Samstag, 23. Juni 2007
Eine kleine Kulturgeschichte des Schwarzen Blocks
Hinsichtlich der Ausschreitungen in Rostock war in den Medien davon die Rede, dass man seit sehr langer Zeit nicht mehr einen so großen, so gewaltbereiten und so martialischen Schwarzen Block in Deutschland gesehen hätte. Nun ist die Blackblockologie eines meiner Steckenpferde, und daher möchte ich einige Anmerkungen zu dem Thema machen. Abgesehen von staatsschutzgeprägten Pressefloskeln wie "gewaltbereit" (entweder ist jemand gewalttätig, oder es gilt die Unschuldsvermutung) - wenn ich mir den Rostocker schwarzen Block so anschaue, kam mir der eher vor wie eine "Light-Ausgabe von dem, was früher üblich und alltäglich war. Schwarze Kapuzis, Sonnenbrillen und Mundtücher - ein klassischer Schwarzer Block war noch in den 1990ern nur echt mit Hasskappen (zwischen den Augen zusammengenähten Motorradsturmhauben), gepolsterten schwarzen Motorradjacken mit Arm- und Beinschützern sowie meistens auch einem schwarzen Helm. Nicht per Hand geworfene Bruchstücke von Gehwegplatten aus Beton oder Kalksandstein, Farbbeutel und Feuerwerkskörper waren die Wurfgeschosse, die bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei zum Einsatz kamen, sondern Pflastersteine aus Granit, Molotow-Cocktails, von Jagdzwillen verschossene Schraubenmuttern und Signalmunition. So bescheuert und kontraproduktiv der Riot in Rostock auch war - hinsichtlich der von Demoseite eingesetzten Gewaltmittel fällt er weit hinter ähnliche Auseinandersetzungen früherer Jahre zurück. Umgekehrt habe ich noch nie eine, was die Ausrüstung der Mannschaften angeht, derart martialisch auftretende Polizei erlebt, die mit ihren schwarzen Plastikrüstungen und Samuraihelmen eine ganz andere Nummer darstellte als die üblichen Weißhelmträger.

- Nun bedeutet Schwarzer Block ja nicht automatisch Gewalttaten. Entstanden sind die Schwarzen Blöcke in den 70er Jahren zunächst als Antwort auf brutale Übergriffe der Polizei. Die Frankfurter Bereitschaftspolizei etwa hatte damals die beliebte Methode der Nierentritte drauf: Man schlug einen Demonstranten mit dem Knüppel nieder und trat ihm mit nicht selten stahlkappenbewährtem Steifel rechts und links in die Nieren, damit er den Rest seines Lebens etwas davon hatte. Der Schriftsteller Gerhard Zwerenz schrieb einmal, die RAF wäre den Frankfurter Demonstranten von der Polizei eingeprügelt worden. Ob so eine monokausale Sicht den Dingen gerecht wird sei dahingestellt, fest steht, dass Schwarze Blöcke als Selbstschutz der Demos gegen Polizeiübergriffe entstanden. Dazu gehörte nicht nur eine uniforme schwarze Vermummung und passive Bewaffnung (Helm, Armschützer), sondern auch das untergehakte Gehen in Ketten, um Festnahmen zu erschweren. Gewalt aus dem Schwarzen Block war nicht immer die Regel, so gab es auch völlig gewaltfreie Blöcke. Die Autonome Antifa(M) demonstrierte in den 1990ern etwa geschlossen uniform vermummt und behelmt, ohne jedoch Gewalt anzuwenden, ja, selbst die Quadratzentimetergröße der mitgeführten Transparente wurde vorher der Polizei mitgeteilt, und Ordner sorgten dafür, dass nicht von der vorgebenen Demoroute abgewichen wurde. Der Mummenschanz diente einerseits dazu, gegen Neonazis eine wirksame Drohkulisse aufzubauen, was auch funktionierte, andererseits als Pflege autonomen Brauchtums, d.h. eines fetischisierten Militanzkults, auch wenn man gar nicht wirklich militant war. Aberwitzigerweise handelte sich nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Außenwirkung ausgerechnet diese ordnungsliebende Gruppe ein 129a)-Verfahren ein.

