Sonntag, 26. August 2012
Vom Überkommenen, alten Gewohnheiten, neuen Zielen und Common sense
Während auf benachbarten Blogs etwas, nun ja, ungewöhnliche und doch altgewohnte Nachbereitungen vergangener Blogschlachten ablaufen bin ich so ein bißchen in mich gegangen und zu meinen eigenen Wurzeln zurück. Sehr hilfreich waren hierbei Gespräche mit Onkel Tuc und Tante Atta zu unseren gemeinsamen Vergangenheiten.

Was jemanden angeht, der mich da mit mittlerweile bereits justiziablen Ausdrücken belegt kann ich im Nachhinein nur "missfit" sagen, wir sind einfach nicht miteinander kompatibel. Wobei jemand, der ständig mit der Megakeule um sich haut gleichzeitig Mimimi macht und Respekt und Empathie für sich einfordert die er anderen nicht entgegenbringt sich so langam auch nicht mehr über fehlendes Verständnis zu wundern braucht. Dass ich mich auf seinem Blog einige Male über Frauenfrust meinerseits ausmährte würde ich als Hilferuf bis Verzweiflungsschrei bei einem vermeintlichen Freund in einer Krise bezeichnen, für ihn ist das natürlich ebenso heteronormatives Dominanzverhalten, wie seinen Ansichten oder Erfahrungen die eigenen gegenüberzustellen in einer Gesprächssituation die ich am Ehesten als Sofaplauderei auf Augenhöhe titulieren würde ("Du erzählst was aus Deiner Jugend, ich daraufhin was aus meiner", "ach, so siehst Du das!") für ihn einen Umerziehungsversuch darstellt.

Die grundsätzlichen Nichtübereinstimmungen sind da auch noch viel grundsätzlicher, und sie haben aus meiner Sicht nur sehr bedingt etwas mit Marginalisierung vs. Mehrheitsgesellschaft zu tun. Fängt ja schon an mit für mich so unverständlichen Debatten wie die um das sich selbst neu erfinden. Das war für mich ein Streit um eine Formulierungsfrage, und Formulierungen sind austauschbar, nimmt man halt eine Andere, Thema durch,weiter im Text! Dazu muss ich sagen, dass ich mit all jenen Leuten, die sich so sehr stark um korrekte Sprache, angemessene Formulierungen usw. bemühen eh wenig am Hut habe. Ich habe auch wenig Sensibilität für Gewalt durch Sprache, weil ich dazu zu viel physische Gewalt erlebt habe. Die Familientradition aus der ich komme ist bäuerlich geprägt, und da geht es sprachlich derbe zur Sache. Als mein Opa sich mal beschwerte dass die Suppe kalt sei und ihm wurde geantwortet, dass könne nicht sein, die dampfe ja erwiderte er "Peerschiet dampet ok!" (Pferdescheiße dampft auch). Dass ist der Umgangston mit dem ich sozialisiert wurde.


So vor etwa 30 Jahren hatte ich als Schüler die These vertreten, dass jeder Mensch als weißes Blatt auf die Welt kommt und sich in lebenslangen Lernprozessen ständig verändere und es daher auch keine feststehenden Charaktereienschaften gäbe. Im Kern vertrete ich das heute immer noch, konnte aber im Lauf des Lebens feststellen, wie sehr sich doch viele Dinge verfestigen. Und da ist für mich inzwischen klar, mit was für Menschen ich gut zurechtkomme und mit welchen halt weniger. Wie gesagt, Atta und Tuc hatten für sich ähnliche Beobachtungen gemacht. Ich brauche Leute mit einem eher derben und schwarzen Humor, soziale Kompetenz macht sich für mich daran fest, ob jemand beim Umzug, der Renovierung oder Gartenarbeiten mit anpackt oder Gästen von auswärts bei sich zuhause einen Pennplatz anbietet, und ich stehe auf Verlässlichkeit.

