Dienstag, 30. Oktober 2007
Die Hardware der Globalisierung
Sind Börsenkurse der abstrakteste Gradmesser der makroökonomischen Entwicklung, sind, neben der lebendigen Arbeit und den konsumierten Produkten, die Transportmittel des Warenim- und Exports der handgreiflichste. Und da sticht es ins Auge, dass auf den Containerterminals von Rotterdam, Hamburg oder Marseille alle paar Jahre neue Containerbrücken gebaut werden müssen, weil die Kapazität der alten nicht mehr ausreicht. Hier liegt ein kleines Schiff am Verladekai (120 Meter Länge). Solche Fahrzeuge dienen als Leichter, Kümos und Commuter. Leichter heißt, sie entladen auf hoher See Containerschiffe, die zu groß sind oder es zu eilig haben, um Häfen anzulaufen, Kümos besorgen die Weiterverteilung der Container entlang der Küsten (z.B. Hamburg-Emden, Hamburg-Kiel oder Hamburg-Stralsund), Commuter bringen Container so weit flußaufwärts, wie Flüsse für Seeschiffe befahrbar sind (auf der Elbe bis Torgau und Riesa).



Das ist schon ein etwas größeres Schiff, sozusagen der Kurzstrecken-Containerfrachter, der von Hamburg Häfen wie Stockholm, Danzig oder Brest anläuft.




Die nächste Kategorie hätte noch vor 2 Jahrzehnten als absolutes Riesenschiff gegolten und verkehrt zwischen Nordsee und Mittelmeer oder Deutschland und Russland.



Wirklich große Schiffe sind die Vollcontainerfrachter, die auf den Routen nach Kuala Lumpur, Shanghai, Manila oder Yokohama verkehren, sie entsprechen in Abmessungen und Wasserverdrängung Großtankern oder schweren Flugzeugträgern. Etwa 50% der in Hamburg verladenen Container gehen von oder nach China oder Südkorea.



Absolut riesig ist dieser Kohlefrachter, der als Bulk-Carrier alternativ auch Erdöl befördern kann: 300 000 BRT, 350 m Länge, 60 m Breite, 40 m Seitenhöhe, 23 m Tiefgang. Gut drei Flugzeugträger der Nimitz-Klasse in einem Rumpf! Wie nennt man so etwas? Ultragigant? Größere Schiffe wird man kaum noch bauen können, weil die Erdrotation bei ihnen zum Wirken kommt: Die Fliehkraft beeinflusst bereits ihren Kurs.




Tja, da war die christliche Seefahrt eine andere Angelegenheit. Historisch gehören die Kanvaswolken noch in unsre Zeit, technisch sind sie vom heutigen Seeverkehr so weit entfernt wie ein Space Shuttle von einer Dampflok.




Unbeirrt schauen die Kormorane und andere Meeresbewohner dem Treiben zu. Noch fällt, trotz aller Umweltbedrohungen, immer etwas für sie ab.


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Interessant, aber etwas Senf muß ich dazugeben ..
Der größte Typ (außer dem Massengutfrachter) ist ja das Vollcontainerschiff für den Übersee-Verkehr nach Ostasien (wo die 6 größten Containerhäfen der Erde befinden), aber auch Nord- und Süd-Amerika und Australien - in Afrika gibt es bezeichnenderweise praktisch keine Häfen, die von diesen 8000 - 13.000 TEU-Schiffen angelaufen werden können. (TEU - Twenty-Foot Equivalent Units, also: so viele 20-Fuß-Standardcontainer würden auf das Schiff passen - der 20-Fuß-Container ist der kleinste gebräuchliche Typ; er entspricht der Ladekapazität eines mittelgroßen LKW mit etwa 6,50 m langen Ladefläche.) Der häufigste Typ ist der 40-Fuß Container, so groß wie ein Sattelzugauflieger oder Eisenbahnwagon.
Durch den Transport von Gütern in Container auf riesigen Schiffen werden die Kosten minimiert. So betragen die Transportkosten für eine Flasche Wein von Australien nach Europa heute 12 Cent, eines Pfundes Kaffee aus Mittelamerika 3 Cent. Damit ist die preiswerte und schnelle Containerverkehr eine Grundvoraussetzung für die heutige Form der Globalisierung.
Das Problem, dass dem Größenwachstum der Containerschiffe entgegen steht, ist (bisher) nicht die Physik - Schiffe von 600 m Länge sind theoretisch machbar - sondern die geographischen Gegebenheiten. Die meisten Containerschiffe sind noch - bis auf einige Supergiganten im Ostasien-Dienst - Panamax-Schiffe, das heißt, sie passen gerade mal so durch den Panama-Kanal, das heißt, sie können höchsten 305 m lang, 33,5 m breit und 26 m tief sein und können bis zu 5.060 TEU laden. Die größten heutigen Containerschiffe sind die "Emma Maersk"-Klasse der dänischen Reederei Maersk: 397,70 m lang, 56,40 m breit, voll beladen 16,00 m Tiefgang, bis zu 14.000 TEU, 151.687 BRZ, 156.907 Tons Wasserverdrängung. Mit noch größeren Schiffe ist frühestens ab 2010, eher ab 2017 zu rechnen, die Hafenanlagen in Rotterdam, Bremerhaven und Hamburg sind bereits dafür ausgelegt. Das Problem ist der Tiefgang: Den Hamburger Hafen kann dieses Schiff nur teilweise beladen und bei Flut anlaufen. Es ist aber damit zu rechnen, dass die nächste Generation mehr in die "Breite" und weniger in die "Tiefe" gebaut wird - Schiffe mit 20 m Tiefgang könnten allenfalls wie Großtanker an weit ins Meer gebauten Piers gelöscht werden, was aber bei Containerumschlag kaum praktikabel ist.

