Donnerstag, 30. August 2012
Gergishu Yohannes erhält den Menschenrechtspreis der Stiftung PRO ASYL
Pro Asyl, 28.08.2012

Yohannes‘ Bruder starb 2009 zusammen mit 76 anderen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Seither kämpft sie für das Andenken an die im Mittelmeer gestorbenen Flüchtlinge - und für Gerechtigkeit: Zusammen mit anderen Angehörigen verklagte sie Italien wegen unterlassener Hilfeleistung.

Die STIFTUNG PRO ASYL verleiht ihren Menschenrechtspreis 2012, die PRO-ASYL-Hand, an Gergishu Yohannes. Die Preisträgerin, die als Minderjährige aus Eritrea nach Deutschland floh, setzt sich mit unermüdlichem Einsatz dafür ein, dass der Opfer an den Außengrenzen Europas gedacht wird und ihnen Gerechtigkeit widerfährt.

Ihr eigener Bruder starb im August 2009 zusammen mit 76 anderen Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Das in Seenot geratene Boot der Schutzsuchenden trieb 23 Tage lang im Kanal von Sizilien. Die meisten starben an Dehydrierung und Erschöpfung. Nach Angaben der fünf Überlebenden fuhren täglich mehrere Schiffe an ihnen vorbei, die sie hätten retten können.

Wochenlang telefonierte Gergishu Yohannes mit Behörden und Hilfsorganisationen auf der Suche nach Informationen über den Verbleib des Bootes. Doch obwohl die italienische und die maltesische Küstenwache den Aufenthaltsort des Bootes kannten, wurden die Flüchtlinge nicht gerettet.

Gergishu Yohannes suchte die Überlebenden in einem Krankenhaus und einem Internierungslager in Sizilien auf. Sie erfuhr von ihnen, wie die schiffbrüchigen Flüchtlinge vergeblich versuchten, die vielen vorbeifahrenden Schiffe zur Rettung zu bewegen und wie Tag für Tag mehr Menschen starben.

„Nichts hat mich so mitgenommen wie die Berichte vom Sterben dieser Menschen auf dem Meer“, sagt Yohannes.

Gergishu Yohannes reiste durch Europa, nach Eritrea und in den Sudan, besuchte die Familien der Opfer, die sie kannte, forschte nach den Namen weiterer Opfer. Über 1.300 Angehörige und Freunde der Toten aus der ganzen Welt brachte Yohannes in einer Interessengemeinschaft zusammen. Mit Vollmachten der Angehörigen ausgestattet, klagte sie gegen den italienischen Staat - wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge in 77 Fällen. „Die Verantwortlichen, die nicht gerettet haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, fordert die Preisträgerin. Europa müsse endlich gewährleisten, dass Menschenrechte für Alle gelten – auch für Flüchtlinge vom afrikanischen Kontinent.

Die Katastrophe von Sommer 2009 ist kein Einzelfall. Im Jahr 2011 kamen über 2000 Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ums Leben – Menschen, die inmitten eines mit modernster Technologie überwachten, dicht befahrenen Meers in unserer unmittelbaren Nähe starben, weil sich Europa systematisch gegen Flüchtlinge und Migranten abschottet.

Das Engagement von Gergishu Yohannes und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter zeigt der Öffentlichkeit in Deutschland und Europa, dass die Opfer dieser fatalen Flüchtlingspolitik keine Namenlosen sind. Hinter jedem Menschen, der bei der Überquerung des Meeres umkommt, stehen Familienangehörige, Freundinnen und Freunde, die der Tod ihrer Lieben in Trauer und Verzweiflung hinterlässt. Die Angehörigen der Toten leben in verschiedenen Ländern – auch in Deutschland.

Die STIFTUNG PRO ASYL verleiht Gergishu Yohannes den Menschenrechtspreis am 8. September 2012 um 14 Uhr im Haus am Dom in Frankfurt am Main.

http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/gergishu_yohannes_erhaelt_den_menschenrechtspreis_der_stiftung_pro_asyl/

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Die Preisträgerin kommt zu einem Vortrag am Freitag, den 28.09.2012, nach Kassel, siehe hier:

28.09.2012, 19:00:00 Uhr in Kassel
Sterben an Europas Grenzen - Vortrag und Diskussion zum Tag des Flüchtlings
› Details anzeigen
http://www.ekkw.de/kassel/forum/details.php?id=31300&show=detail

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Das Hochzeitskleid
Schöne alte Geschichte aus meiner Family:


Als meine Mutter heiratete trug sie ein schönes weißes Hochzeitskleid mit viel Stickereien und Applikationen. Es war eine arme Zeit damals, der Koreakriegsboom hatte noch nicht eingesetzt, und also tuschelten die Leute.