Mein Bruch mit der Göttinger studentischen Linken vor so etwa 20 Jahren, und jetzt komme ich mal dazu, eine Geschichte weiterzuerzählen, in die seinerzeit jemand so reingrätschte, dass sie sich zunächst nicht weitererzählen ließ, war ein Bruch, der etwas mit ganz bestimmten Leuten und Strukturen zu tun hatte. Das waren zwei verschiedene Gruppen, eine allgemeinpolitische und eine Männergruppe, die in sich äußerst homogen waren, und ich war halt heterogen und fühlte mich schnell marginalisiert, ob wohl einer der elder fellows. Das waren überwiegend Studierende die aus moralproduzierenden Haushalten - Eltern Lehrer, Pastoren, Anwältinnen, Erzieherinnen - und aus Dörfern oder hessischen und süddeutschen Kleinstädten mit höchstens 20.000 EinwohnerInnen stammten. Und die kluckten eng zusammen - auf Auswärtstreffen, Tagungen, Parties usw. bildeten sie stets einen geschlossenen Kreis, mit meinen kurdischen FreundInnen setzten sie sich nicht zusammen - pflegten eine strikt an Sprachformen festgemachte PC-Moral, gingen zum Lachen in den Keller, machten politische Aktionen nicht an einer theoretischen Analyse und Was-tun-Diskussionen fest, sondern agierten aus spontaner moralischer Betroffenheit heraus und setzten Gruppenmitglieder außerhalb ihres homogenen Kreises unter Druck. Entsprechend verließen verschiedene Leute die Gruppe, und zwar die, die am Wenigsten der sozialen Matrix der Kerngruppe entsprachen: Der Arbeitersohn, die Designertochter, der Bisexuelle, der Professorensohn und eben ich, Kind eines Kaufmanns und einer Laborassistentin aus der Großstadt. Ich fand mich dann in außeruniversitären neuen Kreisen wieder, die in der Flüchtlingssoli aktiv waren. Eine dieser Gruppen bestand mehrheitlich aus KurdInnen und zum kleineren Teil aus Deutschen, und die KurdInnen bestimmten ganz klar wo es lang geht. Die Andere war völlig bunt zusammengewürfelt, da mischten sich Studis mit Malochern, Flüchtlinge mit Deutschen, es gab eine Architektin und einen Elektriker mit kollektiv geführter Alternativwerkstatt, charismatische Sprecherin war eine Dauersozialhilfeempängerin, die zu den mutigsten, vitalsten und pfiffigsten Leuten gehörte, die ich je kennengelernt hatte. Mit beiden Gruppen ging es nach vorne los. Dieses ätzende Konkurrenzgefühl, das ich aus studentischen Zusammenhängen kannte, wo Theoriewissen einer Einzelperson nicht als bereichernd für alle, sondern als Distinktionsvorteil ("Ich weiß was! Und Du nicht!") benutzt wurde gab es hier gar nicht. Auch ich Intellelo wurde öfter mal mit "Soll´n das? Meinst´n damit?" auf den Boden zurückgeholt. Aus diesen heilsamen Erfahrungen heraus bin ich ein Befürworter bunt durchmischter Gruppen bis heute geblieben, und ein Befürworter von Arbeit in Bündnissen. Die in gleicher Wolle gefärbten, auf Interna fixierten homogenen Zusammenhänge sind meine Sache nicht. Und da, wo man nicht ein breites Lachen tragen kann bin ich eh nicht zu Hause.

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Hach ja, was waren selbst das noch für unbeschwerte Zeiten....
http://che2001.blogger.de/stories/400105/

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Die Polizei kommt um Mitternacht...
http://www.kreis-stade.de/default.cfm?DID=2324466


Familie mit zwei kleinen Kindern in den Kosovo abgeschoben – Nach neun
Stunden waren sie weg – Flüchtlingsrat protestiert

