Donnerstag, 1. Juni 2006
Libertad!-Presseerklärung, 01.06.2006
che2001, 16:05h
Freispruch in Sachen Online-Demo gegen Lufthansa AG Also doch: online
protest is not a crime
Am 1. Juli 2005 wurde ein Aktivist der bundesweiten Initiative Libertad!
wegen Nötigung vom Amtsgericht Frankfurt unter Vorsitz der Richterin Bettina
Wild verurteilt. Hintergrund war der erste Prozess überhaupt in Deutschland
wegen einer Online-Demo, die am 20. Juni 2001 gegen die Deutsche Lufthansa
AG stattfand. Rund 13.000 Menschen demonstrierten damals zu einem öffentlich
angekündigten Zeitpunkt auf dem Internetportal der Lufthansa, um gegen das
Deportation Business und die menschenverachtende Abschiebepraxis zu
protestieren.
Dieses Urteil wurde jetzt mit Beschluss (1 Ss 319/05) vom 22. Mai 2006 durch
den 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt wegen Verletzung
bestehender Gesetze kassiert und der Angeklagte freigesprochen. Das Fazit
ist deutlich: Online-Demos sind keine Gewalt, keine Nötigung, keine "Drohung
mit einem empfindlichen Übel", keine "Datenveränderung"; auch eine
Verurteilung als Ordnungswidrigkeit käme nicht in Betracht. Eine Ohrfeige
für das Amtsgericht. Ausführlich geht das OLG auf den ausufernden
Gewaltbegriff im Urteil der Amtsrichterin ein und nimmt es regelrecht
auseinander. Das OLG stellt fest, dass die Online-Demo auf die
Meinungsbeeinflussung zielte.
Damit wird nach fünf Jahren die Position von Libertad! bestätigt: Auch das
Internet ist ein Ort für Proteste und Demonstrationen. Das hätten Polizei
und Justiz tatsächlich einfacher haben können. Stattdessen erklärten schon
vor der Online-Demo Bundesjustizministerium und Verfassungsschutz die Aktion
für rechtswidrig, sprachen sogar von Computersabotage. Danach ermittelte
vier Jahre lang der Staatsschutz, es gab unangenehme Hausdurchsuchungen
inklusive der Beschlagnahmung unserer Rechner und der damit einhergehenden
Behinderung unserer Arbeit. Zu guter Letzt wurde einer unserer Aktivisten
mit einer haarsträubenden Urteilsbegründung verurteilt. Verkürzt gesagt: Der
Mausklick war Gewalt.
Angesichts dieser juristischen Gewaltspirale wird der Vergleich mit "dem
Auslösen des Abzugs an einer Waffe" zurückgewiesen und festgestellt, dass
"die bloße Muskelinervation" des Mausklicks und der "auf die Taste gesenkte
Finger" keine Gewalt und keine Drohung ist.
Libertad! hatte zum Prozess die Kampagne "free online protest" gestartet, um
die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Internet zu verteidigen. Aus
diesen grundsätzlichen Erwägungen hatte auch der Angeklagte die
Sprungrevision eingelegt. Das Internet ist trotz seiner Virtualität ein
realer öffentlicher Raum. Wo schmutzige Geschäfte gemacht werden, dort kann
und muss man auch dagegen protestieren. Seit den Hausdurchsuchungen im
Oktober 2001 nutzte Libertad! das Strafverfahren um in der Öffentlichkeit,
aber auch vor Gericht das Internet als Raum für politischen Protest zu
verteidigen, was uns auch Dank des Interesses und der Unterstützung vieler
gelungen ist.
Doch so wichtig die Verteidigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit im
Internet ist, sollten wir darüber nicht vergessen, dass die Online-Demo
gegen die Lufthansa ein konkretes Ziel verfolgte. Und da ist die Bilanz
trotz ständiger Proteste und Widerstände immer noch sehr ernüchternd. Mehr
als 20.000 Menschen werden jährlich gewaltsam aus Deutschland abgeschoben,
während gleichzeitig die Festung Europa mit Lagern, Stacheldraht, Polizei-
und Militäreinsätzen ausgebaut wird. Eine Politik, die Jahr für Jahr
Hunderte von Toten fordert. Eine menschenverachtende Politik, die nur durch
die Anstrengung vieler Gruppen, Initiativen und Organisationen europaweit
zurückgedrängt und gestoppt werden kann.
Libertad! ist eine bundesweite Initiative, die es ernst meint mit
Solidarität und Menschenrechte und sich im Zusammenhang der weltweiten
Kämpfe um Lebensbedingungen und Emanzipation begreift. Aktuell beteiligen
wir uns an der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm.
