Sonntag, 2. Juli 2006
Wildcat schreibt, wie es ist
In der sehr lesenswerten Sommerausgabe der Wildcat werden einige wichtige Dinge zum Thema Klasse, Rassismus und Herrschaftsdiskurs pointierter und straffer ausgedrückt, als ich, der die Neigung hat, wie ein Professor zu denken, es könnte. Ich zitiere: "Natürlich haben wir in Deutschland Unterklassen, sagt seit einigen Jahren der konservative Historiker Paul Nolte und meint damit die <<Arbeits- und Integrationsunwilligen>>, manchmal sagt er auch ganz einfach <<Neukölln>>. Dort isst man zuviel Fast Food, sitzt den ganzen Tag vorm Fernseher (und guckt die falschen Programme!), setzt zu viele Kinder in die Welt (denen man kein Vorbild ist). Diese<<Unterklassen>> seien für ihre Lage selbst verantwortlich zu machen; es sei falsch, sie weiter als Objekte des Sozialstaats zu alimentieren. Das ist die ideologische Begleitmusik zur Duchsetzung der Hartz-Gesetze, die vor allem den Niedriglohnsektor verbreitern sollen. Zu diesem Zweck werden die <<überflüssigen>> und <<delinquenten>> Teile der Klasse als Karikatur dingfest gemacht und diskursiv zum Abschuss freigegenen. Dieses Bild von den <<Unterklassen>> ist ein Angebot an die anderen Teile der Klasse, sich durch Eigeninitiative und Wohlverhalten nach unten abzugrenzen. ..... Zudem konnten wir in den letzten Monaten beobachten, wie solche Konstrukte in der öffentlichen Debatte funktionieren. Ob Ehrenmorde, rassistische Gewalt gegen <<Farbige>> oder ein offener Brief von LehrerInnen, der auf die Auflösung der (Rütli-) Hauptschule zielte: <<gewalttätige SchülerInnen>> (wahlweise aus der Unterschicht oder von ausländischer Herkunft), tumbe deutsche Rassisten (Unterschicht, Fast Food, falsche Fernsehprogramme), muslimische Gefahr (Ausländer) lassen den Ruf nach mehr Bullen, mehr Sozialarbeitern, nach mehr (Zwangs-)Integration in die deutsche Leitkultur erschallen - in jedem Fall Wasser auf die Mühlen des Staates. ... Emanzipatorische Entwicklungen etwa in der dritten und vierten Generation türkischer und kurdischer Zuwanderer - worauf die Ehrenmorde eine eklige und brutale Antwort eines untergehenden Patriarchats sind - gehen dabei völlig unter. Das <<Praktische>< am Unterklassendiskurs von Nolte ist, dass er wahlweise als soziale oder kulturelle Frage gedreht werden kann, bei Bedarf kann so auch locker an den Kulturalismus von junge freiheit oder Le Pen angedockt werden."

... link (43 Kommentare)   ... comment


Guten Appetit!
Gerade in einem Hörfunkbeitrag über bürgerkriegsartige Unruhen in Neuguinea gehört: "Da die besiegten Gegner nicht mehr einverleibt werden, gibt es auch keine Siege mehr auszukosten."

Tja, das nennt man wohl Rückgang der Lebensqualität ;-)

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 2. Juli 2006
Allez les Bleus!
Berlin, Berlin, ca ira Berlin!


Wobei ich mich sehr wunderte über den Kommentator, der sagte, körperlich und physisch seien die Franzosen die bessere Mannschaft. Hat hier der Gelegenheits-Tautologe zugeschlagen oder doch eher der Semantik-Looser?

:-))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))

Bald ist 14. Juli. Ca ira!

... link (6 Kommentare)   ... comment


Göttinger Allerlei
Für Freunde schöner Möbel gibt es hier eindrucksvolle Dinge zu finden:

http://trouvaillen.blogger.de/stories/492994/

Nur wäre der Che nicht der Che, wenn es dazu nicht auch ein sozialrevolutionäres Kontrast- und Ergänzungsprogramm gäbe. Da ich ja öfter über die Vernichtung der überflüssigen Esser schreibe, hier ein Bekenntnis-Shirt:



und ein paar "Kollegen" dazu





Ansonsten war es wieder amüsant, sich in einer Stadt zu bwegen, wo man partiell das Gefühl hat, dass die Achtziger nicht aufgehört haben und die Lokalschönheit zum nabel- und ärmelfreien Top, schwarzen Dieseljeans und Pumps einen Stachelnietengürtel trägt und keine Punkqueen ist, sondern Juristin.

... link (0 Kommentare)   ... comment


A bitchy ride
Habe mir mit netbitch ein Rennen geliefert. Sie ist ja eine Provokation - ein schreiend roter offener Spider mit einer Frau am Steuer, deren blonder Pferdeschwanz hinter ihr
in der Luft peitscht und deren Fahrstil an Motorrad-Verfolgungsrennen geschult ist. Umschlagbar. Und ich sehe sie von hinten viel lieber als im Rückspiegel!


Nicht nur eine schlaue und schöne, auch eine schnelle Frau. Miss Triple Sch.

... link (6 Kommentare)   ... comment


Freitag, 30. Juni 2006
Das Proletariat ist auch nicht mehr, was es mal war
Ich hatte kürzlich ein äußerst interessantes Gespräch mit einem VW-Arbeiter. Der Mann arbeitet als Lackierer und beklagte sich über die verschärfte Gangart da. Ich, normalerweise für jede klassenkämpferische Position zu haben, erwiderte, mit einer Umstellung von einer 28-auf eine 35-Stundenwoche ohne Lohnausgleich oder 150 000 Euro Abfindung könne ich kein Mitleid haben. Letztlich würden die Leute nur auf den normalen IG-Metall-Tarif umgestellt. Ich selbst würde 40-50 Stunden in der Woche arbeiten, ohne dass meine Arbeitszeit überhaupt erfasst würde. Wenn die Arbeiter bei VW aber so unzufrieden mit ihrer Situation wären, warum überlegten sie sich dann nicht zu streiken? Er erwiderte, dass man nichts machen könne, außerdem sei ich als Akademiker so privilegiert, dass ich mir seine Situation nicht vorstellen könne. Das kommt von jemandem, der das Mehrfache an Vermögen gebildet hat wie ich, und ich antwortete, nach 150 000 Euro Abfindung würde ich mir die Finger lecken. Dann kam ich mit dem Beispiel eines Freundes, der seinen Job als Regionalleiter eines Versicherungsunternehmens verloren hatte und jetzt mit der ganzen Familie nach Kanada umzieht, weil er nur da einen Job bekommen hat, und der VW-Mann sagte, das sei ja ein Rabenvater, der seinen Kindern einen so weiten Umzug zumutet, vor allem bei der Stellung und dem Gehalt.

