Dienstag, 22. Mai 2007
Französische Verhältnisse in Deutschland organisieren, um amerikanische zu verhindern
Woll!


http://rtfm.blogg.de/eintrag.php?id=221#k6507074

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Das Zitat da ist ja der grösste Schwachsinn den man seit langem gelesen hat, mit Verlaub.

Übersetzt heisst es: die Herrschaft der bürokratischen Eliten und des Kapitals sowie der gut schmierenden Höflinge der bürokratischen Eliten etablieren und den Rest an den Tropf eines sterbenden Sozialsytems hängen um sie ruhig zu stellen.

Kinder, Kinder, Zitatgeber, wie sehr müsst ihr euch nach dem sozialistischen Paradies sehen, dass ihr die Frenchies - gerade die - zum Vorbild nehmt. Und doof genug seid, das noch als eine Form der Negativabgrenzung zu "amerikanischen" Verhältnissen zu nutzen.

Für ganz doll, richtig doll verblödete die Telegrammform:

Amerikanische Verhältnisse : hire and fire. ganz doll schecht.

Französiche Verhältnisse : no hire. Ausser du kommst von einer Elitehochschule. Wie Deine Eltern. Und Dein Onkel. Oder Du hast einen kleinen Adelstitel und das Netzwerk hilft. Ansonsten: va te faire en-cu-ler, mon p'tit. Es heisst nicht umsonst umgangssprachlich "Fac" für eine normale staatliche Hochschule. Ganz doll gut.

Man kann gar nicht genug Luft holen, wie man lachen möchte. Erst Ugolino, dann "französische Verhältnisse". Da sage noch einer das Leben sei zu ernst.

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Mein Gutester, gemeint sind damit nicht die École Normale Superieure, Le Clientelisme etc., sondern die Entschlossenheit und Zivilcourage, mit der in Frankreich üblicherweise von sozialen Streichungen Betroffene für ihre Rechte kämpfen, was diese üblicherweise in Deutschland nicht tun. Oder noch allgemeiner gesagt, ein Antietatismus im Denken der kleinen Leute plus Gewerkschaften, die auch mal politisch motivierte Streiks durchführen und nicht nur den bei uns üblichen Tarifrundenringelpiez.

Wobei ich gerne zugebe, dass sich das bei mir mit einer Frankophilie des Herzens vermischt, die etwas mit Landschaft, Küche und Wein zu tun hat.

Und offen gesagt: Kommentare wie dein Letzterer sind weit unter Deinem Niveau. Alles, was für mich da rüber kommt, ist: Der dumpfe großbürgerliche Spießer sieht seine Vorurteile über Linke bestätigt und sagt das auch so. Da bin ich von Dir Besseres gewohnt.

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Ich muss mich tatsächlich für die Qualität des Kommentars zutiefst entschuldigen, und bitte das einem plötzlichen Aufwallen gerissener Hutschnur zuzuschreiben.

Gleichwohl bitte ich auch, oder gerade, die frankophilen Elemente zu beachten das der Antietatismus, vielmehr die gesunde und offene Verachtung der politischen und der vom Staat getragenen Kaste durch die kleinen Leute aus nichts anderem entspringt als dem berechtigten Misstrauen gegen dieselben. Unter "politische Kaste" sind sowohl die meisten Gewerkschaften als auch Berufspolitiker als auch die Vertreter des Kapitals zu rechnen, die zusammen und kollusiv eine Hofhaltung wie seinerzeit beim Sonnenkönig betreiben. Halt auf dem Rücken der kleinen Leute, die das anders als in D meist ganz ideologiefrei auch so erkennen. Daraus entspringen manchmal auch interessante Handlungsweisen.

Die extrem restrikitiven französichen Pressegesetze schützen den Hof im übrigen vor investigativem Journalismus - was Wunder, sie wurden gemacht nachdem die Frau von Pompidou pressewirksam durch alle Betten ging, aber das ist eine andere Geschichte - wer las es schon damals das Valéry Giscard d'Estaing den Ferrari von Roger Vadim im Vollsuff zu Schrott fuhr - auf dem Place de la Concorde, direkt vor dem Crillion? Über Airbus schreibt dort keiner, Clearstream ist Anathema, ein investigativer Buchautor wird von allen Sbirren des Hofes, angefangen von der Staatsanwaltschaft bis zur Steuerfahndung, gehetzt.

"Französiche Verhältnisse" bei uns wäre analog gelebt wie wenn jeder Taxifahrer, der einen am Reichstag vorbeifährt, das Fenster runterkurbelt, ausspuckt, und wüst auf die "Betrüger, Verschwender und Korrupten da drin" schimpft, ohne Parteien, Personen und vorgeschobene Ideologien zu unterscheiden. Usw durch alle Bevölkerungsschichten, fast überall.

Solche französichen Verhältnisse, ganz abgesehen von Lebensart und Kulinarik, würde ich mir auch hier wünschen. Es wird dringend Zeit dafür. Trotzdem geht die Positvabrenzung zu "amerikanischen Verhältnissen" ins Leere und führt vom Kern der Sache weg.



On a lighter note: Ich darf im übrigen aktuell Parisreisenden das "Le Regalade" immer noch empfehlen wiewohl es leider teurer geworden ist. Auch die "Bonbonniere de Buci" in der Rue de Buci mit ihrem hervorragenden Kleingebäck und den genialen Himbeerschiffchen. Die Bar du Marché gleich daneben übrigens auch. Und gerade im Frühsommer sollte man auf einen Besuch bei Berthillon auf der Ile St. Louis nicht verzichten. Ein Pfund Mangosorbet und zwei Löffel mitnehmen, und sich in die Abendsonne auf die Mauer an der Seine setzen. Hat noch immer gewirkt. Noch besser kann es sein, wenn man sich einen Löffel teilt.

Kein Wunder, das man dort auf gute Gedanken kommt.

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Zur gerissenen Hutschnur: Die reisst mir auch öfter mal. Wenn ich "amerikanische Verhältnisse" kritisiere, meine ich das außerdemingens nicht im Sinne eines billigen neogaullistischen Antiamerikanismus im Sinne von "die Amis haben keine Kultur, die Europäer aber schon", sondern eher als Kritik an der Kombination aus Neoliberalismus und eines in den USA neuen (oder, siehe Mc Carthy, es gab auch einen besseren, leider vergessenen Inhaber dieses Nachnamens, schon mal gehabten) straighten Etatismus, der, Stichwort "Patriot Act", in Deutschland gerade in Verbindung mit sehr deutschen Kontinuitäten kopiert werden soll.

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