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Dienstag, 13. Februar 2007
Gesellschaft für bedrohte Völker
che2001, 10:46h
Noch einmal anknüpfend an das Posting über eine merkwürdige Menschenrechtsorganisation und die Nachfrage von Workingclasshero
https://che2001.blogger.de/stories/690578/#comments
möchte ich noch ein paar Dinge über eine weitere NGO loslassen, die ich für einigermaßen schräg halte, auch wenn sie das nicht immer gewesen ist. Damals, als ich noch bei ai war, fand ich die GfbV eigentlich recht gut, besonders, weil sie nicht nur individuell politisch Verfolgte, klassische Gewissensgefangene, betreute, sondern sich schwerpunktmäßig um Pogrome und Gruppenverfolgungen kümmerte, etwas, womit die klassischen Menschenrechtsorganisationen sich oft schwer taten. Bedenklich fand ich das Handeln der GfbV allerdings dann in der Kurdistan-Solidarität, als wir mit dem großen Vorsitzenden Tilman Zülch zusammenrasselten, und in der Folge in Hinblick auf den Jugoslawien-Krieg. Es zeigte sich nämlich bald, dass die GfbV Solidarität nicht immer ohne Ansehen der Person leistete. Die Verdienste der Organisation, die komplette Sancars (Militärlaster mit mobiler Lazarettausrüstung) in den Nordirak oder nach Sebrenica schickten sind sicher sehr hoch, aber die Unterstützung, die gewährt wurde, erfolgte nach bestimmten ideologischen Vorgaben. Handelte es sich bei einem Konflikt, wie in Kurdistan - Türkei, um eine Auseinandersetzung zwischen einem bürgerlichen Staat und einer linken Guerrilla, so hielt man sich mit humanitärer Hilfe für kurdische Opfer tendenziell eher zurück, in Kurdistan - Irak unterstützte man eher die soziale Basis der bürgerlichen DPK als die der vergleichweise eher linken PUK. Von der von politischen Präferenzen freien Unterstützung von Verfolgten ohne Ansehen der Person, wie sie ai ausübt, schien bei der GfbV nicht immer die Rede sein zu können. Dagegen wurden die Sezessionen von Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und den Kosovaren sofort emphatisch begrüßt und frühzeitig die Anerkennung dieser Staaten/Gebiete gefordert. Ins Auge sticht hierbei, dass die GfbV-Spitze an Verhandlungslösungen oder Kompromissen von vornherein nicht interessiert war und dass Ethnizität für diese einen Wert an sich darstellt. Volkstum, oder, wie Adorno und Horkheimer es nannten, "das naturhaft Besondere", ist für Leute wie Zülch nicht veränderbar, nicht sozialen Prozessen und variablen kulturellen Codes ausgesetzt, sondern eine feststehende Größe. Ob die sorbische Trachtengruppe, der Sentinelesen-Stamm auf den Andamanen oder die verfolgten Roma Südosteuropas, man ist geradezu entzückt, wenn sich irgendwo Ethnizität artikuliert. Im gleichen Maße werden multiethnisch-emanzipative, antinationale bzw. soziale Bewegungen nicht als unterstützenswert betrachtet. Ich habe einige Diskussionen mit Zülch erlebt, in denen er sich als erbitterter Gegner jeder Art von sozialem Experiment und zugleich als unbedingter Anhänger des Nationalstaats darstellte. Letztlich ist der Volksbegriff der Gesellschaft für bedrohte Völker ein sehr völkischer. Im Verlauf des Jugoslawienkriegs trat die GfbV wie eine Lobbyorganisation zur Forderung militärischer Interventionen ein, was ihr in Antira-Kreisen den Namen "Gesellschaft für die Bedrohung der Völker" einbrachte. Vertritt die antirassistische Linke einen Begriff von Multikulturalismus, der auf ethnischen Schmelztiegel und Emanzipation der Exilanten im Exil (etwa Überwindung atavistischer Bindungen an das eigene Kollektiv, z.B. Emanzipation muslimischer Frauen in der Fremde) abzielt, ist der Multikulturalismus-Begriff der GfbV vom "Ethnopluralismus" der Neuen Rechten kaum zu unterscheiden.
