Donnerstag, 14. Dezember 2006
Die soziale Kompetenz unserer politischen Elite
mal wieder schlagend unter Beweis gestellt:


http://www.focus.de/politik/deutschland/arbeitslosigkeit_nid_40976.html?DDI=3303


Und ich kenne glattrasierte AlG2-Empfänger mit Doktortitel.

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Der Weihnachtsstress
Da kriege ich zu hören: "Hast Du schon alle Weihnachtsgeschenke gekauft? Ich bin durch!"


Nein, ich habe noch nicht angefangen, mir überhaupt Gedanken zu machen, wem ich was schenke, und werde wohl am 23.12. losgehen und wahllos irgendetwas kaufen, Hauptsache billig.

Weihnachtsstimmung wird bei mir frühestens am Weihnachtsabend aufkommen, im Augenblick ist Hardcoreworking angesagt.

Hingegen weihnachtet es am Saturn:


http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/astronomie/saturnmond_nid_40989.html?DDI=4661

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Mittwoch, 13. Dezember 2006
Ich muss mal was loswerden
Mein Blog hat auch us-amerikanische Leser, darunter auch solche, die politisch konservative Positionen vertreten. Keiner von denen hat sich, wenn hier oder in der Nachbarschaft wieder einmal ein "pro-amerikanischer" deutscher Heißsporn meinte, sich besonders hervortun zu müssen, jemals dazu Stellung genommen. Aus gutem Grunde, denn die genannten Leser sind nachdenkliche und differenzierende Menschen. Nur so am Rande.

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Das anjatanjatische Restaurant
Ich komme zurück nach etlichen Jahren. Kaum zu glauben, dass das chromblitzende Businesscenter einmal meine Welt war. Das verwuselte Restaurant gegenüber ist wie immer - voll, verraucht, die im Zigarettenqualm gegessene Mischung aus chinesischer, indischer, italienischer und gutbürgerlicher deutscher Küche zu Mensapreisen, das Publikum ist auch das gleiche: blonde oder blondierte Marketinganjatanjas, zuckersüß anzuschauen, aber als Gesprächspartnerinnen eher dröge, wenn man nicht auf Buzzwordbingo und Wirtschaftsnaivlingtum steht, smarte Manager im Armanianzug, Künstlertypen in eher verwegenem Outfit und die wirklichen Topperformer mit ergrauten Schläfen in einem separaten Raum etwas weiter hinten. Hier pflegte ich damals Mittag zu essen, hier zog ich mich mitten aus der Arbeit zu Gesprächen mit Headhuntern zurück, die mich kaufen wollten, hier war die Insel der Ruhe im reißenden Strom des Hypes. Und hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Nichts deutet darauf hin, dass es keinen Boom der New Economy mehr gibt, zumindest ist das, was von ihren Vertretern übrig geblieben ist, unverändert und scheinbar gewiss, dass sie nicht untergehen können.

Hmm. Sollte ich zurück? Mir ganz persönlich ist damals ja nichts Böses geschehen, ich sah nur, was um mich herum für Katastrophen passierten. Die Tür wird noch offen sein, wie zu vermuten steht.

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Montag, 11. Dezember 2006
Ein merkwürdiger Fragenkatalog
Ich greife mal ein Stöckchen auf, wobei der Begriff neo-links nicht der Meine ist und es sich bei dem so titulierten eigentlich um einen linksliberalen ganz außerhalb der üblichen Lager handelt, für den ich natürlich nicht sprechen kann :

Darf ein Neo-Linker das kubanische Regime verteidigen?

- Kommt drauf an, unter welchen Aspekten. Grundsätzlich schon.

Welche Ideen und Ziele haben Vorrang? Die eines Fidel Castros oder die eines George Washington?


- Die Frage ist falsch gestellt, weil sehr viele Ideen und Ziele eines George Washington, etwa Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kolonien von Großbritannien, Abschaffung der Teesteuer usw. nicht mehr up-to-date sind.

Kann jemand ein Neo-Linker sein, der sich als “Bruder” und “Kampfgefährte” eines Judenhassers, Holocaustleugners und Faschisten bezeichnet?

