Sonntag, 16. Dezember 2007
Das Liebesleben alter Damen
Kürzlich gingen in der Stadt zwei junge Frauen um die 20, aussehenstechnisch absolute Sahneschnitten, neben mir her, die lautstark darüber sinnierten, wie sie sich wohl mit 30 fühlen würden. Eine meinte, sie hätte gelesen, dass Frauen sich mit 21-25 in der Blüte ihrer Weiblichkeit befinden würden, dann ginge es bergab. Oh jeh, wenn die wüssten...

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Ein Fetzen Tuch
Mit der kalten Jahreszeit sieht man sie wieder häufiger, die Pali-Tücher oder besser gesagt Kufayas oder Kefiyen, wie die Dinger eigentlich heißen und die mit der gleichen Berechtigung Fellachentücher, Beduinentücher oder Kurdentücher genannt werden könnten. Etwas surreal mutet mir der Umgang an, der in einem bestimmten Teil des ganz nahen Ostens, vorzugsweise Leipzig, Antideutsche damit machen, die Leute, gerade Jugendliche, die das Tuch tragen, auf der Straße ansprechen und fragen: "Ist dir kalt oder willst du Juden ermorden?". Nun, die Erben des Brian lassen keine Bizarrerie aus, zumal es sich längst eingebürgert hat, das Tuch nicht nur als Ausdruck einer politischen Gesinnung zu tragen, sondern tatsächlich gegen Kälte, auch Statler wurde auf einer Bergtour schon damit gesichtet ;-). Es ist zwar richtig, dass in den 1930ern ein mit den Nazis paktierender Großmufti auf sehr repressive Weise die Kufaya als "nationale Kopfbedeckung" anstelle von Fez oder Hut durchsetzte, doch ist dieses Tuch in Palästina heute nicht unbedingt Ausdruck der besonders militant islamistisch-israelfeindlichen Kräfte. Für Hamas und Djihad sind schwarze Hasskappen typisch, die Kufaya wird hingegen eher von den Anhängern der Fatah, der PFLP und DFLP getragen. Ihr Ursprung als politisches Symbol liegt aber woanders. In den 1920ern hat ein deutscher Militärberater, der die Armee Jordaniens aufbaute, dieser eine Uniform verpasst, in der der Schnitt preußischer Gardeuniformen mit dem Tuch kombiniert wurde, das als Zeichen von Tapferkeit und Unabhängigkeitswillen galt. Als solches galt es deshalb, weil die kurdischen Peschmerga in den Aufständen um 1920 es als Vermummung getragen hatten.Die Kurden hatten im damaligen Nahen Osten einen legendären Ruf als Kämpfer. Bevor die Kufaya ein politisches Symbol wurde, war es eine Kopfbedeckung, die Beduinen und Karawanenreisende beim Reiten und Bauern als Schal im Winter trugen. Bei deutschen Linken wurde es so um 1970 tatsächlich populär, um Solidarität mit der PLO auszudrücken, schon die Bauzaunschlachten 1976-1980 im Anti-AKW-Kampf führten aber dazu, dass es vor allem als Vermummung und sehr provisorischer Schutz gegen Tränengas verwendet wurde. Und bei heutigen Jugendlichen ist es einfach cool und gehört zum Punk-Outfit. Diese vielschichtige Geschichte wird überzeugten Bedeutungsreduzierern natürlich egal sein. Falls ich demnächst mal nach Leipzig komme, werde ich mir möglichst ostentativ eine riesige Kufaya um den Hals legen - eine von den echten, auf dem Sinai gekauften - und darauf warten, dass mich jemand fragt, ob mir kalt sei oder ob ich Juden ermorden wolle. Bin gespannt, was für eine Reaktion "Mir ist kalt, und ich bin für ein sozialistisches demokratisches Kurdistan mit Kirkuk als Hauptstadt." als Antwort auslösen wird.

