Montag, 19. Juni 2006
Mac Job in China?
15 Stunden Arbeitstage für unter 40 Euro Monatslohn - das ist die hässliche Fratze der Sweat-Shop-Produktion in Billiglohnländern. Wer so produzieren lässt, ist ein Unternehmen mit einem besonders feinen Ruf. Die Rede ist von Apple und der iPod- Produktion in China. Bzw. nicht von Apple selbst, sondern dem erhobenen Vorwurf, solche Verhältnisse bei seinen Zulieferern vor Ort zuzulassen. Apple-Sprecher Steve Dowling teilte mit, dass er die Vorwürfe überprüfen würde und wies darauf hin, dass Apple eine ethische Bindung habe und Arbeitnehmer mit Respekt und Würde behandeln müsste. Man kann gespannt sein, wie dies demnächst umgesetzt wird.

http://www.mailonsunday.co.uk/pages/live/dailymail/home.html?in_page_id=1766

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Bundesregierung will Flüchtlinge loswerden
Weltflüchtlingstag / 6. Berliner Symposium Flüchtlingsschutz

Berlin, 19. Juni 2006 – Die Bundesregierung entzieht Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten ihren Status und plant weitere gesetzliche Verschlechterungen des Flüchtlingsschutzes. Der Bundesregierung scheinen Flüchtlinge daher zunehmend unerwünscht, kritisierten amnesty international (ai) und PRO ASYL vor dem morgigen Weltflüchtlingstag. Vertreter beider Organisationen verwiesen beim heutigen 6. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz darauf, dass die Bundesregierung die – wegen der Umsetzung von EU-Richtlinien notwendige – Änderung des Zuwanderungsgesetzes nutzt, um etwa das Alter für den Familiennachzug bei Flüchtlingen von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen. Außerdem sollen nachziehende Ehepartner vor der Einreise Deutsch lernen und entsprechende Kenntnisse nachweisen müssen. „Dies ist absurd“, sagte Julia Duchrow, ai-Flüchtlingsreferentin. „Wie soll die mittellose Ehefrau eines tschetschenischen Flüchtlings im zerstörten Grosny Deutsch lernen? Hinzu kommt: Der Vorschlag verstößt gegen Europarecht.“

ai und PRO ASYL kritisieren entschieden die Praxis des Bundesamtes für Migration und Flucht (BAMF), Flüchtlingen aus Afghanistan, dem Irak und Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo den Flüchtlingsstatus zu entziehen, obwohl sie nicht abgeschoben werden können. „Damit verlieren diese Menschen soziale Sicherheiten wie etwa ihren Arbeitsplatz“, sagte Bernd Mesovic, rechtspolitischer Referent von PRO ASYL. „Mit dieser Desintegrationspolitik signalisiert die Regierung: Verschwindet aus Deutschland – auch wenn wir euch im Moment nicht abschieben können.“

Selbst wenn sich die politische Situation in diesen Ländern geändert hat – die Sicherheitslage für die betroffenen Flüchtlinge hat sich keineswegs verbessert. „Daher sind Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan oder in den Irak nicht zu verantworten“, sagte Duchrow. „Auch in den Kosovo dürfen Minderheitenangehörige oder traumatisierte Flüchtlinge nicht abgeschoben werden.“

ai und PRO ASYL fordern ein Bleiberecht für langjährig Geduldete. In Deutschland leben fast 200.000 Menschen mit einer Duldung, 130.000 davon seit mehr als fünf Jahren. „Diese Menschen leben in ständiger Angst vor der Abschiebung und dem folgenden Sturz ins Nichts“, sagte Mesovic. „Duldung bedeutet ein Leben ohne Perspektive. Wir fordern daher eine Bleiberechtsregelung und einen Abschiebestopp, bis eine solche Regelung in Kraft tritt.“


Kontakt:
ai-Pressestelle, Tel. 030 – 42 02 48-306, e-mail: presse@amnesty.de
PRO ASYL: Bernd Mesovic, Tel.: 0174 – 9947437, e-mail: proasyl@proasyl.de

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Bleiberecht für Züheyir
Die Abschiebung unbegleiteter Jugendliche in "Heimatländer", die sie teilweise kaum kennen, ist einer der größten Skandale deutscher Obrigkeitswillkür. In diesem Fall bitte ich um Solidarität mit Züheyir:

Wir fordern die Verantwortlichen im Rathaus und der Ausländerbehörde der Stadt Essen auf, dem Jugendlichen Züheyir Eke einen vorläufigen Aufenthalt zu gewähren und sofort aus der Abschiebehaft zu entlassen!

Wir fordern in diesem Zusammenhang die Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen auf, auf der nächsten Innenministerkonferenz ein Bleiberecht für alle Geduldeten zu beschließen!


Züheyir sitzt seit dem 6. Juni 2006 in Abschiebehaft zunächst in Essen, jetzt in Büren.
Züheyir wurde am 1.1.1986 in Savur in der Türkei geboren und kam im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Von seinen 20 Lebensjahren hat er 18 in Deutschland verbracht. Er kann kein türkisch, sondern spricht arabisch und deutsch.

Züheyir ist in Essen aufgewachsen und gehört zu denjenigen, deren Eltern Ende der 80er Jahre als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon bzw. aus der Türkei nach Deutschland kamen. Er ist in Essen in den Kindergarten und in die Schule gegangen und hat hier seinen Sekundarabschluss 1 an einer Hauptschule gemacht. Danach hat er eine Ausbildung zum Karosseriebauer begonnen. Diese musste er abbrechen, weil er wegen der Ausreiseaufforderung gekündigt wurde. Es hatte die Zeit der skandalösen Abschiebung von „kurdischen Libanesen“ begonnen, die alle über 10 Jahre in Deutschland gelebt hatten, so dass er und seine Eltern in die Türkei abgeschoben wurden. Andere Geschwister konnten hier bleiben, weil sie geheiratet haben. Nach seiner Abschiebung im Jahr 2005 musste er sich im Dorf Ückavak zurechtfinden
Züheyir hielt es in der Türkei nicht aus und ist nach Deutschland zurückgekommen und hat einen Asylantrag gestellt. Er wohnte in Bremen bei seiner Schwester aus gesundheitlichen Gründen, weil er ihre Unterstützung brauchte.

Wir fordern Sie auf, sich mit Ihren Mitteln dafür einzusetzen, dass die Abschiebung ausgesetzt wird und Züheyir sofort aus der Abschiebehaft entlassen wird!

http://jog.twoday.net/

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Sonntag, 18. Juni 2006
Tanz den Vokuhila
Den Vokuhila-Look, gewissermaßen die Manta-Proll-Variante der Hippie-Langhaarigkeit, kennt man ja nun seit Langem. allerdings dachte ich bisher, dies sei der Name einer Person, nun erfahre ich, dass es für vornkurzhintenlang steht. Da habe ich nun jahrzehntelang geglaubt, Vokuhila sei der Name des Menschen, der diesen Look kreiert hatte, und aufgrund des Klangs angenommen, der wäre irgendwo aus dem Balkan ;-)

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Nomen est omen
Na, das war ja wieder klasse. Es freut mich ja immer, wenn die Leute heißen, wie sie sind, also zum Beispiel der bedeutende Karatemeister Mark Haubold, der Hubschrauberbordmechaniker Werner Brumm, die Politik- und Wirtschaftsreporterin Eva Macht, die Sportreporterin Sabine Hantelt und der Terrorexperte Andreas Kanonenberg. Tragisch, aber nicht ohne einen gewissen Reiz ist dann auch die Tatsache, dass eine Frau Grillow bei einem Brand ums Leben kam, und dass die Adresse des Bremer Polizeipräsidiums Marterburg lautet wird seine Gründe haben. Nun aber erfuhr ich etwas über den einzigen deutschen Baumwipfel-Lehrpfad, der in 40 Metern Höhe über die Kronen des Hainich führt, und den Namen eines der Guides: Gerd Baumbach. Herrlich!

