Dienstag, 30. Mai 2006
Big Brother meets Flying Eye
Ein neuer Satellit soll die Migrantenströme von Afrika nach Spanien observieren.
Spanien und neun EU-Länder haben überdies vereinbart, den Seeweg von
Afrika zu den Kanarischen Inseln zu überwachen

Die Universität der spanischen Kanarischen Inseln hat mit der Firma
Spot Image ein Pilotprojekt zur Überwachung vorgestellt. Über MariSS
(Maritime Security Services) sollen sechs Satelliten kombiniert werden,
um die Boote mit Flüchtlingen und Einwanderern aufzuspüren, die sich
aus Mauretanien und dem Senegal derweil zu Hunderten auf den Weg zu den
spanischen Inseln machen. Optische Überwachung soll dabei mit
Radarüberwachung kombiniert werden. Die Aufrüstung wird die Menschen
Schlepperbanden in die Hände treiben. Auch Deutschland nimmt an der
Abschottung der Inseln teil.

Die spanische Regierung hatte den Einsatz von Satelliten angekündigt,
um Flüchtlinge und Einwanderer auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln
abzufangen ( Mit Satelliten gegen Einwanderer (1)). Wie das
bewerkstelligt werden kann und wer die Überwachung gewährleisten soll,
war bisher unklar, nimmt aber nun Konturen an. Die Firma Spot Image
(2) habe mit der Universität von Las Palmas (3) ein Pilotprojekt bei
der kanarischen Regionalregierung und der Europäischen Weltraumbehörde
( ESA (4)) vorgelegt, um die kleinen Boote, auch "Cayucos" genannt,
aufzuspüren, wenn sie sich auf dem bis zu 1.200 Kilometer langen Weg
machen. Das berichtet (5) die Tageszeitung El País, die auch als
Sprachrohr der sozialistischen spanischen Regierung bezeichnet werden
kann. Mittlerweile meldet (6) dies auch El Mundo. Weder auf den
Webseiten der Regionalregierung (7) noch auf denen der ESA sind bisher
Hinweise darauf zu finden.

Die Fernerkundungssatelliten von SPOT sind geeignet dafür, um die Boote
aufzuspüren. Als erster Satellit war SPOT 01 im Februar 1986 von
Frankreich in die Umlaufbahn gebracht worden. Später folgten (8) SPOT
02, SPOT 03 (1990), SPOT 04 (1998) und SPOT 5 (Mai 2002). An der
Überwachung sollen allerdings nur Spot 02, 04 und 05 teilnehmen, damit
täglich frische Informationen vorliegen, weil sie jeweils alternierend
an drei Tagen über die Zone fliegen. Mit den drei französischen
Satelliten soll der taiwanesische Formosat kooperieren, damit die
überwachte Zone größer ist. Da es sich dabei nur um optische Systeme
handelt, die Nachts und bei wolkigem Himmel blind sind, soll auch der
kanadischen Radarsat und der ESA-Satellit Asar/Envisat zugeschaltet
werden. Die sind mit Radarsystemen ausgestattet, die auch dann noch
Daten liefern. Allerdings kommen sie nur alle drei Tage über die
betroffene Zone. "Da die Cayucos sich etwa fünf Tage auf hoher See
befinden, haben wir große Chancen, sie aufzuspüren, bevor sie nach
Spanien kommen", erklärte Antonio Ramos. Er ist Professor der
Universität an der Fakultät für Meereswissenschaften und hat das
Projekt mit angestoßen.

Die Satelliten könnten anhand von 28 Merkmalen Objekte auf dem Meer
identifizieren. Ein normales Cayuco, mit einer Länge von etwa 20
Metern, würde mindestens acht Pixel auf den Bildern darstellen. Sie
könnten über Daten, wie Umfang, Symmetrie, Kielwasser, Größe
Geschwindigkeit und Route, maschinell erkannt werden. Die Daten in den
GPS-Navigationsgeräten, welche die Guardia Civil bei den aufgebrachten
Booten beschlagnahmt hat, würden auch weiter helfen: "Damit können wir
die Route bestimmen." Man werde die Cayucos in die Bilddatenbank
aufnehmen und die Bilderkennung damit versorgen: "Will heißen, dem
Satellit genau sagen, was er zu suchen hat", führte Ramos weiter aus.