Steinwürfe aus dem Schwarzen Block, die von Leuten, die nicht in Ketten gehen, aus den hinteren Reihen nach vorne geworfen werden und in der Regel sowohl Polizeibeamte als auch die vorderen Reihen des Blocks treffen kenne ich hingegen seit den frühen 1980ern, insofern war Rostock die Fortsetzung einer same old story. Es bleibt im Nachhinein schwer feststellbar, wer da gedreht hat, als Autonome getarnte Polizeibeamte, die als agent provocateurs gezielt ihre eigenen Kollegen und teilweise auch die vordere Reihen des Blocks angegriffen haben, irgendwelche Radulskis aus der Hooligan-Szene, die ganz unpolitisch den Fight suchten, griechische und italienische Militante, die mit der eigenen Polizei ein Hühnchen zu rupfen hatten oder eine Mischung aus allen dreien. Fest steht, dass relevante Teile des Schwarzen Blocks sich mitreißen ließen, aber auch, dass andere überwiegend vergeblich zu deeskalieren versuchten, es gelang, den Block zu schließen und in Ketten weiterzugehen, und schließlich die härtesten Knüppelangriffe der Polizei sich gegen friedliche DemonstrantInnen richteten, die im Gegensatz zu den Schwarzen leichte Beute waren. Interessant ist jedenfalls, dass die Gewalt immer genau da losging, wo schon vorher die Fernsehkameras standen, ein Vorgehen, wie es aus Wackersdorf sattsam bekannt ist. Man hat wirklich das Gefühl einer großen Inszenierung.

"Hin und wieder sieht man Terroristen über Wiesen springen. Wie chic! Die Fotoapparate sind gezückt. Wirf mir die Augenbinde runter und den Stirnverband - es herrscht wieder Frieden im Land!" (Konstantin Wecker)

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und wenn all das stimmt... warum können die Leute dann nicht einfach friedlich demonstrieren? Soll ich Dir glauben, dass jegliche Großdemonstration immer von aggressiven Polizisten und "agents provocateurs" in Straßenschlachten verwandelt wird? Tut mir leid, da finde ich die "unpolitische Hooligans"-Theorie irgendwie noch glaubwürdiger. :(

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Was mir wirklich ein Rätsel ist, muß ich jetzt loswerden, auch auf die Gefahr hin, daß ich damit eine Grundsatzdebatte lostrete - wieso wird von liberaler Seite aus allen Rohren diskursiv gegen Finanzämter, Sozialleistungen und Politik geschossen wird, also diese Ebene des Staatlichen, aber ansonsten alles dafür getan, auch ja nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß es auch Polizeiwillkür und Polizeigewalt geben könnte und auch an der realen Justizpraxis hierzulande Kritik möglich und notwendig sein muß und daß es ganz unabhängig davon, ob das nun agent provokatuer waren oder nicht, schlicht ein politisches Interesse an dem Unterstellen prinzipieller und ausschließlicher Gewalttätigkeit gibt?

Irgendein Polizeieinsatzleiter aus Genua hat sich gerade retorspektiv entschuldigt, und die "Rebel Clowns" und "Radical Sheerleader", beides Methonden, sich Polizeigewalt vom Leibe zu halten, wurden ja nicht zufällig nicht in den Nachrichten gezeigt.

Hast Du mal diesen Heise-Text gelesen, der neulich bei FDOG verlinkt war, über die reale "Rechts"-Praxis da in Rostock, wo kurz darauf als Antwort natürlich "Euckens Erbe" wieder dazu aufrief, die Reihen fest geschlossen zu halten?

Ich gehöre nun wirklich nicht zu jenen, die das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, wirklich nicht, aber hast Du das mit den Nierentritten oben denn überhaupt gelesen, Karsten?

Als ich nach Hamburg zog, war hier z.B. der Hamburger Kessel ein Riesenthema, da gab's ja hinterher meines Wissens auch Urteile wegen Freiheitsberaubung - da kann man nicht permanent eine Seite der Dynamik ausklammern. Wer da drin stand, hat nun mal eine reale Gewalterfahrung erlitten, eine der noch harmloseren Form.

Erinnere mich auch noch dunkel an die Geschichte eines kritischen Journalisten/Fotografen, der, wenn ich mich recht entsinne, dann auf Demos seine körperliche Unversehrtheit, Grundrecht, einbüßte, und das nicht wegen der Demonstranten ... Che hat oben unter anderem beschrieben, das zunächst der schwarze Block eine Schutzmaßnahme (!!!) genau dagegen war, das mit dem Einhaken kenne ich auch noch als einer, der damals eher zur Müsli-Fraktion gehörte.

Das ist sowieso ein Kuriosum, daß genau jene aktuell am lautesten gegen die Staatsmacht wettern, die sie überhaupt nicht wirklich zu spüren bekommen, während selbst bei unserer lächerlichen Selbstorganisation der Kriegsgegner in meinem Heimatstädtchen binnen kurzem V-Männer saßen.

