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Samstag, 23. Juni 2007
Eine kleine Kulturgeschichte des Schwarzen Blocks
che2001, 21:51h
Hinsichtlich der Ausschreitungen in Rostock war in den Medien davon die Rede, dass man seit sehr langer Zeit nicht mehr einen so großen, so gewaltbereiten und so martialischen Schwarzen Block in Deutschland gesehen hätte. Nun ist die Blackblockologie eines meiner Steckenpferde, und daher möchte ich einige Anmerkungen zu dem Thema machen. Abgesehen von staatsschutzgeprägten Pressefloskeln wie "gewaltbereit" (entweder ist jemand gewalttätig, oder es gilt die Unschuldsvermutung) - wenn ich mir den Rostocker schwarzen Block so anschaue, kam mir der eher vor wie eine "Light-Ausgabe von dem, was früher üblich und alltäglich war. Schwarze Kapuzis, Sonnenbrillen und Mundtücher - ein klassischer Schwarzer Block war noch in den 1990ern nur echt mit Hasskappen (zwischen den Augen zusammengenähten Motorradsturmhauben), gepolsterten schwarzen Motorradjacken mit Arm- und Beinschützern sowie meistens auch einem schwarzen Helm. Nicht per Hand geworfene Bruchstücke von Gehwegplatten aus Beton oder Kalksandstein, Farbbeutel und Feuerwerkskörper waren die Wurfgeschosse, die bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei zum Einsatz kamen, sondern Pflastersteine aus Granit, Molotow-Cocktails, von Jagdzwillen verschossene Schraubenmuttern und Signalmunition. So bescheuert und kontraproduktiv der Riot in Rostock auch war - hinsichtlich der von Demoseite eingesetzten Gewaltmittel fällt er weit hinter ähnliche Auseinandersetzungen früherer Jahre zurück. Umgekehrt habe ich noch nie eine, was die Ausrüstung der Mannschaften angeht, derart martialisch auftretende Polizei erlebt, die mit ihren schwarzen Plastikrüstungen und Samuraihelmen eine ganz andere Nummer darstellte als die üblichen Weißhelmträger.
- Nun bedeutet Schwarzer Block ja nicht automatisch Gewalttaten. Entstanden sind die Schwarzen Blöcke in den 70er Jahren zunächst als Antwort auf brutale Übergriffe der Polizei. Die Frankfurter Bereitschaftspolizei etwa hatte damals die beliebte Methode der Nierentritte drauf: Man schlug einen Demonstranten mit dem Knüppel nieder und trat ihm mit nicht selten stahlkappenbewährtem Steifel rechts und links in die Nieren, damit er den Rest seines Lebens etwas davon hatte. Der Schriftsteller Gerhard Zwerenz schrieb einmal, die RAF wäre den Frankfurter Demonstranten von der Polizei eingeprügelt worden. Ob so eine monokausale Sicht den Dingen gerecht wird sei dahingestellt, fest steht, dass Schwarze Blöcke als Selbstschutz der Demos gegen Polizeiübergriffe entstanden. Dazu gehörte nicht nur eine uniforme schwarze Vermummung und passive Bewaffnung (Helm, Armschützer), sondern auch das untergehakte Gehen in Ketten, um Festnahmen zu erschweren. Gewalt aus dem Schwarzen Block war nicht immer die Regel, so gab es auch völlig gewaltfreie Blöcke. Die Autonome Antifa(M) demonstrierte in den 1990ern etwa geschlossen uniform vermummt und behelmt, ohne jedoch Gewalt anzuwenden, ja, selbst die Quadratzentimetergröße der mitgeführten Transparente wurde vorher der Polizei mitgeteilt, und Ordner sorgten dafür, dass nicht von der vorgebenen Demoroute abgewichen wurde. Der Mummenschanz diente einerseits dazu, gegen Neonazis eine wirksame Drohkulisse aufzubauen, was auch funktionierte, andererseits als Pflege autonomen Brauchtums, d.h. eines fetischisierten Militanzkults, auch wenn man gar nicht wirklich militant war. Aberwitzigerweise handelte sich nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Außenwirkung ausgerechnet diese ordnungsliebende Gruppe ein 129a)-Verfahren ein.
