Samstag, 25. Februar 2006
Bahamas: Land unter!
Kürzlich teilten mir Freunde, die einen linken Buchladen betreiben, mit, dass sie die Zeitschrift "Bahamas" aus dem Programm genommen hätten, weil sie kaum noch gelesen würde und ohnehin politisch schon lange höchst bedenklich sei. Hiermit nähert sich eine Entwicklung ihrem Ende, die ihren Ausgangspunkt mal im linken Antisemistismusstreit genommen hatte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bahamas_%28Zeitschrift%29

Dieser wurde seinerzeit mit einer großen deutschen Gründlichkeit und Verbissenheit ausgetragen.

Ich habe meine Meinung dazu ja nun schon deutlich gemacht:
http://che2001.blogger.de/stories/386740/,
und ich bin nicht der Auffasssung, dass sich die für sich genommen entsetzliche Tatsache, dass bei der Flugzeugentführung von Entebbe wie an der Rampe eines KZs jüdische und nichtjüdisch Passagiere selektiert wurden oder dass bei Personen aus der RAF-Gründergeneration ein antifaschistischzer Philosemitismus schnell in eine bedingungslose Zustimmung zum eleminatorischen Antizionismus der damaligen PFLP umschlug es zulassen, linken Antiimperialismus mit Antisemitismus im Allgemeinen in Verbindung zu bringen. Als Vertreter des an sozialen Bewegungen, nicht an Staaten festgemachten Neuen Antiimperialismus und der Verbindung aus Kritischer Theorie und französischem Strukturalismus waren mir all die Debatten, die Staaten, Nationen usw. zum Gegenstand hatten eher schnurz, andererseits konnte ich auch mit der Pervertierung der Kritischen Theorie seitens einiger Hamburger Antideutscher nichts anfangen, die darauf hinauslief, den Deutschen kollektiv einen Nationalcharakter zuzusprechen, der schlechter sei als der aller anderen völker, und daraus Prozionismus als einzige mögliche Praxis der deutschen Linken abzuleiten.

Unsereins stand dem Ostblock ebensofern wie dem westlichen Kapitalismus, daher nahmen wir den Zusammebruch 1989/(90 nicht einmal als Schwächung der Linken wahr. "Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übriggeblieben", diese Position vertrete ich heute noch und sehe die verschärften "Globalisierungsphänomene" eher als das konvulsivische Zucken eines sich einer historischen Krise nähernden Kapitalismus denn als Zeichen seines Sieges.

Aber speziell die dem Kommunistischen Bund (KB, von härteren Autonomen Kotzbrech genannt, nein, liebe Ex-KB-GenossInnen, von mir nicht) nahestehenden Leute hatten hierzu ein anders Verhältnis, der Zusammenruch des Warschauer Vertrages lief für sie vor allem auf eine Stärkung des Deutschtums mit der Gefahr eines Wiedererstarkens des Faschismus hinaus, eine in Mikrophäönomenen (Neonazis, Remilitarisierung der Außenpolitik) zwar richtige, in historischer Perspektive aber doch reichlich hysterische Annahme.


Liebknechts Position "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" wurde so dogmatisch interpretiert, dass Kritik an der US-Außenpolitik nicht mehr möglich erschien.

Und mittlerweile sind die Bahamas im Sumpf der Neocons gelandet. Man kann eben auch so links sein, dass man schon wieder rechts ist.

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Sehr schöner letzter Satz! Du bist offenbar gerade in einer sehr produktiven Phase. Erfreulich.
(Und schon wieder "Santé", schließlich ist es fast 18:00 Uhr)

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Danke, auch so, bei mir allerdings mit Cappuccino (Wein kommt nach dem Kino, Syriana).

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oh, du hast syriana gestern auch gesehen?
wenig ermutigend, wie?

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Aber leider sehr realistisch, befürchte ich.

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Ich will jetzt nicht die Debatte wieder aufwärmen, aber es ist an sich ja nichts Neues, dass einige Linke so weit links sind, dass sie die Rechten schon wieder überholen.
Der Ton von Bahamas ist immer schärfer (aber nicht besser) geworden. Und was die am Ende geboten haben: Unter aller Sau.

Antisemitismus hingegen gibt es (leider) bei allen. Auch bei der Linken.

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Selbstverständlich. Ich habe mich nur dagegen gewehrt, von "dem" linken Antisemitismus als Solchem zu sprechen, Antisemitismus-Vorwürfe als Mittel zum Festklopfen von Hierarchien oder Moralisieren/Emotionalisieren von Debatten zu verwenden oder Kritik an brstimmten Verhaltensweisen bestimmter israelischer Regierungen in einen pauschalen Antisemitismus-Vorwurf umzuwandeln. Hierfür war Bahamas ein Paradebeispiel.

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Syriana
Leider funktioniert der "E-Mail Me" Knopf links nicht (mehr?), daher habe ich einfach "Syriana" in die Suchmaschine eingegeben und hier bin ich schließlich gelandet.
Ich habe den Film jetzt schon zwei Mal gesehen und finde ihn sehr gelungen, gerade weil mich das Thema sehr interessiert. Habe gedacht, dass wenn einer dazu (grundlegende, weiterführende) Literatur empfehlen kann, das bestimmt Du das bist, che!? Natürlich unter der Prämisse, dass das Themengebiet mindestens so verschachtelt und unübersichtlich ist wie der Film, aber zumindest ein paar Bücher (ob englischer oder deutscher Sprache ist egal) zum Anfang.

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Damn - nicht, dass zu viele Comments diesen wieder überdecken ;-)

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Der Emailbutton soll überhaupt nicht funktionieren, sondern ist Bestandteil des von mir nicht veränderbaren Grunddesigns meines Blogs. Klar kenne ich gute Literatur zu dem Thema.


Also, Kladde gezückt:


Detlef Hartmann/Dirk Vogelskamp: Irak. Schwelle zum sozialen Weltkrieg (die dort vorgenommenen Prognosen für eine Nachkriegsordnung im Irak sind zum großen Teil nicht eingetroffen, stattdessen wurde es noch viel schlimmer. Trotzdem ein hervorragendes Buch, wenn es darum geht, zu sehen, wie US-Strategen ticken und welche sozial disziplinierende Funktion das Baath-Regime als Modernisierungsdiktatur hatte).

Gazi Caglar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt

Gazi Caglar, Hakan Bates Akar: Die USA im Nahen Osten. Geschichte und Gegenwart einer imperialistischen Beziehung

Oliver Tolmein: Vom deutschen Herbst zum 11.September

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Besten Dank! Gibt es auch Empfehlungen, die sich mit einem früheren Zeitraum (in dem Gebiet Irak/Iran/middle east) auseinandersetzen?

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Der Iran (Autonomie Neue Folge Nr. 1, katastrophale Fehleinschätzung zur weiteren Entwicklung der iranischen Revolution, insofern aber interessant, weil deutlich wird, dass dies eine soziale Revolution war, ehe die Ayatollahs dem Volk die Macht wieder abnahmen).

Revolution am Golf (Autonomie Neue Folge Nr.2)


Gazi Caglar: Staat und Zivilgesellschaft in der Türkei und im Osmanischen Reich

Abdol Hossein Behrawan: Iran - Die programmierte Katastrophe

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Danke! Ich möchte hier noch eine Neuerscheinung nennen (hätte, falls das funktionieren würde, eine email geschrieben): Michael B. Oren - Power, Faith and Fantasy (America in the Middle East:1776 to the Present)

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