Seit dem Kaiserreich und schon davor hat immer die Linke auf die Fresse bekommen. Und das nicht nur bei Demos, und das auch in der DDR, übrigens. Erinnere mich noch gut an die Berichte von Leuten, die in der hannöverschen Passerelle von Skins verprügelt wurden, und die Bahnpolizei stand daneben und feixte sich einen, daß diese den Bahnhof sauber halten. Konnte ich nie verifizieren, habe mich ja nicht druhch die Passerelle getraut, paßt aber zur Geschichte mit den Schauspielern weiter unten.

Auch so einen lebensweltlichen Rahmen muß man schon mitdenken, wenn man darüber diskutiert.

Jetzt kriegst zwar ausgrechnet Du ab, was was eigentlich anderen gilt, aber nach Ches ausführlichen, auch kritischen Erläuterungen nun gleich wieder auf Hooliganism umzuschwenken, das ist mir doch zu billig.

Das ist immer die gleiche brodersche Figur, die mir schon bei den Pariser Riots auf den Senkel ging: Daß gar nicht mehr gefragt wird, was da wirklich passiert, sondern nur und ausschließlich nach dem Gummiknüppel geschrien wird, und wer noch differenziert, dem wird dann sofort unterstellt, er wolle Gewalt legitimieren. Hatte ich ja in meinem Blog auch schon, und was der Hecht jetzt wieder schreibt, da bin ich ja auch schon mal gespannt drauf.

Abgesehen davon fällt auch Hooliganism nicht vom Himmel ... das ist diese affige, moderne Masche, immer alles, was sie selbst hervorbringt, zur nicht dazugehörigen Barbarei zu stilisieren ... Blödsinn.

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Karsten, Deine Frage ist einfach zu kurz gestellt, sie müsste lauten "Warum können die Leute nicht friedlich demonstrieren, wenn ihnen die Knochen gebrochen werden?". Es gibt verschiedene Bürger- und Grundrechte, z.B. das auf Meinungsfreiheit und das auf körperliche Unversehrtheit. Beide zugleich wahrnehmen zu wollen ist eine Unverschämtheit, denn es schließt sich in diesem Lande oftmals gegenseitig aus. Das war meine Expressantwort, die ausführliche Fassung kommt heute Nachmittag.

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Inhaltlich kann ich auf Euch gerade nicht eingehen (gerade keine Zeit), formell muss ich allerdings sagen, dass mein Kommentar wohl etwas unglücklich kurz und für das komplexe (und entsprechend aufgearbeitete) Thema auch sehr undifferenziert war. Sorry - es war schon spät, und ich kam gerade aus einer Kneipe, in der ich mich auch mit einem Polizisten unterhalten habe. Manchmal schreibt man besser nichts, auch, wenn man etwas sagen will...

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Mut zur Lücke!
Das wäre doch eine schlimme Welt, in der man immer nur Duchdachtes und Ausformuliertes von sich geben dürfte. Du kannst Dir ja Zeit lassen, auf meinen langen Beitrag zum Thema zu antworten, läuft ja nicht weg :-)

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.... außerdem hast Du mir einen willkommenen Anlaß geboten, mal das loszuwerden, was mir seit Wochen durch den Kopf schießt ;-) ... sorry, aber auch Danke dafür.

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Und von mir hast Du Post, Momo!

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Differenziertere Blackblockologie
Um Karstens Einwand gleich mal aufzugreifen: In einem Fall wurde ein als Autonomer getarnter Polizeibeamter von DemonstrantInnen enttarnt. Dann fällt bei den Leuten, die mit den Steinwürfen begannen (ich rede hier nicht von aus den Block schon vorher vereinzelt gegen Fassaden von Banken geworfene Farbbeutel, das ist eine andere Qualität) auf, dass diese außerhalb der fest untergehakten Ketten des Blocks agierten, dass keiner von denen jemals bei den Vorbereitungstreffen zur Demo gesehen worden waren (auch Vermummte erkennen einander, wenn sie gewohnt sind, gemeinsam zu demonstrieren), dass sie arbeitsteilig auf Anweisungen von "Commandern" in einer genau festgelegten Zeichensprache agierten, ein Verhalten, das zumindest für deutsche Autonome völlig untypisch ist, aber aussieht, als ob man für so etwas ausgebildet sei, schließlich trugen die im Gegensatz zum doch eher sehr gebraucht aussehenden typischen Autonomen-Outfit ausnahmslos nagelneue Klamotten von der Stange, und darunter genau die Art Arm- und Beinschützer, die die Bereitschaftspolizei verwendet. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt?