- Nein.

Was hat für einen Neo-Linken einen wichtigeren Stellenwert? Soziale Sicherheit oder reale Freiheit?


- Beide Werte sind gleich wichtig, wenn es um Leben oder Tod geht gilt allerdings: Food First.

Ist Israel ein sog. Apartheidsstaat?

- Nicht zwingend seinem Wesen nach, aber wie es sich zur Zeit darstellt: Ja.

Darf sich ein Neo-Linker der Hilfe totalitärer Regime bedienen, um damit die “imperialistischen Staaten” zu besiegen?
- Eher nicht.


Sind die USA und Israel imperialistische Staaten?

- Ja.

Gibt es eine weltweite Verschwörung des internationalen Finanzkapitals und der imperialistischen Staaten gegen “den Rest der Welt”?


- Der Begriff Verschwörung gehört in den Bereich der eher reduktionistischen und populistischen Ideologien und trifft es daher nicht. Was es gibt, sind aus objektiven ökonomischen und historischen Verhältnissen sich ergebende Abhängigkeits- und Ausbeutungsstrukturen.

Trifft die Bezeichnung “Raubtierkapitalismus” zu?

- Ja.

Ist ein Neo-Linker ein Antisemit, wenn er sagt: “Die Juden haben Christus umgebracht und horten die Reichtümer der Welt.”

- Das ist eine antisemitische Aussage, sie ist aber nicht links.

Dulden Neo-Linke Antisemiten?

- Nein.
Ist es richtig Diktaturen, wie das Saddam-Regime, mit Waffengewalt zu stürzen?

- Grundsätzlich ja, und zwar hauptsächlich dann, wenn es durch die revolutionären Volksmassen geschieht, deren Erhebung im Irak 1991 mit Billigung der Siegermächte USA, GB und F von den Republikanischen Garden niedergeschlagen wurde.

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Zum Tod von Pinochet
schließe ich mich den Freudenfeiern von Santiago an.
Isabel Allende hat es auf den Punkt gebracht:

„Er wird in der Geschichte einen Platz neben Caligula und Idi Amin erhalten und sein Name wird für Brutalität und Ignoranz stehen.“

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Sonntag, 10. Dezember 2006
Soundwaves from New York
Danke, Booldog, für Deine wiederholten versehentlichen Anrufe, wegen denen ich nun genau den Sound der UBahnstationen und öffentlichen Toiletten von Big Apple kene!

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Gestiefelte Ladies
Alles, was in Berlin angesagt ist, wird zeitverschoben auch in der Provinz trendy. Vor zwei Jahren trugen in Berlin die Dorfschönen mehr oder weniger allesamt langschäftige und meist auch hochhackige Stiefel. Mittlerweile ist diese Mode auch in der Provinz angekommen und massenweise verbreitet. Ich finde ein schlankes Frauenbein in enganliegenden hohen Stiefeln ja einen sehr schönen Anblick; was mir weniger gefällt, ist allerdings die Stromlinienförmigkeit und Absolutheit, wie hier eine bestimmte Mode flächendeckend befolgt wird. Etwas Anderes amüsiert mich an der Sache. Vor etwa 10 Jahren waren hohe Damenstiefel, zumindest in Kombination mit kurzen Röcken, Hotpants und/oder Leggings bzw. Strumpfhosen, ein In-Outfit der Girlieszene, bzw. einer Subkultur, der vielleicht als linker Flügel der Girlieszene bezeichnet werden könnte und für die etwa die Hamburger Deutschrockband Die Braut haut ins Auge oder auch meine liebe Bloggerkollegin Netbitch repräsentativ sind. Nochmal 10 Jahre davor wurden solche Stiefel von professionellen Huren, der SM- der Biker- und der Metalszene getragen, und wir nannten sowas Schnellfickstiefel.


Und heute laufen all die braven Muttis und harmlosen Bürgertöchter in Schnellfickstiefeln umher.

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Noch´n Weihnachtslied
*Träller* Wenn ein Rentier nicht mehr rennt wie ein Tier, dann sind wir jenseits von Schweden.

