Sonntag, 30. September 2007
Diese deutsche Freundlichkeit
Man wuss wahrscheinlich eine Weile abroad gewesen sein, um die Eigenheiten des eigenen Heimatlands so richtig schätzen zu lernen. Nach unserer zweiten Nahostreise wurden wir auf dem Flughafen systematisch gefilzt, in der preußischen Weise, die ich so schätze, gefragt: "Was haben Sie denn ausgerechnet im Nahen Osten gemacht, hmmmm?", und man war drauf und dran, unsere Souvenirs aufzusägen, weil ja klar war, dass Leute wie wir Sprengdrogen und Rauschpulver mit uns rumtransportierten. Dann saßen wir drei als einzige Fahrgäste in einem Linienbus. Unser Aufenthalt in der Fremde war zu intensiv gewesen, wir hätten jetzt erwartet, dass der Busfahrer sich wie ein Orientale verhalten und gefragt hätte, wo wir eigentlich hinmüssten, vielleicht könne er uns ja vorbeifahren. Natürlich machte er das nicht, sondern fuhr stur seine Route ab, war schließlich ein deutscher Busfahrer. Ich glaube, ich kann gut nachvollziehen, wie verloren sich ein palästinensischer oder irakischer Asylbewerber in diesem kalten Land fühlen muss. Anderes Beispiel, andere Situation: Nach einem schweren Autounfall wurde ich mit vier Brüchen, einer Verrenkung und einer Wirbelsäulenverstauchung ins Krankenhaus eingeliefert und in zwei OPs wieder zusammengeschraubt. Am ersten Tag nach meiner Krankenhausentlassung kaufte ich in einem Supermarkt ein und bewegte mich an der Kasse sehr langsam. Hinter mir giftete jemand: "Machen Sie mal hin, Sie halten ja den ganzen Laden auf!" "Ich erwiderte: "Tut mir leid, ich bin schwerverletzt, ich kann nicht schneller!"
"Das ist keine Entschuldigung, Sie können sich trotzdem beeilen!"

Das ist sie, diese spezifisch deutsche Herzlichkeit mit der ausgeprägten Empathie für andere Leute ;-)

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Diese, fast schon typisch deutsche, Empathie ist nichts verglichen mit der Empathie, wenn Du in diesem Land auf Hilfe angewiesen bist.

Laufe einmal auf Krücken - und gehe damit einkaufen - Du wirst Dein blaues Wunder erleben. Niedergerempelt, und am Boden noch getreten, "Krüppel" und "Scheißkrüppel" genannt - in diesem unseren Land.

Ich blendete hier allerdings die zahlreichen (und tatsächlich: mehrheitlichen) positiven Ausnahmen aus, die also eigentlich keine Ausnahmen sind. Die Menschen hier in Deutschland sind nicht schlechter, aber dennoch m.E. unterkühlt, und sehr oft, anders kann ich es nicht sagen, "grau".

Wenn diese Menschen aufgestachelt werden, z.B. durch sozialdarwinistische Hetzlehren, dann entwickeln sie eine sehr speziell deutsche, sachlich-kühle Grausamkeit. Und da ist es wieder:

Das Volk der Richter und Henker.

Kleingeister, die ihre wenigen grauen Gehirnzellen auslasten, in dem sie sich täglich aufs Neue über "Sozialschmarotzer" oder "Nettostaatsprofiteure" erregen - und diesen degenerierten Stumpfsinn noch als geistige Großtat auffassen.

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Das richtet sich danach, ob der Grieche einen Vetter auf der griechischen Feuerwache hat, ob sein Versicherungsvertreter halbe-halbe mit ihm macht, in welcher Partei der Feuerwehrhauptmann ist und so Sachen. Gegen die deutsche Feuerwehr sage ich gar nichts, immerhin hat die mir das Leben gerettet.

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Deutsche Freundlichkeit im Supermarkt, die Zweite:
Du stehst an der Kasse an, hinter Dir eine 50-jährige Blondierte, die es offensichtlich eilig hat, jedenfalls fährt sie dir mit ihrem Einkaufswagen dauernd in die Hacken. Nchdem Du dich zweimal umgedreht hast und ihr relativ höflich zu verstehen gegeben hast, dass es dadurch auch nicht schneller gehe, stiert sie dich verständnislos-blöde wie ein Rindvieh (verzeih' mir, balou!) an, hört aber nicht auf, dir ihren Scheißeinkaufswagen in den Arsch zu fahren. Du verlierst also irgendwann die Geduld und schiebst ihren Einkaufswagen mit einem Ruck 10 Zentimeter von dir weg, worauf die Alte anfängt zu zetern, du hättest ihr den Wagen in den Bauch gerammt, obwohl sie ihn mit ausgestreckten Armen wie einen Schild vor sich führt.

Du bezahlst, zeigst der Alten noch 'n Vogel und gehst. Bedient für den Rest des Tages.

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Ich wäre bei solcher Gelegenheit ja mal fast in die Situation einer Schlägerei geraten.

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Supermärkte gehören wohl zu den letzten Orten, wo sich Leute so richtig gehenlassen können. Man kann es sich ja meist nicht aussuchen, mit wem man gleichzeitig einkauft. Besonders interessant sind zeternde Paare, die unbedingt gemeinsam einkaufen müssen. Wer nach 20 Uhr einkaufen gehen muss, darf dann schon mit den ersten Angetrunkenen rechnen -- und die sind wesentlich unangenehmer als blondierte Fünfzigjährige im Annäherungsmodus.

Übrigens: im Internet fährt auch so mancher seinen Mitmenschen grundlos in die Hacken und denkt sich nix dabei ...

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@Che: Das wäre mir am Samstag auch beinahe passiert. Nach der Dienstreise, im einzigen Spätsupermarkt weit und breit. Der potentielle Gegner war aber schon zu betrunken ...

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Ja, oder diese afghanische Freundlichkeit, die daraus besteht, den Deutschen jubelnd zu begrüßen, weil er ein Arier ist, oder diese bolivianische Freundlichkeit, der jeder und alles scheißegal ist, man kaut ja Koka, und wenn ein Bus 2000 m Hang fliegt, wen kümmert´s, so sind halt beschissene Straßen, oder diese vogonische Freundlichkeit, da werden Planeten gesprengt... aber ich ärgere mich über das was ich erlebe, und freue mich über das, was ich erlebe. So ist das halt.

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