Die Folge zunehmender Überwachung wird zu weiterem Wettrüsten führen

So ist leicht vorauszusagen, dass auch die andere Seite aufrüsten wird.
Bisher haben alle Abschottungsversuche stets zu einer Anpassung
geführt, welche die Überfahrt aber stets gefährlicher machte. Nachdem
spanische Südküste durch den elektronischen Schutzwall (Sive)
abgeschirmt wurde ( Europa rüstet auf gegen Einwanderer (9)),
versuchten die Schwarzafrikaner den Weg über die Zäune in die von
Marokko umschlossenen spanischen Exklaven Melilla und Ceuta. Nach dem
Druck der EU auf Marokko und dessen brutalem Vorgehen (10), wichen sie
auf Mauretanien aus. Tausende Opfer waren die Folge ( "Massensterben"
vor den Kanarischen Inseln (11)).

Folgende Szenarien sind absehbar: Schlepperbanden, die auf den Strecken
aus Mauretanien und nun aus dem 1.200 Kilometer entfernten Senegal,
bisher kaum Bedeutung haben, werden ihren Markt sehen. Bisher lässt
sich Fahrt im Cayuco von den 50-100 Menschen selbst organisieren, zumal
auch mauretanische und senegalesische Fischer den Weg ins "gelobte
Europa" suchen. Das Gerücht von Schiffen, welche die Boote auf dem
langen Weg versorgen, konnte bisher nicht einmal durch die Luft- und
Seeüberwachung bestätigt werden.

Die Vorgänge werden zunehmend geheimer und die Einwanderer in die Arme
der Schlepper getrieben, denen sie dann auf Gedeih und Verderb
ausgeliefert sind. Denn finanzkräftige Schlepperbanden können
Strukturen schaffen, um der Überwachung zu entgehen. Die kurze Route
aus der Westsahara wird über geheime Strukturen reaktiviert. Aus
Mauretanien und dem Senegal werden kleinere und schnellere Boote
eingesetzt, die schwieriger aufzuspüren sind. Die italienische
Küstenwache kann davon ein Lied singen, wenn es um die Abwehr
albanischer Schmuggelbanden geht. In allen Varianten steigt die Gefahr
für Leib und Leben bei der Überfahrt oder durch die völlige
Abhängigkeit in sklavenähnlichen Strukturen, in denen die Menschen
viele Jahre die Fahrt bezahlen müssen, wenn sie den gefährlichen Weg
überleben. Schließlich werden auch die Preise steigen. Organisierte
Kriminalität und Schlepperwesen, was man angeblich zu bekämpfen
vorgibt, wird durch die Aufrüstung nur weiter gezüchtet.

Wer die Daten der Satelliten bekommen wird, ist nun auch klar. An der
Abschirmung der kanarischen Inseln durch spanisches Militär wird sich,
an der von der EU- Grenzsicherungsbehörde Frontex (12) geführten
Initiative ( EU hilft bei der Abschottung der Kanarischen Inseln (13))
auch Österreich, Frankreich, Italien, Großbritannien, Holland,
Deutschland und Griechenland beteiligen. Das wurde heute von der
spanischen Regierung bekannt (14) gegeben und geht auf den Besuch der
Vizeregierungschefin Teresa Fernandez de la Vega letzte Woche bei der
EU-Kommission zurück. Der 15. ist rekordverdächtig, bis zum
Nachmittag kamen in fünf Cayucos auf Teneriffa und Gran Canaria
mehr als 360 Menschen an. Drei weitere wurden bei Fuerteventura und
zwei in der Nähe von La Gomera gesichtet.

LINKS

(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22678/1.html
(2) http://www.spotimage.fr
(3) http://www.ulpgc.es

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Ist es für sie OK, wenn wir diesen Artikel in die nächste Ausgabe der Zeitschrift "Queesch" (www.queesch.lu) setzen? Der Themenschwerpunkt wird "Migration/Abschiebelager" sein.
Wir würden uns freuen.
Danke im Vorraus.

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Erstens sind wir auf meinem Blog beim Du, und zweitens bin ich nicht der Autor, sondern zitiere nur. Folge dem Telepolis-Link, da ist die Erstversion.Wenn ich für die Queesch nocht etwas beisteuern kann, lass es mich wissen.

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Gerne darfst du noch etwas beisteuern. Wir sind eigentlich immer auf der Suche nach Artikeln.
Ich denke, ich werde die Satelliten-Geschichte dann selbst nochmal etwas umschreiben. Vielen Dank für den Hinweis.

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You are always Welcome.

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