Ich sehe die Fehler der ehemaligen Regierung auch, aber zu all den aufgezählten Delikten vor dem Meineid kommt maximal Beihilfe in Frage. Und ein Amtseid kann schon per Definition kein Meineid sein: zu subjektiv ist der Begriff des »Schadens«, den es da abzuwenden gilt. Der Amtseid ist eine schöne Zeremonie, aber viel mehr ist er wohl nicht.

Im lawblog gab es eine sehr interessante Diskussion über den Fall. Es wurde auch damit argumentiert, dass K. nach der damaligen Nachrichtenlage ein Terror-Sympathisant gewesen sein soll. In dieser Logik hätten Steinmeier & Co. ja versucht, Schaden von Deutschland abzuwenden.

Nachdem K. aber auch nach Jahren überhaupt nichts nachgewiesen werden konnte [weder Terror noch Anstiftung oder terrorunterstützende Ideologie], müssten ihm nach rechtsstaatlichen Prinzipien nun eigentlich Entschädigung und Schmerzensgeld zustehen. Das Geld müsste aber meiner Meinung nach zum größten Teil von den Amerikanern gezahlt werden.

Steinmeier & Co. wollten Kurnaz noch aus Deutschland raushalten, als für die Amerikaner längst klar war, dass Kurnaz kein Terror-Sympathisant war. Da wird dann schon fraglich, welcher Schaden von Deutschland abgewendet werden sollte.

Kurnaz ist übrigens (laut Wikipedia) türkischer Staatsbürger. Das macht die Sache nicht besser, ist für Zyniker aber vielleicht eine Erklärung warum der Skandal kein Skandal ist.

Ja, er ist türkischer Staatsbürger. In Udo Vetters Lawblog wird erklärt, warum K. aber trotzdem ein Recht hatte, nach Deutschland zurückzukommen. Ich erlaube mir mal, die Diskussion zu verlinken. Ich habe dort übrigens schon am Freitag in den Kommentaren für eine Entschädigung plädiert.

*gähn*

Tatsache ist (vielleicht sollte Stefanolix einfach mal den Artikel und die dort verlinkten Dokumente lesen), dass die sogenannten Ermittlungsbehörden beiderseits des Teichs sich im Klaren darüber waren, dass es sich bei Herrn Kurnaz um einen harmlosen Urlauber handelte, der von pakistanischen Kopfgeldjägern* auf seinem Heimweg quasi aus dem Flughafen rausgefischt wurde..

"nach der damaligen Nachrichtenlage"...

Hä??? Stefanolix, was ist denn das für ne schrottige Argumentation? Also, nach einer selbstfabrizierten (!) Nachrichtenlage, mit der die "Antiterrorkämpfer" die Öffentlichkeit an der Nase herumführten! Aber den Behörden (inklusive den amerikanischen Behörden, die den unschuldigen Mann einfach mal ein paar Jahre lang weiterfolterten) war klar (!), dass Kurnaz weder ein Terrorist, noch ein Islamist, noch ein nach US-Recht vogelfreier "ungesetzlicher Kämpfer" war.

Ganz vorn dabei beim Belügen der Öffentlichkeit:

Die "prowestlichen" Johurnalisten in BILD/SPIEGEL/FAZ/WELT usw. usf. Sie haben Herrn Kurnaz "Bremer Taliban" genannt, solange unklar war, was ihm überhaupt vorgeworfen werden kann.

Steinmeier muss als damals direkt Verantwortlicher und sogar Federführender zurücktreten. Er und seine Behörde wussten Bescheid.

So einfach ist das.

Steinmeier hat ein instrumentelles Verhältnis zu Wahrheit, Recht und Grundgesetz, diese Dr@@kssää@@~@2.0! [Schimpfwort aus rechtlichen Gründen unkenntlich gemacht]

Fischer/Schröder und andere beteiligte Repräsentanten der damaligen Regierung müssen sich entschuldigen.

