Samstag, 3. Oktober 2009
Die Ernährung an Bord
Habe gerade mal den Proviantplan einer 40m-Jackassbark auf der Nordatlantikroute aus dem Jahr 1851 gelesen.

Montag: Frühstück Kommissbrot mit Schweineschmalz, Ersatzkaffee (Dauerfrühstück an Werktagen), nach mehreren Wochen auf See Schiffszwieback statt Brot.

Mittagessen Linseneintopf, als Getränk Essigwasser mit einem Spritzer Zitronensaft (Getränke Wochentags immergleich).

Abendessen Bratkartoffeln und Glühwein.
Dienstag: Mittagessen Kartoffeln mit Sauerkraut, Abendessen Kartoffelsuppe.

Mittwoch: Mittagessen Bohnen mit Speck, Abendessen Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln.

Donnerstag: Mittagessen gepökeltes Rindfleisch mit Sauerkraut, Abendessen Eintopf aus Linsen, Bohnen und Kartoffeln.

Freitag: Mittagessen Salzhering mit Kartoffeln, Abendessen Bohnensuppe.

Samstag: Zum Frühstück Hafergrütze mit Schwarzem Tee.

Mittagessen gepökeltes Rindfleisch mit Kartoffeln und Bohnen, Bier.

Abendessen Curryreis, Tee mit Rum.

Sonntag: Frühstück Gerstebrei und Schwarzer Tee mit Zitrone.

Mittagessen: Labskaus aus Pökelfleisch, Salzhering, Kartoffeln, Zwiebeln und sauren Gurken, Rotwein.

Abendessen: Zwiebelsuppe, heißer Grog.


Wenn man das mit dem vergleicht, was Arbeiterfamilien zu der Zeit an Land so aßen - Haferschleim, Kohlrabi, Kartoffeln und Fleisch von verendeten Tieren bzw. Schlachtabfällen - aß der seefahrende Proletarier wohl ziemlich gut.

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wundert mich wirklich...
...dass da nicht mehr fisch auf dem plan stand. das bietet sich auf see doch nun mal an, und an den meisten küsten, die mir gerade einfallen, wird die möglichkeit ja auch mehr oder weniger bis heute genutzt (kalabrien aktuell mal ausgenommen...)

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Das war aber ein Hauptproblem bei den Seeleuten: Sie fischten nicht. Die Hungertoten bei Magellan hätten sich durch Fischfänge verhindern lassen. Die damaligen Seeleute betrachteten unterwegs gefangene Fische aber als so etwas wie unglückliche Kameraden. Im Gegensatz zu den Polynesiern (oder: Maori, Maoi, Kanaken, Hawaiern), die fast ohne Proviant losfuhren und munter fischten.

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"aß der seefahrende Proletarier wohl ziemlich gut."

Oder aber Freund Smutje hat einfach nicht auf seinem Speiseplan erwähnt, dass sämtliche Zutaten zusammen zerkocht als ungewürzter Brei serviert werden.

Fakt ist aber, dass sie Ernährung auf See sich im 19. Jahhundert extrem verbesserte. Zu verdanken war das unter anderem dem berühmten Captain Cook, der es durchsetzte, dass vitaminreiche Kost gereicht wurde, um Krankheiten (vor allem Skorbut) vorzubeugen.
Viele Besatzungen fanden das Vitamin-C-reiche Sauerkraut aber wohl zunächst so ekelhaft, dass sie es wegwerfen wollten und stattdessen lieber weiter Zwieback knabbern wollten – was ihnen aber verboten wurde. God save the King!

Was den Fisch angeht: Ich schätze auch mal, dass die Zubereitung von frischem Fisch einfach zu kompliziert an Bord war. Normalerweise gings in den Kombüsen ja eher so zu: Fass auf, Frass in den Topf, aufwärmen, fertig.
Ich empfehle aber mal als Film-Tip Peter Weirs sehenswerten "Master and Commander": Da sieht man wie leckerer Pinguin serviert wird!

