Montag, 20. Januar 2014
Zur Eskalation der Demos in Hamburg - gegen die Verdrehungen der Mehrheitspresse
Ein paar Dinge will ich vorausschicken: Ich finde es weder witzig noch angemessen noch legitime Gegenwehr, Böller in Mannschaftswannen zu schmeißen und halte die ganze Eskalation da in Hamburg für äußerst kontraproduktiv. Die Frage stellt sich auch, inweieweit reine Riothools überhaupt als Autonome im Sinne der autonomen Bewegung bezeichnet werden können. Nur melden sich da bei meiner Informationslage deutliche Zweifel an der sehr polizeisprecherkonformen Berichterstattung der meisten Massenmedien an. Aus der Sichtweise von Leuten, die dabeigewesen sind - ich war es nicht - kommt das jedenfalls deutlich anders rüber:


http://benjaminlaufer.wordpress.com/2013/12/22/medienberichte-und-realitat-hh2112/

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Auf publikative.org gab es ja schon sehr gute Analysen des ganzen. Dicke Empfehlung.

Man muss da ganz genau hinschauen, was da jetzt speziell hamburgisch ist, was spezielle Sozenpolitik und was eigentlich die Linken wollen.

Letzteres kapiere ich nicht wirklich. Um die Flora selbst gibt es eigentlich keine Debatten. Alle anderen Themen wie Bleiberecht, Gentrifizierung etc. kann man natürlich militant angehen wenn man das will. Wozu man sich allerdings auf der Straße dazu einlässt und dort mit den Bullen spielt, die das ja nur wollen? Das ist mir schleierhaft.

Speziell hamburgisch ist die Polizeiführung, die aus unter Schill geförderten Beamten besteht. Die wollen die Eskalation immer und grundsätzlich. (Was die Frage nicht beantwortet, warum man denen ins offene Messer laufen muss …)

Ins momentane sozialdemokratische Muster passt die ganze Nummer gewaltig, Innensenator Neumanns Politik ist deckungsgleich mit der von Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger. Die Sozen wollen als innenpolitische Hardliner die CDU überholen, das scheint mir ganz offensichtlich und wird ja auch in der Presse so gesehen. Ganz gewiss, weil das der einzige Punkt ist, an dem sie rechts punkten können. Die innere Sicherheit gilt immernoch als CDU-Thema. Und nicht vergessen: Wann immer Rechtspopulisten Eerfolge feiern konnten, kamen die Stimmen zu hohen Anteilen von der SPD-Wählerschaft. Parteipolitisch nachvollziehbar, dass die Sozen hier punkten wollen.

Gossenjournaille, konservative Presse, Bullengewerkschaften und Sozen spielten sich jedenfalls nach der Demo und dem angeblichen Angriff auf die Davidwache einige Zeit ziemlich geschickt die Bälle zu.

Der Plan von Sozen und Bullen geht nur nicht so recht auf, weil sie alle miteinander zu schlecht lügen und weil das Gefahrengebiet total nach hinten losgegangen ist.
Deshalb dreht sich hier auch der Wind.

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Es ist ja auch bemerkenswert, dass der anfangs belächelte kreative Protest a) gravierender und b) sehr fix die (zunächst "unbestimmte" und auf längere Zeit ausgerichte, von Neumann bejubeltete) Einrichtung von "Gefahrengebieten" nicht nur komplett (bundesweit!) lächerlich machte, sondern auch die schillsche Polizeiführung einknicken ließ.

Davor hatten sie nämlich wirklich Angst: Jede Woche neue Demonstrationen, und immer größere Teile der Bildungsbürgertums bzw. von linken Normalos schließen sich an.

Die Hamburger Polizeiführung hat sich am Ende regelrecht in die Hosen gekackt. Und zwar, um das nochmal deutlich zu machen, nicht wegen militanter Hools, sondern wegen Club-Mate-Trinkern, die Klobürsten schwingen, und Frauen mit Kinderwagen, deren Kinder Klobürsten schwingen.

Schade, eigentlich. Dass der Spaß jetzt schon vorbei ist.

;-)

Dieses supererfolgreiche (!) Projekt zur Stärkung der linken Szene in Hamburg, das verlief ja nun wirklich echt prima - und hätte meiner Meinung nach noch ein Weilchen fortgesetzt werden können. Wäre das schön gewesen: Noch ein paar Wochen zwei Mal die Woche Demos gegen die Gefahrengebiete, immer wieder neue Lügen der Polzeiführung etc pp. Leider kam es nun anders. So wird vermutlich die Demo am 25. Januar den Abschluss der Demo-Serie bilden.

Im Übrigen spielt auch eine Rolle, dass die verheizten Polizisten zunehmend weniger Spaß daran fanden, ausgerechnet die einheimische Bevölkerung und dort auch noch Leute, die sie eigentlich sympathisch finden, zu verprügeln bzw. (z.B. mit willkürlichen Platzverweisen) zu schikanieren.

Wenn es darum geht, zugereiste Hools zu vertrimmen, spielt das keine Rolle. Aber du kannst noch so dick gepanzert sein, wenn du einige Dutzend Mal am Tag hörst "Schämt euch!" und du dich dann wirklich schämst, u.a. für deine Polizeiführung, dann nagt das. Und zwar ziemlich.

