Donnerstag, 23. Februar 2006
Wer foltert eigentlich alles mit?
Gutachten belegt: Erfolterte Geständnisse werden in der Türkei weiterhin als Beweis zugelassen

Berlin, 23.02.2006 – Um die Rechtsstaatlichkeit von politischen Verfahren in der Türkei steht es auch nach den Reformen der letzten Jahre schlecht. Unter Folter erpresste Geständnisse werden weiterhin vor türkischen Gerichten als Beweis zugelassen und tragen entscheidend zur Urteilsfindung bei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die amnesty international, die Stiftung Pro Asyl und die Holtfort-Stiftung in Auftrag gegeben haben.

Damit widersprechen die Organisationen der bei deutschen Behörden und Gerichten vorherrschenden Meinung. Das Auswärtige Amt und deutsche Verwaltungsgerichte bescheinigen der Türkei umfassende rechtsstaatliche Reformen. Dies führt dazu, dass gefährdete Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland keinen Schutz erhalten: Einige verlieren ihre Anerkennung als Asylberechtigte, andere werden in Strafverfahren an die Türkei ausgeliefert, wo ihnen ein unfaires Strafverfahren droht.

In den untersuchten Fällen haben weder die Staatsanwaltschaft noch die Richter den Vorwurf der Folter angezeigt, obwohl sie dazu als Staatsbeamte verpflichtet gewesen wären. Gerichte nehmen in der Regel Foltervorwürfe nicht ernst, sondern werten sie als den Versuch der Angeklagten, ihrer Bestrafung zu entgehen. Die Studie untersucht insgesamt 18 Fälle. Darunter ist auch der Fall des aus Deutschland abgeschobenen Metin Kaplan. Auch bei ihm wurden erfolterte Beweise im Verfahren verwendet, das mit einem Schuldspruch endete.

Nach türkischem Recht dürfen Aussagen, die unerlaubt herbeigeführt wurden, vor Gericht nicht verwendet werden. Die Türkei ist zudem Vertragsstaat der UN-Antifolterkonvention, die die Verwen=ung erfolterter Aussagen gleichfalls verbietet.

Der Gutachter Helmut Oberdiek hatte Zugang zu Gerichtsakten, führte ausführliche Gespräch mit Rechtsanwälten Betroffener und beobachtete einige Prozesse vor Ort.

... comment