Mittwoch, 27. Januar 2021
Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe nach mehr als 1 Million Impfungen – das PEI zieht erste Bilanz
Dr. Nicola Siegmund-Schultze, Univadis


Die bisher gemeldeten unerwünschten Reaktionen auf die Impfung von mehr als 1 Million Menschen in Deutschland entsprechen qualitativ den Erwartungen, die Häufigkeit schwerer unerwünschter Effekte ist eher niedriger als in den Studien. Es treten vor allem Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen auf. Dies zeigt der 3. Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Stichtag war der 17. Januar.

Auf 2.000 Impfdosen wird circa 1 Fall von unerwünschten Wirkungen gemeldet, bei den schwerwiegenden Nebenwirkungen sind es 1,3 Fälle auf 10.000 Impfdosen (0,013%). Es gibt bislang keinen Todesfall, für den ein Zusammenhang zur Impfung bestätigt oder plausibel wäre.

Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, Impfkomplikationen dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden, das diese Meldung in pseudonymisierter Form an das Paul-Ehrlich-Institut weitergibt. Das PEI überwacht in Deutschland die Sicherheit von Impfstoffen.

Mehr als 6.500 Menschen sind 2-mal geimpft
Seit 22. Dezember 2020 ist in der Europäischen Union (EU) der mRNA-Impfstoff Comirnaty (BioNTech/Pfizer) zum Schutz vor COVID-19 zugelassen, am 27.12. wurde in Deutschland mit dem Impfen begonnen. Am 06.01.2021 erfolgte die EU-weite Zulassung eines Impfstoffs von Moderna.

In Deutschland wurden bis zum 17. Januar 2021 1.139.297 Personen gegen SARS-CoV-2 geimpft, darunter 1.136.573 mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer und 2.724 Personen mit dem Covid-19-Impfstoff von Moderna (mRNA-1273).

Von den 1.139.297 Geimpften haben 6.581 die zweite Impfung erhalten.

Allergische Symptome bei 32 Personen – 2 lebensbedrohlich
Die Melderate unerwünschter Reaktionen betrug für den BioNTech/Pfizer-Impfstoff 0,57 Fälle auf 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Fälle betrug sie 0,13 auf 1.000 Impfdosen (Studiendaten: <2% schwere systemische Nebenwirkungen).


Für den COVID-19-Impfstoff von Moderna wurden 2 nicht-schwerwiegende Fälle berichtet. Dies entspricht einer Melderate von 0,73 Fällen auf 1.000 Impfungen.

Es traten im Durchschnitt 4 Reaktionen pro Meldung auf, die meisten kurzzeitig. Unerwünschte Effekte waren vor allem:

Kopfschmerzen,

Erschöpfung,

Schmerzen an der Injektionsstelle,

Schwindelgefühl,

Fieber und

Schüttelfrost.

In 145 Fällen wurden schwerwiegende Reaktionen gemeldet.

21 dieser Personen sind gestorben, sie waren im Median 87 Jahre alt. Bis auf 9 Verstorbene waren Verschlechterungen oder Komplikationen der Grunderkrankung ursächlich. In 9 Fällen blieb die Todesursache unklar – statistisch nicht mehr als die in der Altersgruppe erwartete Anzahl von Todesfällen unklarer Ursache, so das PEI.

Bei 32 Personen traten allergische Symptome auf, davon 20 Fälle einer anaphylaktischen Reaktion. Bei knapp der Hälfte der Anaphylaxien (47%) traten die ersten Symptome binnen 15 Minuten nach Impfung ein, bei 21% im Zeitintervall von 16 bis 30 Minuten, 2 Fälle wurden vom PEI als lebensbedrohlich bewertet.

Als auslösende Agenzien für Hypersensitivitätsreaktionen kommen nach Angaben des PEI die in den Impfstoffen enthaltenen Lipidnanopartikel infrage, besonders das darin enthaltene Polyethylenglykol.

Es bestünden derzeit keine Kontraindikation für Allergiker oder Menschen mit Anaphylaxien in der Vorgeschichte, sie könnten sich mit Comirnaty impfen lassen. Kontraindikationen seien dagegen eine bekannte Allergie auf Inhaltsstoffe des COVID-19-Impfstoffs und eine allergische Reaktion auf die erste Dosis.

Meldungen im Einklang mit Fachinformationen
Die Meldungen stünden im Einklang mit der Fach- und Gebrauchsinformation, resümiert das PEI. Vor dem Hintergrund, dass das Risiko für einen schweren und auch tödlichen Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion mit zunehmendem Alter rapide ansteige, sei es wichtig, dass ältere Menschen so gut wie möglich vor einer Infektion geschützt würden.

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Schützt Vitamin D vor schwerem COVID-19?
Ein Endokrinologe erklärt die Datenlage und ob eine Supplementierung sinnvoll ist
PD Dr. Johannes W. Dietrich


Fast schon seit Beginn der COVID-19-Pandemie wird über eine mögliche protektive Rolle einer Vitamin-D-Supplementation diskutiert. Auch im Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) wurde das Thema bereits zweimal behandelt (18. und am 19. Mai 2020). Hier diskutiert der Endokrinologe PD Johannes W. Dietrich, Oberarzt am Universitätsklinikum Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität in Bochum (UK RUB), die aktuelle Datenlage. Sein Kommentar erschien ursprünglich in der ersten Januarwoche in den Medizinischen Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.