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Fußballüberraschungen
Die Ergebnisse von Ghana (von meiner 80 jährigen Mutter mit erhobener Faust gefeiert) und den USA machen mir echt Spaß. Mehr solche Außenseiterfolge - die Zeiten, wo die Ergebnisse so voraussehbar waren, dass man dachte, es könnte auch gleich der Proporz am Verhandlungstisch entscheiden, sie sind lange vorbei.

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Leseempfehlung
Diese ergreifende Geschichte aus Israel sollten alle mal gelesen haben: http://www.zmag.de/artikel.php?id=1828

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Samstag, 17. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus - Teil III
Das Jahrzehnt der Entwicklung markiert zugleich Höhepunkt und Ende einer Phase, in der mit keynesianischen Rezepten Weltsozialpolitik betrieben wurde. Mit dem Ende des Kolonialismus hört ja der Imperialismus nicht auf. Die hohen sozialen Standards in den keynesianischen Wohlstandsgesellschaften der Triade waren nur finanzierbar durch hohe Werttransfers aus dem Trikont, insbesondere niedrige Rohstoffpreise. Während ein Teil der Nach-68er die Idiotie beging, Revival-Vereine für historisch längst überlebte kommunistische Parteien zu gründen, stellte ein eher avantgardistischer Flügel der westlichen Linken, die Antiimperialisten, einen Blickwinkel her, aus dem der Klassenwiderspruch einen geopolitischen Charakter annahm.
(Nicht grundfalsch, aber extrem verkürzt und schematisierend)
Demzufolge sei die Arbeiterschaft der Industriemetropolen kein Proletariat mehr, da es in sehr hohem Maße von der Ausbeutung der Menschen des Trikont profitiere. Ein sowohl objektives als auch subjektives Proletariat, d.h., sowohl verelendet als auch für die kapitalistische Wertschöpfung wichtiges Proletariat gäbe es nur noch im Trikont. Der schwarze südafrikanische Minenarbeiter in der Apartheid habe demzufolge ein anderes Klasseninteresse als der Ruhrpottkumpel, die Triade insgesamt sei die „imperialistische Bestie“. Linke „im Herzen der Bestie“ könnten demnach kein Interesse an Sozialpolitik oder Arbeiterkämpfen in den Metropolen haben („Abschied vom Proletariat“), sondern nur daran, den Militärisch-Industriellen Komplex, den Repressionsapparat und das Militär selber zu bekämpfen, um so den Handlungsspielraum des Imperialismus einzuschränken, was je nach persönlicher Geschmackslage dann von Engagement in der Friedensbewegung bis Unterstützung der RAF reichen konnte.

Diese Art “Klassenanalyse“ beinhaltet zwar ein Fünkchen Wahrheit, verkürzt aber gesellschaftliche Komplexität holzschnittartig, von den teilweise mörderischen Konsequenzen mal ganz abgesehen.
Wie alle reduktionistischen Ansätze erschlug dieses Denken die sich emanzipierenden Subjekte (was bei Leuten, die teilweise ganz real Andere erschiessen wollten, nicht so sehr verwundert ;-) ), es korrespondiert aber mit einer Denkhaltung höchster militärischer Führungsebenen in den USA. Wollte auf der einen Seite die Stadtguerrilla den Staat mit quasi militärischen Mitteln bekämpfen, sah man im Pentagon für sozioökonomische Probleme militärische Lösungen vor. Che Guevara (dessen Positionen ich in keiner Weise folge, ich sagte ja schon, dass es sehr spezielle Gründe gibt, weshalb ich diesen Spitznamen trage) mit seiner Focus-Theorie (die Avantgarde schafft sich selbst, Guerrillakämpfe können revolutionäre Prozesse auslösen, solange die Revolutionäre nur entschlossen genug sind) und die US-Adminstration mit ihrer Domino-Theorie (wird ein Staat, z.B. Vietnam, kommunistisch, wird ein Nachbarstaat nach dem Anderen das früher oder später auch, das muss mit militärischen Mitteln verhindert werden) sagten im Grunde das Gleiche: Politische und soziale Prozesse werden auf militärische Auseinandersetzungen reduziert, die Weltrevolution, von den Einen herbeigesehnt, von den Anderen befürchtet, könne mit militärischen Mitteln herbeigeführt bzw. verhindert werden. Mit dieser Logik führte man dann auch in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen ein armes Bauernvolk, was allerdings gründlich nach hinten losging.

Zur Finanzierung des Krieges verschuldete sich die US-Regierung, man gab die Golddeckung des Dollars auf und verkaufte Teile des Schatzes von Fort Knox, schließlich wurde die Notenpresse angeworfen. Die Finanzierung des Krieges führte zu einer Hyperinflation mit dem Resultat einer Talfahrt des Dollars. Da dieser die Weltleitwährung war, im damaligen Bretton-Woods-System aber zugleich alle Währungen über stabile Wechselkurse fest miteinander verrechnet wurden, drohte der Zusammenbruch des Weltwährungssystems. Die neoliberalen Konzepte Milton Friedmans waren ursprünglich entwickelt worden, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Dazu muss noch ein Blick auf die Weltkonjunkturlage insgesamt geworfen werden.

Der Nachkriegsaufschwung der westlichen Wirtschaft ist teilweise erklärbar aus der Tatsache, dass man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs quasi von Stunde Null aus startete, teils durch die Anschubfinanzierung des Marshallplans, durch den Boom, den der Koreakrieg für die westliche Wirtschaft bedeutete, und überhaupt zu einem großen Teil durch die Bedeutung der Rüstungsindustrie in Zeiten des Kalten Krieges: Garantierte Abnahme absolut hochwertiger Produkte zu Hochpreisen und deren garantierte Ausmusterung und Ablösung in kurzen Zeiträumen schuf natürlich für das Kapital in der Rüstungsindustrie und allen ihr zuliefernden Bereichen (also praktisch die gesamte Rohstoff- und metallverarbeitende sowie Elektronik- und Anlagentechnik-Industrie) traumhafte Bedingungen.

Dennoch holte Ende der 60erJahre das eigentliche Principium Movens der Weltwirtschaftsentwicklung allmählich diese künstlich angeheizte Dauerkonjunktur wieder ein: Der Tendenzielle Fall der Profitrate.

Das akkumulierte Weltkapital hatte eine quasi natürliche Expansiongrenze erreicht, der Nachkriegsaufbau mit seiner Dauerkonjunktur in fast allen Branchen der produzierenden Industrie und des produzierenden Gewerbes hatte einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Das bedeutete, das weitere profitable Wertschöpfung nur noch durch Einschnitte beim variablen Kapital, d.h. der menschlichen Arbeitskraft möglich waren – Entlassungen, Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnpausen etc. Der stark korporatistische Charakter der meisten keynesianischen Wohlfahrtstaaten mit ihren starken Gewerkschaften ließ dies zunächst kaum zu. Auf der anderen Seite bedeuteten die Wohlfahrtsprogramme steigende Staatsschulden, die bei nachlassender Konjunktur und zugleich auftretender Finanzkrise zu einer ernsten Belastung wurden. Vor diesem Hintergrund entwickelten Friedman und Kollegen an der Chicago School of Economy ihr Konzept der Angebotsökonomie.