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Der Norden haut drauf!
Tor, Tor, Tor, Tor!


Herzlichen Glückwunsch an Werder Bremen!

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Das antislamische Weihnachtslied
Kürzlich hörte ich auf NDR Info, neben Deutschlandradio Berlin und Radio 21 mein Leib- und Magensendern, besonders auch in musikalischer Hinsicht (Wo sonst hört man eine Mischung aus Klaus Hoffmann, Ulla Meinecke, Jazz, Klezmer, Rai und Klassik) einen genialen Mindfuck. Das Lied "Heitschi bumbeitschi" sei im traditionell islamkritischen Bayern (vgl. "Kruzitürken") eine uralte Warnung vor dem islamischen Fundamentalismus. Eigentlich sei das eine bayerische Verballhornung des Bombenlegers, arabisch "Hadschi bombatschi", und "Heitschi bumbeitschi bumm bumm" heißt nichts weiter als"Kind, schlaf ein, sonst kommt der Selbstmordbomber und jagt Dich in die Luft."

Bierernst vorgetragen, selten so gelacht.

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Jubiläumsausgabe von Schrott
So sehr ich Don und den zentralen Kreis der DauerkommentatorInnen bei Rebellmarkt schätze, die dortige Begeisterung für "Tempo", von dem jetzt eine post-mortem-Jubiläumsedition erschienen ist, begreife ich nicht. Eine Zeitschrift, die weder innovativ war (Wiener, der Berliner Tip und die Göttinger Magazine Charakter und Hiero Itzo brachten den typischen Stil und die Hochglanzaufmachung schon Jahre vorher) noch eigentlich inhaltlich etwas zu bieten hatte. OK, eine paar spannende Einzelbeiträge (das Kühnen-Interview, der Beitrag "Systeme der Kraft" - Yoga, Tai Chi, Karate, TM im Leistungsvergleich, "Sex als Therapie"), aber im Großen und Ganzen war das doch ein Mode- und Musikmagazin für Popper bzw. Yuppies. Also überflüssig bis bekämpfenswert.

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Brennende Kliniken und Wohnheime in Russland
Bei einem Land, dessen Geheimdienst, vorsichtig gesagt, zumindest nicht ganz unverdächtig ist, Dissidenten mit Polonium zu vergiften, stellt sich mir die Frage: Ist das die Vernichtung der überflüssigen Esser? "Euthanasie" auf russisch? Zutrauen tät ich´s ihnen.

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Montag, 4. Dezember 2006
Zum Wahlsieg von Hugo Chavez
Nein, sympathisch ist er mir nicht. Bestimmte Elemente seiner Politik mißfallen mir sehr, seine Umarmung von Achmachdendschihad war widerlich. Dennoch denke ich, dass er für die Venezolaner der beste Präsident ist, den sie im Augenblick haben können, und ich halte seine antiimperialistische Politik gegenüber den USA für richtig. Insofern:


Congratulaions y mejores deseos!

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Sonntag, 3. Dezember 2006
Das Bambi muss längst erwachsen sein!
Bei der Bambi-Verleihung wurden wiedereinmal goldene Kitze verteilt. Diese Veranstaltung läuft doch schon zig Jahre - da müsste das Vieh doch eigentlich längst ein prachtvolles Geweih tragen :-)

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Meine Utopien
Meine erste politische Utopie hatte ich in der Pubertät, als wir uns in der Clique eine heile Ökowelt ausmalten, in der Städter massenweise zu kollektiv wirtschaftenden Subsistenzbauern werden, in den Städten selbst eine Mischung aus solarer Revolution und Pedalisierung stattfindet. Wir träumten, die Statusobjekte unserer Kumpels, die Roller und Enduros, würden durch Pedalräder ersetzt, die aber keine gewöhnlichen Fahrräder waren. Wir erfanden Velos (Liegefahrräder mit Chopperlenker und Bananensattel), Pedalos (Tandemvelos), Trikes (Dreiradvelos), Troikas (Dreiradpedalos) und Tridems. In dieser Welt, die aussah wie eine Mischung aus Republik Freies Wendland und Kristiania, gab es latürnich jede Menge gutes Zeug zu rauchen. Wir erfanden Ökotopia, ohne dieses Buch zu kennen, und nannten uns United Flower Power Bauers.

