Freitag, 16. Oktober 2009
Lady´s Night
In einer größeren Lounge bei uns in der Nachtbarschaft war mal wieder Lady´s Night. Frauen zahlen dann nur die Hälfte pro Getränk, und das erste ist eh kostenlos. Für die Betreiber ist das immer eine gute Einnahmequelle, da nicht nur viele Frauen kommen, sondern auch viele ledige Männer, die Selbige anbaggern wollen. Daran zeigt sich aber auch, dass die linke Szene, der ich entstamme und immer noch verbunden bin und die Normalo-Welt irgendwie Paralleluniversen sind: Linke Szenekneipen haben auch ihre Lady´s Night, meist sogar regelmäßig an einem bestimmten Wochentag. Männer haben dann Hausverbot.

... comment

 
Die dichotomische Unterscheidung
zwischen linker Szene und Normalo-Welt scheint mir doch etwas zu holzschnittartig geschnitzt. In meinem Teilbereich der Welt außerhalb der linken Szene ist es auch nicht unbedingt normal, zu Ladies Nights in irgendwelchen Kneipen einzufallen in der Hoffnung, beschwipste Damen abschleppen zu können. Da spüre ich - um Dein schönes Wort mal aufzugreifen - eine Äquidistanz zu beiden Formen von Freizeit-Diskriminierung. ;-p

... link  

 
So dichotomisch meine ich das gar nicht
Nur in Spezialfällen wie diesem besonderen Punkt. Was als sexistisch gilt und was nicht hat da tatsächlich partiell Paralleluniversums-Charakter. Mich selbst würde ich dabei keiner beider Welten zuordnen; habe mich selbst oft genug und herzlich über linken Moralismus lustig gemacht, finde die Dumpfheit normalisierter Alltagssexismen aber dennoch panne.

... link  

 
Ja,
ich empfinde da ähnlich. Linker Tugend-Terror mit dem Ziel, aber auch jedes bisschen Polarität aus dem Geschlechterverhältnis rauszunehmen oder etwaige Unterschiede vermittels gender mainstreaming so weit wie möglich zu planieren, stößt mich kaum weniger ab als die Dumpfheit vieler Alltagssexismen mit Seite-3-Girls undundund.

Vor diesem Hintergrund empfinde ich es (mal losgelöst von politischer Theorie und Praxis) als ziemlichen Fortschritt, dass wir heute andere Rollenmodelle leben können. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass mein innerer männlicher Wesenskern überhaupt nicht davon beeinträchtigt ist, dass ich als Halb-Hausmann und Homeofficer nicht der Haupternährer der Familie bin - und ich kriege das von meiner Frau auch nicht als Defizit gespiegelt. Ganz im Kontrast übrigens zu einer Geschichte im Zeit-Magazin neulich, in der solche Konstellationen rauf und runter problematisiert wurden.

... link  

 
Na ja, diese Sex vs. Gender-Debatte habe ich nun auch wieder anders wahrgenommen, und in meinem Wirkungskreis waren die Foucault- und Butlerinspirierten DekonstruktivistInnen gerade nicht die Moralisch Repressiven, sondern eher die flippig Unkonventionellen. Die übertrieben Moralischen vertraten Geschlechtsrollenbegriffe, die fast schon biologistisch waren (Frauen als bessere Menschen, weil Gebären können mit einem "friedfertigeren" Hormonspiegel verbunden sei, Männer als grundsätzlich defizitäre Persönlichkeiten, die eine "Männer-Radikaltherapie" bräuchten usw.).



Jenseits solcher Bizarrheiten finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn Frauen in ihrer Stammkneipe einen Abend unter sich sein können. In den frühen 1990ern hatten die szeneinternen Geschlechterverhältnisse aber zeitweise den Charakter einer zwanghaften Trennung angenommen (gemischte WGs wurden schon schief angesehen, und wer in die gemischte Sauna ging auch). Weiß nicht, ob es das heute noch gibt.

... link  

 
Das waren die Bizarrheiten
"Indem Du Lippenstift benutzt, verrätst Du die proletarische Solidarität gegenüber Deinen Genossinnen."

"Wir sollten die Walpurgis-Demo ohne die Schwanzlutscherinnen planen und die vor vollendete Tatsachen stellen, sonst verwässern die wieder alles".

Bei einer Hausbesetzung: "Das hier ist der Frauenflügel, da kommen keine Männer rein. Auch keine männlichen Köter!"

Original so erlebt in den frühen Neunzigern.Und selber mal rausgeschmissen worden, als ich irgendwann ausfallend wurde und ziemlich laut sagte, dass die halbe Szene zu richtigem Sex doch gar nicht mehr in der Lage sei.

... link  

 
O je.
Da weiß ich echt nicht, was ich schlimmer finden soll: diese linkspuritanischen Kasteiungs-Exzesse oder den Alltags-Sexismus im Normalo-Lager.

... link  

 
Das sind aber Sachen, die selbst ich nur vom Hörensagen mitbekommen habe, abgesehen davon, dass ich für den Machismo des Benutzens von Rasierwasser kritisiert wurde;-)


Im unmittelbaren persönlichen Umfeld hatten wir mit solchen Spackereien kaum zu tun. Getragen wurde der Murks auch nur von einem ganz bestimmten Teil der Szene, sozial weit überwiegend Kinder aus Moralverbreitungshaushalten, d.h. mit Lehrern, Pastoren, Profs, Erziehern als Eltern. Und gerade die proletarisch sozialisierten Leute waren meist völlig frei von dem Blödsinn und im Sinne der PC-Fraktion unmoralisch.

... link  

 
Das war auch für mich nur eine kurze Phase, in der ich dachte "die spinnen alle komplett". Die kognitiven Dissonanzen nach Tod von Conny, Wiedervereinigung, rassistischen Pogromen und Vergewaltigungen in der Szene spielten da sicher auch eine wichtige Rolle. Ich habe nur manchmal das Gefühl, jüngere Linke wollen die Sachen von damals unbedingt repetieren, obwohl sie nicht einmal mehr den Entstehungszusammenhang kennen. Aber das ist auch schon wieder ein Blick von außen, ich kenne diese Szene nicht mehr.

... link  


... comment