Hinweise aus Studien, dass ein Vitamin-D-Mangel mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 einhergeht, gibt es viele. Eine Meta-Analyse konnte kürzlich zeigen, dass bei schweren Verlaufsformen die Wahrscheinlichkeit für einen Vitamin-D-Mangel um 64% höher als bei leichten Verläufen war (Odds Ratio 1,64, 95%-Konfidenzintervall 1,30–2,09).

Eine insuffiziente Vitamin-D-Konzentration war umgekehrt mit einem erhöhten Risiko für Hospitalisierungen (OR 1,81, KI 1,41–2,21) und einer Übersterblichkeit assoziiert (OR 1,82, KI 1,06–2,58) [1].

Dennoch bleibt die Frage, ob hier wirklich eine Kausalität zugrunde liegt.

Es könnte ja durchaus sein, dass eine Verzerrung durch Confounder vorliegt, etwa weil multimorbide und bettlägerige Menschen häufig auch einen Vitamin-D-Mangel aufweisen, ihr Risiko aber wegen der Multimorbidität erhöht ist.

Außerdem konnte gezeigt werden, dass die 25-Hydroxy-Vitamin-D-Konzentration im Serum nach experimenteller Herbeiführung einer Entzündung durch Gabe bakterieller Lipopolysaccharide absinkt [2], so dass ein Mangel an Vitamin D möglicherweise nicht die Ursache, sondern die Folge der schweren Erkrankung darstellt. Daher wurden zu Recht interventionelle Studien zur Klärung eines möglichen Nutzens einer Vitamin-D-Therapie gefordert [3].

Die Studienlage
Diesen Anspruch wollen 2 kürzlich veröffentlichte Studien erfüllen, welche die Wirkung einer supplementativen Therapie mit Vitamin D auf den Verlauf von COVID-19 untersucht haben. Die randomisierte COVIDIOL-Studie hat 76 hospitalisierte Patientinnen und Patienten mit SARS-Cov-2-Infektion untersucht [4].

50 Personen erhielten am Aufnahmetage 0,532 mg Colecalciferol und je 0,266 mg an den Tagen 3 und 7 nach Aufnahme. Eine Kontrollgruppe erhielt kein Vitamin D. Beide Gruppen wurden ansonsten mit derselben Standardbehandlung, die u. a. Hydroxychloroquin und Azithromycin sowie ggf. Ceftriaxon umfasste, therapiert.

Von den 50 mit Vitamin D behandelten benötigte eine Person eine intensivmedizinische Therapie (2%), jedoch 13 der 26, die kein Vitamin D erhielten (50%). Durch eine Vitamin-D-Therapie sank die Odds Ratio für eine Intensivtherapie auf 0,02 (95%-Konfidenzbereich 0,002–0,17) ab. Nach Korrektur um Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2 lag die Odds Ratio mit 0,03 (0,003–0,25) nur unwesentlich höher. In der Colecalciferol-Gruppe gab es keinen Todesfall, jedoch 2 in der Kontrollgruppe.

Die 2. Studie verfolgte einen „quasi-experimentellen“ Ansatz [5]. Hierfür wurden 66 an COVID-19 erkrankte Bewohner eines französischen Pflegeheims untersucht. Zur Interventionsgruppe wurden diejenigen gezählt, die während der COVID-19-Erkrankung oder im Monat davor eine Colecalciferol-Supplementation erhielten, wie das in französischen Pflegeheimen übliche Praxis ist. Als Kontrollgruppe zählten die übrigen mit SARS-CoV-2 infizierten Bewohner. Ergebnis: 82,5% der 57 Senioren in der Therapiegruppe überlebten, aber nur 44,4% der 9 Personen in der Kontrollgruppe.

„Noch ist Vorsicht angebracht“
Mit den Ergebnissen der beiden Studien liegen erstmals Hinweise aus interventionellen Ansätzen vor, die eine mögliche Effektivität einer Vitamin-D-Supplementation für eine Verbesserung der Prognose von COVID-19 suggerieren. Diese Ergebnisse würden gut zu experimentellen Hinweisen passen, dass Vitamin D auch die Abwehr viraler Infekte unterstützt [3].

Allerdings ist noch Vorsicht angebracht.

Zum einen sind die Fallzahlen beider Studien sehr klein, so dass die statistische Belastbarkeit noch gering ist. Zum anderen muss eine Supplementation nicht automatisch hilfreich sein, denn von einer möglichen Überversorgung mit Vitamin D ist keine Verbesserung der Prognose zu erwarten.

So konnte eine Studie zeigen, dass es einen nichtlinearen U-förmigen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Versorgung und dem Risiko für eine diabetische autonome Neuropathie gibt. Letztere fand sich gehäuft sowohl bei niedrigen als auch hohen Vitamin-D-Konzentrationen [6]. Daher sind weitere Studien mit größeren Fallzahlen nötig, die auch sorgfältig auf die erreichten Serumkonzentrationen eingehen.

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