Seit Ende der 50er hatte Friedman den Keynesianismus kritisiert. Ihm zufolge sei nicht der Faktor der Nachfrage entscheidend, sondern der der zirkulierenden Geldmenge und die Stabilität der Währung (Monetarismus). Entsprechend empfahl Friedman zur Lösung der Dollarkrise die Aufgabe der festen Wechselkurse. Diesem Rat wurde gefolgt, und tatsächlich führte die Freigabe der Kurse (Währungen konnten damit wie Papiere an der Börse gehandelt werden, was beim Bretton-Woods-System als unsinnig erschienen wäre) zu einer Gesundung des Dollarkurses, wobei allerdings auch in Rechnung gestellt werden sollte, dass die gleichzeitige Deeskalation des Vietnamkriegs und die Entspannung in der Ost-West-Politik das Vertrauen in den Dollar zeitgleich stärkten.

In der Folge wurden von der Chicagoer Schule stammende Ansätze auf Entwicklungs- und Sozialpolitik angewandt. Für die Entwicklungspolitik bedeutet dies beispielsweise, dass Kredite nach dem Prinzip des Return of Investment vergeben werden. Schon im Jahrzehnt der Entwicklung war Entwicklungspolitik auch mit Massenmord, Vertreibung und Pauperisierung verbunden gewesen – die gleichermaßen von Regimen im Trikont wie westlichen Entwicklungshelfern vorangetriebene Grüne Revolution mit ihrer Ausrichtung auf die Produktion von Cash Crops, von Pflanzen für den Weltmarkt, bedeutete in vielen Fällen notwendigerweise die Enteignung und Vertreibung von Subsistenzbauern, die in den neuen urbanen Zentren des Trikont gigantische Armenghettos füllten. Die jetzt (d.h. im Verlauf der 70er und 80er) erfolgende Umstellung auf Entwicklungshilfe nach den Effizienzprinzip ist zwar angesichts der gigantischen Investitionsruinen und reinen Beschäftigungsprogramme, für die Entwicklungsgelder bisher verschwendet wurden verständlich, angesichts der sozialen Verhältnisse in den Ländern bedeutete sie für die ärmsten Länder und die ärmsten Bevölkerungsteile dort aber nichts Anderes als die Vernichtung der überflüssigen Esser.

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Gedenken
Heute ist der 17.Juni, ein Tag, der in meiner Kindheit, Jugend und Studienzeit der ideologisch hoch aufgeladene Nationalfeiertag Westdeutschlands war. Ein autonomer Arbeiteraufstand, eine proletarische Revolte, gleicham das Kronstadt der DDR, wurde von der westlichen Propaganda zum Tag der deutschern Einheit gedeutet bzw.hochstilisiert. Nicht die nationale Einheit und nicht den westlichen Kapitalismus wollten die Aufständischen von damals zu Anfang der Erhebung, sondern die politische Selbstbestimmung der Arbeiterklasse.
(edited: nach verschiedenen Kommentaren habe ich hier meine Formulierungen geändert, da ich Einiges zu spitz auf den Punkt gebracht hatte)

Der Kasernenhofkommunismus zeigte sein hässlichstes Gesicht und gab Bert Brecht anlass zu einer Note an die DDR-Volkskammer, in deres hieß: "Lösen sie das Volk auf und wählen sie sich ein Neues!" Präziser konnte man es eigentlich nicht auf den Punkt bringen, worum es in diesem Konflikt ging.

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Freitag, 16. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus – Fortsetzung
Ich greife den letzten Absatz des ersten Beitrags noch einmal auf.

Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.

Diese Entwicklung macht sehr deutlich, dass die Verelendungstheorien, wie sie von Trotzkisten bis zur RAF viele linksversprengte Gruppierungen vertraten ins Leere gehen, eine Erkenntnis, die übrigens bei Gramsci und Poulantzas schon angelegt ist (sorry, der musste sein, ich halte mich ansonsten mit Theoretiker-Namedropping zurück). Nicht Unerträglichkeit der eigenen Situation führte zu weltweiten Rebellionen und Emanzipationsbewegungen, sondern Blochs Prinzip Hoffnung im Zusammenwirken mit vorhandenen Missständen. Von den Metropolen bis zum Trikont (Sonderfälle wie Vietnam spielten hier eine Rolle, auf die ich gleich zu sprechen komme), eines hatten die Bewegungen in den 60ern weltweit gemein: Sie spielten sich in einer Zeit ab, in der die Perspektive der Menschen im Fortschreiten bestand, das generelle Lebensgefühl war „die Gegenwart ist besser als die Vergangenheit, und die Zukunft wird noch besser sein.“, aber das war nicht mit Zufriedenheit verbunden, sondern mit dem Anspruch auf mehr: „We don´t want just one cake, we want the whole fucking bakery!“. Parallelen zur Französischen Revolution zeichnen sich ab, wo eine Krise nach einer Hochblüte der barocken Zivilisation und der bürgerlichen Aufklärung Ausgangspunkt der Bewegung war, nicht hingegen eine Situation absoluten Elends. Auf die Rebellion, in den Metropolen wie im Trikont, wie auch auf das gestiegene Selbstbewusstsein der Öl- und Schwellenländer, reagierten die Eliten auf sehr verschiedene Weise. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Reaktionsmuster teils aus Integration, teils aus Repression bestanden, teils auch aus der Kombination von Beidem. Beispiel für eine fast ausschließlich integrative Lösung ist Dänemark. Anders als in Deutschland, gelangten die 68er hier nicht erst Ende der 90er Jahre an die Hebel der Staatsmacht, sondern schon in den 70ern. Dies bedeutete zwar keine Revolution, aber gründlichere und unbürokratische Reformen als in Deutschland, wobei gesagt werden muss, dass die gesellschaftlichen Widersprüche in Dänemark von Vornherein weniger ausgeprägt waren als in Westdeutschland. Sozialen Frieden durch staatliche Wohlfahrtsprogramme einzukaufen hat in Dänemark seit 1848 Tradition, und die Generation der jungen Protestler setzte sich nicht mit Nazi-Tätern in Amt und Würden auseinander, zwei Ausgangspunkte, die die ganze Sache weitaus konfliktärmer machten als die Situation in der BRD. Die Entwicklung, die Dänemark in den 70ern nahm, war die zu einem Sozialstaat, der weitaus üppigere soziale Leistungen zu bieten hatte als Deutschland bei vergleichbar weniger Bürokratie und mehr Demokratie (siehe die plebiszitären Elemente im politischen Geschäft Dänemarks). Zwei Beispiele exemplifizieren ganz gut, dass der dänische Linksliberalismus einen völlig anderen Charakter hatte als der westdeutsche Betonstaat der rot-gelben Koalition: Als Hausbesetzer ein leerstehendes riesiges Marinekasernengelände besetzten und dort die „Freie Sadt Kristiania“ ausriefen, schenkte ihnen der Staat das Gelände einfach. Es kommt auch von, dass ein Punk, der sich arbeitslos meldet, vom Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt so angesprochen wird: „Du bist doch Punk, hast Du da keine Lust, Punk-Musik zu machen, um Dir den Lebensunterhalt zu verdienen? Du kannst von uns ein Existenzgründungsdarlehen für die Gründung einer Band bekommen, und das Arbeitsamt vermittelt Dir einen Plattenvertrag.“ Die Revolution war gestorben, doch alle hatten sich schrecklich lieb.

