Dienstag, 22. Mai 2007
Deutsche Behördengründlichkeit beim Menschenzermahlen, auch in der Türkei
taz nord 19.5.2007

Landrat zeigt auf deutsche Botschaft
Nachdem die durch Abschiebung getrennte Familie Salame vor dem
Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, bleibt noch die Hoffnung auf
ein Besuchervisum. Doch der Landrat des Kreises Hildesheim erklärt sich
für nicht zuständig

Der niedersächsische Flüchtlingsrat hat dem Hildesheimer Landrat Reiner
Wegner (SPD) vorgeworfen, die Zusammenführung einer libanesischen
Familie zu blockieren. Der Landrat weigere sich, die
Wiedereinreisesperre für Gazale Salame zu löschen, die im Februar 2005
mit ihrer kleinen Tochter in die Türkei abgeschoben worden war (taz
berichtete). Salames Mann Ahmed lebt weiterhin mit den beiden älteren
Töchtern im Kreis Hildesheim. Als seine Frau abgeschoben wurde, brachte
er die beiden gerade zur Schule.

Gazale Salame hatte den Fehler begangen, bei ihrer Einreise im Alter von
sieben Jahren als Staatsangehörigkeit "libanesisch" anzugeben. Die
Behörden in Hildesheim fanden heraus, dass ihre Eltern in der Türkei
registriert waren. Salame sei darum ebenfalls türkische Staatsbürgerin.
Tatsächlich waren die Eltern von Gazale Salame wie auch die ihres Mannes
als Angehörige einer arabischen Minderheit aus der Türkei in den Libanon
emigriert. Obwohl weder Gazale Salame noch ihr Mann in der Türkei gelebt
haben, befand das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung Salames
zuletzt für rechtmäßig.

Gazale Salame, die bei der Abschiebung schwanger war und derzeit als
allein erziehende Mutter zweier Kinder in einem Armenviertel von Izmir
lebt, möchte jetzt ein Besuchervisum beantragen. Landrat Wegner war
gestern in dieser Sache nicht zu erreichen. Sein Sprecher erklärte
jedoch, der Landkreis habe keine rechtliche Kompetenz, in dem
Abschiebungsfall aktiv zu werden. Über einen Visumantrag entscheide die
deutsche Botschaft.

Nach Darstellung des Flüchtlingsrates wird die Botschaft jedoch nichts
unternehmen, so lange der Landrat nicht die Wiedereinreisesperre für
Salame löscht. Die Bitte des Anwalts der Familie um ein Gespräch lehnte
er diese Woche mit der Begründung ab, dafür sehe er "keine Möglichkeit".

Die Haltung des niedersächsischen Innenministeriums zu dem Fall ist
klar: Sein Vorschlag liegt schriftlich vor und besagt, dass die
"familiäre Lebensgemeinschaft" doch "in der Türkei oder im Libanon"
wieder hergestellt werden könne. DPA/TAZ
Seite 25

TAZN Nr. 8278 vom 19.5.2007 Seite 25 73 Zeilen a0291
TAZ-Bericht

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