleivergiftungen von
Roma und Aschkali in Mitrovica deuten auf einen Skandal, den die
UN-Verwaltung zu verantworten hat. Die 560 Menschen waren 1999 in zwei
Lagern nahe giftigen Abraumhalden des Bleibergwerks Trepca angesiedelt
worden. Sie waren über sieben Jahre lang dem mit Blei versetzten Staub
ausgesetzt. Ihre gesundheitlichen Schäden sind nicht mehr zu leugnen.

Auf Initiative der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wurden
vor wenigen Tagen sieben bleivergiftete Kinder zur Genesung nach Deutschland
eingeladen. Im "Institut für Functional Medicine und Umweltmedizin" in Bad
Emstal sollen sie nun entgiftet werden. Ein Mädchen fiel in den letzten
Wochen immer wieder ins Koma. "Es war zu befürchten, dass sie sterben
würde", berichtete Institutsleiter Klaus-Dietrich Runow gestern auf einer
Pressekonferenz in Bad Emstal. Er hatte sich selbst vor Ort ein Bild machen
können.

Die von ihm untersuchten 66 Haarproben übersteigen den Grenzwert um das über
200-fache, bei mehreren Kindern sogar um das 1.200-fache. Viele Proben
wiesen sehr hohe Kadmium- und Arsenwerte auf. Paul Polansky, Vertreter der
GfbV im Kosovo, geht davon aus, dass mindestens 37 Todesfälle in dem Lager
auf Bleivergiftungen zurückzuführen sind. Viele der in dem Lager
verbliebenen Kinder zeigten Symptome schwerer Bleivergiftung wie
Gedächtnisverlust, Koordinationsschwierigkeiten und komatöse Zustände. Es
sei zu befürchten, dass sie irreversible Schädigungen haben. Deshalb fordert
die GfbV die sofortige Evakuierung der Menschen aus dem Lager und ihre
beschleunigte Rückkehr in ihre ursprünglichen Wohnungen.
Die Roma und Aschkali stammen aus Bosanska Mahala, einem Viertel der Stadt
auf der nördlichen Seite des Ibarflusses. Seit dem Sommer 1999, als nach dem
Krieg gegen Serbien Nato-Truppen in das Kosovo einmarschierten, ist
Mitrovica zwischen Albanern und Serben geteilt. Die Gebiete nördlich des
Flusses sind von Serben beherrscht, die im Süden von Albanern. Nur die
nördlich gelegene Mahala wurde dem Süden zugesprochen.

Noch Monate nach dem Nato-Einmarsch kam es an der Demarkationslinie und dem
Gebiet der Mahala zu Schießereien zwischen Serben und Albanern. Französische
Truppen zerstörten zudem einige Häuser, um Platz für ihre Panzer und
Unterstände zu schaffen, andere Häuser wurden durch Kampfhandlungen
unbewohnbar. Die vornehmlich aus Roma und Aschkali bestehende Bevölkerung
musste evakuiert werden. Sie wurde an den Rand der giftigen Abraumhalden
verbannt, das in der von Serben beherrschten Zone liegt. In der Folge wurden
viele Häuser in der Mahala ausgeraubt, andere von Albanern zerstört, um
widerrechtlich neue Häuser zu bauen. Das Schicksal der ursprünglichen
Bewohner kümmerte die UN-Mission nicht, die seither das Land verwaltet.
"Überall in Europa werden Roma diskriminiert", erklärte eine
UN-Funktionärin.

Umweltschützer wie der frühere Studentenführer Albin Kurti betonen, dass die
gesamte Stadt Mitrovica verseucht sei. Der Grad der Verseuchung steigere
sich, je näher man den Abraumhalden komme. Marcia Poole, die Sprecherin der
UN-Mission, sagte gestern der taz, die UN habe bereits eines der Lager
aufgelöst. Es seien jetzt nur noch rund 260 Menschen in der gefährdeten Zone
und nicht mehr 560, wie von der GfbV behauptet. Die restlichen Bewohner
würden in ein anderes Lager verlegt. Mit Hochdruck werde jetzt am
Wiederaufbau der Mahala gearbeitet. Einen Zeitplan wollte sie jedoch nicht
nennen.
Der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch bewertet jedoch den Umzug in ein nur 50
Meter entferntes Containerlager als unzumutbar. Schließlich seien die dort
vorher stationierten Soldaten gerade wegen Kontaminierung abgezogen worden.
Er kritisierte, dass die deutsche Bundesregierung 500.000 Euro für das
Lagerprojekt bereitgestellt habe.

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