Die Strategie der Polizeiführung, die Bürger in Hamburg von der Teilnahme an Demos abzuschrecken, ist sehr gründlich in die Hose gegangen.

Ich würde, was diesen Punkt betrifft, sogar von einem eindeutigen "Sieg" der linken Szene in Hamburg sprechen. Vergleichbar mit einer 15 zu 1-Klatsche, nach einem anfänglichn 0 zu 1-Rückstand.

So in etwa. Auch Neumann dürfte einigen Kredit verpielt haben. Übrigens auch in der bürgerlichen Presse. Der wird sich beim nächsten Mal vielleicht schon überlegen, ob er wieder zündeln mag. Ist ja nicht so, dass Scholz nicht merkt, wie Neumann und die Aktivitäten der Polizeiführung in der Bevölkerung ankamen. Wenn der Anteil der SPD-Wähler in den Gefahrengebieten massiv sinkt (und genau das ist der Effekt), dann kann man noch so erfolgreich dabei sein, im brüderlichen Bunde mit der Rechtspresse, Polizeischikanen als "Schutz der Anwohner" hochzulügen, was angeblich "allgemein" auf Zustimmung stieße.

Es funktioniert nur nicht. Aber sowas von!

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Nochmal zu den verlinkten Videos, Nachtrag:

Beim Video 9/9 sieht man an Stelle 1:02, wie - nach dem offenen Ausbruch der Gewalttätigkeiten! - ein Flaschensammler mitten durch die Stein- (etc.)-Würfe läuft, um (ausgerechnet in dieser Situation) dort Flaschen zu sammeln...

Die Flaschensammlerkonkurrenz (ist wirklich so) ist sogar schon bei derartigen Demos enorm. Wirklich wahr.

Okay, das ist jetzt vermutlich nur für Leute wie mich interessant. Spannernder ist die Stelle 1:45, wo zwei 50er Polizeizüge in die Demonstration (genauer: einer feigen Gruppe von rund 20 Hools) hinterher rennen.

Spannend ist diese Szene aus zwei Gründen:

Erstens: Die 20 Hools verhalten sich durchaus versiert, sind aber in Aufmachung nur "ähnlich" - und haben mit dem schwarzen Block der Demo nicht den gerinsten Connect.

Ich halte das für eine sehr wichtige Feststellung. Was genau waren das für Leute? Und warum warfen sie überwiegend so, dass deren Würfe nicht etwa auf die Polizisten gingen, sondern im Schnitt 3 Meter vor (!) den Polizisten zu Boden gingen?

Welcher Logik folgt das genau?

Zweitens: Teil dieser beiden 50er-Pulks (von Polizisten) waren exakt 10 Polizeifilmer/fotografen!!

Das zeigt, in welchem Ausmaß die Polizei hier als politische Gruppierung aufgetreten ist. Die hier gemachten Bilder wurden anschließend dem Innenausschuss (u.a.) vorgeführt.

Schon erstaunlich, nicht nur die schiere Anzahl: Offenbar wussten die 10 Polizeifilmer/fotografen ganz genau, dass an dieser Stelle die passenden Bilder zu machen sind. Ich will das jetzt nicht verschwörologisch aufblasen, aber an keiner Stelle der Demo kam es ansonsten zu einem derartig konzertierten (!) und hochkonzentrierten (!) Einsatz von Polizeiflmern und -fotografen.

Das kann sich in dieser Form nur absichtsvoll ergebven haben. An Stelle von Innenpolitikern würde ich diesen Teil des Einsatzes (immerhin bedarf es einiger Vorbereitung, um fast die Hälfte aller Polizeifilmer/fotografen auf einen Haufen zu bekommen) gezielt erfragen, was davon von der Polizeiführung a) geplant war und b) wie es zu diesem bizarren Einsatzdetail kommen konnte.

Vielleicht war sogar die ganze Situation an dieser Stelle eigens arrangiert. Und zwar inklusive der 20, vom autonomen Block völlig losgelösten, Hools.

Jedenfalls sieht das sehr danach aus. Wenn sich dieser Verdacht bestätigen lässt, dann ist das ein handfester Polizeiskandal.

Und zwar ein sehr fetter.

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Ich hatte ja schon bei dem einen oder anderen autonomen Streetfighter-Pamphlet den Verdacht, dass da der Schülerpraktikant vom Staatsschutz in die Tasten greifen durfte.


Aber das ist Spekulatius.
Wirklich beunruhigend ist in der Tat, wie die Polizei als politischer Akteur mit eigener Agenda auftritt. Das ist extrem gefährlich.
Auch hier kann man wieder NRW neben HH nennen. Ich empfehle, sich mal die Debatten rund im die "Gewalt in Stadien" anzutun. Dieselben Akteure, dieselben Argumente, dieselben politischen Ziele.