Steinwürfe aus dem Schwarzen Block, die von Leuten, die nicht in Ketten gehen, aus den hinteren Reihen nach vorne geworfen werden und in der Regel sowohl Polizeibeamte als auch die vorderen Reihen des Blocks treffen kenne ich hingegen seit den frühen 1980ern, insofern war Rostock die Fortsetzung einer same old story. Es bleibt im Nachhinein schwer feststellbar, wer da gedreht hat, als Autonome getarnte Polizeibeamte, die als agent provocateurs gezielt ihre eigenen Kollegen und teilweise auch die vordere Reihen des Blocks angegriffen haben, irgendwelche Radulskis aus der Hooligan-Szene, die ganz unpolitisch den Fight suchten, griechische und italienische Militante, die mit der eigenen Polizei ein Hühnchen zu rupfen hatten oder eine Mischung aus allen dreien. Fest steht, dass relevante Teile des Schwarzen Blocks sich mitreißen ließen, aber auch, dass andere überwiegend vergeblich zu deeskalieren versuchten, es gelang, den Block zu schließen und in Ketten weiterzugehen, und schließlich die härtesten Knüppelangriffe der Polizei sich gegen friedliche DemonstrantInnen richteten, die im Gegensatz zu den Schwarzen leichte Beute waren. Interessant ist jedenfalls, dass die Gewalt immer genau da losging, wo schon vorher die Fernsehkameras standen, ein Vorgehen, wie es aus Wackersdorf sattsam bekannt ist. Man hat wirklich das Gefühl einer großen Inszenierung.
"Hin und wieder sieht man Terroristen über Wiesen springen. Wie chic! Die Fotoapparate sind gezückt. Wirf mir die Augenbinde runter und den Stirnverband - es herrscht wieder Frieden im Land!" (Konstantin Wecker)
- Nun bedeutet Schwarzer Block ja nicht automatisch Gewalttaten. Entstanden sind die Schwarzen Blöcke in den 70er Jahren zunächst als Antwort auf brutale Übergriffe der Polizei. Die Frankfurter Bereitschaftspolizei etwa hatte damals die beliebte Methode der Nierentritte drauf: Man schlug einen Demonstranten mit dem Knüppel nieder und trat ihm mit nicht selten stahlkappenbewährtem Steifel rechts und links in die Nieren, damit er den Rest seines Lebens etwas davon hatte. Der Schriftsteller Gerhard Zwerenz schrieb einmal, die RAF wäre den Frankfurter Demonstranten von der Polizei eingeprügelt worden. Ob so eine monokausale Sicht den Dingen gerecht wird sei dahingestellt, fest steht, dass Schwarze Blöcke als Selbstschutz der Demos gegen Polizeiübergriffe entstanden. Dazu gehörte nicht nur eine uniforme schwarze Vermummung und passive Bewaffnung (Helm, Armschützer), sondern auch das untergehakte Gehen in Ketten, um Festnahmen zu erschweren. Gewalt aus dem Schwarzen Block war nicht immer die Regel, so gab es auch völlig gewaltfreie Blöcke. Die Autonome Antifa(M) demonstrierte in den 1990ern etwa geschlossen uniform vermummt und behelmt, ohne jedoch Gewalt anzuwenden, ja, selbst die Quadratzentimetergröße der mitgeführten Transparente wurde vorher der Polizei mitgeteilt, und Ordner sorgten dafür, dass nicht von der vorgebenen Demoroute abgewichen wurde. Der Mummenschanz diente einerseits dazu, gegen Neonazis eine wirksame Drohkulisse aufzubauen, was auch funktionierte, andererseits als Pflege autonomen Brauchtums, d.h. eines fetischisierten Militanzkults, auch wenn man gar nicht wirklich militant war. Aberwitzigerweise handelte sich nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Außenwirkung ausgerechnet diese ordnungsliebende Gruppe ein 129a)-Verfahren ein.