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....und angeblich soll die Bezeichnung der Engländer "Kraut" für die Deutschen eben daher rühren: Die führten als Vitaminzufuhr gegen Skorbut Sauerkraut mit, während die Engländer die "Lemons" waren.

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Apropos Kommissbrot:

Was hat der Soldat auf sein Kommissbrot?

Einen Anspruch!

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Angeln auf See
Die Seeleute Magellans hätten beim Fischen wenig Glück gehabt, den die "Wasserwüsten" des Pazifischen Ozeans abseits der Inseln sind relativ nährstoffarm - und entsprechend arm an Fischen. (Magellan fuhr ja an sämtlichen Pazifikinseln mit ihren besseren Fischgründen vorbei - während die Polynesier "Inselspringer" waren.)

Auf den großen Tiefwasserseglern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren die Freiwachen - zumindest auf deutschen und skandinavischen Schiffen - eifrig am Angeln. Es wurde auch Seevögel gefangen. Da diese Zusatzverpflegung Glücksache war, konnte sie aber nicht in die Proviantliste einkalkuliert werden.

Auf Kriegsschiffen mit ihrer Riesencrews hätte auch noch so eifriges Angeln keinen nennenswerten Beitrag zur Proviantversorgung liefern können.

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À propos skandinavische Schiffe: Die hatten auch in Essig und Öl eingelegten Hering, die Portugiesen und Spanier Ölsardinen in ihren Vorräten, die eine höherwertige Nahrungsversorgung darstellten als Pökelfleisch. Merkwürdig, dass Briten und Franzosen auf diese Idee nicht kamen, merkwürdig auch, dass man zwar getrocknete Hülsenfrüchte mitführte, aber keine Nudeln.

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Was der Smut im Topf hatte ...
... hing sehr davon ab, ob er bei der Kriegmarine oder auf einem Kaufahrteifahrer segelte.
Wenn ich mir z. B. die Proviantlisten britischer Kriegsschiffe aus dem "Great Age of Sails" so ansehe, dann weiß ich, woher der katastrophale Ruf der englischen Küche herkommt: Haferschleim, Hartbrot und Pöckelfleisch, allenfalls Eintopf aus getrockneten Hülsenfrüchten. Das Ganze ´runtergepült mit einer täglichen Ration billigen, aber starken Rums. Ausnahmen von der trüben Regel waren Schiffe mit engagierten Kommandanten, zu denen ich außer James Cook und William Bligh (ja, genau der!) auch Horatio Nelson zähle. Die wohl weniger aus Menschenfreudlichkeit, als aus der Erkenntnis, dass sich mit einer durch Skorbut geschwächten Crew nicht viel erreichen lässt, handelten. Ein Faktor, der zur fragwürdigen Verpflegung auf Kriegsschiffen beitrug, war der Umstand, dass der Smutje (holländisch: der Schmutzige) meistens ein Invalide war, der etwa ein Bein verloren hatte - das "qualifizierte" ihn zum Dienst am Herd, egal, ob er nun kochen konnte oder nicht. (Der einbeinige Schiffskoch Long John Silver aus der "Schatzinsel" ist keine reine Klischeefigur - abgesehen davon, dass "Barbecue" gut Kochen konnte und seine Kombüse peinlich sauber hielt. Dafür prägte er das Piratenklischee: Holzbein und Papagei.)
Ein weiterer Grund: so ein Kriegsschiff hatte zwischen 30 (kleiner Kutter) und 950 Mann (Linienschiff 1. Ranges) Besatzung, und war unter Umständen monatelang auf See. Dass heißt: Verpflegung war ein erheblicher Kostenfaktor, sie musste außerdem extrem haltbar sein und durfte nicht viel Platz beanspruchen.
Und hieß im Vor-Konservenzeitalter: Salzfleisch, Zwieback, Haferschleim - wenn es gut kam, Malzpaste und Sauerkraut.