Das ist in den workers irgendwie so drin: Die Stellung und das Gehalt von uns Akademikern. Dabei verdient die Krankengymnastin oder der Psychotherapeut mit eigener Praxis vielfach nicht mehr als ein ungelernter Akkordarbeiter bei VW und hat eine weitaus schlechtere Absicherung. Ich kenne Pizzaboten und Putzkräfte mit Doktortitel und einen Callcenteragent mit journalistischem Hintergrund.

... link (7 Kommentare)   ... comment


Warum Miersch und Maxeiner Unfug schreiben
Manchmal denke ich ja, das Autorengespann, das früher für ehrenwerte Publikationen wie natur und Chancen geschrieben hat, sei so eine Art Satirikerteam, das die neoliberale Proindustriefraktion durch besonders nassforsch-dämliche Beiträge vorführen will. Aber vulgär, wie diese Welt ist, meinen sie es wohl wirklich ernst

(nein, doch nicht, das ist eine Satire, aber vom Original kaum zu unterscheíden!):

http://word2go.blogsome.com/2006/06/29/warum-die-killer-coke-kampagne-ein-vorzeichen-der-apokalypse-ist/

... link (3 Kommentare)   ... comment


Am Ende des Balkens
Nun scheitert also die niederländische Regierung an den Auseinandersetzungen um Ayaan Hirsi Magan. Ich hoffe, dass damit die Rechtsliberalen und ihre kulturrassistische Politik erstmal weg vom Fenster mit Blick auf die Nordsee sind;jeder ist noch zu etwas nütze, und sei es als abschreckendes Beispiel.

... link (6 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 28. Juni 2006
Joschkas Abschied
Für mich ist Joschka Fischer seit Mitte der 80er Jahre immer ein Verräter gewesen, einer, der den systematischen Ausverkauf grüner Politik und grüner Inhalte um der Beteiligung an der Macht und um seines eigenen Wohls willen betrieben hat. Doch die er jetzt zurücklässt, die Metzgers und Roths, sind noch nicht einmal ein schaler Abglanz des Meisters. Und wahrscheinlich wird man in Princeton wirklich viel bei ihm lernen können, und sei es nur, wie man in der Politik Erfolg hat. Denn für sich selbst hat er alles richtig gemacht. Brutal richtig.

... link (31 Kommentare)   ... comment


Freies Fluten!
Oder auch "Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer." Was in den frühen 90er Jahren noch als apokalyptischer Film daher kam ("Der Marsch") ist längst Wirklichkeit. Flüchtlinge aus den ärmsten Regionen der Erde versuchen, nach Europa hineinzukommen. Viele, Allzuviele, verrecken qualvoll in der Wüste oder an der Außengrenze der EU, gegen die die alte DDR-Grenze eine nicht mehr zeitgemäße Low-Tech-Befestigung ist. Im aktuellen Spiegel ist die ergreifende Geschichte eines Ghanaers zu lesen, der alle Stationen seines alten Fluchtwegs nochmal abgereist ist. Es wird nicht nur deutlich, welches Elend in Westafrika herrscht und welche Kleptokraten sich daran bereichern (für mich seit 1984 bekannte Realität), sondern auch, was das mit uns zu tun hat. Auch dieser Grenzwall wird fallen, da bin ich mir sicher. Auf jeden Fall ist im Spiegel seit mindestens 10 Jahren kein solch großartiger Artikel mehr erschienen, den man eher in Le Monde Diplomatique oder den Blättern des IFZ3W erwarten würde.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Schlammschlachten
Wenn ich mir das hier so durchlese, dann bin ich ganz froh, warum ich bei bestimmten "Parties" nicht dabei bin. *kopfschüttel*


http://martin-hagen.blogspot.com/2006/06/pbelnder-pbel-pbelt-am-liebsten.html

... link (5 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 27. Juni 2006
"Problembär"
Es musste mal gesagt werden:

http://taz.de/blogs/reptilienfonds/?p=23

... link (6 Kommentare)   ... comment


Montag, 26. Juni 2006
80 Jahre und kein bißchen leise
Meine Mutter erzählte, wie das damals war in ihrer Kindheit und von den Streichen ihrer Mädchenclique, die sich für mich ein wenig nach Pipi Langstrumpf anhörten. Im Rahmen des gleichen Gesprächs kam die Frage auf, wie lange es schon Milch in Tetrapacks oder jedenfalls Tüten gibt. Als ich einwarf "Die gibt es schon, seit ich denken kann!" kam von ihr lakonisch: "Du kannst ja noch nicht so lange denken", tja, 80 Lebensjahre halt als Maßstab.

... link (24 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 25. Juni 2006
Damals, im Häuserkampf
Für die Leute, die immer noch glauben, die autonome Linke strebte einen Staat ähnlich der DDR an, habe ich übrigens eine schöne Anekdote aus den Zeiten des Berliner Häuserkampfs. Als Reaktion auf die Verhängung des Kriegsrechts in Polen beschossen Kreuzberger Hausbesetzer DDR-Grenzposten an der Mauer mit von Zwillen abgefeuerten Stahlmuttern und Glasmurmeln, und zwar so intensiv, dass diese an ihrem Mauerabschnitt wochenlang nicht mehr Streife gingen. Ich wüsste nun gerne, wie solches Handeln mit den absurden "Links=DDR"-Vorstellungen gewisser Schmalspurtheoretiker konform gehen soll *kicher*.

... link (11 Kommentare)   ... comment


Mal wieder ein Rätsel
Von wem ist das hier: "Wir brauchen Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen, eine Reform des Familienrechts und neue Erbschaftsgesetze."

... link (1 Kommentar)   ... comment


Der ganz normale multikulturelle Alltag
Das Stadtviertel, in dem ich lebe, hat einen Deutschenanteil von etwa 50 %. Der Rest besteht zur Hälfte aus gebürtigen Türken sowie diversen kleineren Gruppen: Kurden, Iranern, Palästinensern, Libanesen, Pakistanis, Schwarzafrikanern, Tamilen, Indern, Chinesen, Brasilianern und Filipinos. Streitigkeiten zwischen diesen ethnischen Gruppen gibt es keine. Witzig war es, am Tag des WM-Spiels Deutschland-Schweden den nigerianischen Nachbarn mit einer schwarz-rot-goldenen Baseballkappe zu sehen. Der türkische Gemüseladen, der auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreiks groß "Wir führen dänische Milchprodukte" plakatiert hatte, zeigte ebenso die deutsche Flagge, wie sie vor der Moschee wehte. In der Euphorie nach dem gewonnenen Spiel, als sich die Massen vor dem Schloss versammelten, riefen Araber begeistert "Yalla Deutschland!"