* Und für "prokapitalistisch"-verblödete Politblogger habe ich ein faszinierendes Rätsel: Wäre es ggf. denkbar, dass das irre Kopfgeld-System der amerikanischen "Terrorbekämpfer" dazu geführt hat, dass Unschuldige wie Kurnaz dem Nachfrager zugeführt wurden. Falls ja: Was sagt das über den Wert und Unwert massiver finanzieller Anreize (also: Kopfgelder) im Bereich der Terrorbekämpfung? Na?

P.S.
Leute, die aufgrund ihrer Ideologie einen taktischen Umgang mit Menschenrechten und menschlichen Freiheitsrechten pflegen (sofern diese nicht eindeutig "prokapitalistisch" sind), werden womöglich nicht einmal ansatzweise* begreifen, was an der ganzen Sache skandalös war und ist...

Nebenbei: Ich erinnere mich übrigens noch gut, welche Blogger nicht die geringste Idee zum Begriff "personale Menschwürde" hatten.

Dazu fält mir ein alter Marius-Titel ein:

Neulich sechs Uhr Früh, da tritt man mir die Tür ein
Ich spring aus dem Bett, da stürmt die Polizei rein
"Los, stell'n Sie sich an die Wand! Man hat Sie erkannt.
Ein Nachbar rief uns an, Sie sind ein Symphatisant!"
Ich sag', das muß ein Irrtum sein, ich bin doch nur ein Bürger
Doch die pflügen mir die Wohnung um als wäre ich ein Würger

In dem großen grünen Wagen darf ich dann mitfahren
Ich frag noch mal: wohin? "Das werden Sie schon noch erfahren."
Im Präsidium dann Verhöre, ich weiß von nichts, ich schwöre
Da brüllt mich einer an, daß ich die Ordnung störe
"Morgen kommt der Anwalt, jetzt bleiben Sie erst mal hier.
Sie kriegen ein schönes Einzelzimmer, Zelle Nummer vier.



Irgendwelche Verrückte entführen in der Nacht dann
Einen Düsenjet und legen sich mit der Regierung an
Mein Anwalt darf nicht kommen, die Sicherheit geht vor
Da lieg' ich nun auf Eis und quatsche meine Wand an

Nach Wochen stellt sich endlich raus, mein Nachbar ist bekannt
Der zeigt fast täglich Leute an, als Pensionär, da wurd' er Denunziant
"Wir tun nur unsere Pflicht!" Das Tor wird aufgeschlossen
Der Schließer sagt noch grinsend: "Grüß' mir die Genossen!"

Eines wird mir klar: wenn irgend jemand schreit
Gesetze müssen her, dem hau' ich auf die Flossen
Ja, eines ist mir sonnenklar: falls wir glauben sollten
Terror kann man durch Terror bremsen, dann sind wir bald wieder soweit

... aber das glaube ich nicht, das die plötzlich ihre Grundsätze über Bord geschmissen haben. Egal ob Blair oder Schröder, ob Schilly oder Fisher. Ich weiss nicht was in denen vorging, ab wann die ihre Partei und ihre Wähler verraten haben. Die sind nicht eines Morgens aufgestanden und gewissenlos gewesen, das muss ein längerer Prozess gewesen sein (oder die waren schon immer so, was ich nicht ganz glaube) Als Alternativ-Theorie bliebe nur noch MKUltra ...

Ich kann jolly rogers nur zustimmen und sagen: Ich *habe* die Konsequenzen aus dem Verhalten von SPD und Grünen gezogen. Soviel ohrfeigen kann ich mich für meine Stimmzettel nicht, sonst krieg ich Ärger mit der Krankenkasse.

Ich beginne jetzt in der Linkspartei mitzumachen, auch wenn ich vor einem Jahr mit denen nix zu tun haben wollte. Evtl. fühle ich mich in ein paar Jahren von denen hintergangen, dann muss ich schauen was ich dann mache.

Aber ich frage mich nachwievor *was* konkret an der Macht korrumpiert (und ob mir das auch passieren könnte, wenn ich in der selben Situation wäre...)