Meine zweite Utopie hatte ich zu Anfang meines Studiums, einen Anarchosozialismus, der am Katalonien des Spanischen Bürgerkriegs orientiert war und an der ukrainischen Machnotschina, besser gesagt, nicht an dem, was diese tatsächlich bedeutet hatten, sondern an Büchern: Enzensbergers "Der kurze Sommer der Anarchie", Orwells "Mein Katalonien", Arschinows und Wolins Büchern über die ukrainische Revolution. Gleichzeitig lehrte mich die Autonomie Neue Folge 1, dass nicht die Ayatollahs im Iran die Revolution gemacht hatten, sondern dass es sich um eine klassische proletarische Revolution gehandelt hatte, in der der Klerus dem Volk die Macht wiueder abgenommen und eine neue Diktatur errichtet hatte, wie dies in Russland seinerzeit die Schicht der kleinbürgerlichen Bürokraten getan hatte. Es schien das Schicksal von Revolutionen zu sein, verraten zu werden und despotische Ordnungen zu schaffen. In Nicaragua sahen wir allerdings einen in seinen Grundzügen durchaus demokratischen Sozialismus (der sich später als so demokratisch erwies, auch seine demokratische Abwahl hinzunehmen), den wir nach Kräften unterstützten. Eine Genossin ging als Brigadista nach Nicaragua, und wir lasen eine Weile Barricada International, wo auch über unsere Aktionen in Deutschland berichtet wurde. Diese Art Solidarität sollte sich fortsetzen, zu Kurdistan-Irak, zu Nigeria, zu Chiapas, zu Nordirland, zu bosnischen Flüchtlingen in Deutschland, und sie war nie theoretisch und abstrakt, sondern sehr handfest. Wir haben von Abschiebung bedrohte Asylbewerber versteckt, wir haben Abgeschobene zurückgeholt, zur Rettung einer Gefolterten beigetragen, Zerbombtes wiederaufgebaut, an Menschenrechtsdelegationen teilgenommen. Bei alldem blieb nicht viel Zeit, an utopischen Entwürfen zu basteln, und die Jammer-Anarchisten, die marxistischen Linken vorhielten, sie würden im Falle einer Revolution ein zweites Kronstadt anrichten (als ob es in den 1980ern und 90ern nicht Dringlicheres gäbe) oder die Rechtfertigungs-Marxisten, die immer noch unmenschliche Regime verteidigten fand ich gleichermaßen ziemlich lächerlich, um nicht zu sagen, ich verachtete sie. Einige Genossen allerdings vertraten eine sehr viel konkretere Utopie, die nicht die Meinige war, die ich aber interessant fand. Noch zu Zeiten der Antiatomraketen-Friedensbewegung meinten sie, man müsste dieser nach der Stationierung der Waffen einen neuen Drive geben, Richtung gesamtdeutscher Neutralismus. Die DDR würde früher oder später, eher früher als später, zusammenbrechen, daher müsste man den Bürgerlichen und den Rechten das Thema Deutsche Wiedervereinigung weg nehmen und von links mit Inhalt füllen: Blockfreies sozialistisches demokratisches Deutschland und Deutscher Friedensvertrag, Synthese beider Systeme, vielleicht ein Zwischending aus Schweden und Jugoslawien, radikal neutral (was in Antiimp-Sprech dann hieß "Der imperialistischen Kriegsmaschine die Standbeine Ramstein und RheinMainAirBase weghauen"). Wie gesagt, es war nicht meine Forderung und nicht meine Kampagne, ich fand es aber zumindest sehr nachdenkenswert. Der größte Teil der Szene reagierte darauf mit aufgeregter Aggression und bezeichnete diese realistischen Utopisten als rechte Uboote. Schließlich war das Thema verloren und wurde zur Domäne tatsächlicher Rechter wie Mechtersheimer.
Schade, den Aufkleber

"Keine fremden Truppen in Deutschland!
Keine deutschen Truppen im Ausland!"

hätte ich heute gerne auf meinem Auto.