So. Das ist die Welt, in der ich lebe. Von weltanschaulichen Fragen einmal ganz abgesehen, das ist die Multikultur, in der ich wohne und wie ich sie seit über 30 Jahren kenne. Und nicht das hysterische Gekeife irgendwelcher sogenannter "Islamkritiker" mit ihren paranoiden Bedrohungsszenarien, und auch nicht das Verwahrlosungsergebnis Rütli-Schule. Ich musste es einfach mal loswerden.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Freitag, 23. Juni 2006
Krieg gegen die Bevölkerung, erstes Beispiel
Die Vernichtung der überflüssigen Esser geschieht nicht nur, indem Entwicklungshilfe nicht mehr geleistet wird oder Weltbank und IWF arme Länder zwingen, die staatliche Subventionierung des Brotpreises aufzuheben, sie wird und wurde von vielen Regimen des Trikont selber betrieben. So spielte sie als bevölkerungspolitische Maßnahme, sozusagen angewandte Eugenk, eine wichtige Rolle im Ersten Golflkrieg 1980-88. Iran und Irak hatten beide das gleiche demographische Problem. Eine rasant wachsende Bevölkerung und verarmte Unterschichten, die sich besonders schnell vermehrten.Im Iran war die Revolution eine ursprünglich soziale Revlution gewesen, getragen von den verarmten Massen, und die Mullahs und Ayatollahs waren erst im Verlauf dieser Revolution an die Macht gekommen. Unter dem Druck der materiellen Forderungen der Armutsbevökerung standen auch sie.
Die Lösung war die massenhafte Vernichtung bzw. Dezimierung der unruhigen Jugend auf den Schlachtfeldern. Matthias Küntzel, meines Wissens ein Freund Broders, hat im Spiegel eine Artikelserie begonnen, die das Thema bislang (es ist erst ein Beitrag erschienen) rein phänomenologisch behandelt, ich vermute, in bellizistischer Absicht. Nicht erwähnt wird, dass dieser Vernichtungskrieg von Saddam Hussein mit wohlwollender Zustimmung der USA vom Zaun gebrochen wurde, die untätig zugesehen haben, wie dieser die "Große heroische Anfal-Operation", d.h. den Genozid an den irakischen Kurden u.a. mit deutschem Giftgas durchzog, den nach der Shoah, dem Genozid an den Armeniern und den Killing Fields von Kampuchea viertgrößten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Ach ja: Mustasafan heißt korrekt persisch die Barfüßigen, nicht die Unterdrückten, auch wenn es umgangssprachlich synonym verwendet wird, gell, Kollege Küntzel?


http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,420509,00.html

... link (23 Kommentare)   ... comment


Unser täglich Rassismus aus Niedersachsen
Ich zitiere hier die Cellesche Zeitung:


"Fragwürdiger Umgang mit Wertgutscheinen
Geschäfte zahlen Restbeträge nicht an Asylbewerber aus
Lebensmittel auf Gutschein kaufen - für Asylbewerber ist das oft ein
Verlustgeschäft: Geschäfte wie Wal-Mart wollen den Flüchtlingen etwaige
Restbeträge nicht in bar ausbezahlen. Eine Praxis, die von den Celler Grünen
wiederholt kritisiert wurde. Jetzt will die Stadtrats-Fraktion der Partei
einen neuen Antrag auf den Weg bringen, um zu erreichen, dass die Unternehmen
dieses Geschäftsgebaren einstellen.

CELLE. Kopfrechnen muss man können, wenn man als Asylbewerber bei Wal-Mart
einkaufen geht: Denn wer die Preise für Lebensmittel nicht punktgenau
zusammenaddiert, so dass eine runde Summe herauskommt, hat das Nachsehen -
Restbeträge werden nicht ausbezahlt.

Dies habe "systemtechnische Gründe", so die zuständige Mitarbeiterin der
Celler Wal-Mart-Filiale, die sich auf eine Absprache mit der Stadt Celle
beruft. Danach sei vereinbart worden, dass "bongenau" mit den Asylbewerbern
abgerechnet werde: Wer also für acht Euro einkauft und mit einem
Zehn-Euro-Gutschein bezahlt, macht einen Verlust in Höhe von zwei Euro - eine
Summe, die nach Angaben der Wal-Mart-Mitarbeiterin der Stadt Celle
gutgeschrieben wird.

"Von solchen Sonderabsprachen weiß ich nichts", sagt Kerstin Oehl, zuständig
für die Rechnungsstelle des Fachbereichs Bildung, Jugend und Soziales der
Stadt Celle. Es sei im Gegenteil eher so, dass die Stadtverwaltung im
vergangenen Jahr sieben große Unternehmen angeschrieben habe, um daran zu
erinnern, dass Wechselgeld in Höhe von bis zu zehn Prozent des
Gutscheinwertes ausgezahlt werden dürfe. Ein entsprechender Hinweis ist zudem
auf jedem Gutschein abgedruckt. Eine Kontrolle darüber, wie diese Vorgabe von
den Unternehmen umgesetzt wird, gäbe es nicht, so Kerstin Oehl. "Zudem liegen
uns keine Beschwerden von Asylbewerbern vor."

Angesichts der geringen Finanzmittel, mit denen Flüchtlinge auskommen müssen,
schlagen nicht ausbezahlte Restbeträge von nur wenigen Cent schnell negativ
zu Buche: Der Regelsatz für einen erwachsenen Flüchtling liegt derzeit bei
158,50 Euro in Wertgutscheinen, hinzu kommt ein Taschengeld von 40,90 Euro in
bar. "Natürlich wäre es weniger umständlich, den Flüchtlingen das Geld
vollständig in bar auszubezahlen", sagt Kerstin Oehl. Allerdings ließen die
gesetzlichen Vorgaben des Landes Niedersachsen der Stadt in dieser Hinsicht
keinen Handlungsspielraum. Dieses Verfahren zu ändern, fordern die Grünen
schon lange: So hat die Celler Landtagsabgeordnete Georgia Langhans sich
bereits im Jahr 2003 dafür eingesetzt, dass Kommunen selbst entscheiden
dürfen, ob sie Asylbewerbern Gutscheine oder Bargeld aushändigen. Im jetzt
formulierten Antrag fordert die Stadtratsfraktion der Partei die Verwaltung
zum wiederholten Mal auf, Unternehmen wie Wal-Mart zur Änderung ihrer
Geschäftspraxis anzuhalten."

