Mittwoch, 20. September 2006
Was dem einen sein Jud´....
Kürzlich las ich einen Beitrag, in dem die Armenier als die "Juden des Nahen Ostens" bezeichnet wurden.
Gemeint war damit, dass die Angehörigen dieses Volkes in Byzanz, später im Osmanischen Reich, in Persien und in Mittelasien die gleiche wirtschaftliche und soziale Rolle hatten wie die Juden in Europa und auch den gleichen Verfolgungen ausgesetzt waren. Insofern stimmt die Analogie, auch insofern, als dass nach den Juden die Armenier dem zweitgrößten Genozid der Menschheitsgeschichte ausgesetzt waren und es da Parallelen und Beziehungen zur Shoah gibt. Trotzdem liest "Juden des Nahen Osten" sich putzig; immerhin liegt Israel in dieser Region. Sind dann demzufolge die Israelis die Armenier des Nahen Osten?
:-)))

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Was bin denn dann ich als armenischer Jude?

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Kannste Dir aussuchen: Kurde des Vorderen Westens (da wohnt lecker Netbitch), Negertürke des ganz Nahen Ostens (Zwischen Halle und Oschatz sind armenische Juden am Besten mit Schusswaffen unterwegs) oder Indianer des fernen Westens (Navajo sind bei Rednecks so beliebt wie na Du weißt schon). Ganz einfach gesagt: Lass uns nicht mit den Deutschen allein, stay rude, stay rebell!

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noch was
kann man mal nen thread aufmachen zu diesem »Genozid an den Armeniern«, das scheint mir eine reichlich gewagte Konstruktion zu sein, funktionert aber bisweilen als gutes konservatives bis rechtsradikales Diskursideologem, um die Türken mit einer selber nicht hinbekommenen Distanzierung zur Vergangenheit des eigenen Opas zu malträtieren.

Wäre interessant, dieses Thema mal anhand von vernünfigen Quellen zu diskutieren, Genozid setzt ja immer die Intention voraus .... Oder gibt es mittlerweile einen »unintendierten G.« oder sowas? Huch, jetzt hab ich die Palästinenser genozeniert, wollt doch nur den Jassin erwischen oder so. Heutzutage weiß mal ja nie, welche Art postmoderner Zumutung an der nächsten Straßenecke lauert. Spaß beiseite, is ein ernstes Thema.

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Was Du da schreibst sträubt mir sämtliche Nackenhaare.

Kurz und bündig, insgesamt sind 1-2 Millionen Menschen teils bei allgemeinen Massakern, überwiegend aber bei vom Enver-Pascha-Regime angeordneten Deportationen und Hungermärschen ums Leben gekommen.

Hitler bezeichnete dies als "wegweisend für die Lösung der Judenfrage". Was Du als "gewagte Konstruktion" bezeichnest, ist der neben den Killing Fields von Kambodscha, nach der Shoah und noch vor der Masservernichtung der KurdInnen größte Genozid der Neuesten Zeit.
http://www.inamo.org:8080/inamo/backlist/43
http://www.hayastan.org
http://de.wikipedia.org/wiki/Verwendung_des_Begriffs_Holocaust

http://de.wikipedia.org/wiki/Vergleichende_V%C3%B6lkermordforschung

http://www.wsws.org/de/2001/mai2001/arm1-m30_prn.html



http://www.armenien.am/thread.php?threadid=4710

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tja, mule, nicht nur die juden haben einen (geplanten, s.u.) genozid hinter sich. das mag für manch einen überraschend sein, ist aber so. 1915 sagte talaat pascha, seine regierung wolle endgültig aufräumen mit den christen. das wurde dann auch sorgsam und mit deutscher unterstützung umgesetzt.

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nanu
Ihr seid Euch da aber seltsam sicher in dieser Sache, die doch zumindest diskutiert wird (causa Gueter Lewy u.a., die gemutmaßten Manipulationen von Lepsius etc.). Im übrigen wollte ich hauptsächlich zum Ausdruck bringen, wie dieses Argument diskursstrategisch eingesetzt wird, was manchmal aufschlußreicher als die Sache selbst sein kann; an der Tatsache der Ermordung vieler Armenier scheint wenig Zweifel zu bestehen, and der Einordnung und wem das »nützt« dagegen schon:

»Man mag vom armenischen Opfergestus im Stillen denken, was man mag, und die Zahl zwei Millionen wird man sicherlich bezweifeln dürfen. (Zumal das ja in diesem Falle nicht strafbar ist.) Mir scheint aber, für Deutschland und Europa muß es vor allem darauf ankommen, wie man die historischen Ereignisse am besten verwenden kann, um Material gegen ein Eindringen der Türkei in die EU in die Hand zu bekommen. Die Armenier sind in diesem Fall unsere Verbündeten, und erfreulicherweise gibt es bekanntlich in Frankreich eine große und einflußreiche armenische Gemeinde. Im europäischen Interesse läge hier wohl ein möglichst polterndes, lautstarkes Auftreten der Türkei. Und das können Türken ja am allerbesten - ich vermute, sie werden auch hier wieder einmal über ihre eigenen Füße stolpern.«

sowas meinte ich ...
http://konjunktiv2.de/beitrag1996.html#1996
der Vogel schmückt sich auch noch mit nem Foucault-Konterfei

http://www.faz.net/s/RubCB85F279145C457C8259D20FF00682A9/Doc~E3E0055D9443C4696B61E5FE37258ABBE~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Dass dieser Völkermord zu Zwecken, die sich z.B. gegen einen türkischen EU_Beitritt richten, instrumentalisiert wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Nur ist es auch eine Tatsache, dass die türkische Staatsdoktrin des Kemalismus per se rassistisch ist (Armenier, Kurden, Lasen existieren als Völker nicht, sondern sind "Bergtürken" u.ä.).
Die These von der "Umsiedlung" der Armenier, die aufgrund fehlender Logistik mißglückte, würde ich etwa so bewerten wie die NS-Doktrin einer "Umsiedlung" der Juden - offen gesagt wurde ja auch nicht, dass diese vernichtet würden. Gouverneure und Aghas, die human mit den durch ihre Gebiete deportierte Armnenier umgingen wurden auf Anweisung Talaat Paschas durch Hardliner ersetzt. Sicher kamen zahlreiche Armenier durch Räuberbanden und durch kurdische Freischärler ums Leben, und es ist auch richtig, dass ein großer Teil der armenischen Bevölkerung mit den Alliierten und/oder Russland sympathisierte, nur geschah das vor dem Hintergrund einer ohnehin schon vorhandenen Pogromstimmung.

Ich würde Guenter Lewys Buch zwar nicht in einem Atemzug mit David Irving oder Fred Leuchter nennen, aber es erscheint mir trotzdem sehr zweifelhaft, einen real geschehenen Massenmord dadurch relativieren zu wollen, dass man anhand von zahlreichen akribisch recherchierten Einzelfällen, deren zufällige bzw. willkürliche Komponenten in den Vordergrund gestellt werden, die Frage stellt, ob die offizielle türkische Doktrin einer aus damaliger Sicht kriegsnotwendigen Deportation doch eine gewisse Berechtigung hätte.

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Es scheint "Linken" also legitim, den Genozid am armenischen Volk dadurch zu relativieren, dass er von rechten Gegnern eines türkischen EU-Beitritts heute benutzt wird. Würde jemand den Holocaust unter dem Aspekt thematisieren, dass er heute zur Rechtfertigung israelischer Miltärschläge herangezogen wird, wäre die Empörung zu Recht groß. Aber es geht ja nur um Armenier - es gibt wohl Völkermorde erster und zweiter Klasse.

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Na, ich kann mich auch an propalästinensische Antiimps erinnern, die den Genozid an den Kurden damit erklärten, diese seien Saddam in den Rücken gefallen, das hätten sie halt nicht machen dürfen. Alles auf der gleichen unmenschlichen Ebene.

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@grigorian

in der Tat: Holocaust und Genozide. Ich frag mich, wer hier was relativiert .... Außerdem hinkt der Vergleich, angebrachter wäre A's Argumentation, wie falsche Freunde mit richtigen historischen Tatsachen eine falsche Politik machen: o.k., mag sein, daß es diesen, »euren« Holocaust gegegen hat, mit Palästina hat er aber nix zu tun: schafft dafür mal nen eigenen Staat in Deutschland.

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Ich verstehe nicht so recht, wieso ArmenierInnen einen eigenen Staat in Deutschland errichten sollten. Im Übrigen finde ich das hier praktizierte latente Aufeinandereinhacken nutz- und sinnlos: Gegen AusländerInnenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und dumpfe Nationalismen sind wir doch wohl alle, oder?

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ein salomonisches Schlußwort

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