Auf Kauffahrteischiffen war das anders. Ein Grund war sicherlich darin zu suchen, dass Berufsseeleute auf Tiefwassersegler "qualifizierte Facharbeiter" waren, und es, anders als auf Kriegsschiffen, kaum Möglichkeiten gab, sie am Abmustern zu hindern. Ähnlich wie heute auf Bohrinseln hing die Moral stark von der Verpflegung ab.
Dann hatte ein mittelgroßer Segler wie die erwähnte Schonerbark im Vergleich zu einem gleichgroßen Kriegsschiff eine geradezu winzige Besatzung: 12 - 18 Matrosen, dazu zwei oder drei Offiziere, Bootsmann, Smut und Segelmacher. 18 - 24 Mann. Auf einer "Sloop" der selben Größe fuhren bei der Royal Navy 100 - 160 Mann! Damit war das Verpflegungsproblem leichter zu lösen, und die Proviantkosten ein eher vernachlässigbarer Posten. Da die Arbeit auf einem Segelschiff körperlich anstrengend ist, war die sehr deftige Kost auch angebracht. Noch ein Faktor: Einfache Seeleute verdienten auch damals schon weniger als Facharbeiter an Land - das gute Essen ging also kalkulatorisch von der Heuer ab.

Seeleute auf britischen Tiefwasserseglern hatten ihren Spottnamen "Lime juicers" oder "Limies" tatsächlich nach dem im 19 Jahrhundert als Skorbutprävention verabreichten Limonen- oder Zitronensaft. Was das Sauerkraut anging: das war lange Zeit die "Geheimwaffe" niederländischer Schiffe gegen Skorbut - was ihnen ermöglichte, auf lange dauernden Fahrten mit weniger Besatzung auszukommen, als die britischen Rivalen, die sicherheitshalber eine "Krankheitsreserve" an Leuten an Bord hatten. Theoretisch hätte also die Holländer "Krauts" heißen müssen und nicht die Deutschen. (Ich bin der Ansicht, dass das Stereotyp vom "Krautfresser" aus der Kriegspropaganda stammt - so wie die Franzosen in den Koalitionskriegen von den Briten "Frogs", "Froschfresser" genannt wurden, auch wenn Froschschenkel bestimmt nicht auf der Speisekarte der Soldaten Napoleons standen.)

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"William Bligh"

Stimmt. Dem hat der Mythos der Bounty zu Unrecht übel zugesetzt. Seine Person wurde beim Prozess um die Meuterei zum Spielball zwischen Abolitionisten und Anti-Abolitionisten geworden. Und so ging er als Schurke in die Geschichte ein. Guter Wiki-Eintrag, in dem es am Rande auch wieder um die Ernährung an Bord geht:
http://de.wikipedia.org/wiki/William_Bligh#Die_Rufmord-Kampagne_Edward_Christians

Das wäre doch mal ein schönes Buchprojekt: Historische Schurken, die in Wirklichkeit keine waren: William Bligh, Antonio Salieri, etc.

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Hier übrigens mal eine Illustration zu fraglichem Schiff
http://www.slv.vic.gov.au/pictoria/b/4/6/im/b46661.jpg

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auf jeden Fall besser als das, was es im Arbeitshaus gab: http://de.wikipedia.org/wiki/Rumfordsuppe

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Richtig, das kommt bei "Der Poppelvater von der Au" vor.

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Die üppige Wohlstandsküche, wie wir sie heute haben gab es noch nicht mal in meiner Kindheit. Fleisch gab es bei uns nur Sonntags, und auch das war kein Braten, Kotelett oder Steak, sondern falscher Hase. Die Woche über gab es Bouillon, Spaghetti (wenn meine Mutter die kochte, wurden die drei oder vier Tage lang gegessen), Bratkartoffeln, Spinat (um nicht missverstanden zu werden: Ein Teller Spinat war die komplette Mahlzeit), Eierpfannkuchen,Plinsen, Arme Ritter oder auch Graupensuppe. So war das in den 60er und 70er Jahren in einer Mittelschichtsfamilie.

