Dienstag, 25. April 2006
Zu Dahab
Ich kenne den Ort des Anschlags und habe dort zwei wunderbare Urlaube verbracht, also nicht die ganze Zeit in Dahab, sondern quer durchs Land reisend. Die Art und Weise, wie wir in Ägypten Uralub machten, war heute hier, morgen dort, Backpacking, man lernte Ägypter kennen, wurde von denen eingeladen, wohnte bei ihnen zu Hause. So lernten wir sowohl die Villa eines pensionierten Gerictspräsidenten in Heliopolis als auch die selbstgebaute Hütte sudanesischer Flüchtlinge in einem Elendsviertel von Assuan von innen kennen. Nach Dahab waren wir gefahren, um dort zu tauchen, doch waren wir am ersten Tag in folgender absurden Situation: Wir sitzen mitten in der Wüste, und es gießt in Strömen. Eine Beduinenfamilie lud uns ein, und wir verbrachten den Abend bei hochinteressanten Gesprächen am Lagerfeuer. Wir wohnten in einer Art Karawanserei für Touristen, sehr einfach ausgestattet, bestenfalls Jugendherbergsniveau, und mit Hippie-Graffity bemalt, und trafen indische und neuseeländische Touristen, die den langen Weg wegen der fantastischen Tauchreviere zurückgelegt hatten. Auf dem Marktplatz grüßten strahlende Beduinen in ihrer strahlend weißen Kleidung freundlich grinsend (meist nicht mehr mit allen Zähnen in der Frontpartie) "Salaam! Salaam!". Ich habe noch den Duft des Tees und der Gewürze in Erinnerung.

Bumm!

Reihenweise Tote. Ich weiß nicht, wie Dahab heute aussieht, aber diese Art Urlaub ist in Ägypten wohl schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr möglich. Die tickende Zeitbombe des sozialen Elends und der Empörung über Korruption und Polizeibrutalität sahen wir damals auch schon, nur vermuteten wir, dass es irgendwann mal wieder einen offenen Volksaufstand im Stil der Brotpreisrevolten geben würde, aber nicht das. Gewalt gegen Touristen? Ich habe Ägypten als das wahrscheinlich fremdenfreundlichste Land der Welt erlebt. Ich weiß nicht, ob die Attentäter aus dem Ausland kommen (z.B. Jihad) oder zur Gamma Islamija gehören, aber soviel ist sicher: Sie treffen ein armes Land an seiner empfindlichsten Stelle. Nichts kann solchen Terror rechtfertigen. Das Ägypten, das ich kannte, scheint mir ungeheuer weit entfernt.

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Tja, indeed: Ägypten an sich kenne ich nicht. Aber den Sinai habe ich auch auf der Ladefläche eines LKW bereist. Natürlich war ich in Dahab tauchen. Natürlich habe ich junge Israelis getroffen, die dort Urlaub vom täglichen Terror in der Heimat machen. Die tauchenden Südafrikaner, die Russen, die ihren stöckelbeschuhten Freundinnen dicke Wolldecken auf den Berg Sinai trugen, die katholischen Schulmädchen aus Amerika, die sich ebendort keusch an ihre Begleiter kuschelten.

Aber vor allem: Ziemlich säkulare, undogmatische Beduinen. Die Freude dabei hatten Touristen zu empfangen. Von den lokalen Leuten, so hatte ich den Eindruck, würde niemand Bomben legen. Die sind zu erfreut, dass der Tourismus ihnen eine Möglichkeit gibt, den Lebensstandard zu heben und trotzdem nicht ganz die Wurzeln zu verlieren.

Ein Schlag an den touristischen Lebensnerv Ägyptens. Vermutlich von Leuten, denen das Regime dort nicht genügend islamisch ist. Die Linie nicht stark genug auf die Vernichtung Israels ausgerichtet. Oder so.

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Die Islamisten in Ägypten kommen überwiegend aus mittelägyptischen Städten, die wirtschaftlich absteigen, z.B. aus Assiut, und aus der von Verarmung bedrohten Middleclass, und zwar deren traditionalistischem Teil. Sie verachten Beduinen und Fellachen und halten sich von den arabischen Massen fern, haben aber auch keinen Anteil an der westlich-modernen Elite. Allerdings vermute ich, dass die Attentäter in diesem Fall eher unter palästinensischen Extremisten oder bei Al Kaida zu suchen sind. Ja, ein nettes Volk, die Beduinen des Sinai. Furchtbar, was, über die Morde selber hinaus, dieser ganzen Region angetan wird.


btw.: Als ich in der Gegend war, war das die Zeit der ersten Intifada. Die wurde aber mit Steinwürfen und Zwillen, nicht mit Sprengstoffgürteln ausgetragen. Verglichen mit heute geradezu idyllisch...

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