Es ist ja nicht so, dass so etwas neu wäre. 1982 enttarnte eine autonome Frauengruppe eine eingeschleuste BKA-Beamtin, die ein Geständnis ablegte und sagte, es sei Ziel der Polizei, möglichst viele miltante Gruppen zu infiltrieren. Als 1987 an der Startbahn West Polizeibeamte erschossen wurden, hieß es, dies sei mit von Autonomen vorher erbeuteten Polizeipistolen vom Typ Sigg Saur geschehen. Bei Dunkelheit mit einer 9mm Pistole auf 120m Entfernung gezielte Todesschüsse? War da nun James Bond oder doch eher Wyatt Earp der Schütze? Den angeblichen Täter kannte in der Startbahn-Widerstands-Szene niemand. 1969 kamen die ersten Knarren, mit denen deutsche Terroristen geschossen haben, von dem Verfassungsschutz-V-Mann Peter Urbach. Das Celler Loch setzte ich als Bestandteil der Allgemeinbildung voraus. In Umrissen wird erkennbar, dass es seitens des Staatsschutzes eine über Jahrzehnte betriebene Strategie zu geben scheint, linken Widerstand zu kriminalisieren und, um dies tun zu können, Straftaten zu provozieren oder auch selber zu begehen.


Ich will hier allerdings keine Illuminaten-Theorie schmieden, vielmehr erscheint mir die Frage nach den agent provocateurs nur als die nach einer vielleicht bestimmenden, vielleicht auch eher marginalen Komponente in einem multifaktoriellen Geschehen. Da ist die Sache mit den griechischen und italienischen Autonomen. In Athen sind Demos Alltag, die, geschähen sie in Deutschland, hier als "bürgerkriegsartige Unruhen" bezeichnet würden. Mir hat ein Athener Punk mal geschildert, was er erlebte. Er und seine Freunde wurden von Athener Polizei am Rande einer Demo festgenommen, an der sie selber gar nicht teilnahmen, weil sie so aussahen, wie Punks nun einmal aussehen. Sie wurden windelweich geschlagen, und die Bullen rissen ihnen die Piercings heraus, einschließlich Ohrläppchen und Nasenflügel. Auf die Frage, was man denn gegen sie hätte, erwiderte ein Beamter "Ihr seid alles schwule Albaner! Ihr seid nicht wert, dass ihr lebt!". Und weil die griechische Polizei so ist, wie sie ist (die älteren Beamten haben ihren Job noch unter der Obristen-Diktatur erlebt, wo die Falaka, das Auspeitschen der Fußsohlen, Bestandteil der Polizeiausbildung war) sind auch die dortigen Autonomen härter drauf. Molotow-Cocktails werden dort nicht, wie anderswo üblich, in weitem Abstand vor einer Polizeikohorte auf das Straßenpflaster geworfen, um den Vormarsch zu stoppen, sondern direkt auf den Mann. In Genua haben die Carabinieri beim G8-Gipfel ein furchtbare Prügelorgie angerichtet und einen Demonstranten erschossen. Aus beiden Ländern waren starke Gruppen vor Ort. Schon vorstellbar, dass da jemand meinte, Rechnungen begleichen zu müssen, die keine Rechnungen mit der DEUTSCHEN Polizei waren.