Je mehr ich mich wissenschaftlich mit Politik auseinandersetzte, so weniger utopisch war mein eigenes politisches Denken, nicht bedingt durch die Wissenschaft, sondern durch die immer dystopischere politische Wirklichkeit. Geblieben ist bis heute aber Eines: die feste Überzeugung, dass man fast alles, was politisch so läuft, völlig anders und sehr viel besser machen könnte und müsste.

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Freitag, 1. Dezember 2006
Der Papst in der Moschee
Ich hatte den Benedikt vielleicht doch unterschätzt. Papst und Großmufti Seite an Seite das Gesicht gen Mekka betend, dieser Geste der Versöhnung ist von historischer Größe. Gut habe ich noch Brandts Kniefall vor der Gedenkstätte des Warschauer Ghettos in Erinnerung, der ja auch eine historische Wende einleitete. Ich halte es für möglich, dass wir da wieder angelangt sind.

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Donnerstag, 30. November 2006
Der einzig sinnvolle Freiheitsbegriff
In einem interessanten Thread formulierte Statler die Position, der Begriff der negativen Freiheit (Abwesenheit von Zwang) nach Isaiah Berlin sei der einzig sinnvolle Freiheitsbegriff:

http://che2001.blogger.de/stories/620170/#621401


Demgegenüber würde ich sagen, wenn ich mich schon auf einen "einzig sinnvollen" Freiheitsbegriff festlegen wollte (an sich mag ich keine einzigen Wahrheitenund keine absoluten Begriffe, weil ich lieber so frei bin, unterschiedliche Wahrheiten gelten zu lassen und in Facetten und Annäherungen zu denken), wäre das für mich der Begriff der Autonomie. Das ist ja das Thema, mit dem Jaspers, De Beauvoir, Benjamin, Horkdorno sich abgeplagt haben.

Autonomie bedeutet die reale Fähigkeit eines jeden Menschen (auch und gerade der Schwächsten in einer Gesellschaft), das eigene Leben so weit als möglich nach dem eigenen freien Willen zu gestalten. Voraussetzung dafür ist auch, dass der freie Wille sich überhaupt zu bilden vermag. In totalitären Systemen mit ihren Propagandaapparaten ist dies völlig unmöglich, aber der Spätkapitalismus mit seiner Beherrschung der Öffentlichkeit durch eine werbende Wirtschaft und die Simulation von Realität durch eine interessengeleitete Kulturindustrie ist da nicht viel besser, wenn wir Adorno, Sonntag und Postman folgen. Nach Adorno sind alle unfrei unter dem Anschein frei zu sein, kollektive Freiheitsberaubung wird als organisiertes Vergnügen geliefert, "Alles, was heute Komunikation heißt, ist nur der Lärm, der die Stummheit der Gebannten übertönt".

Zur Freiheit gehört auch die Freiheit von den Einflüsterungen der Bewusstseinsindustrie, in diesem Sinne ist der Mensch in der postmodernen Gesellscháft alles Andere als autonom.


Wie der große Meister Horkheimer sprach:

"Die soziologische Meinung, daß der Verlust des Halts in der objektiven Religion, die Auflösung der letzten vorkapitalistischen Residuen, die technische und soziale Differenzierung und das Spezialistentum in kulturelles Chaos übergegangen sei, wird alltäglich Lügen gestraft. Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine machen ein System aus. Jede Sparte ist einstimmig in sich und alle zusammen. Die ästhetischen Manifestationen noch der politischen Gegensätze verkünden gleichermaßen das Lob des stählernen Rhythmus. Die dekorativen Verwaltungs- und Ausstellungsstätten der Industrie sind in den autoritären und den anderen Ländern kaum verschieden. Die allenthalben emporschießenden hellen Monumentalbauten repräsentieren die sinnreiche Planmäßigkeit der staatenumspannenden Konzerne, auf die bereits das losgelassene Unternehmertum zuschoß, dessen Denkmale die umliegenden düsteren Wohn- und Geschäftshäuser der trostlosen Städte sind. Schon erscheinen die älteren Häuser rings um die Betonzentren als Slums, und die neuen Bungalows am Stadtrand verkünden schon wie die unsoliden Konstruktionen auf internationalen Messen das Lob des technischen Fortschritts und fordern dazu heraus, sie nach kurzfristigem Gebrauch wegzuwerfen wie Konservenbüchsen. Die städtebaulichen Projekte aber, die in hygienischen Kleinwohnungen das Individuum als gleichsam selbständiges perpetuieren sollen, unterwerfen es seinem Widerpart, der totalen Kapitalmacht, nur um so gründlicher. Wie die Bewohner zwecks Arbeit und Vergnügen, als Produzenten und Konsumenten, in die Zentren entboten werden, so kristallisieren sich die Wohnzellen bruchlos zu wohlorganisierten Komplexen. Die augenfällige Einheit von Makrokosmos und Mikrokosmos demonstriert den Menschen das Modell ihrer Kultur: die falsche Identität von Allgemeinem und Besonderem. Alle Massenkultur unterm Monopol ist identisch, und ihr Skelett, das von jenem fabrizierte begriffliche Gerippe, beginnt sich abzuzeichnen. An seiner Verdekkung sind die Lenker gar nicht mehr so sehr interessiert, seine Gewalt verstärkt sich, je brutaler sie sich einbekennt. Lichtspiele und Rundfunk brauchen sich nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, daß sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen. Sie nennen sich selbst Industrien, und die publizierten Einkommensziffern ihrer Generaldirektoren schlagen den Zweifel an der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Fertigprodukte nieder.



Aber dafür sind Sprache und Gestik der Hörer und Zuschauer bis in Nuancen, an welche bislang keine Versuchsmethoden heranreichen, vom Schema der Kulturindustrie noch stärker durchsetzt als je zuvor. Heute hat sie die zivilisatorische Erbschaft der Frontier- und Untemehmerdemokratie angetreten, deren Sinn für geistige Abweichungen auch nicht allzu zart entwickelt war. Alle sind frei, zu tanzen und sich zu vergnügen, wie sie, seit der geschichtlichen Neutralisierung der Religion, frei sind, in eine der zahllosen Sekten einzutreten. Aber die Freiheit in der Wahl der Ideologie, die stets den wirtschaftlichen Zwang zurückstrahlt, erweist sich in allen Sparten als die Freiheit zum Immergleichen. Die Art, in der ein junges Mädchen das obligatorische date annimmt und absolviert, der Tonfall am Telephon und in der vertrautesten Situation, die Wahl der Worte im Gespräch, ja das ganze nach den Ordnungsbegriffen der heruntergekommenen Tiefenpsychologie aufgeteilte Innenleben bezeugt den Versuch, sich selbst zum erfolgsadäquaten Apparat zu machen, der bis in die Triebregungen hinein dem von der Kulturindustrie präsentierten Modell entspricht. Die intimsten Reaktionen der Menschen sind ihnen selbst gegenüber so vollkommen verdinglicht, daß die Idee des ihnen Eigentümlichen nur in äußerster Abstraktheit noch fortbesteht: personality bedeutet ihnen kaum mehr etwas anderes als blendend weiße Zähne und Freiheit von Achselschweiß und Emotionen. Das ist der Triumph der Reklame in der Kulturindustrie, die zwangshafte Mimesis der Konsumenten an die zugleich durchschauten Kulturwaren."


Der Mensch als Person gerät hierbei also unter völllige Heteronomie.

Ach ja, am Rande: Der Freiheitsbegriff bei Jiddo Krishnamurti ist ebenfalls eine diskutierenswerte Angelegenheit.

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Mittwoch, 29. November 2006
Habe ich was verpasst?
Zur CDU heißt es bei S & W: "Das ganze nach Freiheit gierende Wahlprogramm haben sie gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen einfach vergessen."

- Nach Freiheit gierend? Hat die CDU die Einführung direkter Demokratie in ihrem Wahlprogramm gehabt, die Aufhebung der Residenzpflicht für Asylsuchende, die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in allen Zweigen der Wirtschaft oder die Einbeziehung von Elternvertretungen und Schülerräten in die Gestaltung der Lehrpläne an den Schulen?