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Danke übrigens für die tollen Kommentare
Ich sollte vielleicht doch zu meiner Kernkompetenz zurückkommen und häufiger etwas zum Thema Alltags- und Sozialgeschichte bloggen, Interesse scheint ja vorhanden zu sein. Ich antworte jetzt mal nicht separat auf Tuc, Gorillaschnitzel, Entdinglichung und Martin, sondern sozusagen en bloc.

Zunächst sind unter den wichtigen britischen Reformern in der Marine nicht nur Cook, Bligh und Nelson zu nennen, sondern auch Lord Howe (genannt "Freund der Matrosen") und Sir Cochrane, der bedeutendste Fregattenkommandant seines Zeitalters und Befehlshaber der Flotte Bolivars, jemand, der aus Überzeugung antikoloniale Befreiungskriege zur See ausfocht und als Erfinder des Grogs und als Romanheld Horatio Hornblower in die Geschichte einging.

http://www.amazon.de/LORD-COCHRANE-RADICAL-LIBERATOR-DUNDONALD/dp/B0007IW05S


Blighs Karriere ging nach der Bounty erst los; er brachte es zum Admiral, zeitweise Gouverneur von Malta und schließlich von Australien.

Dass die verbesserte Ernährung an Bord nicht aus humanen Erwägungen erfolgte, sonndern nur als rationale Methode zum Erhalt der Arbeitskraft würde ich so nicht sagen; immerhin geschah das auf dem Höhepunkt des Zeitalters der Aufklärung und am Vorabend der Amerikanischen und Französischen Revolution, da kann man zwischen Beidem nicht trennen, zumal Cook als besonders humaner Kapitän galt. Dieser humane Cook ließ allerdings weitaus mehr Matrosen auspeitschen als Bligh, aber grausam waren nach damaligen Normen Leute wie der Commander der US-Brigg "Somers", der den Seekadetten Spencer aufhängen ließ, weil er aufrührerische Sprüche gemacht und "einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen" gehabt habe. Das Sauerkraut wurde mit Zuckerbrot und Peitsche, letztere im Wortsinn durchgesetzt. Wer sich weigerte, es zu essen, wurde ausgepeitscht, zugleich Sauerkraut auf Silberplatten in der Großen Kajüte serviert. Das wirkte. Ansonsten war die oben beschriebene Speisenfolge auf der Jackassbark von 1851 verglichen mit Cook geradezu feudal. Auf der Endeavour gab es genau vier Speisen (abgesehen vom Plumpudding, der jedem Matrosen zu seinem Geburtstag serviert wurde), nämlich Schiffszwieback, Erbsenbrei, Pökelfleisch und Sauerkraut. Dazwischen liegen schon wieder mehrere Generationen und technische Neuerungen wie z.B. das Aufbewahren von Trinkwasser in Eisenfässern oder -tanks, was gegenüber den Holzfässern, in denen sich schon nach 1-2 Wochen Algen bildeten doch enorme Vorteile hatte.Schon die Verpflegung auf Darwins Beagle war entschieden besser als bei Cook, wo im Übrigen die Rationen so klein waren, dass manche Matrosen ständig Hunger hatten. Denen wurde gesagt, sie könnten ja frische Luft fassen, die gäbe es reichlich.


Demgegenüber war die Verpflegung bei Magellan ausgesprochen reichhaltig: Getrocknete Hülsenfrüchte jeder Art, also Erbsen, grüne, weiße und braune Bohnen, Kichererbsen, Linsen, Pökelfleisch, Stockfisch, Räucherfisch, Serrano-Schinken, Kuchen, Honig, Krokant, Konfekt, mehrere Sorten Wein und Likör usw. Nur nichts, was Vitamin C enthielt. Außerdem war der Durchmesser der Erde ein Viertel zu gering berechnet, und mitten auf der Wasserwüste des Pazifik war der Proviant zu Ende. Was dann gegessen wurde, waren Suppen auf Sägemehl-Basis, "Steaks" aus weichgekochtem Leder und Ratten, für die man einen halben Dukaten zahlte.