Das Problem der Post-Panamax-Schiffe: es gibt nur wenige Häfen, die sie überhaupt anlaufen können - von den deutschen Häfen sind das gerade Mal 2 1/2 (Willhelmshaven, wo der Containerhafen aber noch längst nicht fertig ist, Bremerhaven und teilweise Hamburg). Hamburg ist dessenungeachtet der wichtigste Containerhafen Deutschlands (weltweit: Platz 9) - wie beim europäische Spitzenreiter Rotterdam ist das der guten Infrastruktur und der guten Anbindung an andere Verkehrsmittel, Bahn, Autobahn, Binnenschiff, zu danken.

Alle andere abgebildeten Schiffe fahren hauptsächlich als "Feeder" - Zubringer, d. h. sie übernehmen Ladungen von den Überseecontainerschiffen, bzw. führen sie ihnen zu. Wobei gerade der "kleinste" Typ (auch schon 120m lang) als "Kümo" (Küstenmotorschiff) auch unabhängig von dieser Zubringerfunktion fährt. Entgegen der Angaben von Che ist dieser Schiffstyp nur bedingt als "Leichter" und überhaupt nicht als Binnenschiff zu gebrauchen: für einen binnenschifffahrtstaugliche "Commuter" hat das Schiff z. B. zu hohe Aufbauten, das passt nicht mal unter den Hamburger Elbbrücken durch.

Übrigens: wer hat Dir das Garn von der Erdrotation, die den Kurs von Ultra-Large-Bulk-Carriers beeinflusst, aufgebunden? Käpt'n Blaubär oder "He lücht" vonner Hafenrundfahrtsbarkasse?

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Danke für den kompetenten Beitrag. Das Garn von der Erdrotation habe ich aus Bild der Wissenschaft, aus einem Beitrag über die Navigation von Supertankern.
Außerdemingens entsteht demnächst der Weser-Jade-Port für die Abfertigung von Großschiffen.

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@mmarheinecke
„305 m lang, 33,5 m breit und 26 m tief“ ... „397,70 m lang, 56,40 m breit, voll beladen 16,00 m Tiefgang“.
Ich schätze, genau das ist das Problem: Ab 400 Meter Länge bei maximal 60 Meter Breite bekommst du kein Material mit über 30 Meter Tiefgang.

Und unter 30 Meter Tiefgang ist das Ding nicht steuerbar oder wird dir von der ersten Welle fünf Meter über Reling umgeschmissen. Wie die Holzschifferl seinerzeit im Süßwasserfluß.Die drehten sich auch plötzlich im Kreis anstatt in Längsrichtung der Strömung (den Strömungen) zu folgen/schwimmen.

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Danke für den Hinweis, jetzt ist mir klar, was gemeint ist
Nämlich das bei einem Schiff von über 500 m Länge die durch die Erdrotation hervorgerufene Coriolisbeschleunigung sich auf den Kurs auswirkt. Dürfte aber ein zu lösendes Problem sein, Wind- und Strömungsversetzungen wirken ja auch ständig auf das Schiff ein, so dass der Kurs ohnehin ständig korrigiert werden muss. (Sonst könne man das Ruder einfach die meiste Zeit arretieren.)

Mit dem neuen Containhafen in Wilhelmshaven meinte ich den "Weser-Jade-Port", letzteres klingt natürlich schicker, aber von der Wesermündung liegt er ein ganz schönes Stück ab. Das dürfte auch das Problem bei diesem Hafen werden sein: trotz Autobahn und Gleisanschluss ist die Verkehrsanbindung verglichen mit Rotterdam mehr als mau. Und Hamburg wird, wenn die ultra-großen Containerfrachter tatsächlich gebaut werden, sowieso weg vom Fenster sein. Schon jetzt ist die Fahrrinne in der Unterelbe tiefer, als für den immer wichtiger werdenden Sturmflutschutz gut ist.

@ the great gate. Ich werde aus Deiner Bemerkung nicht ganz schlau: Das längste Schiff, das je schwamm, ist die heute noch als Rohöllager verwendete Jahre Viking (458,45 m lang, 68,80 m breit, bei voller Beladung 24,61 m Tiefgang). Dieser Ultratanker ist jahrzehntelang gefahren, offensichtlich ohne gravierende Probleme. Aber: die Tatsache, dass die Größe der neugebauten Rohöltanker seit gut 30 Jahren nicht mehr zunimmt, könnte darauf hinweisen, dass es eine Obergrenze für die ökonomisch sinnvolle Größe eines Frachtschiffes gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ultracontainerfrachter dieser Größe nie gebaut werden.

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