In Deutschland hingegen gab es Integration und Repression im Kombipack: Bildungsoffensive, „mehr Demokratie wagen“, neue Ostpolitik, Ausbau des Sozialstaats (auf eine typisch preußisch bürokratische Art und Weise), Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen, zugleich aber auch Notstandsgestze, Berufsverbote, Antiterrorgesetze, Militarisierung der Polizei. Letztlich kamen klare materielle Vorteile für die breite Mehrheit der Bevölkerung heraus, aber aus „mehr Demokratie wagen“ wurde eher „mehr Bürokratie wagen“. In den USA schließlich bestand Nixons Gegenrevolution hauptsächlich aus Repression – Streichung der großzügigen Sozialprogramme Johnsons, COINTELPRO, das Counterinsurgency Intelligence Program, das aus einer Welle von Desinformation, Geheimdienstaktivitäten, politisch willkürlichen Verurteilungen bis hin zur vom FBI lancierten Einschleusung harter Drogen in die Ghettos der Afroamerikaner bestand und Black Power erfolgreich zerschlug. Unter dem gleichen Horizont ist auch der vom CIA herbeigeführte Putsch in Chile zu sehen. Wenn wir jetzt noch einmal die Voraussetzungen der weltweiten Revolte rekapitulieren – steigende Ansprüche bei steigendem Wohlstand, zugleich aber überaus grausame postkoloniale Kriege, Wettrüsten und die Verschränkung von Ost-West- und Nord-Süd-Konflikt, dann stellt sich die Frage, ob der Neoliberalismus, d.h. die Rezepte der Chicago Boys, nichts Anderes waren als der Versuch, die steigenden Ansprüche zu suspendieren, indem die Lebenschancen der Unterprivilegierten und der Arbeiterklasse systematisch beschränkt werden. Dies muss noch nicht einmal in denAbsichten Friedmans gelegen haben, sondern kann eine objektive Funktion der Angelegenheit sein, die sich unter den eben genannten sonstigen Zeitumständen und den strategischen Interessen der Herrschenden als historische Notwendigkeit ergibt.

So, und jetzt bitte nicht wild draufloskommentieren, ich mache hier wieder einen Cut, um keine Bleiwüste entstehen zu lassen, der dritte Teil folgt also in Kürze. Also bitte spart Euch Eure Kommentare bis zum dritten Teil, Es lässt sich auch beim Bau des Schiffsrumpfs niemand über die Segeleigenschaften einer Yacht aus.

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Donnerstag, 15. Juni 2006
Brief eines Genossen
Ich möchte aus einem Brief zitieren, den ich gerade erhielt:

"Ich habe schon häufig davon gesprochen, daß die Exekutoren, unsere Politiker,
des Willens jener, welche in den Schlüsselpositionen der Wirtschaft Macht
ausüben, uns auf deren Geheiß, in Zeiten zurückführen werden, die noch vor
der Zeit anzusiedeln sind, in welcher der Kanzler des Deutschen Reiches, Otto
von Bismarck, aus lauter Angst vor dem Zorn des Proletariats, Segnungen, wie
die Sozialversicherung, über selbes ergoß, um die Revolution in Deutschland
zu verhindern. Dies ist scheinbar nicht mehr notwendig, Alternativen haben
sich mit dem Scheitern des Kommunismus in Osteuropa erledigt, eine Analyse
desselben ist eher störend und nun frönt man der Restauration, wie einst der
Metternich auf dem Wiener Kongress, als der Code Zivil der Französischen
Revolution, als etwas für die dummen Menschen schädliches deklariert wurde
und Menschen deshalb als anständig eingestuft wurden, weil sie die
"natürliche von Gott gegebene Ordnung" nicht in Frage stellten.

1848/1849 gab es noch eine Revolution, weil die Fabrikbesitzer der Ansicht
waren, daß der Adel gar kein Recht hatte das Bürgertum in der Ausübung seiner
Geschäfte zu stören. Nun, da brauchte man auch das Proletariat. Aber nur für
den Kampf gegen die Monarchie. Später arrangierte das Bürgertum sich mit dem
Adel und eine Art Restauration feierte fröhliche Urständ. Speziell in
Deutschland, in Frankreich behielt man bis zur Etablierung des Kaisers
Napoleon III die Republik bei. Nutzte dem Proletariat aber auch nichts. Im
Sommer 1849 protestierte es gegen die Erhöhung der Brotpreise und ein paar
andere Nickeligkeiten. Dann kam, von der bürgerlichen Regierung
herbeigerufen, die gleiche Armee, gegen die vornehmlich die Arbeiter auf den
Barrikaden des Jahres 1848 gekämpft hatte, um die Arbeiter im Auftrag der
bürgerlichen Regierung mit Kartätschenfeuer davon zu überzeugen, daß ihr
Protest ungerechtfertigt ist, es gelang.

Na ja, seid den erfolgreichen Protesten der Franzosen gegen den CPE, der
gesetzlichen Regelung, welche Firmen erlauben sollte, junge Menschen 2 Jahre
auf Probe einzustellen, so ähnlich hätte man es hier in Deutschland auch
gerne, sehnt sich einige Widerständler nach französischen Verhältnissen. Nun,
bitte sehr, bekommen wir doch, wie im 49Jahr im 19. Jahrhundert.


Tja, Bismarck wird auch abgeschafft, wer jetzt Assoziationen zu diversen
Sicherheitspacketen, zum Schutz der Bevölkerung, natürlich, zieht, dem wird
sicherlich jovial, hm, vielleicht auch anders, mitgeteilt das er fehlgeleitet
ist, von linker Demagogie, zum Beispiel. Anderseits, wenn die
Wirtschaftsmagnaten, in der Regel konservativ, nicht mal mehr ihren Bismarck
hochhalten, muß man doch mit dem Schlimmsten rechnen.
Mal sehen, was als nächstes kippen soll, ich hätte ein Vorschlag, vielleicht
sollte man Amerika analysieren, also noch konsequenter als es bisher getan
wird. Der Herr Koch, seines Zeichens Ministerpräsident des Bundeslandes
Hessen, ist ja sehr rührig Vorschläge zu konzepieren, die etwas mir der
sozialen Struktur der USA zu tun haben. Es gäbe da noch das Vorbild der
Konföderierten Staaten von Amerika, ja, die Bevölkerung hier ist weiss, also
überlegen, aber letztendlich muß man doch nicht so pingelig sein. Errichten
wir ein Sklavensystem und die Kosten für Arbeit verringern sich drastisch und
Unfälle während der Arbeit sind die Folge der Dummheit der Sklaven und von
denen gibt es genug.

Die Demokratie ließe sich auch aufrecht erhalten, ist dann wie im antiken
Griechenland Sache der Oberschicht, also der richtigen Menschen."

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Mittwoch, 14. Juni 2006
AFP-Tickermeldung zu Guantanamo
Alle laufenden Verfahren würden bis auf weiteres gestoppt, erklärte das US-Verteidigungsministerium. Begründet wurde die Entscheidung zunächst nicht. Der Oberste Gerichtshof der USA berät derzeit über die Rechtmäßigkeit der Militärtribunale. Bisher wurden nur zehn von 460 Insassen vor den Sondergerichten angeklagt. Die Tribunale sind umstritten, weil die Regierung als Ankläger, Geschworene und Richter auftreten kann.

