Montag, 25. Juni 2007
Konkrete Dinge
Zwei Beiträge in der aktuellen konkret finde ich aus unterschiedlichen Gründen bemerkenswert. Erich Später beschreibt in dem Beitrag "Weltfeind Zionismus", wie es nach dem 6-Tage-Krieg zur Manifestation jenes Vulgärantiimperialismus kam, der Israel zu einem Hauptfeind aller revolutionären Bewegungen erklärte. die deutsche Linke, nicht nur die Antideutschen, erklärt das Umkippen der früheren Israelbegeisterung deutscher Linker in einen kompromisslosen, in manchen Zügen antisemitischen Antizionismus ja meist damit, dass dieser über Verdrängung und Projektion es ermögliche, die deutsche Schuld an der Shoah gewissermaßen psychohygienisch zu entsorgen. Solange Israel nicht als militärischer Sieger und nicht als Besatzer fremder Gebiete aufgetreten sei, habe man es als Opfer betrachten können, mit dem man als guter Antifaschist solidarisch war, aber eben als etwas Passives, ein Objekt.Sobald Israel als aggressiv handelndes Subjekt aufgeteten sei, als militärischer Sieger, habe der latente antisemitismus der Deutschen Israel mit dem Faschismus gleichgesetzt und damit die eigene Psyche frei von Schuldgefühlen gehalten. Diese Betrachtungsweise mag auf Einzelpersonen, insbesondere aus der RAF, zutreffen, funktioniert aber nicht kollektiv auf die antiimperialistische Linke übertragen und übersieht außerdem, dass es sich um eine weltweite Entwicklung handelte, zumindest was die zweite Hälfte, die plötzliche Israel-Verdammung durch Linke angeht. Allerdings ist eine solche Betrachtungsweise typisch für deutsche Linke in ihrer nabelschauhaften Selbstreflexivität. Später macht eine andere Rechnung auf, fernab von derlei Küchenpsychoanalyse. Er weist nach, dass die antiisraelische Polemik nach dem 6-Tage-Krieg von der Sowjetunion ausging und konkrete Gründe hatte, die teils in außenpolitischen Interessen der Sowjetunion im Nahen Osten, teils in der Bekämpfung von politischen Forderungen der russischen Juden zu suchen sind. Der antizionistische Antiimperialismus wurde offizielle Doktrin des Warschauer Paktes und infiltrierte sehr erfolgreich auch moskauunabhängige linke Diskurse. Bisher hatten Analysen des Nahostkonfliktes immer angenommen, die PFLP sei zwar ideologisch prosowjetisch gewesen, habe aber nie den politischen Interessen der UDSSR gedient. Dies muss unter Umständen nun anders gesehen werden. Konkrete Machtpolitik statt fragwürdigen Psychologismen, das ist eine interessante und mir neue Perspektive.

In dem Beitrag "Das größere Übel" beschäftigen sich Bernhard Schmid und Tjark Kunstreich mit den Wahlen in Frankreich. Während Schmid Sarkozy nicht nur als französischen Prototyp eines Neocon, sondern auch als persönlich extrem ambitionierten, eisenharten und narzisstischen und daher gefährlichen Mann charakerisiert, spricht Kunstreich zunächst von Äquidistanz, weist darauf hin, dass auch Royal dereguliert und Sozialabbau betrieben hätte, wenn auch moderater als Sarkozy, eher nach deutschem Modell. Bis dahin kann ich ihm folgen, doch dann hebt er ab: Royal gehöre zu einer Ressentiment-Linken, ohne jeden Zusammenhang zu den politischen Verhältnissen in Frankreich ist plötzlich von Ayaan Hirsi Ali die Rede, die ebenso wie Sarkozy eine radikale Vertreterin der Aufklärung sei, die Mehrheitslinke stünde für die Gegenaufklärung usw. usf. etc.pp. hebt eine antideutsche Kakophonie an, die mit dem ursprünglichen Gegenstand des Artikels nichts mehr zu tun hat, aber für Sarkozy Partei ergreift. Ich habe von Tjark Kunstreich schon wirklich lesenswerte Beiträge gelesen, denen ich zustimmen konnte. Das hier hingegen liest sich wie das Parolengeschrei eines Gehirngewaschenen. Ist Hardcore-Antideutschtum vielleicht eine Krankheit?

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Common sense in Palestine
Die Durchschnittaspalästinenser scheinen weit vernünftiger zu denken, als das Verhalten ihrer militanten Fraktionen vordergründig glauben macht:

http://lysis.blogsport.de/2007/06/24/was-denken-eigentlich-die-palaestinenser_innen/#more-431

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Menschenrechte in der EU: Kehre vor der eigenen Tür
Amnesty international hat der Europäischen Union (EU) vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen in ihren Mitgliedsstaaten kaum Beachtung zu schenken. Damit untergrabe die EU ihre Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Staaten wie beispielsweise China, sagte die Generalsekretärin der deutschen amnesty-Sektion, Barbara Lochbihler, am Mittwoch vor Journalisten in Berlin.
Zum Abschluss der deutschen EU-Präsidentschaft zog die Menschenrechtsorganisation eine zurückhaltende Bilanz. Die Bundesregierung habe sich "bemüht", das Thema Menschenrechte in die Außenbeziehungen "einzubringen". Dies gelte insbesondere für den Dialog mit den zentralasiatischen Staaten.

Entscheidend sei allerdings, dass entsprechende zwischenstaatliche Verabredungen auch umgesetzt werden. So werde beispielsweise in Ägypten trotz des im Frühjahr von der EU verabschiedeten "Aktionsplans" für das Land weiter gefoltert und die Isolationshaft verstärkt angewendet.

Amnesty kritisiert insbesondere den EU-internen Umgang mit "irregulären" Flüchtlingen, denen immer wieder ein faires Asylverfahren verweigert werde. Die Praxis in den einzelnen EU-Staaten gleiche einer Lotterie, sagte der Direktor des Brüsseler amnesty-Büros bei der EU, Dick Oosting. Trotz wiederkehrender Katastrophen an der EU-Südgrenze verstießen die Mitgliedsstaaten systematisch gegen geltendes Völkerrecht wie die Europäische Menschenrechtskonvention.

Oosting forderte die EU-Staaten auf, die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot sicherzustellen. Dazu müssten klare Verantwortlichkeiten definiert werden. Eine "Auslagerung" der EU-Grenzkontrolle und des Flüchtlingsschutzes an Nachbarstaaten wie etwa Weißrussland oder Marokko dürfe es nicht geben. Wenn eine Zusammenarbeit mit diesen Staaten vereinbart werde, müsse sichergestellt werden, dass die Menschenrechte der Flüchtlinge gewahrt werden. In der Vergangenheit war es den Angaben zufolge wiederholt zu Aussetzungen von Flüchtlingen in der Wüste gekommen, beispielsweise in Marokko.

Ferner kritisierte amnesty die in manchen EU-Staaten verbreitete Diskriminierung von Homosexuellen, Roma und Muslimen. Mit Blick auf die über zwei Millionen Flüchtlinge aus dem Irak vor allem in Jordanien forderte Oosting mehr Solidarität der Europäer und höhere Aufnahmequoten. Zudem sieht die Menschenrechtsorganisation die Glaubwürdigkeit der Europäer durch ihre Beteiligung an den geheimen Verschleppungsflügen des US-Geheimdienstes CIA und die geheime Inhaftierung von Terrorverdächtigen in Frage gestellt.

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