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Fortwirkende Erinnerung: Wackersdorf Recall in St.Pauli
Das ist nun wirklich sehr lange her, aber ein absolut prägendes Ereignis war da für mich 1986 die Pfingstdemo in Wackersdorf, nach Tschernobyl. Da standen ganz am Beginn der Veranstaltung zwei Bullenwannen, diese 16-Leute-Busse, quer zum Ende einer Waldschneise, davor waren die Kameras aller Fernsehsender aufgebaut. Im Verlauf der Demo kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, ganz andere Dimensionen, als wir sie heute kennen. Im Schwarzen Block (der komplett behelmt war) war die erste Reihe mit Vierkanthölzern, Axtstielen usw. ausgerüstet, hintere Reihen hatten lange Holzstangen, sozusagen stumpfe Speere zum Nachstoßen. Da wurden auch nicht einfach Böller geworfen, sondern Feuerwerksraketen wie Panzerfäuste von Stöcken über der Schulter abgefeuert. Ich kann aber gar nicht sagen, wer mit der Gewalt angefangen hat -tendenziell würde ich eher denken, die Bullen. Da kamen Puma-Helikopter des BGS an, die Tränengaspetarden wie Bomber in die Menge warfen, Erna Sielka wurde dabei getötet. Wasserwerfer spritzten Wasser "mit Geschmack" (CS-Gas) in die Bäume, um einen vernichtenden Nebel zu bilden, und die Konzentration war so stark, dass Nadeln und Rinde von den Bäumen herunterkamen. Die Menschenmenge wurde die Schneise heruntergehetzt, in Panik, Verzweiflung, purer Angst ums Überleben. Und da standen nun seit einem halben Tag diese Wannen einfach mitten im Weg - und wurden umgeschmissen. Die Fernsehteams waren entzückt. Television Children fed, wie Jim Morrison zu Vietnam sang. Die perfekte Inszenierung. Die Blaupause.

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Zu diesem Verdacht passt jedenfalls auch das Video 7/9 das sehr beeindruckend vorführt, wie die Hamburger Polizei (von dem angeblich so "überlegten" Herrn Born orchestriert) sich selbst die Einsatzgrundlagen verschafft.

Eine echte Unverschämtheit, wie hier zwei Provokationszüge der Polizei in die Demo nach Art von Schulhofvölkerschlachten (allerdings doch etwas brutaler prügelnd) in eine bis dahin überwiegend friedliche (und vor allem: locker beherrschbare) Demo hinein rennen, einfach mal grundlos auf Demonstranten einprügeln.

Das ist aus zwei Gründen unverschämt:

Erstens: Wenn der schwarze Block Bock auf sowas gehabt hätte, wäre es in dieser Situation ein Leichtes gewesen, diese Polizeigruppe einzukesseln (Kessel mal anders...) und anschließend diese leichtsinnigen Provobullen sogar zu Tode zu steinigen. Das ist nicht passiert, aber es hätte passieren können, jedenfalls, wenn der schwarze Block so gewaltbereit und menschenverachtend gewesen wäre, wie es die Polizeiführung immer gerne behauptet. Menschenverachtend waren in dieser Situation allerdings die Provo-Bullen (die sich vermutlich in dieser Situation, unter scharfer Beobachtung durch Vorgesetzte, "bewähren" mussten), und noch mehr die Polizeiführung, welche eine derartig fatale Situation (inklusive aller Risiken!) gezielt herbei geführt hat.

Zweitens: Unverschämt ist das auch aus einem zweiten Grunde, der in den Überlegungen der Hamburger Polizeiführung offenkundig nur eine nachrangige Bedeutung gehabt hat:

Es menschen- und demokratiefeindlich, und auch einsatztaktisch völlig unangemessen, auf eine friedliche Menschenmenge einzuprügeln, damit diese "endlich gewalltätig" reagiert. Miese Bullenratten!

Ja genau diese Provobullen sind gemeint (nicht alle Polizisten, nicht mal die Wasserwerferbesatzungen, sogar die nehme ich da aus), welche zu allen Überfluss für die Polizeikameras eigens markiert waren, in zwei Unterteams unterteilt (einmal mit einer grünen Markierung, einmal mit einer roten), die sich offenbar beim Verprügeln friedlicher Demonstranten eine Art Wettkampf lieferten.

Im Innenausschuss spielte dieses, für die nachfolgende Eskalation äußerst bedeutende "Detail" nicht die allergeringste Roille. Und obwohl die Polizeiführung genau diese Situation (und auch den unmittelbar nachfolgenden "Fotografen/Filmteam-Einsatz") auf das Exakteste geplant hat, hielt man es nicht für nötig, weder den Innensenator (der dies politisch zu verantworten hat) noch den Innenausschuss über derlei angewandte Polizeitaktik aufzuklären.

DAS IST VERRAT!

Die Drecksäcke, welche Schill in höchste Polizeiämter gebracht hat, gehören endlich aus der Stadt gefegt.

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Wo finde ich dieses 9teilige YouTube-Video? Irgendwie bin ich zu blöd dazu. ;-)

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Die Nummer hat sich für die Hamburger Polizei absolut gelohnt. Wie der NDR heute meldet, gibt es dieses Jahr 10 Millionen mehr.

Sage noch mal einer, dass sich Gewalt nicht auszahlt!

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