Letzte Woche haben wir ein Diskussionspapier veröffentlicht, das den "Krieg
gegen Terror" und die damit zusammenhängende neue Qualität von Folter, Lager
und Rechtlosigkeit thematisiert; auf der Suche nach einer Praxis, die
eingreift und mobilisiert. Dafür war für uns die Online-Demo immer ein
Beispiel.
protest is not a crime
Am 1. Juli 2005 wurde ein Aktivist der bundesweiten Initiative Libertad!
wegen Nötigung vom Amtsgericht Frankfurt unter Vorsitz der Richterin Bettina
Wild verurteilt. Hintergrund war der erste Prozess überhaupt in Deutschland
wegen einer Online-Demo, die am 20. Juni 2001 gegen die Deutsche Lufthansa
AG stattfand. Rund 13.000 Menschen demonstrierten damals zu einem öffentlich
angekündigten Zeitpunkt auf dem Internetportal der Lufthansa, um gegen das
Deportation Business und die menschenverachtende Abschiebepraxis zu
protestieren.
Dieses Urteil wurde jetzt mit Beschluss (1 Ss 319/05) vom 22. Mai 2006 durch
den 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt wegen Verletzung
bestehender Gesetze kassiert und der Angeklagte freigesprochen. Das Fazit
ist deutlich: Online-Demos sind keine Gewalt, keine Nötigung, keine "Drohung
mit einem empfindlichen Übel", keine "Datenveränderung"; auch eine
Verurteilung als Ordnungswidrigkeit käme nicht in Betracht. Eine Ohrfeige
für das Amtsgericht. Ausführlich geht das OLG auf den ausufernden
Gewaltbegriff im Urteil der Amtsrichterin ein und nimmt es regelrecht
auseinander. Das OLG stellt fest, dass die Online-Demo auf die
Meinungsbeeinflussung zielte.
Damit wird nach fünf Jahren die Position von Libertad! bestätigt: Auch das
Internet ist ein Ort für Proteste und Demonstrationen. Das hätten Polizei
und Justiz tatsächlich einfacher haben können. Stattdessen erklärten schon
vor der Online-Demo Bundesjustizministerium und Verfassungsschutz die Aktion
für rechtswidrig, sprachen sogar von Computersabotage. Danach ermittelte
vier Jahre lang der Staatsschutz, es gab unangenehme Hausdurchsuchungen
inklusive der Beschlagnahmung unserer Rechner und der damit einhergehenden
Behinderung unserer Arbeit. Zu guter Letzt wurde einer unserer Aktivisten
mit einer haarsträubenden Urteilsbegründung verurteilt. Verkürzt gesagt: Der
Mausklick war Gewalt.
Angesichts dieser juristischen Gewaltspirale wird der Vergleich mit "dem
Auslösen des Abzugs an einer Waffe" zurückgewiesen und festgestellt, dass
"die bloße Muskelinervation" des Mausklicks und der "auf die Taste gesenkte
Finger" keine Gewalt und keine Drohung ist.
Libertad! hatte zum Prozess die Kampagne "free online protest" gestartet, um
die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Internet zu verteidigen. Aus
diesen grundsätzlichen Erwägungen hatte auch der Angeklagte die
Sprungrevision eingelegt. Das Internet ist trotz seiner Virtualität ein
realer öffentlicher Raum. Wo schmutzige Geschäfte gemacht werden, dort kann
und muss man auch dagegen protestieren. Seit den Hausdurchsuchungen im
Oktober 2001 nutzte Libertad! das Strafverfahren um in der Öffentlichkeit,
aber auch vor Gericht das Internet als Raum für politischen Protest zu
verteidigen, was uns auch Dank des Interesses und der Unterstützung vieler
gelungen ist.
Doch so wichtig die Verteidigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit im
Internet ist, sollten wir darüber nicht vergessen, dass die Online-Demo
gegen die Lufthansa ein konkretes Ziel verfolgte. Und da ist die Bilanz
trotz ständiger Proteste und Widerstände immer noch sehr ernüchternd. Mehr
als 20.000 Menschen werden jährlich gewaltsam aus Deutschland abgeschoben,
während gleichzeitig die Festung Europa mit Lagern, Stacheldraht, Polizei-
und Militäreinsätzen ausgebaut wird. Eine Politik, die Jahr für Jahr
Hunderte von Toten fordert. Eine menschenverachtende Politik, die nur durch
die Anstrengung vieler Gruppen, Initiativen und Organisationen europaweit
zurückgedrängt und gestoppt werden kann.
Libertad! ist eine bundesweite Initiative, die es ernst meint mit
Solidarität und Menschenrechte und sich im Zusammenhang der weltweiten
Kämpfe um Lebensbedingungen und Emanzipation begreift. Aktuell beteiligen
wir uns an der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm.
Letzte Woche haben wir ein Diskussionspapier veröffentlicht, das den "Krieg
gegen Terror" und die damit zusammenhängende neue Qualität von Folter, Lager
und Rechtlosigkeit thematisiert; auf der Suche nach einer Praxis, die
eingreift und mobilisiert. Dafür war für uns die Online-Demo immer ein
Beispiel.
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