... link (0 Kommentare)   ... comment


Unser täglich Rassismus, heute aus Thüringen
PRESSEMITTEILUNG

Schwerst traumatisierter Togolese von Abschiebung in den Krisenstaat bedroht

Wegen Folterung und illegaler Festnahme in seiner Heimat reiste der
Togolese Attikpasso Latevi Lawsson im Herbst 1998 nach Deutschland ein. Er
stellte einen Asylantrag. Der aktive Künstler hatte sich mit seinen Werken
aktiv gegen die Diktatur Eyademas in Togo gewandt. In einigen seiner in
Deutschland entstandenen und ausgestellten Werken setzte er sich immer
wieder mit dem Thema Menschenrechte auseinander. Man glaubte seinen
Angaben nicht. Im Jahre 2002 wurde der Asylantrag abgelehnt.

Aufgrund seiner schweren psychischen Probleme wurde im Jahr 2002 durch die
Technische Universität Dresden ein Gutachten für Attikpasso Latevi Lawsson
erstellt. Das Gutachten kam bereits damals zu dem Ergebnis, daß Attikpasso
Latevi Lawsson unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung
leidet. Er sei dringend therapiebedürftig und es bestünde die Gefahr einer
Chronifizierung.
Bereits dieses Gutachten kam zu dem Schluß, daß die beschriebenen
Folterungen mit den Aussagen zum Asylantrag übereinstimmen. Eine Therapie
konnte er jedoch aufgrund fehlender Verfügbarkeit nicht absolvieren.

In den folgenden Jahren wurde diese Diagnose unter anderem durch das
Zentrum für Folteropfer in Berlin bestätigt und widerum auf dringenden
Handlungsbedarf hingewiesen! Ein auf Antrag des Gerichtes Gera erstelltes
Gutachten einer Kölner Firma und der als Zeuge geladene Sachverständige
überzeugten ebenfalls vom Vorliegen der Krankheit. Trotzdem erkannte das
Gericht keine Abschiebungshindernisse an.

Die Angst vor der Abschiebung nach Togo und seine Erkrankung machten
Attikpasso Lawsson in den folgenden Monaten schwer zu schaffen. Im März
2006 verfaßte er einen psychotischen Drohbrief an das Verwaltungsgericht
Gera. Daraufhin wurde er verhaftet und wegen seiner Erkrankung in den
Maßregelvollzug nach Stadtroda verbracht. Aufgrund seiner Ungefährlichkeit
jedoch mußte er entlassen werden .
++++++
Internationale Kampagne gegen die Diktatur in Togo und anderen afrikanischen
Ländern: http://thecaravan.org/node/449

... link (2 Kommentare)   ... comment


Elite oder was?
Dies fand ich bei Mischa Mandl:

http://www.mischamandl.de/blog/2006/06/17/elitefoerderung.hartz4


Interessant war für mich persönlich die virtuelle "Wiederbegegnung" mit Wolfgang Eßbach, den ich aus ältesten Unitagen kenne.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 22. Juni 2006
Protest ohne große Worte
Dank an Externspeicher für dieses Fundstück:


http://www.angelfire.com/vamp/warposter/

... link (7 Kommentare)   ... comment


Lesetipp
Bei Lysis gibts frische Kost zum Thema Antideutsche

http://www.attac.de/wuerzburg/antideutsche/main_08.htm

Wobei ich allerdings anmerke, dass mich die vorgenommene Gleichsetzung antimperialistisch=antiamerikanisch=antizionistisch wurmt, gibt (oder vielleicht müsste man sagen, gab, sind wir doch nur noch ein kleiner Restkern) es doch durchaus eine antiimperialistische Linke, die nicht antizionistisch und nicht in kulturalistischem Sinne antiamerikanisch ist, zugleich auch antinational, aber alles andere als antideutsch. Und diese sozialrevolutionäre Linke ist fast die einzige politische Fraktion in Deutschland, die noch auf der Höhe der Zeit über die Elemente der kapitalistischen Herrschaft selbst diskutiert und zugleich in politischen und sozialen Kämpfen engagiert ist.

Ich mache "unser" Lager mal an ein paar Zeitschriftentiteln fest: Autonomie neue Folge, Materialien für einen Neuen Antiimperialismus, Wildcat, Wildcat-Zirkular.

... link (27 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 21. Juni 2006
Geronitas von Altersschwäche erwischt?
Wohl eher von Kleptomanie. Was herauskömmt, wenn kommerzielle Dienstleister aus geschäftlichem Interesse soziale Aufgaben übernehmen, konnten wir schon einige Male bewundern, z.B. bei privaten Betreibern von Wohnheimen für Asylbewerber, wo von Betrug über Unterschlagung bis Korruption so Einiges geboten wurde. Ähnliches scheint bei der Geronitas in Berlin Wilmerdorf der Fall zu sein.

Rechtzeitig zum Jahreswechsel erfuhren die Bewohner des Geronitas-Altenheims am Halensee in Berlin Wilmersdorf, vom Unternehmen als Altenheim in besonders schöner Lage lange Zeit beworben, dass sie in ein Pflegeheim nach Pankow umziehen müssten.


http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/03.02.2006/2329160.asp

Es war der Auftakt zu einer Schlammschlacht, über die seinerzeit der Tagesspiegel berichtet hatte, und nun fällt der finale Hammer:

Amtsgericht Charlottenburg, AZ: 36g IN 820/06

Quelle: https://www.ebundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet.

... link (1 Kommentar)   ... comment


BBV Bremer Bootsbau Vegesack wird in den Sack gefegt
In Bremen und Umland hat Werftensterben Geschichte. Der spektakuläre Untergang der Vulkan ist vielen noch in guter Erinnerung, das Ende von Tecklenborg ist etwas länger her, und der riesige Helgen von-wie-hießen-die-noch-gleich-ach-ja-richtig-AG Weser überragt eindrucksvoll den Hafen. Gut gehalten haben sich hingegen kleine, schlanke Privatwerften, wie die auf Kriegsschiffe spezialisierte Firma Lürssen, deren Chef schon mal persönlich ans Telefon geht, wenn ich wegen Rüstungsexporten eine Frage habe.

Eine andere richtig nette kleine Werft hat es hingegen jetzt erwischt.

Die BBV Bremer Bootsbau Vegesack war eine recht schnuckelige Firma, gemeinnützig und spezialisiert auf Nachbau und Erhaltung historischer Yachten, Schoner, Kutter und Kähne mit angeschlossener eigener Reederei. Leider ist das mehr eine Liebhaberangelegenheit als ein lukratives Geschäft, und so kam, was kommen musste.