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Was ist Antirassismus? Aus gegebenem Anlass ein paar Basisbanalitäten
Antirassismus setzt an den Strukturen an, die Voraussetzungen des Rassismus geschaffen haben. Von den “Elementen des Antisemitismus” bis hin zu ökonomischen Funktionen wie Migranten als industrielle Reservearmee, die heute nicht mehr gebraucht wird sind dies sehr komplexe Strukturen, die untrennbar mit Sexismus und Klassenwiderspruch verschränkt sind, und Antirassismus bedeutet den Versuch, diese aufzubrechen. Dies ist gedacht als schöpferische Zerstörung: Die deutscheKultur soll sich für Einflüsse anderer Kulturen öffnen, um das beste, was diese zu bieten haben und sich selber zu erneuern und zu wandeln, und die MigrantInnen sollen die Möglichkeit haben, sich von repressiven, freiheitsfeindlichen, antiemanzipativen Elementen der eigenen, tradierten Kultur zu befreien. Das ist in der Vergangenheit auch bereits geschehen: Als in den 70ern Jahren erstmals Leute vor Kneipen draußen saßen, sprach man von “französischen Verhältnissen”, und der damalige Generationenkonflikt beinhaltete auch die Vorliebe der jungen Generation für fremdländisches Essen, die von der Elterngeneration als “Verrat am Deutschtum” gegeißelt wurde. Ohne den Einfluss der MigrationsarbeiterInnen und die Welterfahrung der globetrottenden StudentInnen wäre das kulturelle Geschicht des heutigen Deutschland nicht denkbar, und das Deutschland des gesellschaftlichen Establishments und der Otto Normals vor 1967 war zwar demokratisch regiert, in seinen geistigen Strukturen aber eher halb klerikal, halb faschistisch. Als autonome, sozialrevolutionäre AntirassistInnen haben wir die Perspektive im Auge, dem multikulturellen Konzept den Melting Pot entgegenzusetzen: Interkulturalität als Voraussetzung zu einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung mehr Emanzipation, mehr Zivilgesellschaft, Rückeroberung gesellschaftlicher Freiräume, die nicht von kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten und Verwertungsinteressen bestimmt sind, Interkulturalität als Strategie sozialen Fortschritts von unten. Das multikulturelle Konzept hingegen ist nichts anderes als der Ethnopluarlismus der Neuen Rechten auf grün: Kulturen werden als einfach bestehend, verschieden und besonders betrachtet. Im “interkulturellen Dialog” wird mit Islamräten und Vertetern staatlicher Religionsämter der Türkei verhandelt, die Frage, ob diese die authentischen Interessen der von ihnen vertretenen Menschen ausdrücken oder vielmehr selber repressiv reaktionär-religiöse Vorstellungen in der eigenen Community durchsetzen wird erst gar nicht gestellt (während in den USA beispielsweise die aktuelle Nachfolgeorganisation der Black Panther Party, die New African People´s Organisation, ihren Kampf sowohl gegen das weiße Establishment als auch gegen die Nation of Islam und die Ghettogangs führt).

Multikulti bedeutet eine wohlwollende, Ethnizität als schick betrachtende sanfte Apartheid, was die rot-grünen Multikulti-PolitikerInnen von den Neuen Rechten unterscheidet, ist der Wille, die Fremden undrangsaliert hier leben zu lassen statt sie alle rauszuschmeißen, der Begriff von Kultur als einer Ethnie fest anhaftender Bestimmung ist aber der Gleiche. Antirassismus bedeutet Interkulturalität als Perspektive der Emanzipation und ethnischer Schmelztiegel als Weg zu einer freieren Gesellschaft.

Auch wenn sich an den kapitalistischen Strukturen der BRD nichts geändert hat, die Zunahme an Interkulturalität hat in den letzten 30, 40 Jahren die Lebensqualität in diesem Land erhöht und seine Kultur bereichert. Anstelle einer Abschottung der EU nach außen, die längst mehr Tote produziert als der Todesstreifen der DDR-Grenze, treten wir für eine wirklich offene Gesellschaft ohne Leitkultur oder Parallelgesellschaften und eine humane Einwanderungs- und Bleiberechtsregelung ein und hoffen auf gesellschaftlichen Fortschritt und Wandel u.a. durch Akkulturation. Lässt sich der Kapitalismus schon nicht durch eine bessere Gesellschaft ersetzen (und auch diese Hoffnung habe ich keineswegs aufgegeben), so ist eine weitere Aufweichung der tradierten Gesellschaftsstrukturen sowohl der Deutschen als auch der Eingewanderten, ein weiterer Wandel in Richtung Weltgesellschaft vergleichbar dem in den letzten Jahrzehnten ansatzweise bereits erfolgtem unser Fluchtpunkt. Das bedeutet nicht Integration, sondern Desintegration: Schaffung einer neuen Gesellschaft durch Synthese der emanzipativen Teile der deutschen und der zugewanderten Kulturen.