Was ins Auge sticht waren bei Cook übrigens die ungeheuren Alkoholrationen, über die McLean schreibt, dass es erstaunlich war, dass die Endeavour überhaupt die Isle of Wight erreichte, von der anschließenden Weltumsegelung ganz zu schweigen. Von Rolf-Bernhard Essig gibt es das Buch "Rausch der Meere", das sich mit dem Alkoholkonsum der Matrosen beschäftigt, kann ich nur empfehlen.


@Holländer: Im angloamerikanische Sprachraum wurde oft zwischen Deutschen und Holländern nicht unterschieden, zumal "dutch" und "deutsch" phonetisch kaum unterscheidbar sind. Auch der Begriff "Yankee" bezeichnet eigentlich die Nachkommern niederländischer oder norddeutscher Einwanderer und kommt von "Jan Kees".

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Und Gottlieb August Seume berichtet aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, dass das Wasser, von ihm "Jauche" genannt, durch ein Tuch geseit werden musste, um getrunken zu werden und dass im Wasserfass faserige Pflanzen wuchsen. Übrigens sind diese ganzen Ernährungsmisstände typisch für das Europa der Frühen Neuzeit. Die Chinesen führten auf ihren Großdschunken komplette Gemüsegärten und Geflügelschläge sowie Schweineställe mit, während die Wikinger sich auf See ganz skorbutfrei von Dauerwürsten, Stockfisch, getrockneten Pilzen, Yoghurt, Dörrorbst und Blau- Krons- Preißel- und Vogelbeeren ernährten.

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in Hamburg (und wahrscheinlich nicht nur dort) wurden daher bis ins 19. Jahrhundert Kinder nach dem Abstillen mit Bier (da keimfrei) grossgezogen

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Die Chinesen etc: wie war das denn bei anderen außereuropäischen Seefahrern? Wie ernährten sich die?

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Zu den Polynesiern habe ich ja schon etwas gesagt. Als Inselhüpfer hatten sie relativ oft Gelegenheit, frisches Obst zu sich zu nehmen, ansonsten fischten sie wo immer sie konnten, und, Besonderheit, nahmen auch relevante Mengen Salzwasser zu sich. Die haben ihre Katamarane und Auslegerpirogen ja sogar schwimmend repariert. Bei den Malayen war das ähnlich wie bei den Chinesen, nur im kleineren Stil auf kleineren Schiffen: Man führte Setzkübel oder Körbe mit sich, in denen Gemüse gezogen wurde und hielt sich Tauben und Hühner, abgesehen von den winzigen südostasiatischen Schweinen. Die Melanesier führten auch Kleinvieh mit, fischten auf ihren Seefahrten aber auch ständig. Arabische Seeleute nahmen als Proviant kandierte Datteln, Sultaninen und getrocknete Feigen mit und hatten daher keine Probleme mit Skorbut. Vom Proviant auf afrikanischen Schiffen weiß ich nichts. Am Härtesten drauf waren die irischen Mönche, die im 6. Jahrhundert mit ihren winzigen Coracles aus Weidenruten und Rindsleder den Nordatlantik befuhren und die Äußeren Hebriden, die Shetland- und Färöer-Inseln besiedelten: Sie fasteten auf See.

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Wohlstandsküche
Irgendwas klappt hier nicht, zweiter Versuch:

So erinnere ich mich auch an Kindheit und Jugend, und bei uns gings schon relativ üppig zu.
Mein Erstaunen angesichts der Umwidmung der mir bekannten Welt dreier Länder in eine gargantueske Fleischbrötchenküche seit Mitte der achtziger Jahre lässt mich nicht mehr los. Auch nicht die Ratlosigkeit, mit der ich verfettet durch die davon zerstörten Städte und Landschaften tappe. Die Zerstörung ist zur unausweichlichen kulturellen Selbstverständlichkeit geworden, junge Leute nehmen die gar nicht mehr wahr, merke ich oft.

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Ich fürchte, mit Gerichten wie "arme Ritter" oder "Plinsen" könnte heute niemand mehr etwas anfangen oder damit, Griesbrei oder Milchreis als Hauptmahlzeit zu essen.