Unter 501 IN 8/06 listet der Bundesanzeiger das eingeleitete Insolvenzverfahren.

Quelle: https://www.ebundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet

... link (0 Kommentare)   ... comment


Neulich, in einer Frankfurter Schule
Beim Wondergirl fand ich diese Geschichte, die echt einige zwerch hat:

http://w-girl.blogspot.com/2006/06/geschichte.html#l

... link (0 Kommentare)   ... comment


Terroristen schicken "letzte Warnung" an Mandäer im Irak
Fundamentalistische islamische Terroristen haben der mandäischen
Glaubensgemeinschaft im Irak eine "letzte Warnung" geschickt. Wenn sie nicht
zum Islam konvertierten, müssten alle Mandäer mit dem Tod rechnen, sei
mandäischen Flüchtlingen in Australien und Deutschland schriftlich
mitgeteilt worden, berichtete die Menschenrechtsorganisation GfbV am Dienstag.
Außerdem seien in dem Drohbrief die Frauen der Mandäer als Prostituierte
beschimpft und beschuldigt worden, sie würden "schwarze Magie"
praktizieren. Die Mandäer seien schmutzige Perser und sollten nach
Persien zurückkehren, hieß es weiter.

... link (21 Kommentare)   ... comment


Montag, 19. Juni 2006
Mac Job in China?
15 Stunden Arbeitstage für unter 40 Euro Monatslohn - das ist die hässliche Fratze der Sweat-Shop-Produktion in Billiglohnländern. Wer so produzieren lässt, ist ein Unternehmen mit einem besonders feinen Ruf. Die Rede ist von Apple und der iPod- Produktion in China. Bzw. nicht von Apple selbst, sondern dem erhobenen Vorwurf, solche Verhältnisse bei seinen Zulieferern vor Ort zuzulassen. Apple-Sprecher Steve Dowling teilte mit, dass er die Vorwürfe überprüfen würde und wies darauf hin, dass Apple eine ethische Bindung habe und Arbeitnehmer mit Respekt und Würde behandeln müsste. Man kann gespannt sein, wie dies demnächst umgesetzt wird.

http://www.mailonsunday.co.uk/pages/live/dailymail/home.html?in_page_id=1766

... link (79 Kommentare)   ... comment


Bundesregierung will Flüchtlinge loswerden
Weltflüchtlingstag / 6. Berliner Symposium Flüchtlingsschutz

Berlin, 19. Juni 2006 – Die Bundesregierung entzieht Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten ihren Status und plant weitere gesetzliche Verschlechterungen des Flüchtlingsschutzes. Der Bundesregierung scheinen Flüchtlinge daher zunehmend unerwünscht, kritisierten amnesty international (ai) und PRO ASYL vor dem morgigen Weltflüchtlingstag. Vertreter beider Organisationen verwiesen beim heutigen 6. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz darauf, dass die Bundesregierung die – wegen der Umsetzung von EU-Richtlinien notwendige – Änderung des Zuwanderungsgesetzes nutzt, um etwa das Alter für den Familiennachzug bei Flüchtlingen von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen. Außerdem sollen nachziehende Ehepartner vor der Einreise Deutsch lernen und entsprechende Kenntnisse nachweisen müssen. „Dies ist absurd“, sagte Julia Duchrow, ai-Flüchtlingsreferentin. „Wie soll die mittellose Ehefrau eines tschetschenischen Flüchtlings im zerstörten Grosny Deutsch lernen? Hinzu kommt: Der Vorschlag verstößt gegen Europarecht.“

ai und PRO ASYL kritisieren entschieden die Praxis des Bundesamtes für Migration und Flucht (BAMF), Flüchtlingen aus Afghanistan, dem Irak und Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo den Flüchtlingsstatus zu entziehen, obwohl sie nicht abgeschoben werden können. „Damit verlieren diese Menschen soziale Sicherheiten wie etwa ihren Arbeitsplatz“, sagte Bernd Mesovic, rechtspolitischer Referent von PRO ASYL. „Mit dieser Desintegrationspolitik signalisiert die Regierung: Verschwindet aus Deutschland – auch wenn wir euch im Moment nicht abschieben können.“

Selbst wenn sich die politische Situation in diesen Ländern geändert hat – die Sicherheitslage für die betroffenen Flüchtlinge hat sich keineswegs verbessert. „Daher sind Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan oder in den Irak nicht zu verantworten“, sagte Duchrow. „Auch in den Kosovo dürfen Minderheitenangehörige oder traumatisierte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden.“

ai und PRO ASYL fordern ein Bleiberecht für langjährig Geduldete. In Deutschland leben fast 200.000 Menschen mit einer Duldung, 130.000 davon seit mehr als fünf Jahren. „Diese Menschen leben in ständiger Angst vor der Abschiebung und dem folgenden Sturz ins Nichts“, sagte Mesovic. „Duldung bedeutet ein Leben ohne Perspektive. Wir fordern daher eine Bleiberechtsregelung und einen Abschiebestopp, bis eine solche Regelung in Kraft tritt.“


Kontakt:
ai-Pressestelle, Tel. 030 – 42 02 48-306, e-mail: presse@amnesty.de
PRO ASYL: Bernd Mesovic, Tel.: 0174 – 9947437, e-mail: proasyl@proasyl.de

... link (0 Kommentare)   ... comment


Bleiberecht für Züheyir
Die Abschiebung unbegleiteter Jugendliche in "Heimatländer", die sie teilweise kaum kennen, ist einer der größten Skandale deutscher Obrigkeitswillkür. In diesem Fall bitte ich um Solidarität mit Züheyir:

Wir fordern die Verantwortlichen im Rathaus und der Ausländerbehörde der Stadt Essen auf, dem Jugendlichen Züheyir Eke einen vorläufigen Aufenthalt zu gewähren und sofort aus der Abschiebehaft zu entlassen!

Wir fordern in diesem Zusammenhang die Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen auf, auf der nächsten Innenministerkonferenz ein Bleiberecht für alle Geduldeten zu beschließen!


Züheyir sitzt seit dem 6. Juni 2006 in Abschiebehaft zunächst in Essen, jetzt in Büren.
Züheyir wurde am 1.1.1986 in Savur in der Türkei geboren und kam im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Von seinen 20 Lebensjahren hat er 18 in Deutschland verbracht. Er kann kein türkisch, sondern spricht arabisch und deutsch.

