Montag, 19. Juni 2006
Bundesregierung will Flüchtlinge loswerden
Weltflüchtlingstag / 6. Berliner Symposium Flüchtlingsschutz

Berlin, 19. Juni 2006 – Die Bundesregierung entzieht Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten ihren Status und plant weitere gesetzliche Verschlechterungen des Flüchtlingsschutzes. Der Bundesregierung scheinen Flüchtlinge daher zunehmend unerwünscht, kritisierten amnesty international (ai) und PRO ASYL vor dem morgigen Weltflüchtlingstag. Vertreter beider Organisationen verwiesen beim heutigen 6. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz darauf, dass die Bundesregierung die – wegen der Umsetzung von EU-Richtlinien notwendige – Änderung des Zuwanderungsgesetzes nutzt, um etwa das Alter für den Familiennachzug bei Flüchtlingen von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen. Außerdem sollen nachziehende Ehepartner vor der Einreise Deutsch lernen und entsprechende Kenntnisse nachweisen müssen. „Dies ist absurd“, sagte Julia Duchrow, ai-Flüchtlingsreferentin. „Wie soll die mittellose Ehefrau eines tschetschenischen Flüchtlings im zerstörten Grosny Deutsch lernen? Hinzu kommt: Der Vorschlag verstößt gegen Europarecht.“

ai und PRO ASYL kritisieren entschieden die Praxis des Bundesamtes für Migration und Flucht (BAMF), Flüchtlingen aus Afghanistan, dem Irak und Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo den Flüchtlingsstatus zu entziehen, obwohl sie nicht abgeschoben werden können. „Damit verlieren diese Menschen soziale Sicherheiten wie etwa ihren Arbeitsplatz“, sagte Bernd Mesovic, rechtspolitischer Referent von PRO ASYL. „Mit dieser Desintegrationspolitik signalisiert die Regierung: Verschwindet aus Deutschland – auch wenn wir euch im Moment nicht abschieben können.“

Selbst wenn sich die politische Situation in diesen Ländern geändert hat – die Sicherheitslage für die betroffenen Flüchtlinge hat sich keineswegs verbessert. „Daher sind Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan oder in den Irak nicht zu verantworten“, sagte Duchrow. „Auch in den Kosovo dürfen Minderheitenangehörige oder traumatisierte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden.“

ai und PRO ASYL fordern ein Bleiberecht für langjährig Geduldete. In Deutschland leben fast 200.000 Menschen mit einer Duldung, 130.000 davon seit mehr als fünf Jahren. „Diese Menschen leben in ständiger Angst vor der Abschiebung und dem folgenden Sturz ins Nichts“, sagte Mesovic. „Duldung bedeutet ein Leben ohne Perspektive. Wir fordern daher eine Bleiberechtsregelung und einen Abschiebestopp, bis eine solche Regelung in Kraft tritt.“


Kontakt:
ai-Pressestelle, Tel. 030 – 42 02 48-306, e-mail: presse@amnesty.de
PRO ASYL: Bernd Mesovic, Tel.: 0174 – 9947437, e-mail: proasyl@proasyl.de

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