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Aber hallo! Bis auf Griesbrei ist das hier alles noch im Einsatz. Wir kochen doch auch die alten Suppen wieder: aus Kürbis, Roten Rüben, Kartoffeln …

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Dass Du das tust war mir bewusst, aber massenweise üblich ist das, so glaube ich, lange nicht mehr.

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@che:
Also ich komme ja aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, und meine Eltern hatten vier Jungs durchzufüttern, aber ganz so knastmäßig wie bei Dir war unsere Küche dann doch nicht. Drei, vier Mal die Woche kam schon richtiges Fleisch auf den Tisch. Die anderen Sachen wie Kaiserschmarrn, Spinat, Kartoffeln und Spiegelei, Pfannkuchen oder die diversen Suppen und Eintöpfe waren natürlich auch im Standard-Programm. Den großen Unterschied zwischen der Küche meiner Mutter und meiner Kochweise sehe ich nicht zuletzt darin, dass bei ihr das Thema optimale Resteverwertung eine viel größere Rolle spielte, da kommt die bäuerliche Prägung manchmal auch heute noch durch. Ich kaufe für meine Kleinstfamilie erst gar nicht diese Mengen und Massen ein, so dass nach einer Mahlzeit noch allzuviel übrig bliebe, das nach weiterer Verwurstung etwa in Form von Eintöpfen etc. ruft. Ausnahme: Von meiner Bolognese-Sauce setze ich gerne mal viel zu viel an, so dass ich nächsten Tag noch ein Mittagessen davon habe. :o)

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Knastmäßig würde ich das nicht nennen, ich weiß nämlich, was im Knast gegessen wird. Als ein Genosse einsaß, haben Tuc und ich ihn mit Konserven-Fertiggerichten von Aldi versorgt, das war gemessen an der dort vorgesehenen Ernährung königlich.

Hering in Sahnesauce mit Pellkartoffeln oder Alaska-Seelachs im Bratteig waren für mich als Kind übrigens Delikatessen, und meine heutige Gourmetküche sehen meine Eltern mit einer gewissen Skepsis: Sowas wäre doch nicht nötig. Und ich kann mich aus meiner Schulzeit erinnern, das mein damals bester Freund, dessen Mutter eine stark unterbezahlte Arbeiterin war anders aß als in unserer Familie üblich: Da gab es Brotsuppe, Graupensuppe, Grießbrei oder Erbsenbrei die Woche über, deutlich eine Klasse unter uns. Und was T.Albert sagt kenne ich auch so: Seit Mitte der 80er essen junge Leute in meiner Umgebung, vor allem Studierende, Azubis, Berufsanfänger vor allem Burger, Döner, Pizzen und Ähnliches von Imbissbuden. Vielleicht immanent folgerichtig, dass sich in der bzw. der Folgegeneration der Veganismus verbreitet hat.

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hängt natürlich auch immer mit Priotitätensetzungen zusammen ... eine meiner Grossmütter erzählte aus ihrer Kindheit um 1920, dass es in ihrer standesbewussten Angestelltenfamilie weniger und schlechteres zu essen gab als bei proletarischen Mitschülerinnen, da es aus Statusgründen als wichtiger angesehen wurde, sich beispielsweise häufig zu waschende, weisse Kleider und eine "Zugehfrau" zu leisten ... ansonsten gab es in meiner Vorfahrenschaft (dem "pietistischen Zweig") auch die Praxis, dass die Kinder weniger und schlechtere Nahrung als der Hausherr erhielten: z.B. Braten und Schnittkäse für "den Vater" und "Kinderfleisch" (!!!, eine Brotscheibe in Bratensosse) und Schmelzkäse für die Kleinen

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Gutes Stichwort,
die Prioritätensetzung. Kannte selber auch Mitschüler aus besserem Hause, die z.T. mit Essen kürzer gehalten wurden als wir. Allerdings beruhte der Standard bei uns auch in hohem Maße darauf, dass Tomaten, Gurken, Zucchini, Bohnen und Kopfsalat überwiegend aus dem eigenen Garten kamen. Dafür sah es hinterm Haus halt nicht gar so gepflegt aus wie bei den Nachbarn links und rechts, die Rasen, Blumenbeete und ein paar Hecken kultivierten.

