Sonntag, 16. Dezember 2007
Ein Fetzen Tuch
Mit der kalten Jahreszeit sieht man sie wieder häufiger, die Pali-Tücher oder besser gesagt Kufayas oder Kefiyen, wie die Dinger eigentlich heißen und die mit der gleichen Berechtigung Fellachentücher, Beduinentücher oder Kurdentücher genannt werden könnten. Etwas surreal mutet mir der Umgang an, der in einem bestimmten Teil des ganz nahen Ostens, vorzugsweise Leipzig, Antideutsche damit machen, die Leute, gerade Jugendliche, die das Tuch tragen, auf der Straße ansprechen und fragen: "Ist dir kalt oder willst du Juden ermorden?". Nun, die Erben des Brian lassen keine Bizarrerie aus, zumal es sich längst eingebürgert hat, das Tuch nicht nur als Ausdruck einer politischen Gesinnung zu tragen, sondern tatsächlich gegen Kälte, auch Statler wurde auf einer Bergtour schon damit gesichtet ;-). Es ist zwar richtig, dass in den 1930ern ein mit den Nazis paktierender Großmufti auf sehr repressive Weise die Kufaya als "nationale Kopfbedeckung" anstelle von Fez oder Hut durchsetzte, doch ist dieses Tuch in Palästina heute nicht unbedingt Ausdruck der besonders militant islamistisch-israelfeindlichen Kräfte. Für Hamas und Djihad sind schwarze Hasskappen typisch, die Kufaya wird hingegen eher von den Anhängern der Fatah, der PFLP und DFLP getragen. Ihr Ursprung als politisches Symbol liegt aber woanders. In den 1920ern hat ein deutscher Militärberater, der die Armee Jordaniens aufbaute, dieser eine Uniform verpasst, in der der Schnitt preußischer Gardeuniformen mit dem Tuch kombiniert wurde, das als Zeichen von Tapferkeit und Unabhängigkeitswillen galt. Als solches galt es deshalb, weil die kurdischen Peschmerga in den Aufständen um 1920 es als Vermummung getragen hatten.Die Kurden hatten im damaligen Nahen Osten einen legendären Ruf als Kämpfer. Bevor die Kufaya ein politisches Symbol wurde, war es eine Kopfbedeckung, die Beduinen und Karawanenreisende beim Reiten und Bauern als Schal im Winter trugen. Bei deutschen Linken wurde es so um 1970 tatsächlich populär, um Solidarität mit der PLO auszudrücken, schon die Bauzaunschlachten 1976-1980 im Anti-AKW-Kampf führten aber dazu, dass es vor allem als Vermummung und sehr provisorischer Schutz gegen Tränengas verwendet wurde. Und bei heutigen Jugendlichen ist es einfach cool und gehört zum Punk-Outfit. Diese vielschichtige Geschichte wird überzeugten Bedeutungsreduzierern natürlich egal sein. Falls ich demnächst mal nach Leipzig komme, werde ich mir möglichst ostentativ eine riesige Kufaya um den Hals legen - eine von den echten, auf dem Sinai gekauften - und darauf warten, dass mich jemand fragt, ob mir kalt sei oder ob ich Juden ermorden wolle. Bin gespannt, was für eine Reaktion "Mir ist kalt, und ich bin für ein sozialistisches demokratisches Kurdistan mit Kirkuk als Hauptstadt." als Antwort auslösen wird.

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Nein, ehrlich, lieber erkältet als Kufaya. Manche Kleidungsstücke sind halt bedeutungsbeladen, und wenn jemand weiße Schnürsenkel in seinen Springerstiefeln hat, dann vermute ich dahinter ja auch einen politischen Standpunkt, auch wenn irgendwoanders auf der Welt Leute diese Kombination vielleicht mit ganz unschuldigen Motiven tragen.

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Die einzigen, die immer irgendwelche vermeindlich politische Bedeutungen erraunen, sitzen immer in Deutschland. Wer bei Tüchern immer an Juden denkt, ist selbst schuld.

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so wie die mittdreißigerin mit ihrem kind vor einem laden stehend:"willst du lieber einen schal oder so ein judentuch, dass trägt man doch wieder."
(da gerät man erstmal ins stolpern...)

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@serdar, ja, nicht wahr, in der Weltgegend zwischen Istanbul, Teheran und Kairo käme niemand auf solche Ideen.

@ben: ROFL!

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Also mir ist ein Blogger bekannt, der sich mit einer Hasskappe auf seinem Blog zeigt. Ist das jetzt ein Hamasfreund? Gar ein aktiver Hamasunterstützer?

Blödsinn, nicht wahr?

Allein daran kann man schon sehen, was für ein hanebüchener Schwachfug sich hinter der Frage verbirgt, ob man friere oder Juden ermorden wolle, wenn man dieses gewürfelte Tuch trägt.

Ceterum censeo bevorzuge ich dann doch eher sowas
:-)

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Pauli forever!

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kleine anekdote: +
(che, ich wünsche dir schöne feiertage und alles gute für 2008!

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Auch so!

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