Züheyir ist in Essen aufgewachsen und gehört zu denjenigen, deren Eltern Ende der 80er Jahre als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon bzw. aus der Türkei nach Deutschland kamen. Er ist in Essen in den Kindergarten und in die Schule gegangen und hat hier seinen Sekundarabschluss 1 an einer Hauptschule gemacht. Danach hat er eine Ausbildung zum Karosseriebauer begonnen. Diese musste er abbrechen, weil er wegen der Ausreiseaufforderung gekündigt wurde. Es hatte die Zeit der skandalösen Abschiebung von „kurdischen Libanesen“ begonnen, die alle über 10 Jahre in Deutschland gelebt hatten, so dass er und seine Eltern in die Türkei abgeschoben wurden. Andere Geschwister konnten hier bleiben, weil sie geheiratet haben. Nach seiner Abschiebung im Jahr 2005 musste er sich im Dorf Ückavak zurechtfinden
Züheyir hielt es in der Türkei nicht aus und ist nach Deutschland zurückgekommen und hat einen Asylantrag gestellt. Er wohnte in Bremen bei seiner Schwester aus gesundheitlichen Gründen, weil er ihre Unterstützung brauchte.

Wir fordern Sie auf, sich mit Ihren Mitteln dafür einzusetzen, dass die Abschiebung ausgesetzt wird und Züheyir sofort aus der Abschiebehaft entlassen wird!

http://jog.twoday.net/

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 18. Juni 2006
Tanz den Vokuhila
Den Vokuhila-Look, gewissermaßen die Manta-Proll-Variante der Hippie-Langhaarigkeit, kennt man ja nun seit Langem. allerdings dachte ich bisher, dies sei der Name einer Person, nun erfahre ich, dass es für vornkurzhintenlang steht. Da habe ich nun jahrzehntelang geglaubt, Vokuhila sei der Name des Menschen, der diesen Look kreiert hatte, und aufgrund des Klangs angenommen, der wäre irgendwo aus dem Balkan ;-)

... link (3 Kommentare)   ... comment


Nomen est omen
Na, das war ja wieder klasse. Es freut mich ja immer, wenn die Leute heißen, wie sie sind, also zum Beispiel der bedeutende Karatemeister Mark Haubold, der Hubschrauberbordmechaniker Werner Brumm, die Politik- und Wirtschaftsreporterin Eva Macht, die Sportreporterin Sabine Hantelt und der Terrorexperte Andreas Kanonenberg. Tragisch, aber nicht ohne einen gewissen Reiz ist dann auch die Tatsache, dass eine Frau Grillow bei einem Brand ums Leben kam, und dass die Adresse des Bremer Polizeipräsidiums Marterburg lautet wird seine Gründe haben. Nun aber erfuhr ich etwas über den einzigen deutschen Baumwipfel-Lehrpfad, der in 40 Metern Höhe über die Kronen des Hainich führt, und den Namen eines der Guides: Gerd Baumbach. Herrlich!

... link (7 Kommentare)   ... comment


Fußballüberraschungen
Die Ergebnisse von Ghana (von meiner 80 jährigen Mutter mit erhobener Faust gefeiert) und den USA machen mir echt Spaß. Mehr solche Außenseiterfolge - die Zeiten, wo die Ergebnisse so voraussehbar waren, dass man dachte, es könnte auch gleich der Proporz am Verhandlungstisch entscheiden, sie sind lange vorbei.

... link (5 Kommentare)   ... comment


Leseempfehlung
Diese ergreifende Geschichte aus Israel sollten alle mal gelesen haben: http://www.zmag.de/artikel.php?id=1828

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 17. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus - Teil III
Das Jahrzehnt der Entwicklung markiert zugleich Höhepunkt und Ende einer Phase, in der mit keynesianischen Rezepten Weltsozialpolitik betrieben wurde. Mit dem Ende des Kolonialismus hört ja der Imperialismus nicht auf. Die hohen sozialen Standards in den keynesianischen Wohlstandsgesellschaften der Triade waren nur finanzierbar durch hohe Werttransfers aus dem Trikont, insbesondere niedrige Rohstoffpreise. Während ein Teil der Nach-68er die Idiotie beging, Revival-Vereine für historisch längst überlebte kommunistische Parteien zu gründen, stellte ein eher avantgardistischer Flügel der westlichen Linken, die Antiimperialisten, einen Blickwinkel her, aus dem der Klassenwiderspruch einen geopolitischen Charakter annahm.
(Nicht grundfalsch, aber extrem verkürzt und schematisierend)
Demzufolge sei die Arbeiterschaft der Industriemetropolen kein Proletariat mehr, da es in sehr hohem Maße von der Ausbeutung der Menschen des Trikont profitiere. Ein sowohl objektives als auch subjektives Proletariat, d.h., sowohl verelendet als auch für die kapitalistische Wertschöpfung wichtiges Proletariat gäbe es nur noch im Trikont. Der schwarze südafrikanische Minenarbeiter in der Apartheid habe demzufolge ein anderes Klasseninteresse als der Ruhrpottkumpel, die Triade insgesamt sei die „imperialistische Bestie“. Linke „im Herzen der Bestie“ könnten demnach kein Interesse an Sozialpolitik oder Arbeiterkämpfen in den Metropolen haben („Abschied vom Proletariat“), sondern nur daran, den Militärisch-Industriellen Komplex, den Repressionsapparat und das Militär selber zu bekämpfen, um so den Handlungsspielraum des Imperialismus einzuschränken, was je nach persönlicher Geschmackslage dann von Engagement in der Friedensbewegung bis Unterstützung der RAF reichen konnte.

Diese Art “Klassenanalyse“ beinhaltet zwar ein Fünkchen Wahrheit, verkürzt aber gesellschaftliche Komplexität holzschnittartig, von den teilweise mörderischen Konsequenzen mal ganz abgesehen.
Wie alle reduktionistischen Ansätze erschlug dieses Denken die sich emanzipierenden Subjekte (was bei Leuten, die teilweise ganz real Andere erschiessen wollten, nicht so sehr verwundert ;-) ), es korrespondiert aber mit einer Denkhaltung höchster militärischer Führungsebenen in den USA. Wollte auf der einen Seite die Stadtguerrilla den Staat mit quasi militärischen Mitteln bekämpfen, sah man im Pentagon für sozioökonomische Probleme militärische Lösungen vor. Che Guevara (dessen Positionen ich in keiner Weise folge, ich sagte ja schon, dass es sehr spezielle Gründe gibt, weshalb ich diesen Spitznamen trage) mit seiner Focus-Theorie (die Avantgarde schafft sich selbst, Guerrillakämpfe können revolutionäre Prozesse auslösen, solange die Revolutionäre nur entschlossen genug sind) und die US-Adminstration mit ihrer Domino-Theorie (wird ein Staat, z.B. Vietnam, kommunistisch, wird ein Nachbarstaat nach dem Anderen das früher oder später auch, das muss mit militärischen Mitteln verhindert werden) sagten im Grunde das Gleiche: Politische und soziale Prozesse werden auf militärische Auseinandersetzungen reduziert, die Weltrevolution, von den Einen herbeigesehnt, von den Anderen befürchtet, könne mit militärischen Mitteln herbeigeführt bzw. verhindert werden. Mit dieser Logik führte man dann auch in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen ein armes Bauernvolk, was allerdings gründlich nach hinten losging.