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Dass die Arbeiterklasse besser aß als die untere Mittelschicht
lässt sich, glaube ich, verallgemeinern. Grillfeste, Grillteller Akropolis beim Griechen, das kenne ich als Bestandteil der Arbeiterkultur, und noch die Kommilitonen, die aus Arbeiterfamilien kamen, pflegten von Haus aus eine genussvollere und vor allem fleischhaltigere Ernährung, als ich das in meiner Kindheit erlebt hatte. Dabei waren wir eher obere als untere Mittelschicht. Aber Lachs, so etwas habe ich erst als Student eingeführt, bis dahin kaufte mein Vater bestenfalls Lachsersatz, während das in manchen Arbeiterhaushalten selbstverständlich dazugehörte. Da war man eher stolz, zu zeigen, was für Essen man sich leisten konnte. Die Sparsamkeit meiner Eltern hing aber auch mit der Sozialisation durch den Krieg zusammen. Mein Vater hatte ja noch unter Skorbut gelitten.

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bei aufstiegsorientierten British Asian-Familien ist es meiner Erfahrung nach andererseits so, dass an allem (vor allem an Wohnraum), aber nie am Essen gespart wird um bspw. den kleinen Familienbetrieb am Laufen zu halten und dem Sohn/der Tochter das Jura- oder Medizinstudium zu finanzieren ... Lachs war um 1880 in Hamburg ein Allerweltsessen, es gab Unmut unter "Dienstboten", weil es mehrmals in der Woche Lachs gab, wohingegen die "Herrschaften" sich an Hering, Schweinebraten und Huhn erfreuten

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Gut gekocht wird meist da, wo es traditionelle Familienstrukturen gibt. Ziemlich doof eigentlich, aber ich kenne wirklich Frauen, die sich als Zeichen der Emanzipation weigerten, kochen zu lernen. Jetzt stehen sie da, emanzipiert, aber nicht in der Lage, eine einfache Tomatensoße zu kochen. Schlimm! Gottseidank nehme ich aber auch ein Umdenken wahr.
Es gibt Wissenschaftler, die sagen, dass mit dem Kochen die Zivilisation begann. Würde ich unterschreiben und ergänzen: Die Zivilisation wird mit dem Nichtkochen enden.

Ich als alter Hauswirtschaftsschüler gucke beim einkaufen ja gerne anderen Leuten in den Einkaufswagen. Unterschicht und Oberschicht gleichen sich ziemlich was die Zuneigung gegenüber minderwertigen Tiefkühlfertiggerichten und Glutamat-Dosensuppen angeht. Genauso, wie sie alle dieselbe Scheiße im Fernsehen anschauen und die BILD lesen. Im schlechten Geschmack trifft sich ganz oben und ganz unten. Dabei hat es wirklich niemand nötig sich so miesen Fraß reinzupfeifen. War es doch noch nie so leicht, so gute Zutaten so preiswert einzukaufen. Aber viel zu viele Menschen haben es schlicht nicht gelernt, sich Nahrung zuzubereiten. Ganz, ganz wichtig dass sich das ändert!

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@"Ziemlich doof eigentlich, aber ich kenne wirklich Frauen, die sich als Zeichen der Emanzipation weigerten, kochen zu lernen. Jetzt stehen sie da, emanzipiert, aber nicht in der Lage, eine einfache Tomatensoße zu kochen. Schlimm!" ---- Da hatten wir ja auch gemeinsame Bekannte, gell? Radikales Bewusstsein und Ernährung zwischen Dönerbrötchen und Mikrowelle.

