Sonntag, 21. Januar 2007
Warum ist der Skandal um Murat Kurnaz kein Skandal?
Schröder, Fischer, Roth, Schily hängen alle mit drin, zumindest im Sinne der letztendlichen politischen Verantwortlichkeit. Ich meine, das ist schon knattergeil: Da ist der ehemalige linke Anwalt, der Genossen und AKW-Gegner verteidigt, zum Kanzler geworden und leitet eine Arbeitsmarktpolitik ein, die durch Deregulierung und Leistungskürzung bestimmt ist. Da ist der ehemalige Autonome vom "Revolutionären Kampf" (gewissermaßen ein Exgenosse von mir, auch wenn ich eine Generation jünger bin), der das erfolgreich mitmacht und eine Außenpolitik in Genscher-Tradition betreibt. Hinterher wird der Eine Oligarch bei Gazprom und der Andere, ein Ausbildungsabrecher ohne jeden Abschluss, Gastprofessor in den USA. Mittenmang die leicht überkandidelte Theaterwissenschaftsabbrecherin und Menschenrechtsaktivistin, die wirkt wie eine Karikatur des moralischen Sichereiferns der alten Ökopax-Bewegung und der frühere RAF-Verteidiger und Untersuchungsausschussquästor der Flick-Affäre und nunmehrige kantergrauie Abschiebe-und Polizeiminister. Und in der Amtszeit dieser Leute wird ein deutscher Staatsbürger von US-Militär entführt und gefoltert, deutsche Militärs befragen ihn, die Amis wollen ihn deutschen Behörden überstellen, die Deutschen wollen ihn nicht, mit der Folge, dass er sehr lange völlig unschuldig in US-Gewahrsam bleibt.

Wie hätten sich Schröder und Fischer verhalten, wenn das unter Kohl passiert wäre?

Hinsichtlich der Biografien dieser Leute schließe ich mich einem Kommentator bei Dr. Dean an:
Man kann nicht so viel esen, wie man kotzen möchte.


http://dermorgen.blogspot.com/2007/01/die-wahrheit-und-der-bremer-taliban.html#links

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Die Binnenkultur politischer Kleingruppen
Ich hatte es ja bereits angedroht; in Anlehnung an einen der besten Beiträge bei der Frau Modeste kommt hier ein Beitrag zu den soziokulturellen Besonderheiten politischer Sekten: http://che2001.blogger.de/stories/666698/#comments

Beginnen möchte ich mit den Jungdemokraten/Junge Linke.Das sind Linksliberale, die in dem Sinne linksliberal sind, wie Linksliberale das unter der Regierung Brandt/Scheel waren. Sie wurzeln in den Traditionen des deutschen Liberalismus und verbinden dies mit einem radikalen Pazifismus (Abschaffung der Wehrpflicht, strukturelle Nichtangriffsfähigkeit der Bundeswehr, Abschaffung der Luftwaffe) sowie etwas, das man als Übersteigerung liberaler Rechts- und Innenpolitik bezeichnen könnte (weitgehende Entwaffnung der Polizei, Freigabe fast aller Drogen) sowie der Rückkehr zu einem keynesianischen Wohlfahrtsstaat plus paritätischer Mitbestimmung in allen Teilen der Wirtschaft einschließlich des Mittelstands.

Zu einer solchen Agenda gehört der passende Duktus und Lebensstil: Adrett chic, mit Markenhemd, aber ohne Krawatte, die beiden oberen Knöpfe immer offen, Jeans, die aber auch von Armani oder Pierre Cardin sein können, und ein extrem ratio-drahtiges Auftreten, gerne provokativ. "Heroin ist eine lustige Droge" und "Dealer benötigen eine Schusswaffe, weil sie ja in ihrem Job hochgefährdet sind" gehören zum Bleistift in politischen Diskussionsrunden zu den üblichen Positionen. So, wie die Welt, ginge es nach den Kanalarbeitern in der SPD, wie eine Zechensiedlung aussähe, so erinnert die Welt der Judos an eine Menschheit, die eigentlich nur aus Professorenkindern im Oberstufenalter und Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften besteht. Immerhin wird, im Gegentum zu vielen anderen Sekten auf der Linken, gut gegessen und prächtig gefeiert.


Demgegenüber kommt die Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) richtig verbissen daher. Politische Grundsatzforderungen wie 30-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich hören sich zwar erstmal paradiesisch an, aber die Leute selber wirken alle seltsam abgehärmt, kleiden sich schlecht und erinnern ein klein wenig an Grundschullehrer, die zum Karneval als Arbeiter der 1920er Jahre gehen. Spätestens, wenn man mit ihnen diskutiert, merkt man, dass da hinter der bieder-altlinken Fassade noch etwas Anderes steckt, wenn nämlich von dem "großen Klassiker Stalin" und dem "Hochleben der Mao-Tse-Tung-Ideen" die Rede ist. Die Kochkultur ist unauffällig, tendiert aber zur gegrillten Bratwurst im Park mit Pommes rot-weiß.

Die Bürgerbewegung Solidarität (BüSo) hingegen weiß, was wirklich gespielt wird. Das Weltgeschehen ist nämlich eine große Verschwörung, in der sich alles mit jedem verschworen hat. Grob gesagt, ziehen die Gnome von Zürich gemeinsam mit den Bilderbergern an den Strippen des Weltgeschehens, die wiederum durch die Netzwerke der Insider verlaufen, und die BüSo will dem entgegensteuern, indem sie die Neue Seidenstraße baut. Immerhin weiß der Chef vons Janze, Lyndon La Rouche, wie das Verschwören geht, das hat er bei der Heritage-Foundation gelernt. Die Esskultur ist durch Sommertrüffeln und Kaviar geprägt, allerdings nicht beim gemeinen Fußvolk, das überwiegend aus etwas verwirrten Sozialhilfeempfängern besteht.

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