https://che2001.blogger.de/stories/690578/#comments
möchte ich noch ein paar Dinge über eine weitere NGO loslassen, die ich für einigermaßen schräg halte, auch wenn sie das nicht immer gewesen ist. Damals, als ich noch bei ai war, fand ich die GfbV eigentlich recht gut, besonders, weil sie nicht nur individuell politisch Verfolgte, klassische Gewissensgefangene, betreute, sondern sich schwerpunktmäßig um Pogrome und Gruppenverfolgungen kümmerte, etwas, womit die klassischen Menschenrechtsorganisationen sich oft schwer taten. Bedenklich fand ich das Handeln der GfbV allerdings dann in der Kurdistan-Solidarität, als wir mit dem großen Vorsitzenden Tilman Zülch zusammenrasselten, und in der Folge in Hinblick auf den Jugoslawien-Krieg. Es zeigte sich nämlich bald, dass die GfbV Solidarität nicht immer ohne Ansehen der Person leistete. Die Verdienste der Organisation, die komplette Sancars (Militärlaster mit mobiler Lazarettausrüstung) in den Nordirak oder nach Sebrenica schickten sind sicher sehr hoch, aber die Unterstützung, die gewährt wurde, erfolgte nach bestimmten ideologischen Vorgaben. Handelte es sich bei einem Konflikt, wie in Kurdistan - Türkei, um eine Auseinandersetzung zwischen einem bürgerlichen Staat und einer linken Guerrilla, so hielt man sich mit humanitärer Hilfe für kurdische Opfer tendenziell eher zurück, in Kurdistan - Irak unterstützte man eher die soziale Basis der bürgerlichen DPK als die der vergleichweise eher linken PUK. Von der von politischen Präferenzen freien Unterstützung von Verfolgten ohne Ansehen der Person, wie sie ai ausübt, schien bei der GfbV nicht immer die Rede sein zu können. Dagegen wurden die Sezessionen von Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und den Kosovaren sofort emphatisch begrüßt und frühzeitig die Anerkennung dieser Staaten/Gebiete gefordert. Ins Auge sticht hierbei, dass die GfbV-Spitze an Verhandlungslösungen oder Kompromissen von vornherein nicht interessiert war und dass Ethnizität für diese einen Wert an sich darstellt. Volkstum, oder, wie Adorno und Horkheimer es nannten, "das naturhaft Besondere", ist für Leute wie Zülch nicht veränderbar, nicht sozialen Prozessen und variablen kulturellen Codes ausgesetzt, sondern eine feststehende Größe. Ob die sorbische Trachtengruppe, der Sentinelesen-Stamm auf den Andamanen oder die verfolgten Roma Südosteuropas, man ist geradezu entzückt, wenn sich irgendwo Ethnizität artikuliert. Im gleichen Maße werden multiethnisch-emanzipative, antinationale bzw. soziale Bewegungen nicht als unterstützenswert betrachtet. Ich habe einige Diskussionen mit Zülch erlebt, in denen er sich als erbitterter Gegner jeder Art von sozialem Experiment und zugleich als unbedingter Anhänger des Nationalstaats darstellte. Letztlich ist der Volksbegriff der Gesellschaft für bedrohte Völker ein sehr völkischer. Im Verlauf des Jugoslawienkriegs trat die GfbV wie eine Lobbyorganisation zur Forderung militärischer Interventionen ein, was ihr in Antira-Kreisen den Namen "Gesellschaft für die Bedrohung der Völker" einbrachte. Vertritt die antirassistische Linke einen Begriff von Multikulturalismus, der auf ethnischen Schmelztiegel und Emanzipation der Exilanten im Exil (etwa Überwindung atavistischer Bindungen an das eigene Kollektiv, z.B. Emanzipation muslimischer Frauen in der Fremde) abzielt, ist der Multikulturalismus-Begriff der GfbV vom "Ethnopluralismus" der Neuen Rechten kaum zu unterscheiden.
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