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@tuc

meistens sind "traditionelle Familienstrukturen" gar nicht so traditionell sondern nur Strukturen, welche als traditionell wahrgenommen werden ... zwei gute Bücher zum Thema, wo das Ganze am Beispiel USA auseinandergenommen wird sind "Die Entstehung des Privaten. Amerikanisches Familienleben vom 17. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert" und "The Way We Never Were: American Families and the Nostalgia Trap", beide von Stephanie Coontz

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Ich denke, dass zuerst die Rezepte »aussterben«, die bei der Zubereitung eine Menge Arbeit machen oder deren Zutaten gerade nicht in Mode sind.

Bei uns wird noch richtig gekocht, weil wir eben Wert auf Geschmack legen und weil Kochen auch Entspannung bedeutet. Aber ich kann genauso andere Leute verstehen, die ihre Entspannung in der Musik finden und sich aus Zeitgründen nur eine sehr schnelle Mahlzeit leisten.

Kochen kann auch mit relativ kostengünstigen Zutaten sehr viel Spaß machen (gerade die Gerichte, die Che oben nannte. Keine Plinse und keine Suppe muss schmecken wie die Plinse oder Suppe vom letzten Mal, alles kann man variieren.

Was Che ganz am Ende schrieb, bezieht sich auf Kochen als Distinktionsmerkmal. In manchem Umfeld ist Kochen absolut angesagt und in einem anderen Umfeld ist es wieder quasi tabu, darüber zu reden.

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Das hat immer aber auch mit sich-leisten-können zu tun. Die Fleischpreise heutzutage sind ja künstlich subventioniert, und es ist zugleich oft gestreckte Minderware, die in den Döner oder Burger kommt. Und sich am Leib absparen ist eben sehr unpopulär. Eine alte Freundin machte mal eine Umschulung und bekam in der Zeit so wenig Geld, dass es für die Tochter ein Jahr lang keinen Imbiss gab. Kein Fischbrötchen, kein Falafel, kein gar nichts, und besprach das mit ihrer Tochter vorher, die dem zustimmte. Wenn ich mir die Jugendlichen in meiner Familie/Bekanntschaft ansehe, wüsste ich wenige, mit denen das noch ginge.
@"Ich denke, dass zuerst die Rezepte »aussterben«, die bei der Zubereitung eine Menge Arbeit machen oder deren Zutaten gerade nicht in Mode sind."---- So ist das mit Döner: Ein Gericht, das im 16. Jahrhundert im Osmanischen Reich ein Festmahl war und in den 1970ern in Westberlin wieder ausgegraben wurde, als türkische Wirte das passende Essen für ihre Imbissrestaurants suchten.

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Also wenn ich das Gerät dafür hätte und wenn ich wirklich gutes Fleisch einkaufen könnte, würde ich auch Döner zubereiten. Aber seit dem Gammelfleischskandal habe ich rigoros gesagt: ich esse kein Fleisch mehr, das ich mir nicht vor dem Zubereiten im Ganzen anschauen kann. Seitdem esse ich wesentlich weniger Fleisch, aber dafür nach meinem Ermessen nur noch das richtige Fleisch.

Wie oben gesagt wurde: in einem bürgerlichen Haushalt musste es früher mehrmals in der Woche Fleisch geben. Das stimmt heute so pauschal nicht mehr. Ich denke, dass in einigen Kreisen ein Umdenken stattgefunden hat (und nein, ich neige nicht dazu, von mir auf andere zu schließen). Die Leute brauchen halt nur gewisse Denkanstöße und für mich war der Gammelfleischskandal eben so ein Anstoß.

Das klassische Fischbrötchen ist wohl bei Deiner alten Freundin nicht deshalb aus dem Angebot gefallen, weil es Fastfood ist, sondern weil es am Imbiss-Stand wesentlich teurer ist als zu Hause. Wenn man die Zutaten selbst einkauft, ist es ein leckeres und günstiges Essen.

In gewisser Weise sind wohl sämtliche Lebensmittelpreise subventioniert. Preissenkungen beim Fleisch im Discount-Laden sind auch ganz eindeutig auf die quasi-industrielle Massenproduktion von Fleisch zurückzuführen.

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