Nach den drei Todesfällen in Guantánamo auf Kuba war US-Präsident George W. Bush auch in den eigenen Reihen stark unter Druck geraten: Der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, der Republikaner Arlen Specter, sagte, die Häftlinge müssten endlich vor Gericht gestellt werden. Einige von ihnen würden aufgrund "der windigsten Art von Hörensagen" festgehalten. Auch die Demokraten, Menschenrechtsorganisationen, die UNO und viele europäische Regierungen fordern die Schließung der Einrichtung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besucht das US-Lager auf Kuba diese Woche.

"Sie sollten die Einrichtung so schnell wie möglich schließen", sagte der demokratische Senator Jack Reed. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, forderte die Europäische Union auf, bei dem Gipfel mit den USA in zehn Tagen in Wien von Bush die Schließung des Lagers zu fordern. Am Samstag hatten Gefängniswärter in Guantánamo drei Häftlinge erhängt vorgefunden. Es handelt sich nach US-Angaben um die ersten Todesfälle seit Nutzung des Lagers als Gefängnis im Januar 2002. Amtlichen US-Angaben zufolge gab es in dem Lager bislang 41 Selbstmordversuche unter den Häftlingen.

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Dienstag, 13. Juni 2006
Solidarität mit Gazale Salamé und Ahmed Sia, mal wieder
Gerade erreicht mich eine Mail, die ich umgehende öffentlich machen muss, zu einem Thema, zu dem ich schon mehrere Postings hatte.

Hallo ihr Lieben,

die Verhandlung von Ahmed Siala am 21. Juni, einem Mittwoch, ab 9:00 Uhr im
Saal 3 des Verwaltungsgericht Hannover, Eintrachtweg 19, 30173 Hannover
statt.

Sicher erinnern sich viele von euch noch an die Abschiebung von Gazale
Salame, der Frau von Ahmed. Im Februar 2005 wurde sie, hochschwanger, mit
ihrer damals einjährigen Tochter Schamps aus Kemme im Landkreis Hildesheim
abgeschoben. Sie verlor damals ihren Schutz vor Abschiebung, den sie durch
ihre Ehe mit Ahmed genoß, aufgrund des Verfahrens, welches gegen Ahmed
eröffnet wurde. Ihm wirft man vor, als kleiner Junge zusammen mit seinen
Eltern nicht aus dem Libanon, sondern aus der Türkei nach Deutschland
eingereist zu sein, also Angabe eines falschen Herkunftsland.

Diese Frage soll nun während dieser Verhandlung geklärt werden. Bisher gelang
es der Ausländerbehörde nicht, diesen Vorwurf gegen Ahmeds Eltern zu
beweisen, so das die Hoffnung besteht, daß dieses Ansinnen gegen Ahmed auch
Scheitern wird.

Dies würde bedeuten, daß die Abschiebung von Gazale rechtswidrig war und
rückgänging gemacht werden müßte.

Wir planen mit möglichst vielen Menschen diesem Prozeß beizuwohnen und rufen
alle Aktivisten, welche im Einzugsgebiet von Hannover wohnen am Mittwoch
Morgen ihre Solidarität dadurch zum Ausdruck zu bringen, unserem Beispiel zu
folgen.

Solidarische Grüße


http://www.abschiebemaschinerie-stoppen.de/libasoli/002.htm

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Der Teufel steckt in der Datei
Zumindest in dieser hier:

http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/74108&words=Was%20war%20wird

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Dienstag, 13. Juni 2006
Trauer für einen Großen
Györgi Ligeti ist tot.Danke, lieber Györgi, für Deine zwölf- bis atonale Musik, danke für Lux Aeterna und Le Grand Macabre!

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Sonntag, 11. Juni 2006
Im Geist der Offensive?
Folgender Beitrag erschien in der Jungen Welt zum Thema NATO_Auslandseinsätze:


NATO stürmt voran
Militärallianz will künftig zwei große und sechs kleine Kriege gleichzeitig
führen – auch mit Wehrpflichtigen
Rainer Rupp

Bis zu 300000 Soldaten will die NATO künftig gleichzeitig in Kriege schicken.
Dabei will die Allianz bis zu acht Kampfeinsätze parallel führen können –
rund um die Welt. Das beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses am
Donnerstag in Brüssel, wo sie entsprechende Richtlinien für die militärische
Planung verabschiedeten.

Den Plänen zufolge will die Allianz künftig imstande sein, parallel zwei
größere Kampfeinsätze mit jeweils bis zu 60000 Soldaten und sechs weitere,
kleinere »Missionen« mit jeweils bis zu 30000 Soldaten durchzuführen. Nach
Auskunft der NATO sind diese Vorhaben schon dadurch gedeckt, daß die
Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsplanung zusammen 1,4 Millionen Soldaten
angemeldet haben. Mit dem Beschluß seiner Kollegen wäre
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seinem Ziel, für US-Interessen mehr
Truppen aus Europa rund um die Welt einzubinden, einen wesentlichen Schritt
näher gekommen. Weil aber nur ein Bruchteil der geplanten NATO-Streitmacht
mit Berufssoldaten abgedeckt werden kann, bedeuten die Pläne auch, daß
künftig auch wehrpflichtige Soldaten aus Europa für das transatlantische
Bündnis in gefährliche Kampfeinsätze geschickt werden.

Bei ihrem Treffen in Brüssel forderten die NATO-Minister zudem, die
Rüstungshaushalte auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
erhöhen. Der deutsche Militäretat liegt laut NATO-Angaben derzeit bei etwa
1,6 Prozent. Eine Aufstockung auf die geforderte Rate würde allein in
Deutschland fast neun Milliarden Euro jährlich mehr verschlingen. So äußerte
sich der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon mal
dahingehend, daß die Bundesregierung mittelfristig wieder »etwas mehr Mittel
für den Verteidigungsetat vorsehen« müsse.

Derweil unterstrich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die
Entschlossenheit des Bündnisses, seinen Einsatz in Afghanistan trotz
zunehmender Sicherheitsrisiken bis spätestens November auf ganz Afghanistan
auszudehnen, den gefährlichen Süden und Osten des Landes eingeschlossen. Jung
zeigte sich besorgt darüber, daß es in diesem Jahr bereits so viele Anschläge
gegeben habe wie im gesamten Vorjahr. Dennoch betonte er: »Wir haben jetzt
die Aufgabe, Gesamtafghanistan zu stabilisieren«. Deshalb hatte er sich wohl
dafür eingesetzt, daß deutschen Soldaten bei Bedarf kurzfristig auch
außerhalb ihres Einsatzgebietes im derzeit noch ruhigen Norden und in der
Hauptstadt Kabul in den Süden und Osten des Landes entsandt werden können.

In einer ersten Reaktion auf das NATO-Treffen erklärte Paul Schäfer,
verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, »die
Eskalation der Gewalt in Afghanistan« habe gezeigt, daß das Einsatzkonzept
der NATO »gescheitert« sei. Die weitere Ausweitung des Truppeneinsatzes führe
nur zu weiteren Opfern unter der Bevölkerung. Dies habe auch »das US-Massaker
in Haditha im Irak gezeigt«. Statt dessen fordert die Linksfraktion den
»sofortigen Abzug der deutschen ISAF-Einheiten aus Afghanistan«.