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Und dazu gleich Block 2
Und zum "warum können denn die Leute nicht einfach friedlich demonstrieren?" lasse ich einfach einmal ein paar persönliche Erlebnisse Revue passieren. 1986, nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, maß eine Ärztin der Nuklearmedizin des Göttinger Uni-Klinikums an einer Regenpfütze mit dem Geigerzähler die Radioaktivität und resümierte, wenn sie diese erte in einem Labor feststellte, müsste dieses sofort geschlossen und versiegelt werden. Offiziell wurden die Messwerte für Göttingen geheim gehalten. Auf einer Ratssitzung sollte über die Bekanntgabe der Messwerte debattiert werden. Wir machten eine Demo zum Rathaus mit den zentralen Forderungen, die Messwerte herauszugeben, eine ausreichende Versorgung der Apotheken mit Jodtabletten sicherzustellen und den Schrottreaktor in Stade stillzulegen. Nach der Abschlusskundgebung wollten Einige, darunter auch ich, ins Rathaus, um die Debatte im Plenum zu verfolgen. Wir wurden von der Polizei am Betreten des Hauses gehindert und bekamen Knüppelhiebe und Tränengas ab. Daraufhin blockierten wir die Kreuzung vor dem Rathaus, geplant war, die Blockade bis Ende der Sitzung durchzuziehen. Die Polizei verjagte uns aber, indem sie einen leeren Bus der KVG in die Menschenmenge lenkte, es war purer Zufall, dass niemand überfahren wurde, und eine Knüppelgarde hinterher schickte. Da wurden innerhalb kürzester Zeit ein paar neue Autonome geboren. Leute, die eben noch Kirchentagslieder gesungen hatten, riefen, als die Bullen losknüppelten, erst: "Aufhörn, aufhörn, aufhörn!", dann "Schweine, Schweine, Schweine!", dann "Ich bin nichts, ich kann nichts, gebt mir eine Uniform!", dann "Polizei, SA. SS!", dann "Feuer und Flamme für diesen Staat!", dann flogen die Reste der Mineralwasserflaschen, mit denen man uns vorher das Tränengas aus den Augen gespühlt hatte und deren Kaste vom Bus zermangelt worden war. Kurz darauf, Pfingsten in Wackerdsorf, flog die Polizei aus dicken Puma-Helikoptern mit Tränengasbomben ein regelrechtes Flächenbombardement auf eine Demo, in der sich auch Rollstuhlfahrer befanden, und ein Demonstrant wurde dabei getötet. Die Leute, die in verzweifelter Wut mit Feuerwerksraketen und Signalmunition auf die Helis schossen konnte ich nur zu gut verstehen. 1990, bei der Nie-wieder-Deutschland-Demo in Frankfurt, wurden alle Leute, die an der Demo teilnahmen, einzeln einer Leibesvisitation unterzogen, es war also eine definitiv völlig unbewaffnete, auch nicht passiv bewaffnete Demo. Unterwegs riefen Bauarbeiter von einem Baugerüst "Braucht ihr Helme, wir haben Helme!" Hätten wir doch angenommen! Nach der Abschlusskundgebung mangelten von allen Seiten Wasserwerfer auf uns zu - deren Bedienungsmannschaften hatten schon vor Demobeginn mit ihren Joysticks herumgespielt und uns zugefeixt und Stinkefinger gezeigt und gingen die Knüppelgarden auf uns los. Ich war in der ersten Reihe und blieb nur deshalb unverletzt, weil ein Typ auf mir drauflag und von einem Beamten
die Hucke voll bekam, bis er sich nicht mehr bewegte. Bei einer Häuserräumung in Kreuzberg wurden drei auf dem Boden liegende Frauen von den Cops mit Schlagstöcken malträtiert, obwohl ihnen das Blut schon aus der Kleidung hervorlief, bis sie in einer Blutlache lagen. Bei einem Streik an der Berliner FU wurden zwei Blockiererinnen auf dem Campusgelände von einem Polizeifahrzeug beide Beine abgefahren.

Wenn man so etwas über viele Jahre erlebt hat, stellt sich die Frage umgekehrt: Warum sollte man eigentlich friedlich demonstrieren? Das soll nicht heißen, dass ich zu Gewalttaten aufrufe. Aber ich weiß aus eigenem Erleben sehr gut, wie man dazu kommen kann.

Ach ja, und die Wahrnehmung von der anderen Seite kenne ich auch, hatte ich doch in meiner szeneintensiven Zeit einen Richter, einen Kripohauptkommissar und einen BePo-Hundertschaftsführer in meinem privaten Bekanntenkreis - zum Glück standen wir uns nie bei Auseinandersetzungen gegenüber, und als Reporter lief ich sowohl im Schwarzen Block als auch in den Reihen der Polizei mit. Das war lustig, als wir uns in schwarzen Klamotten mit Offiziersstiefeln an in eine Hundertschaft mischten und eiin Beamter fragte "Sind das nicht Chaoten?" und sein Kollege erwiderte "Mann , guck Dir doch die Stiefel an, BGS!"

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Ich weiß ja nicht, woher du deine Informationen zum 2.11.87 hast, aber alle Leute die danach vor Gericht standen und verurteilt wurden, waren seit Jahren hier bekannte und aktive Startbahngegner.
Und Andreas E., der als Schütze verurteilt wurde, war bekannt wie bunter Hund.
Die Distanzen lagen im Übrigen zwischen 83 und 516m.

http://www.taz.de/index.php?id=archiv&dig=1997/11/01/a0060

http://www.tolmein.de/politik,p-recht,161,jetzt-rede-ich.html

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Das wusste ich in der Tat nicht, meine Informationen stammten von StartbahngegnerInnen, die wir unmittelbar danach kontaktiert hatten und die sagten, A.E. und F.H. wären dort unbekannt. Die weitere Entwicklung hatten wir, da Dinge wie der Tod von Conny Wessmann für uns wichtiger waren, aus den Augen verloren. Danke also für die Links!

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