FREDENBECK.. Sie kommen um Mitternacht, klingeln an der Tür in Schwinge
und geben ihnen 20 Minuten Zeit, um ein paar Sachen zusammenzupacken.
Sechs Beamte in Uniform und Zivil haben in der Nacht von Montag auf
Dienstag einen 29 Jahre alten Mann, seine 24 Jahre alte Frau sowie ihre
ein und drei Jahre alten Kinder in einer nächtlichen Abschiebe-Aktion in
den Kosovo gebracht. Vor 23 Jahren waren Gani Fazlijaj und Sultane
Bajrami aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Keine
halbe Stunde nach dem Beginn der nächtlichen Aktion in Fredenbeck sitzt
die betroffene Familie in einem Fahrzeug und wird weggebracht.
„Überfallartig“ nennt der Flüchtlingsrat Niedersachsen die Abschiebung
in Schwinge. „Der Fall der Familie illustriert, dass in Niedersachsen –
zumal im Landkreis Stade, der nicht zum ersten Mal durch besondere
Rücksichtslosigkeit im Umgang mit Flüchtlingen Schlagzeilen macht –
Abschiebungen mit aller Härte durchgesetzt werden, wenn die Betroffenen
als nicht nützlich genug klassifiziert sind“, sagt der Geschäftsführer
des Flüchtlingsrates, Kai Weber. Kaum vorstellbar, dass sich so ein Fall
in einem anderen Bundesland ereignet hätte, so Weber: „Die Familie steht
verzweifelt vor den Trümmern ihrer Existenz und weiß nicht, wohin.“
Zuständige Ausländerbehörde ist der Landkreis Stade, und der steht für
seinen Umgang mit den Betroffenen seit Monaten in der Kritik. Das
TAGEBLATT hat mehrfach darüber berichtet.
Die Vorwürfe des Flüchtlingsrates im Fall der Familie Fazlijaj/Bajrami
weist Dr. Eckart Lantz, Erster Kreisrat, entschieden zurück. „Die
Vorwürfe des Flüchtlingsrates sind in keinster Weise korrekt“, sagt
Lantz: „Wir entscheiden immer nach Recht und Gesetz.“ Zum konkreten
Einzelfall dürfe er aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts weiter sagen.
Die TAGEBLATT-Recherchen ergeben aber schnell ein vollständiges Bild des
Dramas. Die ganze Verwandschaft des abgeschobenen Gani Fazlijaj wohnt in
Fredenbeck, sechs Geschwister und die Eltern, alle mit gesichertem
Aufenthaltstitel. „Wir hätten das nicht für möglich gehalten“, sagt
Bruder Muzli Fazlijaj, zumal seine Frau und seine beiden Kinder am
Mittwoch nächster Woche in der Kreisverwaltung die deutsche
Staatsbürgerschaft bekommen – von der Behörde, die die Abschiebung
seines Bruders mit Familie verfügt hat. Er selbst gilt als gut
integriert. Für ein neues Fahrzeug des Deutschen Rotes Kreuzes hat er
zum Beispiel 2 500 Euro gespendet.
Die gesammelten Unterlagen der Familie belegen einen jahrelangen
Rechtsstreit, in dem der Kreis alle juristischen Auseinandersetzungen
gewonnen hat. Die Lage von Gani Fazlijaj war auch dadurch unhaltbar
geworden, dass er in einem entscheidenden Moment gegen eine Verfügung
des Landkreises keinen Einspruch eingelegt hatte. Der Unterschied
zwischen Gani Fazlijaj und seinen anderen Geschwistern ist, dass er die
Familie nicht allein ernähren konnte. „Unzureichende eigenständige
Sicherung des Lebensunterhalts“, heißt das in Behördendeutsch.
Teilzeitstellen hatte Gani Fazlijaj mehrfach und jetzt offenbar auch
eine Vollzeitstelle in Aussicht. Allerdings zu spät, um die Abschiebung
noch zu stoppen. Auch die Härtefall-Kommission des Landes Niedersachsen,
die Ende 2011 und im April 2012 mit dem Fall befasst war, lehnte das
Ersuchen Gani Fazlijajs ab.
Für den eigentlichen Vorgang der Abschiebung sind das niedersächsische
Landeskriminalamt und die Landesaufnahmebehörde in Zusammenarbeit mit
der Polizei zuständig. Familie Fazlijaj gehört der Ashkali-Minderheit im
Kosovo an. Gani Fazlijaj und seine beiden Kinder haben die kosovarische
Staatsbürgerschaft. Sultane Bajrami die serbische.
Abschiebungen ohne vorherige Ankündigung und deshalb auch mitten in der
Nacht sind in Niedersachsen seit 2005 wieder möglich. Damals hob der
jetzige Innenminister Uwe Schünemann einen Erlass der Vorgängerregierung
auf, der dies verhindert hatte. Die nächtliche Abschiebeaktion wird mit
der Uhrzeit des Abfluges begründet. Um Mitternacht stand die Polizei in
Schwinge vor der Tür, um 9.25 Uhr startete der Flieger in Frankfurt.
Landung im Kosovo um 11.45 Uhr. In dem Land, das Gani Fazlijaj vor 23
Jahren als Sechsjähriger verlassen hatte.

Der Flüchtlingsrat

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen wurde 1984 gegründet und ist als
gemeinnütziger Verein anerkannt. Er koordiniert ein Netzwerk von rund
500 Flüchtlingsinitiativen, Kirchengemeinden, Gewerkschaften und
Einzelpersonen, die sich für die Interessen von Flüchtlingen in
Niedersachsen einsetzen, gewährleistet eine Beratung für Flüchtlinge
sowie für andere Migranten in Notsituationen und organisiert über die
Geschäftsstelle eine Reihe von Projekten. Der Flüchtlingsrat beteiligt
sich als Mitglied von Pro Asyl an der Koordination und Kommunikation auf
Bundesebene und steht in engem Kontakt zu Schwesterorganisationen in
Europäischen Nachbarländern. Aufgabengebiete sind Öffentlichkeits- und
Lobbyarbeit für Flüchtlinge, sowie Weiterbildung mit Seminaren und
Fachtagungen, Rechtshilfe in ausgewählten Einzelfällen und die
Herausgabe der Zeitschrift „Flüchtlingsrat” und die Durchführung von
Flüchtlingshilfe-Projekten.

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