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Samstag, 10. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus –eine Gesamtschau
Vorbemerkung: Wenn hier von Neoliberalismus die Rede ist, dann ist dieser Begriff so gemeint, wie er von entwicklungspolitischen Arbeitskreisen und Zusammenhängen verwendet wird. In diesem Sinne ist Neoliberalismus die Bezeichnung für eine Wirtschaftsweise, Entwicklungs- und Sozialpolitik, die auf den Modellen der Chikago Boys basiert. Nicht gemeint ist hingegen Neoliberalismus als Strömung innerhalb liberaler politischer Philosophie. Insofern braucht sich auch kein mitlesender Liberaler einen Schuh anzuziehen.


Insgesamt gesehen können die 60er Jahre als die Dekade der Entwicklung betrachtet werden. Aus den antikolonialen Befreiungskämpfen waren junge Nationalstaaten hervorgegangen, die innerhalb des Koordinatensystems des Kalten Krieges bei gleichzeitiger friedlicher Koexistenz einerseits und des gewaltigen Reichtumsgefälles zwischen Nord und Süd und den fortbestehenden postkolonialen Abhängigkeiten (Dependenzen) andererseits ihren Weg suchten. Der Westen verfolgte zu dieser Zeit eine im Großen und ganzen keynesianisch inspiririerte Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auch maßstabgebend für den Umgang mit der nun so genannten Dritten Welt wurde, man könnte auch sagen, das in Europa erfolgreiche Konzept des Marshallplans wurde auf den Umgang mit der Dritten Welt übertragen. Die Weltbank finanzierte gewaltige Industrialisierungsprojekte, und insgesamt hoffte man im Westen, auf diese Weise möglichst viele Staaten dazu zu bringen, sich für den westlichen way of life zu entscheiden. In gleicher Weise verfuhr die Sowjetunion mit den sozialistisch ausgerichteten jungen Nationalstaaten Nordafrikas sowie Kuba und Venezuela. Entwicklungspolitik erfolgte grundsätzlich nicht aus humanitären Erwägungen, sondern aus wirtschaftlichem Interesse: Der Norden brauchte die Rohstoffe des Südens, umgekehrt sollte der Süden durch Entwicklung als Absatzmarkt für die Produkte des Nordens inwertgesetzt werden; später kam die Funktion der „verlängerten Werkbank“, d.h. der Billiglohnproduktion hinzu.

Der Ost-West-Dualismus (mit dem damals ultralinks, zugleich antisowjetisch und antiwestlich ausgerichteten China war es eigentlich ein Trialismus) bot für die Länder des Trikont (die drei Kontinente Südamerika, Afrika und Asien südlich der Sowjetunion/Chinas) eine gewisse Bandbreite an politischen Entwicklungsoptionen, die auch wahrgenommen wurden. Man kann sagen, dass die Modelle westlicher Kapitalismus und östlicher Staatssozialismus wetteifernde Angebote waren, manche Entwicklungsländer kombinierten auch beides zu einem Dritten Weg (Nasserismus, Destour-Sozialismus, Afrikanischer Sozialismus nach Nkrumah) oder suchten völlig eigene Wege, so Nyurere in Tansania oder später dann Thomas Sankara, der Liebling des jungen Afrika, der ermordet wurde, nachdem er in Burkina Faso die Privilegien der Staatsbediensteten abgeschafft hatte und die Dienstwagen der Regierungsmitglieder durch Renault R5 und Fahrräder ersetzte. Ganz dreist trieb es Maltas Dom Mintoff, der abwechselnd mit der Sowjetunion, den USA, China und Libyen sympathisierte –jeder dieser Mächte musste in Malta irgendetwas bauen, sei es eine Raffinerie, Krankenhäuser, ein Containerterminal, was gerade gebraucht wurde, hatte man das, suchte man sich einen neuen politischen –ismus als Investor.


Von westlicher Seite lag das Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit natürlich in erster Linie darin, die kolonialen Ausbeutungsstrukturen in gemilderter Form fortzusetzen, sich schrittweise die neuen Ansatzmärkte auszubauen, gegenüber der Sowjetunion Containment zu betreiben und generell ein informal empire aufrechtzuerhalten. Das aber ging gründlich schief.


Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.

So, aus Gründen der Lesbarkeit hier einen Gap, es geht bald weiter.

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Tabellenstand
Deutschland - Costa Rica 4 : 2, Ecuador - Polen 2 : 0, Afghanistan - Afghanistan 186 : 171, Irak - Irak 864 : 712 ....

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Freitag, 9. Juni 2006
WM einmal anders
an der Spitze liegen die Schweiz, Schweden, die Niederlande sowie Trinidad und Tobago. Sicher, die Rede ist von der Fussballweltmeisterschaft, die die FIFA organisiert. Doch die Bewertung bezieht sich nicht auf die Spielstärke der entsandten Mannschaften, sondern auf den Platz in der Rangliste der Medienfreiheit, die die regierungsunabhängige Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) zusammen mit ihren internationalen Partnerorganisationen erarbeitet hat.

ROG ist Fragen nachgegangen wie: Können Journalisten in Brasilien ungehindert arbeiten? Wird in Ghana zensiert? Ist in Japan Quellenschutz ein Thema? Dabei hat "Reporter ohne Grenzen" aufgelistet, wie es um die Presse- und Meinungsfreiheit in den Heimatländern der 32 Fußballteams steht, die um den WM-Titel kicken. Unter http://www.reporter-ohne-grenzen.de/fussball-wm.html steht, wer in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit schon jetzt in der Endrunde ist, wer auf den Verfolgerplätzen und wer die Gelbe und die Rote Karte kriegt. Die Bundesrepublik Deutschland liegt übrigens (auch hier?) nur im Mittelfeld.

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DIE WM IST KLASSE!
Heute abend, 18 Uhr, gehe ich ins Schwimmbad. Während andere Deutschland vs. Cots Rica glotzen, bin ich selbst sportlich und freue mich darauf, hinterher die Sauna wahrscheinlich für mich allein zu haben. Geil! Von mir aus könnte immer WM sein ;-)

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Karte der Schande
http://artur.blogger.de/stories/472727/

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Nochmal was zu den Landlosen Brasiliens
gibt es hier:

http://gebloggtewelten.wordpress.com/2006/06/09/body-count/

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Botschafter von Zamonien kommt nach Berlin
Was zwar Blödsinn ist, aber ich lastete gerade das hier:

http://zuender.zeit.de/2006/04/laudatio

und muss sagen "volle Zustimmung". Ach ja, und natürlich sind noch ganz groß: Jean-Marc Reiser, nach dem in Strasbourg sogar eine Straße benannt ist, Franquin und Miguelanxo Prado. Weltklassecomics, die für mich ebenso zur wichtigen Literatur gehören wie Mann, Heine oder Brecht.

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Mal wieder deutscher Behördenalltagsrassismus
Aus der FAZ:

FAZ 02. Juni 2006
Es war Vesnas elfter Geburtstag, als ihr Vater nach Serbien abgeschoben wurde. Ein Fest mit Kuchen und ihren Freundinnen aus der fünften Klasse hatte er ihr versprochen. Aber dieses Mal kam er nicht zurück von seinem Termin bei der Ausländerbehörde. Sie sah ihn noch ein einziges Mal: Am Flughafen, durch eine Glasscheibe.

Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen. Nur selten ist ihr Vater am anderen Ende der Leitung, wenn das Telefon klingelt. „Auslandsgespräche sind teuer in Serbien. Und er hat keine Arbeit“, sagt sie, und ihre Mundwinkel zucken. Das Mädchen sitzt neben ihrer Schwester Semra und der Mutter auf dem Sofa und malt mit Lineal und Bleistift Dreiecke in ihr Mathematikheft. Auf ihrer Gürtelschnalle glitzert ein Schmetterling. Sie ist ein hübsches Mädchen, das die dunklen Augen der Mutter hat und älter wirkt, als es ist.

„In Serbien haben sie keine Wurzeln“

Abitur wie Semra, die in Düsseldorf die 12. Klasse besucht, will Vesna einmal machen. Die deutschen Behörden haben anderes im Sinn. Die Idics sollen Deutschland verlassen. Nach Serbien, wo der heraufziehende Bürgerkrieg der Roma-Familie vor 17 Jahren das Leben unmöglich machte. Seit ihr Vater weg ist, gewährt die St. Lambertus-Gemeinde in der Düsseldorfer Altstadt der Familie Kirchenasyl. Die Wohnung ist einfach, aber gemütlich. Draußen fließt der Rhein.

„Wir wollen die Ausländerbehörde zum Nachdenken bewegen“, sagt Rolf Steinhäuser. Er ist Stadtdechant von Düsseldorf. „Für die Kinder ist unser Land ihre Heimat. In Serbien haben sie keine Wurzeln.“

Der Behörde sei das egal. Ihre oberste Handlungsmaxime ist ein Gesetz, in dem es ihrer Ansicht nach keinen Paragraphen gibt, der Familie Idic die Aufenthaltserlaubnis gewähren könnte. Im Einzelfall möge das hart wirken, heißt es aus der Ausländerbehörde, aber so seien nun mal die Regeln. Ist, wie bei den Idics, die Duldung in Deutschland abgelaufen und verlassen die Betroffenen das Land nicht freiwillig, wird die Abschiebung eingeleitet. „Das geht automatisch“, sagt Semra.

Hoffen auf die Härtefallkommission

Nach der Abschiebung ihres Vaters hat sie die Behördengänge übernommen. Wie Jonglierbälle wirft die 17 Jahre alte Schülerin Paragraphen des Aufenthaltsgesetzes und Begriffe wie Duldungserlaß, Integrationsfaktor und Abschiebungshindernis in die Luft und fängt sie wieder auf. „Unsere einzige Hoffnung ist die Härtefallkommission“, sagt sie.

Im Jahr 1996 richtete das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen das unabhängige Gremium ein. Mit dem Zuwanderungsgesetz Anfang 2005 erhielt die Kommission ihre bundesgesetzliche Grundlage. Nach Prüfung des Einzelfalls kann sie der Ausländerbehörde empfehlen, eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, auch wenn das Gesetz das Gegenteil sagt. Im April reichte Jens Dieckmann, der Anwalt der Familie, einen Antrag ein. „Vor allem die Kinder haben in den vergangenen 17 Jahren ausgeschöpft, was sich ihnen an Integrationsmöglichkeiten bot.“

Zwei Monate war Semra alt, als sie nach Deutschland kam. Merima, Vesna und Edijan, der Jüngste, wurden in Düsseldorf geboren. Im Sommer soll der Junge eingeschult werden, sagt Frau Idic und versucht zu lächeln. Die Anspannung der vergangenen Wochen sieht man ihr an. Die schmale Frau will alles richtig machen. Fröhlich sein mit ihren Kindern, dankbar gegenüber Helfern und einen guten Eindruck hinterlassen bei den Behörden. Bemüht sie sich besonders, holpern ihre Sätze, und Semra übernimmt das Wort.

Serbisch haben die Kinder nie gelernt

Anfangs habe sie nur darauf gewartet, endlich nach Serbien zurückkehren zu können, sagt sie. Zwanzig Jahre war Frau Idic damals alt. Dann kamen die Kinder in den Kindergarten. Irgendwann sprachen sie nur noch Deutsch. Serbisch haben die Kinder nie gelernt.

Herr Idic, der in Serbien als Musiker gearbeitet hat, wurde Mitglied in einem Düsseldorfer Karnevalsverein. Am Rosenmontag standen Frau Idic und die Kinder stets am Straßenrand und winkten, wenn er in gelber Uniform auf dem Karnevalswagen vorbeifuhr. Merima und Vesna spielten in der Schule Theater. Semra gab in ihrer Freizeit bei der Caritas kostenlos Nachhilfestunden und engagierte sich bei einem Projekt, das sich dem Schicksal von Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus widmete. Zweimal wurde ihr nach einem Schülerpraktikum ein Ausbildungsplatz angeboten. Sie lehnte ab. Semra will Wirtschaft studieren. Den Sprung auf den gymnasialen Zweig ihrer Schule schaffte sie vor einem Jahr.

In der Abwärtsspirale

Anders als so viele in Deutschland geduldete Flüchtlinge arbeitete das Ehepaar nicht schwarz, sondern kämpfte erfolgreich um eine Arbeitserlaubnis: Das Gesetz sieht vor, daß Menschen mit dem Status der Duldung nur dann eine Arbeitsstelle in Deutschland annehmen dürfen, wenn der Arbeitgeber sich für sie einsetzt und es keinen Deutschen oder EU-Bürger gibt, dem die Stelle vermittelt werden kann. Das Ehepaar überwand beide Hürden. Herr Idic arbeitete bei einer Sicherheitsfirma am Flughafen, Frau Idic als Zimmermädchen in einem Hotel. Die Familie hatte eine hübsche Wohnung, ein Auto und war krankenversichert. Dann gerieten die Idics in eine Abwärtsspirale.

Herr Idic erkrankte psychisch, konnte nicht mehr arbeiten. „Für ihn war das der Fallstrick“, sagt Jens Dieckmann. „Wenn es um Abschiebung geht, wird der Grad der Integration auch an der wirtschaftlichen Einbindung der Menschen bemessen.“ Wenig später, im September 2002, schloß Deutschland mit Serbien-Montenegro ein Rückführungsabkommen. Die politische Situation in Serbien sei stabil und eine Rückkehr der etwa 200.000 in Deutschland lebenden Flüchtlinge möglich. Nach dreizehneinhalb Jahren hob das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen den Erlaß für ihre Duldung auf.

Nach geltendem Aufenthaltsgesetz hätte Familie Idic sich nun einen gültigen Paß besorgen müssen und ein Flugticket nach Belgrad. Die Idics weigerten sich. Sie versuchten einfach weiterzuleben, so wie bisher. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Nach dem neuen Paragraphen 25 des Aufenthaltsgesetzes kann die Duldung nach 18 Monaten in eine Aufenthaltserlaubnis umgewandelt werden, wenn der Betroffene seine Ausreise nicht selbst behindert. Um die Familie zu einer Rückkehr zu bewegen, wurde die Arbeitserlaubnis von Frau Idic nicht verlängert.

Aus Verzweiflung wird Wut

Die Roma-Familie zog in ein Asylbewerberheim. Das Geld vom Sozialamt reichte nicht mehr für die Miete. „Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben wir uns wie Flüchtlinge gefühlt“, sagt Semra. Immer öfter schlug die Verzweiflung des Vaters bei Besuchen in der Ausländerbehörde in Wut um.

