Samstag, 25. Februar 2006
Wege zur Knechtschaft oder Friedmans Blutspur
Der eigentliche Einfluß von Hayeks Lehre zeigt sich erst bei seinen Schülern bzw. in dritter Generation. Basierend auf Hayeks purifiziertem Wirtschaftsliberalismus, entwickelte Milton Friedman die Grundsätze der sogenannten Angebotsökonomie. Während die von Hayek und Friedman gegründete Mont Pelerin Society eine eher im kleinen Kreis wirkende ideologische Kaderschmiede von Neoliberalen (oder Marktradikalen, was den Begriff eigentlich besser trifft, weil in der Geistesgeschichte des deutschen Liberalismus neoliberal eigentlich sozialliberal meint und "liberals" in den USA Sozialdemokraten sind) ist, war der Einfluß der von Friedman geleiteteten Chikago School of Economy weitaus größer. Was von ihr in den 70er Jahren entwickelt wurde, hat mein alter Mitstreiter Detlef Hartmann einmal sehr polemisch und reichlich martialisch, in den politisch-historischen Schlussfolgerungen aber nicht ohne Scharfsinn als "Völkermord gegen soziale Revolution" bezeichnet.
(vgl. Hartmann, Detlef, Völkermord gegen soziale Revolution. Das Wirtschaftssystem von Bretton Woods als Vollstrecker der nationalsozialistische Neue n Ordnung, in: Klassengeschichte=soziale Revolution?, Autonomie Neue Folge Nr.14)

Konkret ging es hierbei um Folgendes:
Die Geldpolitik der USA und wenn man das so sagen kann "des Westens" in den keynesianisch geprägten Nachkriegsjahrzehnten war expansiv ausgelegt und trachtete in Tradition des Marshallplans vor alle danach, industrielle Entwicklung und Wachstum zu fördern. Die sich emanzipierenden jungen Nationalstaaten der "Dritten Welt" wurden mit Entwicklungskrediten unterstützt. Dieses Modell war nur vor der Systemkonkurrenz mit dem kommunistischen Lager denkbar, es ging dabei um die gegenseitige Umwerbung von Entwicklungsregimen (am Klügsten machte das Maltas Dom Mintoff, der abwechselnd proamerikanisch, prosowjetisch, prochinesisch und prolibysch war, je nachdem, von wem er gerade eine neue Werft oder Raffinerie brauchte). Dieses Modell geriet anfang der 70er in die Krise, diese war vor allem eine Krise des US-Imperialismus.

Einerseits hatten sich mittlerweile alle westlichen Nationen mit der Verschuldung zur Entwicklung ihrer eigenen Wirtschaft und mit der Gewährleistung sozialer Leistungen überhoben. Im Vordergrund stand damals aber vor allem die Tatsache, dass die USA in Vietnam und phasenweise auch in Kampuchea und Laos einen Krieg führten, den sie nicht gewinnen konnten und der nicht länger bezahlbar war. Bis dahin war die gesamte fluktuierende Menge an US-Dollar durch einen Goldschatz in Fort Knox gedeckt; nun begann man, zur Finanzierung der Kriegskosten die Notenpresse anzuwerfen und ungedecktes Geld zu drucken, parallel den National Treasure Stück für Stück zu verscherbeln, um an Auslandsdevisen zu kommen. Je mehr sich die Niederlage in Vietnam abzeichnete, desto mehr trudelte der Kurs des Dollars ins Bodenlose. Dies führte nicht nur zur Inflation in den USA, sondern auch zu einer Weltwährungskrise, denn im Bretton-Woods-System waren alle frei konvertiblen Währungen fest miteinander verrechnet, der Dollar stellte aber die Leitwährung dar. Wäre man nach dem Prinzip einer keynesianisch regulierten Marktwirtschaft mit gleichen und freien Partnern verfahren, so hätte man die Leitwährung Dollar sinnvoller Weise durch eine härtere Währung ablösen müssen. Gelöst wurde das Problem stattdessen auf eine sowohl marktradikale als auch imperialistische Weise.

