Dienstag, 12. Juni 2007
EU-Innenminister beraten über Flüchtlingsdramen an den Seegrenzen
*PRO ASYL** *Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.

*Presseerklärung *

*12. Juni 2007*



*PRO ASYL fordert einen umfassenden Rettungsplan für Flüchtlinge*

PRO ASYL fordert die heute in Luxemburg tagenden EU-Innenminister auf,
einen umfassenden Rettungsplan für Flüchtlinge zu beschließen. Um das
Massensterben an den europäischen Außengrenzen zu beenden, muss aus
Sicht von PRO ASYL eine Rückbesinnung auf Grundwerte und die
Wiederherstellung rechtsstaatlicher Prinzipien stattfinden. "Momentan
herrscht auf See das Gesetz des Dschungels. Flüchtlinge ertrinken –
EU-Staaten schauen zu und diskutieren die jeweilige Nichtzuständigkeit
für die Rettung“, so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

*Folgendes ist erforderlich:*

__

_Rückkehr zu Menschlichkeit und Völkerrecht._

"Wenn jemand vor deinen Augen zu ertrinken droht, musst du ihn retten".
Diese Selbstverständlichkeit, muss zur Handlungsmaxime der EU-Staaten
werden. Die Mitgliedstaaten, die gegen diese Grundsätze verstoßen,
müssen hart sanktioniert werden.

_Ende der Kooperationen mit Nicht-EU-Staaten, die die Menschenrechte
gegenüber Flüchtlingen und Migranten nicht einhalten. _

Staaten wie Libyen, Marokko, Mauretanien, etc. die Rolle des Gendarmen
Europas zuzuweisen, ist nicht nur zynisch, sondern gefährdet Flüchtlinge
und Migranten.

_Flüchtlingen den legalen und gefahrenfreien Zugang nach Europa gewähren._

Wer sich zur "absoluten Beachtung des Asylrechts" bekennt, muss
Schutzsuchenden auch den gefahrenfreien Zugang auf das Territorium und
zu einem fairen Asylverfahren gewähren. Das bedeutet nicht nur die bloße
Lebensrettung in den eigenen Gewässern und das Einstellen von
Zurückweisungen auf hoher See im Rahmen von Frontex-Einsätzen, sondern
die Möglichkeit legal einzureisen. Vorschläge für "geschützte
Einreiseverfahren", Ausstellung von "humanitären Visa" und die Aufhebung
der Visumspflicht liegen seit Jahren auf dem Brüsseler Verhandlungstisch.

_Asylsuchende menschenwürdig aufnehmen. _

Die exzessive Inhaftierung von Schutzsuchenden, wie beispielsweise auf
Malta, ist unmenschlich und verletzt rechtsstaatliche und
flüchtlingsrechtliche Grundsätze.

_Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme. _

Das unsolidarische Verhalten der Mitgliedstaaten bei der
Flüchtlingsaufnahme bestärkt Staaten an den Außengrenzen in ihrem
„Ramboverhalten“.

Die gewichtigen Staaten, wie Deutschland, tragen für die Brutalisierung
an den Außengrenzen eine maßgebliche Mitverantwortung. Anstatt
Flüchtlinge aufgrund bürokratischer Zuständigkeitsregeln (die sogenannte
Dublin II-Verordnung) in das EU-Land zurückzuschicken, dessen Boden sie
zuerst betreten haben, müssen sie bereit sein, Flüchtlinge aus anderen
EU-Staaten aufzunehmen. Ohne einen neuen Solidaritätsmechanismus
zwischen den EU-Staaten wird der Wettlauf der Schäbigkeiten weiter gehen.

_Schiffskapitäne nicht kriminalisieren._

Es ist bezeichnend für die europäische Flüchtlingspolitik, dass die
Lebensretter der Cap Anamur vor einem italienischen Gericht stehen. Die
humanitäre Hilfe auf See muss nicht nur straffrei gestellt werden,
sondern Kapitäne, die das Selbstverständliche tun, müssen unterstützt
werden.

_Evakuierung von besonders Schutzbedürftigen. _

Nur ein Bruchteil der weltweiten Flüchtlinge gelangt nach Europa. Die
EU-Staaten sollten, wie es auch die EU-Kommission in ihrem Grünbuch über
das künftige Gemeinsame Europäische Asylsystem vom 6.Juni 2007
vorschlägt, ein großzügiges Resettlement-Programm auflegen. Flüchtlinge,
die jahrelang schutzlos in Lagern in der Herkunftsregion vegetieren
müssen, brauchen eine Chance auf dauerhaften Schutz und ein
menschenwürdiges Leben.

_Gemeinsame Einwanderungspolitik der EU _

Europa braucht legale Einwanderungsmöglichkeiten, damit Migranten nicht
diese lebensgefährlichen Wege beschreiten müssen. Eine Wiederbelebung
eines Gastarbeiter- bzw. Rotationsmodells, wie es die deutsche
Ratspräsidentschaft vorschlägt, ist abzulehnen.

_Faire Handelspolitik statt Almosen der Entwicklungshilfe_

Wer ernsthaft die Gründe für erzwungene Migration und Flucht bekämpfen
will, der muss die Strukturen beseitigen, aus denen Armut und Elend
resultieren. Europa zerstört mit seinen Agrarsubventionen die Märkte auf
dem afrikanischen Kontinent und produziert damit Elend, Hunger und neue
Fluchtursachen. Das gleiche gilt für die EU-Fischereipolitik, die den
Fischern in Westafrika die Existenzgrundlage entzieht. Eine andere,
gerechtere Handels-, Agrar- und Fischereipolitik der EU statt nur die
Almosen der Entwicklungshilfe wären ein erster glaubwürdiger Beitrag zur
Veränderung der dramatischen Ungleichverteilung von Lebens- und
Entwicklungschancen.

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