Freunde und Bekannte reichten Petitionen ein, demonstrierten für ihr Bleiberecht. „Die Familie klammerte sich an jeden Strohhalm, der sich bot. Nicht immer war das richtig“, sagt Anwalt Dieckmann. Eine Lehrerin von Semra schrieb an den Petitionsausschuß und an die Härtefallkommission. Beide Stellen wiesen die Anträge ab, weil sie sich nicht zuständig fühlten.

Der Briefwechsel von Familie Idic mit Ämtern und Behörden füllt zwei Leitz-Ordner in Jens Dieckmanns Anwaltskanzlei. Er hält die Abschiebung der Kinder wegen ihrer hohen Integration für nicht vertretbar. „In Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention steht geschrieben, daß jede Person das Recht auf die Achtung ihres Privat- und Familienlebens hat. Alle Freundschaften, die die Kinder jemals geschlossen haben, sind in Deutschland.“

Ein neuer Anfang in Bujanovac?

Mit derselben Begründung setzte das Oberste Verwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz im Februar die Abschiebung von zwei Jugendlichen nach Kosovo aus. Ob das Urteil Schule machen wird, könnte sich im Fall von Familie Idic zeigen. Anfang Juni entscheidet die Kommission über ihren Antrag. Bis dahin wurde die Duldung verlängert. „Wir haben Angst, daß uns das gleiche passiert wie Papa“, sagt Semra. An Tagen, an denen der Anwalt die Familie nicht zur Ausländerbehörde begleiten kann, kommen Arbeitskollegen, Nachbarn oder Eltern von Schulfreunden mit.

Bujanovac heißt der Ort, in dem Familie Idic einst lebte und in den sie nun zurückkehren soll. Ein ärmliches Dorf in Südserbien, wo die Roma und Albaner ihre Häuser auf der einen, die Serben auf der anderen Straßenseite bauen. Im Wind flattert Wäsche. Herr Idic steht vor dem Haus, das er und seine Frau vor 14 Jahren verließen. Strom und Wasser gibt es nicht mehr; die Löcher im Dach sind mit einer Plastikplane gestopft. Bilder, die ein Freund gedreht hat. „Meine Mädchen müßten hier ganz von vorne anfangen“, sagt Herr Idic in die Kamera.

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Freitag, 9. Juni 2006
Die Blödheit meiner Feinde2
Nachdem ich gerade die üblichen Trolle und den Sondertroll Gandalf gelöscht sowie einem Hacker aus einem ganz speziellen Freiburger Sumpf Ärger verschafft habe, weise ich auch noch darauf hin, dass ich in keiner Weise mit dem Göttinger Politikwissenschaftler identisch bin, für den wiederum andere Seltsame mich halten und über diesen auch nie etwas gepostet habe. Mal so am Rande.

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Pro und Anti
Ich will mal was los werden: Diese Pro- und Anti-Zuweisungen gehen mir dermaßen was von auf den Sender. Wer für den Menschenschlächter Milosevic ist, ist nicht proserbisch; im Gegenteil beleidigt er damit Teile des serbischen Volkes. Wer gegen die Bush-Politik oder den US-Imperialismus an sich ist, ist nicht antiamerikanisch, sondern kritisiert eine bestimmte Politik oder Wirtschaftsweise (Antiamerikanismus würde ja voraussetzen, gegen US-Amerikaner als Solche zu sein, ein ungeheuer bunt und vielschichtig zusammengesetztes Volk, genaugenommen eine Völkerfamilie in einer Nation). Überhaupt sind Nationalstaaten oder Völker immer weniger politische Subjekte, wer in solchen Kategorien denkt, nähert sich mit beachtlichenm Tempo dem Müllhaufen der Geschichte.

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Kandahar ist San Francisco
Oder auch:

Hey, Mr. Taliban, tally me Bin Laden, is groovy, ey!

Unglaublich: Mit der Begründung, der gewohnheitsmäßige sexuelle Mißbrauch von Untergebenen durch afghanische Militärkommandanten in Kandahar sei ein Indiz dafür, dass von Verfolgung Schwuler in Afghanistan nicht mehr die Rede sein könne, will ein deutsches Gericht einen schwulen afghanischen Hindu abschieben. Und dann wird auch mal locker Kandahar mir San Franzisco verglichen. So etwas darf Recht sprechen in Deutschland, da graust es doch einer Sau....

Ach ja: Solidarität mit Ashwani, für das Recht aller Menschen auf Selbstbestimmung über Körper und Lebensform!



http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/hintergrund/?em_cnt=900057

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Mittwoch, 7. Juni 2006
Ach(madinedschad), noch mal was zum (U)Iran
Die Sache mit der Urananreicherung in Russland finde ich lustig. Das Angebot soll ja darauf hinaus laufen, das Iran die Atomenergie nur friedlich nutzen kann, da das Land über keinen Brennstoffkreislauf verfügen soll. Also wenn Urananreicherung außerhalb des Iran dann Iran keine A-Bombengefahr. Wie gesagt, putzige Idee. Denn was wird aus angereichertem Uran, wenn es sich einige Jahre in einem aktiven Reaktor befindet? Hauptspaltprodukt ist Plutonium, das viel schönere Bomben hergibt.

Wie beruhigend, dass die internationale Diplomatie nichts von Physik versteht.


Das heißt nicht, dass ich einem Militärschlag gegen den Iran das Wort reden will (warum spricht eigentlich niemand von einem Öl- und Waffenembargo oder davon, iranische Konten einzufrieren? Zur Schwächung des heroisch kriegsgeil säbelrasselnden Präsidenten wahrscheinlich wirksamer als eine Kriegsdrohung), nur muss Eines unmissverständlich klar sein: Wenn man gegen Atomenergie in Deutschland ist, kann man nicht das Recht des Iran auf ihre friedliche Nutzung verteidigen. Wenn man den Standpunkt vertritt, dass es aus naheliegenden physikalischen Gründen keine ausschließliche zivile Nutzungsmöglichkeit ohne Mißbrauchsgefahr gibt, dann gilt das immer und überall. Gegen militärische Aggression und gegen die imperialistische Grundausrichtung der USA sein, heißt nicht, für den wirren Präsidenten des Iran Partei zu ergreifen. Die Der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund-Logik ist ein geistiger Hilter-Stalin-Pakt, den kein linker oder aufgeklärter Mensch unterschreiben darf.

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Hoch die internationale Volksrandale!
Heute kämpfen in Brasilia landlose Bauern um ihre Rechte. Es wird höchste Zeit, dass die Boias Frias, die Kalten Töpfe, wie man sie aus gutem Grunde nennt, sie bekommen.

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Dienstag, 6. Juni 2006
Heute in Südamerika
In Peru hat Alan Garcia gewonnen. Dieser hatte in seiner ersten Amtszeit fürchterliche Misswirtschaft zu verantworten, aber vielleicht macht er ja was aus seiner zweiten Chance. Der Rechten ist er allemal vorzuziehen, vielleicht auch besser als der populäre, aber schwer zu berechnende Humala. In Chile wagen Schüler den Riot. Ihre zentralen Forderungen sind eine Bildungsreform (das Schulsystem stammt noch aus der faschistischen Pinochet-Diktatur) und kostenlose Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.

Estoy con usted -la solidaridad es un arma!

http://www.swissinfo.org/ger/international/ticker/detail/Polizei_loest_Schuelerproteste_in_Chile_mit_Traenengas_auf.html?siteSect=143&sid=6765470&cKey=1149049579000

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