Donnerstag, 23. Februar 2006
Der Volksmeinung aufs Maul
Gerade wieder eine dieser Debatten geführt, die in die Richtung "Unser täglich Rassismus gib uns heute" gehören. Der ***** meinte, "die Islame sind meine Freunde nicht". "Muslime, es muss Muslime heißen, der Islam ist der Name der Religion." "Egal, wenn die meinen, wir ließen alles mit uns machen, dann haben sie sich geirrt. Ich kenne ja die ganzen Verbrechen des Kolonialismus, aber das ist kein Grund für deren Mordbrennertum. Wenn ich sehe wie die da rumhucken, immer nur Demos machen und nicht arbeiten, kein Wunder, dasss sie zu nichts kommen, aber dann uns die Schuld geben..." Ich distanzierte mich von dem "Wir", weil ich mit Bundesrepublik Deutschland oder der Westen oder die NATO durchaus nicht mich gemeint sehe und wies darauf hin, dass die islamische Welt an sich gar nicht Part des aktuellen Karikaturen-Konflikts ist.

Das sowohl flächenmäßig als auch von der Einwohnerzahl her größte islamische Land ist die Republik Indonesien. Dort gibt es zwar auch Terroristen, die mit der Jamma Islamiya ihre eigene Organisation haben, aber die überwiegende Mehrheit der indonesischen Muslime steht fundamentalistischem Gedankengut fern und lebt auch einen wenig strengen Islam, z.B. tragen Frauen das Kopftuch fast nur zum Gottesdienst. Den indonesischen Muslimen sind Israel und der ganze Nahostkonflikt dermaßen was von schnurzegal, und wenn es religiöse Spannungen gibt, dann mit Hindus, nicht mit indonesischen Juden. So, und wenn wir die Muslime in Indonesien, Malaysia, Bangla Desh, China (Sinkiang-Uighur ist mehrheitlich muslimisch) und Sibirien zusammenrechnen, dann kommt da locker die Häfte der muslimischen Weltbevölkerung raus, und das sind fast alles Leute, die sich für Israel und den Nahostkonflikt nicht interessieren. Der engste militärische Verbündete Israels aber ist die Türkei, in der eine islamistische Partei an der Regierung ist. Also: Die Muslime, die Israel vernichten wollen, sind aus bestimmten politischen Motiven heraus aufgehetzte Leute vor allem in arabischen Ländern und dem Iran (wo mir noch zweifelhaft erscheint, dass Ahmadinejads Vernichtungsdrohungen eine Massenbasis haben, der Durchschnittsperser ist von dem ganzen Regime ziemlich abgenervt), aber nicht "Die Muslime" oder "Der Islam".

Der ***** hörte sich das an und meinte dann, na gut, dann müsse man die Araber und Iraner sagen. Ich meinte, nein, auch die nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur ganz bestimmte Leute. Ja, ob ich denn den Terror im Irak rechtfertigen wolle "Natürlich nicht", erwiderte ich "der richtet sich doert ja gegen die eigene Bevölkerung. Eine Massenbasis unter den normalen Irakern hat dieser Terror nicht." "Einmal möchte ich eine Demonstration gegen die Gewalt im Irak sehen," versetzte der *****. "Die gibt es regelmäßig, nur kriegen wir davon nichts mit", erwiderte ich. "Ich habe im Fernsehen noch keine gesehen." "Es wird ja auch nur das gezeigt, was spektakulär ist, auch Nachrichtenbilder sind inszenierte Bilder." "Jaja, du beschönigst alles und erklärst diese Leute da auch noch zu unbefleckten Unschuldsengeln, du bist ja sowieso immer nur auf deren Seite, mit dir kann man darüber überhaupt nicht reden, also rede ich mit dir nicht mehr darüber."

Dann mischte sich auch noch die **** in das Gespräch ein und erklärte, ihre Freundin ****** sei krank und deshalb zum Arzt gegangen, aber das ganze Wartezimmer sei voll von Türken gewesen, da hatte sie es sich nicht angetan, sich dazwischen zu setzen, die stinken ja auch alle so, und sei wieder gegangen.

Ja Klasse. Ich kann mich an ein Schulbuch aus dem Dritten Reich erinnern, wo geschildert wird, wie schrecklich es sei, im Schwimmbad plötzlich von lauter Juden umgeben zu sein.

So weit sind wir schon wieder: Während kurdische Freunde ihre eigene Lage mit der verfolgter Juden vergleichen, und es sind genug Parallelen da, produziert der deutsche Volksmund bereits wieder die klassischen Stereotypen des Antisemitismus, nur mit neuen Objekten der Abneigung. Bravo, Deutschland!

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das hat was mit Gruppenverhalten zu tun. Es ist immer eine Gruppe von Menschen an der eigenen Misere schuld.
Voriges Jahr in Bayern, Hotel, wollte ein paar Tage Berge steigen, Hotel geschlossen, Putzfrau macht auf, kein Deutsch, freundlich und nett. Besitzer strammer Bayer, an allem sind die aus dem Osten und ganz aus dem Westen schuld, die sorgen dafür dass die Deutschen ihr Urlaubsgeld ins billige Ausland bringen, und in Deutschland will niemand mehr Urlaub machen. das sind klare Feindbilder, die haben die da unten im Kopf und da stehen die zu.
Dann hab ich mir die Fronleichnams-Prozession angeschaut, Seeprozession, als ich den katholischen Frauenverband gesehen habe, dachte ich dreh durch, und viorne weg, unsere "liebe Bundeswehr", da es eine Seeprozession war, irgendein Kapitän. Das hat dann nicht mehr mit Tradition oder Brauchtum zu tun, das ist pitch-black. Ich meine diese herabwürdigenden Äußerungen über Ausländer, sind normal geworden. ich erschrecke dann, weil man in den Städten es nicht so offen sieht.

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Völlig entsetzt war ich, als ein Bergfreund, Österreicher, der in der Schweiz arbeitet, mir auf einer Tour erzählte, die Schweiz schiebe in der Schweiz straffällig gewordene Türken in die Türkei ab, damit die dort in türkischen Gefängnissen bestraft würden, um den besonderen Härten des türkischen Strafvollzugs ausgesetzt zu sein, die es in der Schweiz nicht gibt. Es existiere sogar ein Abkommen dafür.

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