Zur Finanzierung des Krieges verschuldete sich die US-Regierung, man gab die Golddeckung des Dollars auf und verkaufte Teile des Schatzes von Fort Knox, schließlich wurde die Notenpresse angeworfen. Die Finanzierung des Krieges führte zu einer Hyperinflation mit dem Resultat einer Talfahrt des Dollars. Da dieser die Weltleitwährung war, im damaligen Bretton-Woods-System aber zugleich alle Währungen über stabile Wechselkurse fest miteinander verrechnet wurden, drohte der Zusammenbruch des Weltwährungssystems. Die neoliberalen Konzepte Milton Friedmans waren ursprünglich entwickelt worden, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Dazu muss noch ein Blick auf die Weltkonjunkturlage insgesamt geworfen werden.

Der Nachkriegsaufschwung der westlichen Wirtschaft ist teilweise erklärbar aus der Tatsache, dass man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs quasi von Stunde Null aus startete, teils durch die Anschubfinanzierung des Marshallplans, durch den Boom, den der Koreakrieg für die westliche Wirtschaft bedeutete, und überhaupt zu einem großen Teil durch die Bedeutung der Rüstungsindustrie in Zeiten des Kalten Krieges: Garantierte Abnahme absolut hochwertiger Produkte zu Hochpreisen und deren garantierte Ausmusterung und Ablösung in kurzen Zeiträumen schuf natürlich für das Kapital in der Rüstungsindustrie und allen ihr zuliefernden Bereichen (also praktisch die gesamte Rohstoff- und metallverarbeitende sowie Elektronik- und Anlagentechnik-Industrie) traumhafte Bedingungen.

Dennoch holte Ende der 60erJahre das eigentliche Principium Movens der Weltwirtschaftsentwicklung allmählich diese künstlich angeheizte Dauerkonjunktur wieder ein: Der Tendenzielle Fall der Profitrate.

Das akkumulierte Weltkapital hatte eine quasi natürliche Expansiongrenze erreicht, der Nachkriegsaufbau mit seiner Dauerkonjunktur in fast allen Branchen der produzierenden Industrie und des produzierenden Gewerbes hatte einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Das bedeutete, das weitere profitable Wertschöpfung nur noch durch Einschnitte beim variablen Kapital, d.h. der menschlichen Arbeitskraft möglich waren – Entlassungen, Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnpausen etc. Der stark korporatistische Charakter der meisten keynesianischen Wohlfahrtstaaten mit ihren starken Gewerkschaften ließ dies zunächst kaum zu. Auf der anderen Seite bedeuteten die Wohlfahrtsprogramme steigende Staatsschulden, die bei nachlassender Konjunktur und zugleich auftretender Finanzkrise zu einer ernsten Belastung wurden. Vor diesem Hintergrund entwickelten Friedman und Kollegen an der Chicago School of Economy ihr Konzept der Angebotsökonomie.

Seit Ende der 50er hatte Friedman den Keynesianismus kritisiert. Ihm zufolge sei nicht der Faktor der Nachfrage entscheidend, sondern der der zirkulierenden Geldmenge und die Stabilität der Währung (Monetarismus). Entsprechend empfahl Friedman zur Lösung der Dollarkrise die Aufgabe der festen Wechselkurse. Diesem Rat wurde gefolgt, und tatsächlich führte die Freigabe der Kurse (Währungen konnten damit wie Papiere an der Börse gehandelt werden, was beim Bretton-Woods-System als unsinnig erschienen wäre) zu einer Gesundung des Dollarkurses, wobei allerdings auch in Rechnung gestellt werden sollte, dass die gleichzeitige Deeskalation des Vietnamkriegs und die Entspannung in der Ost-West-Politik das Vertrauen in den Dollar zeitgleich stärkten.

In der Folge wurden von der Chicagoer Schule stammende Ansätze auf Entwicklungs- und Sozialpolitik angewandt. Für die Entwicklungspolitik bedeutet dies beispielsweise, dass Kredite nach dem Prinzip des Return of Investment vergeben werden. Schon im Jahrzehnt der Entwicklung war Entwicklungspolitik auch mit Massenmord, Vertreibung und Pauperisierung verbunden gewesen – die gleichermaßen von Regimen im Trikont wie westlichen Entwicklungshelfern vorangetriebene Grüne Revolution mit ihrer Ausrichtung auf die Produktion von Cash Crops, von Pflanzen für den Weltmarkt, bedeutete in vielen Fällen notwendigerweise die Enteignung und Vertreibung von Subsistenzbauern, die in den neuen urbanen Zentren des Trikont gigantische Armenghettos füllten. Die jetzt (d.h. im Verlauf der 70er und 80er) erfolgende Umstellung auf Entwicklungshilfe nach den Effizienzprinzip ist zwar angesichts der gigantischen Investitionsruinen und reinen Beschäftigungsprogramme, für die Entwicklungsgelder bisher verschwendet wurden verständlich, angesichts der sozialen Verhältnisse in den Ländern bedeutete sie für die ärmsten Länder und die ärmsten Bevölkerungsteile dort aber nichts Anderes als die Vernichtung der überflüssigen Esser.

... link (20 Kommentare)   ... comment


Gedenken
Heute ist der 17.Juni, ein Tag, der in meiner Kindheit, Jugend und Studienzeit der ideologisch hoch aufgeladene Nationalfeiertag Westdeutschlands war. Ein autonomer Arbeiteraufstand, eine proletarische Revolte, gleicham das Kronstadt der DDR, wurde von der westlichen Propaganda zum Tag der deutschern Einheit gedeutet bzw.hochstilisiert. Nicht die nationale Einheit und nicht den westlichen Kapitalismus wollten die Aufständischen von damals zu Anfang der Erhebung, sondern die politische Selbstbestimmung der Arbeiterklasse.
(edited: nach verschiedenen Kommentaren habe ich hier meine Formulierungen geändert, da ich Einiges zu spitz auf den Punkt gebracht hatte)

Der Kasernenhofkommunismus zeigte sein hässlichstes Gesicht und gab Bert Brecht anlass zu einer Note an die DDR-Volkskammer, in deres hieß: "Lösen sie das Volk auf und wählen sie sich ein Neues!" Präziser konnte man es eigentlich nicht auf den Punkt bringen, worum es in diesem Konflikt ging.