Was ich sehe, sind beabsichtigte Kürzungen sozialer Leistungen (welche die persönliche Freiheit der Leistungsbezieher durchaus einschränken), allgemeine Deregulierung und einige Vereinfachungen bürokratischer Abläufe, die in der großen Koalition nun so nicht umgesetzt werden. Abgesehen davon, dass Wahlprogramme immer Humtata just for the gallery sind, haben diese Dinge für mich mit Freiheit im Sinne menschlicher Emanzipation nichts zu tun.

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Dienstag, 28. November 2006
Gananath Obeyesekere
Diesem Großmeister ethnologischer Forschung (gerade wieder gelesen) sei gedankt für seine wunderschöne Formulierung " Der sogenannte Kannibalismus der Maori beschränkte sich doch in Wirklichkeit nur auf den Konsum von Europäern."

Akahiti pongi Briti, hiti hiti tonga tonga!

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Friedensperspektive für Nahost?
Geradezu selig muten die Zeiten des Osloer Abkommens an. Zum jüngsten Waffenstillstand lässt sich zynisch sagen: Ein bißchen Frieden für 120 Minuten, gemütlich laden, schon geht es weiter...

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Gerburg Treusch-Dieter ist gestorben
Eine große Dozentin, Vertreterin eines materialistischen Feminismus in Foucault´scher Tradition, ist gestorben. Ich kannte sie als kluge und informierte Diskutantin. Bei Lysis gibt´s einen Nachruf:

http://lysis.blogsport.de/2006/11/26/der-zerrissene-faden-der-ariadne/#more-301

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Sonntag, 26. November 2006
Alter Schwede!
Dass Za-Za-Zabadak doch im Internet zu finden ist und ich es nur nicht fand, weil ich dachte, es hieße Sawardak (serbokroatisch für Köhlerhütte), ist eine Sache. Aber wenn ich Laxnäs eingebe, bekam ich kürzlich immer nur den Literaturnobelpreisträger Halldor Laxnäs, nicht hingegen das gleichnamige Skigebiet, eine Gegend für Wintersportler, die bei den Dolomiten das große Gähnen kriegen und beim Heulen eines Wolfsrudels kein Muffensausen bekommen.

Nun, das wurde jetzt aber gründlich nachgeholt.

Die Welt ist etwas besser geworden ;-)

http://bloggkartan.se/plats/13428/laxnaes/

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Der Agent
Ein US-Agent wurde bestens für seinen Einsatz in Russland vorbereitet. Er sprach nicht nur russisch, er war trainiert worden, ein Russe zu sein, wie ein Russe zu denken und zu fühlen. Einige Tage nach seiner Ankunft in Moskau geht er in einen Club, wo die Moskauer Elite verkehrt. Der Barmann fragt ihn: "Aus welchem Land bist Du?" "Ich bin Russe, Gospodin, genau wie Du." "Nein, Du bist kein Russe!" "Ich beweise es Dir." Er lässt sich eine Balalaika bringen und spielt alte russische Volksweisen, doch der Barmann lässt sich nicht überzeugen. Er macht alles Mögliche, besiegt einen Russen im Schach, tanzt Kasatschok, trinkt einen Liter Wodka und wirft das Glas hinter sich, aber der Barmann sagt am Ende, "Also, Du sprichst russisch wie ein Russe, Du singst und spielst wie ein Russe, Du spielst Schach wie ein Russe, Du tanzt wie ein Russe, Du trinkst wie ein Russe, aber Du bist kein Russe." "Und warum nicht?"

"Es gibt keine schwarzen Russen."

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Nachtrag zum Thema Internationale Heimatkunde
http://www.ecoi.net/

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Harun al Rashid und Saddam Hussein
Mein Freund Massoud (der heißt nicht so, alle Namen wurden geändert) erzählte mir folgende Geschichte: Er fuhr über eine Brücke in Bagdad, als er merkte, dass er der Einzige war, der das tat. Vor und hinter ihm war sie abgesperrt. