Sonntag, 10. Dezember 2006
Jubiläumsausgabe von Schrott
So sehr ich Don und den zentralen Kreis der DauerkommentatorInnen bei Rebellmarkt schätze, die dortige Begeisterung für "Tempo", von dem jetzt eine post-mortem-Jubiläumsedition erschienen ist, begreife ich nicht. Eine Zeitschrift, die weder innovativ war (Wiener, der Berliner Tip und die Göttinger Magazine Charakter und Hiero Itzo brachten den typischen Stil und die Hochglanzaufmachung schon Jahre vorher) noch eigentlich inhaltlich etwas zu bieten hatte. OK, eine paar spannende Einzelbeiträge (das Kühnen-Interview, der Beitrag "Systeme der Kraft" - Yoga, Tai Chi, Karate, TM im Leistungsvergleich, "Sex als Therapie"), aber im Großen und Ganzen war das doch ein Mode- und Musikmagazin für Popper bzw. Yuppies. Also überflüssig bis bekämpfenswert.

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Also wenn ich Spexleser einem damals/heutevergleich unterziehe waere Bekampf an der Front wesentlich angebrachter gewesen.

Aber als eingefleischtem iD und Faceleser konnte man mir damals mit solchen Provinzpostillen eh nicht kommen ;-)

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Tja, da liegen Welten dazwischen. "Tempo als Offenbarung", tststs. Als offenbarungsähnliche Zeitschriften las ich damals "Autonomie Neue Folge" und "Subversion", ansonsten, als Standardblätter, "konkret", "Titanic" und "radikal".

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iD und Face, hach ja, damit glaubten bestimmte Leute in meinem Umfeld damals ganz weit vorne mit dabei zu sein. Mich hat diese ewige insulanische Nabelschau allerdings recht schnell gelangweilt, was da an Mucke und Mode dauernd als das nächste große Ding gehypt wurde, das war, sagen wir es mal so: nicht für mich gemacht.

Tempo als Offenbarung zu bezeichnen, so weit wäre ich auch nicht gegangen, aber zumindest die ersten zwei drei Jahre fand ich da immer mal wieder interessanten Lesestoff. Das Heft als Yuppie- oder Popperpostille abzuqualifizieren, tja, das wird der Sache nicht wirklich gerecht, aber von einem politisch extremeren Standpunkt aus betrachtet mags wohl so ausgesehen haben.

Ich hingegen fand an Tempo eigentlich recht erfrischend, dass es im Vergleich zu vielen anderen Printprodukten jener Ära einigermaßen ideologiearm daher kam und nicht immer schon vorhersehbar war, welches Thema man mit welchem Spin abhandeln würde.

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als "ideologiearm" kann man vollkommene geistfreiheit, die nur noch auf materielle bedürfnisbefriedigung zielte, natürlich auch bezeichnen... nix für ungut.

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Ich schrieb "ideologiearm daherkam" und nicht "ideologiearm war". Diesen kleinen, feinen Unterschied habe ich sehr bewusst gemacht.

Und wo haben Sie damals Geist getankt? In der "Komsomolskaja Prawda"?

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mark,
im pollonium wo sonst

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nee direkt in moskau
auf kaderschulungen :)

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artur da musst du dem zitterwolf begegnet sein
nur jezze wird das arme schwein ja von die gazprom gejacht

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kann nicht sein
ich steh auf der lohnliste von gazprom, putin und schröder, den schlimmsten kommunisten seit stalin.

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Mark, was den politisch extremeren Standpunkt angeht: Die Bezeichnung "Konsumwichsblatt für Yuppies" stammte von einem damaligen WG-Mitbewohner, der im Gegensatz zu mir keine extreme politische Position einnahm, sondern rot-grüner Mainstream war.

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Davon wird das Urteil
nicht unbedingt richtiger. Man kann Tempo viel vorwerfen, Flachheit, Unernsthaftigkeit, eine gewisse Beliebigkeit, was auch immer. Aber dass da platte Konsumverherrlichung stattgefunden hätte oder Yuppie-Lifestyle als the only way to be proklamiert worden wäre, das stimmt so einfach nicht.

(Überhaupt der Yuppie-Vorwurf: Den durfte ich mir damals von meinen Politikwissenschaft-Komilitonen auch anhören, weil ich deren Schlabberlook-Uniform für mich ablehnte und Wert auf gepflegtes Schuhwerk legte. Ts.)

Der Verdienst von Tempo lag damals nicht zuletzt darin, solche schwachsinnigen Schubladen nicht über Gebühr zu strapazieren, sondern eher zu ironisieren. Das entsprechend dechiffrieren zu können, war damals freilich nicht jedem gegeben. Und das meine ich gar nicht mal als Vorwurf.

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Nun ja, das ist wohl einfach eine Frage des Umfelds.

Die begeisterten Tempo-Leser, die ich damals kannte, waren BMW-fahrende Börsenspekulanten (ja, auch die gab es zu meinen wildesten autonomen Zeiten in meinem Umfeld), ansonsten war der ganze Aufwasch Tempo, Wiener, Prinz und Max damals das, was die föhngestylten Zahnis und BWLer so in der Cafete lasen.

Da, wo ich studiert habe, war Outdoorkleidung, bevorzugt Fjell Räven, die Kleidung der unpolitischen Normalstudis, die Linken trugen weniger Schlabberlook-Uniform als schwarze Motorradlederkleidung, und ich selbst machte mich durchaus dann und wann über diese klischeemäßigen Uniformierungen lustig. In kleiner Gruppe kamen wir mal in Smoking, Frack und Zylinder zu einem Autonomenplenum. Was Du über den "Verdienst von Tempo" schreibst, kann ich insofern nicht beurteilen, als ich die Zeitschrift aus naheliegenden Gründen kaum gelesen habe.

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Offensichtlich;-)
"Max" kam übrigens einige Jährchen später, und das war nun wirklich ein "Konsumwichsblatt" par excellence. Gemessen an dieser unreflektierten Affirmationskacke auf Hochglanz waren Tempo und Wiener ja nachgerade subversiv.

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Wiener war tatsächlich einmal subversiv (Kampagne ja zu nein), insbesondere die Ausgabe, in der dargestellt wurde, wie durch Fällen bestimmter Strommasten deutsche AKWs lahmgelegt werden könnten (mit Trassenplan) wurde von Autonomskis durchaus mit großen Interesse gelesen ;-)


Aber Hochglanz, das ziemte sich für anständige Linke einfach nicht, und die Frontstellung des Wiener gegen Feministinnen ließ diesen als besonders unPC erscheinen.

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nee, das Blatt kam nie in die Tüte.

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ich wollte nur mal kurz
daran erinnern, daß Tempo an und wann geile scoops gelandet hat, auch wenn ich natürlich Che's Einschätzung hier absolut folgen würde. Bourgeoiser crap. Der »mark« hat aber schon ein paar wichtige Aspekte dagegen hervorgehoben, ich will das gar nicht leugnen. Aufschluß liefert wohl nur die Zwangslektüre aller erschienenen Hefte inklusiver objektiv-hermeneutischer Interpretation Oevermannscher Provenienz ...

http://www.the-mule.myhomeland.de/2006/12/nida-rmelin-ein-nazi.html#links

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