... link (11 Kommentare)   ... comment


Freitag, 16. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus – Fortsetzung
Ich greife den letzten Absatz des ersten Beitrags noch einmal auf.

Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.

Diese Entwicklung macht sehr deutlich, dass die Verelendungstheorien, wie sie von Trotzkisten bis zur RAF viele linksversprengte Gruppierungen vertraten ins Leere gehen, eine Erkenntnis, die übrigens bei Gramsci und Poulantzas schon angelegt ist (sorry, der musste sein, ich halte mich ansonsten mit Theoretiker-Namedropping zurück). Nicht Unerträglichkeit der eigenen Situation führte zu weltweiten Rebellionen und Emanzipationsbewegungen, sondern Blochs Prinzip Hoffnung im Zusammenwirken mit vorhandenen Missständen. Von den Metropolen bis zum Trikont (Sonderfälle wie Vietnam spielten hier eine Rolle, auf die ich gleich zu sprechen komme), eines hatten die Bewegungen in den 60ern weltweit gemein: Sie spielten sich in einer Zeit ab, in der die Perspektive der Menschen im Fortschreiten bestand, das generelle Lebensgefühl war „die Gegenwart ist besser als die Vergangenheit, und die Zukunft wird noch besser sein.“, aber das war nicht mit Zufriedenheit verbunden, sondern mit dem Anspruch auf mehr: „We don´t want just one cake, we want the whole fucking bakery!“. Parallelen zur Französischen Revolution zeichnen sich ab, wo eine Krise nach einer Hochblüte der barocken Zivilisation und der bürgerlichen Aufklärung Ausgangspunkt der Bewegung war, nicht hingegen eine Situation absoluten Elends. Auf die Rebellion, in den Metropolen wie im Trikont, wie auch auf das gestiegene Selbstbewusstsein der Öl- und Schwellenländer, reagierten die Eliten auf sehr verschiedene Weise. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Reaktionsmuster teils aus Integration, teils aus Repression bestanden, teils auch aus der Kombination von Beidem. Beispiel für eine fast ausschließlich integrative Lösung ist Dänemark. Anders als in Deutschland, gelangten die 68er hier nicht erst Ende der 90er Jahre an die Hebel der Staatsmacht, sondern schon in den 70ern. Dies bedeutete zwar keine Revolution, aber gründlichere und unbürokratische Reformen als in Deutschland, wobei gesagt werden muss, dass die gesellschaftlichen Widersprüche in Dänemark von Vornherein weniger ausgeprägt waren als in Westdeutschland. Sozialen Frieden durch staatliche Wohlfahrtsprogramme einzukaufen hat in Dänemark seit 1848 Tradition, und die Generation der jungen Protestler setzte sich nicht mit Nazi-Tätern in Amt und Würden auseinander, zwei Ausgangspunkte, die die ganze Sache weitaus konfliktärmer machten als die Situation in der BRD. Die Entwicklung, die Dänemark in den 70ern nahm, war die zu einem Sozialstaat, der weitaus üppigere soziale Leistungen zu bieten hatte als Deutschland bei vergleichbar weniger Bürokratie und mehr Demokratie (siehe die plebiszitären Elemente im politischen Geschäft Dänemarks). Zwei Beispiele exemplifizieren ganz gut, dass der dänische Linksliberalismus einen völlig anderen Charakter hatte als der westdeutsche Betonstaat der rot-gelben Koalition: Als Hausbesetzer ein leerstehendes riesiges Marinekasernengelände besetzten und dort die „Freie Sadt Kristiania“ ausriefen, schenkte ihnen der Staat das Gelände einfach. Es kommt auch von, dass ein Punk, der sich arbeitslos meldet, vom Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt so angesprochen wird: „Du bist doch Punk, hast Du da keine Lust, Punk-Musik zu machen, um Dir den Lebensunterhalt zu verdienen? Du kannst von uns ein Existenzgründungsdarlehen für die Gründung einer Band bekommen, und das Arbeitsamt vermittelt Dir einen Plattenvertrag.“ Die Revolution war gestorben, doch alle hatten sich schrecklich lieb.

In Deutschland hingegen gab es Integration und Repression im Kombipack: Bildungsoffensive, „mehr Demokratie wagen“, neue Ostpolitik, Ausbau des Sozialstaats (auf eine typisch preußisch bürokratische Art und Weise), Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen, zugleich aber auch Notstandsgestze, Berufsverbote, Antiterrorgesetze, Militarisierung der Polizei. Letztlich kamen klare materielle Vorteile für die breite Mehrheit der Bevölkerung heraus, aber aus „mehr Demokratie wagen“ wurde eher „mehr Bürokratie wagen“. In den USA schließlich bestand Nixons Gegenrevolution hauptsächlich aus Repression – Streichung der großzügigen Sozialprogramme Johnsons, COINTELPRO, das Counterinsurgency Intelligence Program, das aus einer Welle von Desinformation, Geheimdienstaktivitäten, politisch willkürlichen Verurteilungen bis hin zur vom FBI lancierten Einschleusung harter Drogen in die Ghettos der Afroamerikaner bestand und Black Power erfolgreich zerschlug. Unter dem gleichen Horizont ist auch der vom CIA herbeigeführte Putsch in Chile zu sehen. Wenn wir jetzt noch einmal die Voraussetzungen der weltweiten Revolte rekapitulieren – steigende Ansprüche bei steigendem Wohlstand, zugleich aber überaus grausame postkoloniale Kriege, Wettrüsten und die Verschränkung von Ost-West- und Nord-Süd-Konflikt, dann stellt sich die Frage, ob der Neoliberalismus, d.h. die Rezepte der Chicago Boys, nichts Anderes waren als der Versuch, die steigenden Ansprüche zu suspendieren, indem die Lebenschancen der Unterprivilegierten und der Arbeiterklasse systematisch beschränkt werden. Dies muss noch nicht einmal in denAbsichten Friedmans gelegen haben, sondern kann eine objektive Funktion der Angelegenheit sein, die sich unter den eben genannten sonstigen Zeitumständen und den strategischen Interessen der Herrschenden als historische Notwendigkeit ergibt.

So, und jetzt bitte nicht wild draufloskommentieren, ich mache hier wieder einen Cut, um keine Bleiwüste entstehen zu lassen, der dritte Teil folgt also in Kürze. Also bitte spart Euch Eure Kommentare bis zum dritten Teil, Es lässt sich auch beim Bau des Schiffsrumpfs niemand über die Segeleigenschaften einer Yacht aus.

... link (5 Kommentare)   ... comment