Steinwürfe aus dem Schwarzen Block, die von Leuten, die nicht in Ketten gehen, aus den hinteren Reihen nach vorne geworfen werden und in der Regel sowohl Polizeibeamte als auch die vorderen Reihen des Blocks treffen kenne ich hingegen seit den frühen 1980ern, insofern war Rostock die Fortsetzung einer same old story. Es bleibt im Nachhinein schwer feststellbar, wer da gedreht hat, als Autonome getarnte Polizeibeamte, die als agent provocateurs gezielt ihre eigenen Kollegen und teilweise auch die vordere Reihen des Blocks angegriffen haben, irgendwelche Radulskis aus der Hooligan-Szene, die ganz unpolitisch den Fight suchten, griechische und italienische Militante, die mit der eigenen Polizei ein Hühnchen zu rupfen hatten oder eine Mischung aus allen dreien. Fest steht, dass relevante Teile des Schwarzen Blocks sich mitreißen ließen, aber auch, dass andere überwiegend vergeblich zu deeskalieren versuchten, es gelang, den Block zu schließen und in Ketten weiterzugehen, und schließlich die härtesten Knüppelangriffe der Polizei sich gegen friedliche DemonstrantInnen richteten, die im Gegensatz zu den Schwarzen leichte Beute waren. Interessant ist jedenfalls, dass die Gewalt immer genau da losging, wo schon vorher die Fernsehkameras standen, ein Vorgehen, wie es aus Wackersdorf sattsam bekannt ist. Man hat wirklich das Gefühl einer großen Inszenierung.
"Hin und wieder sieht man Terroristen über Wiesen springen. Wie chic! Die Fotoapparate sind gezückt. Wirf mir die Augenbinde runter und den Stirnverband - es herrscht wieder Frieden im Land!" (Konstantin Wecker)
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Everyone fights the dust
che2001, 20:43h
Die Formulierung "...fights the dust" taucht öfter mal in Rocksongs auf. Was bedeutet das? Ich glaube nun nicht, dass Rockbands ständig mit dem Motorrad durch die Wüste riden, auch nicht, dass sie permanent mit Staubsaugen beschäftigt sind oder die sehr ungebräuchliche Ghettodroge Angeldust entziehen. Was also will mir diese Metapher sagen?
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Knight in Service of Satan in der Rushdieour
che2001, 18:52h
Letzte Woche wurde Salman Rushdie zum Ritter geschlagen. Anlass genug für das pakistanische Parlament zu einer hitzigen Debatte, in der Mullah ul Haq erklärte, solche Entscheidungen wären die Ursache von Selbstmordattentaten islamischer Fundamentalisten. Als ihm vorgeworfen wurde, damit würde er den Terror rechtfertigen, erklärte der Mullah, nein, so sei das nicht gemeint, aber mit der Adelung eines Gotteslästerers leiste Großbritannien dem paranoiden Bild des Westens in den Augen der Djihadisten Vorschub, und deshalb sei es ein Akt der Vernunft, wenn der Ritterschlag rückgängig gemacht würde. Abgeordnete des pakistanischen Parlaments verfassten eine entsprechende Petition. Die Logik, die dahinter steht ist absurd: Ein hinreißend bizarrer Roman, der die Grenzen zwischen Politsatire, Science fantasy und Mythologie überschreitet und en passant darauf hinweist, dass ein apokrypher Teil des Koran existieren könnte, wird wegen seines plakativen Titels zum Anlass der größten Ketzerjagd seit der Inquisition, und bald 20 Jahre danach gibt es noch immer kein Ruhen deswegen. Nicht die Intoleranz, Humorlosigkeit und menschenmordende Konsequenz der Khomeinisten ist das Problem, sondern der Dichter, den zu verstehen seine Feinde rein geistig gar nicht in der Lage sein dürften. Gruselig. Rushdie aber wäre kein Ritter, wenn er nicht weiter in der Lage ist, allen Anfeindungen gegen ihn standzuhalten.
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Der Bundestrojaner oder wie schießt der Schnüffelstaat seine eigene Spionage ab
che2001, 18:38h
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