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Das türkische Militär hat heute Nacht mal wieder die Kurden zivilisiert
und zu diesem Behuf in Südkurdistan (das Wort Nordirak lest ihr bei mir nicht) einige Dörfer bombardiert. Die PKK meldet, es habe bei der Guerrilla keine Verluste gegeben, sondern es seien Bauern bombardiert worden. Na dann, dem türkischen Militär dürfte jedes Bauernopfer egal sein.


http://www.geocities.com/kurdistanradio/?r=1

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Heretz Israel - Taher Filastin
Ich war gerade unterwegs im Nahen Osten - im Jerichower Land, wo ich nicht tot überm Jägerzaun hängen möchte. Ein Freund von mir fährt hingegen ins Jerichoer Land, um in Ramallah einen Big Deal abzuschließen. Bin gespannt, was er berichtet, wenn er wieder zurückkommt. Die direkte Erfahrung kann ja die mediale Wahrnehmung niemals ersetzen.

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Die vom SPIEGEL an den Leser verkaufte Revolution
Unter dem Titel "Die gekaufte Revolution" macht der SPIEGEL sich anheischig, exklusiv neueste Erkenntnisse zu der antagonistischen Zusammenarbeit Wilhelms des Zweiten und Lenins zu liefern, inklusive einem durchaus sehenswerten Film auf DVD. Ich frage mich nach Lektüre des SPIEGEL und anschauen der DVD "where´s the fish?". Dass Parvus Helphand die Fahrt der Bolschewiki mit der Reichsbahn von der Schweiz nach Schweden in enger Absprache mit der Obersten Heeresleitung und dem Wissen und der Einwilligung Wilhelms organisiert hat habe ich bereits in der Schule im Geschichtsunterricht gelernt. Die Geschichte mit dem Kreidestrich im Zug, der die exterritorale Zone markierte, war 1977 in PM zu lesen. In den späten 70ern und frühen 80ern gab es jedes Jahr zwischen November und Weihnachten im Fernsehen einen Film oder eine ganze Serie über die russische Revolution, und in keinem einzigen Fall wurde die Rolle des Parvus ausgeblendet, es gab sogar einen Film nur über ihn. Er war für mich einer der Helden meiner Jugend; dass ein Finanzmagnat und Lebemann gleichzeitig marxistischer Theoretiker und Strippenzieher der militanten Revolution war faszinierte mich, und ich zog Parallelen zu Feltrinelli und Reemtsma. Im ersten Semester meines Studiums beschäftigte ich mich mit der Revolution in der Ukraine, damit, wie die Deutschen dort aus Kosaken-Hetmanen, Bauernführern und rus"sischen Kriegsgefangenen eine "Nationalbewegung konstruierten, dem Widerstand der anarchistischen Macnotschina gegen diese und den Zweifrontenkrieg der Machnotschina gegen rote und weiße Truppen. Das ist der eigentlich Hammer beim SPIEGEL: Dass ein Teil der Ukraine längere Zeit von Anarchisten kontrolliert wurde, wird völlig unterschlagen. So bleibt das eigentlich Neue bei den "Enthüllungen" im SPIEGEL die Organisationsstruktur des Netzwerkes, mit dem deutsches Geld in die Zusammenhänge der Bolschewiki gepumpt wurde, die genauen Summen, die da flossen und dass das Ganze schon 1915 losging. Allemal alles sehr interessant, aber: Wenn das sensationell sein soll, fordere ich jetzt für alle meiner ehemaligen KommilitonInnen eine Titelseite im SPIEGEL. Wissenschaftlich neue Erkenntnisse zu liefern ist nämlich Voraussetzung, um bei den Historikern überhaupt die Abschlussprüfung zu bestehen.

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Milzbrand am Ende
Der Herr Milzbrand -pardon, Milbradt, ich muss bei diesem Namen immer lachen - hat ja wohl fertig. In memoriam August dem Starken stellt sich mal die Frage: Könnte man die Konkursmasse Sachsen nicht den Polen verkloppen? Dresden wird Drsedowice, Freital Liberdolnja, wie wär´s? Die endgültige Teilung Deutschlands ist unser Auftrag! (Chlodwig Poth)

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