Zauberworte waren Monetarismus und Deregulierung. Nicht steigender Lebensstandard in den Industrieländern und eine hohe Binnenachfrage, wie sie bisher erwünscht waren, sondern Freigabe der Währungen, die wie Aktien an der Börse gehandelt werden können, sowie möglichst starke und stabile Währungen sollten nun im Mittelpunkt stehen, diese waren aber nur gewährleistet, wenn Staatsausgaben gesenkt wurden. In Zeiten des Kalten Krieges mit garantiert hohen Rüstungsausgaben waren dies zwangsläufig soziale Leistungen und Bildungsausgaben. Hier sehen wir, wie Probleme teilweise erst durch ihre vorgeblichen Lösungen entstehen. Die USA hatten ein Problem mit ihrer Währung aufgrund eines nicht mehr gewinnbaren oder finanzierbaren Krieges. Da die USA nicht irgendein Staat sind, sondern die imperiale Führungsmacht des Westens, wurde dieses Problem auf die ganze westliche Welt einschließlich der von westlichen Krediten abhängigen Entwicklungsländer abgewälzt. NIcht nur den westlichen Industrienationen - ursprünglich nur den USA - empfahlen die Hayekianer um Friedman das Konzept des Gesundsparens und Sozialabbaus (der sich mit ihren ideologischen Vorstellungen eins puren Manchesterkapitalismus deckte, der übrigens nicht mit politisch liberalen Vorstellungen verknüpft war), sondern auch Weltbank und Internationalem Währungsfond. Mitte der 70er befand sich der US-Imperialismus eindeutig in der Defensive: Vietnam-Krieg endgültig verloren, Nixons Gegenrevolution gescheitert, Black Power immer noch die Systemopposition im eigenen Land, die Unruhen in Nordirland ließen eine soziale Revolution an der Peripherie Nordwesteuropas möglich erscheinen, und mit dem Jom-Kippur-Krieg schuf Ägypten nicht nur für sich mit Israel eine Verhandlungsposition auf Augenhöhe, sondern gab der OPEC den Startschuss für eine weltweite beträchtliche Ölpreiseerhöhung. Entwicklungspolitik und soziale Leistungen auf Pump schienen ebenso am Ende, wie die Vorherrschaft des US-geführten Westens an der Bruchkante erschien, ohne dass ein neues Weltsystem sichtbar war. In dieser Situation begannen verschiedene Regierungen, u.a. Reagan in den USA, Thatcher in Großbritannien, die Pinochet-Diktatur in Chile und die Junta der Generäle in der Türkei in unterschiedlicher Weise die Friedman-Konzepte zu adaptieren und umzusetzen. Als Vorgabe für IWF und Weltbank bedeutete dies ein Knapperwerden von Entwicklungskrediten, die strukturelle Unlösbarkeit der Schuldenkrise der armen Länder und die IWF-Auflage an diese Länder, die staatliche Subventionierung des Brotpreises aufzuheben, was faktisch oftmals darauf hinauslief, Bevölkerungteile dem Hungertod zu überanworten. So bezeichnete man die Brotpreisrevolten in Mexiko, Ägypten, Marokko, Algerien und Tunesien in den 80er Jahre, die meist blutig niedergeschlagen wurden, als IWF-Riots. Tatsächlich sagte einer der höchsten Vertreter der Weltbank mir gegenüber im persönlichen Gespräch: "Wir wollen diese Länder destabilisieren. Sie haben keine marktwirtschaftliche Ordnung, deshalb sind uns Aufstände dort willkommen, um die staatlich gelenkten Wirtschaftssysteme zu schwächen."

Die betriebene Entwicklungspolitik ist also eine durch und durch ideologische Veranstaltung, der es um die Durchsetzung der Hayek/Friedmanschen Ideen des gewünschten Wirtschaftssystems geht, auch wenn es dabei ziemlich viele Tote gibt.

Eine, wenn auch über diverse Eskalationphasen hochgeschaukelte Folge der Auflagen des größten jemals vergebenen IWF/Weltbankkredites war der jugoslawische Bürgerkrieg.

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hast du 'nen link zu dem hartmann artikel?
"Vollstrecker der nationalsozialistische Neue n Ordnung" ist ein titel ganz nach meinem geschmack ;-)

das hier haste sicher mitbekommen:

http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2005/12/marktliberaler-netzwerker-ins-bundesprasidialamt/

Ein Zitat aus der Website der Friedrich August von Hayek-Stiftung mag verdeutlichen, wofür diese steht:
„Und der vorherrschende Glaube an ‘soziale Gerechtigkeit’ ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung der meisten anderen Werte einer freien Zivilisation.“

hier geklaut:

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&parent=5&idcat=44&idart=1289

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Das ist wirklich heftig. Die Hayekianer wollen es wissen. Nein, das Buch wurde noch mit einem Composer geschrieben (Kugelkopfschreibmaschine mit aufsteckbarem Monitor) und zuletzt 1986 aufgelegt. Müsste aber antiquarisch zu bekommen sein. Interessant in diesem Zusammenhang dürdfte das hier sein, zumindest sind das Leute mit dem gleichen Theoriehintergrund:

http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/Atzert.htm

Ferner:

http://www.booklooker.de/app/detail.php?id=113238040&setMediaType=0&pid=8

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Schade wenn solche artikel in der versenkung verschwinden. Dennoch dank fuer die links.

Der artikel von atzert ist wohl ein gutes beispiel fuer das was der "metablogger" neulich mit 'eigenem saft' meinte. Wollten wir den artikel hier jetzt diskutieren, muessten wir erstmal ne runde begriffsdefinition spielen.
Mal abgesehen davon dass ich die Dienstleistungs- und Wissensgesellschafft fuer eine erfindung aus den propagandastuben des kapitals halte, aendert sich durch diese transformation aus meiner sicht nicht das geringste am system der ausbeutung. Ausser das die Ausbeutung sich weiter forciert.

So hat der weg in die dienstleistungsgesellschaft eine massive ruecknahme von dienstleistungen gebracht (bsp gepaeckaufgabe bei der bahn), und die wissensgesellschaft glaenzt in erster linie durch patente und dergleichen, welche den freien austausch von wissen massiv erschweren bzw verunmoeglichen sollen.

LOL ... wenn ich nicht so grotten lahm mit tippen waer koennt ich glatt so weiter machen. Und dann waer ich noch immer nicht bei Atzerts fehlerhafter grammatik. Falls es "der" linken jemals gelingen sollte sich in normaldeutsch zu artikulieren, eruebrigt sich die diskussion um kuenftige zielgruppen fuer die man den klassenkampf fuehrt moeglicherweise von selbst ...


Wenn ich ehrlich sein soll macht mir der gedanke an zwei, drei dutzend strategisch optimal positionierter hayekianer empfindlich mehr angst als alle 1,5 milliarden moslems zusammen.

Nochmal thanx

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