"Die Viehhändler, die können es sich ja leisten." "Das sind doch Judenfreunde, da muss man sich nicht wundern." "Das Gefängnis scheint seinen Geschäften ja nicht geschadet zu haben."


Tatsächlich hatte meine Mutter nach einem Schnittmuster eine Tüllgardine umgearbeitet. Geld für ein Kleid konnte man überhaupt nicht ausgeben.

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Noch mal was Bemerkenswertes zu Rostock
Diesen Sätzen hier kann ich nur zustimmen:

"Letztlich verschwimmt, welche Ursachen und Entstehungsgeschichten zu Pogromen wie in Lichtenhagen beigetragen haben. Schnell ist mensch dabei, der Politik und der Staatsmacht die Verantwortlichkeit zuzuschieben, die der Bevölkerung rassistische Flöhe ins Ohr setzt. Die Mächtigen sind also Schuld an den Gewalttaten, weil sie Hetzjagden betreiben und nicht eingreifen. Da wird mal so mir nichts dir nichts der breiten Masse eine Autoritätsgläubigkeit unterstellt und ihnen damit die Leistung zu selbstständigen (rassistischen) Denken abgesprochen, Macht einzig und allein beim Staat verortet und herrschaftsaffirmierend gedacht und kritisiert. Und am Ende bleibt die Frage offen: Wer hat denn nun die Mollis und Steine geschmissen?

Ich denke, diese Analyse geht schlicht nicht weit genug. Solange eine Mehrheit weißer Deutscher vom hiesigen Asyl- und Integrationsregime profitiert und auch ein Sarrazin meine soziale Position stützt und nicht gefährdet, sollte die Kritik auch white supremacy und die historische Kontinuität von Rassismus mit all den Wirkmechanismen in verschiedenste gesellschaftliche Bereiche berücksichtigen. Das muss selbstverständlich auch über Staat, Institutionen, Realpolitik und nationalökonomische Verwertungsinteressen, über Patriotismus und Nationalismus passieren, aber nicht ausschließlich. Denn Rassismus funktioniert auch ohne all das. Weiße Überlegenheit braucht keine Grenzen, keine staatliche Regulierung, kein Kapital. Die Äußerungen weißdeutscher Rostocker*innen, Mannheimer*innen, Hoyerswerdaer*innen in damaligen Fernsehberichten belegen das. Von “Ungeziefer” war da die Rede, von Nicht-Menschen, von “Nur ein toter N. ist ein guter N.”, “die klauen, machen alles kaputt, unzivilisiert, wie Tiere.” Das ist rassistisches Denken in schrankenfrei. Rassismus in Reinform. Damals wie heute."

http://medienelite.de/2012/08/28/lichtenhagen-kontinuitat-rassistischer-gewalt-und-weiser-uberlegenheit/

---------- Ich erinnere mich noch daran, wie GenossInnen, die vor Ort waren, diesen gnadenlosen Hass der rechten Schlägertypen schilderten, diese absolute Verrohung, die aus den Gesichtsausdrücken sprach.


Die Wildcat hatte mit ihrer Sonderausgabe "Riots von Rechts" damals eine Antwort zu finden versucht oder besser gesagt erstmal Fragen gestellt, die so richtig bis heute nicht beantwortet sind.

http://www.wildcat-www.de/wildcat/60/w60rosto.htm

Das wurde noch einmal fortgesetzt, aber eigentlich ist die Debatte bis heute offen


http://www.wildcat-www.de/zirkular/24/z24rassi.htm

Ich weiß nicht, ob das die so oft in Blogs beschworene Ironie der Neunziger war von der ich nie etwas mitbekommen hatte, aber das Pogrom hatte selbst in der Scherzartikelbranche seine Folgen:


https://www.titanic-magazin.de/shop/index.php?action=showdetails&from=search&pageNr=6&productId=3f719ebd975d3&;

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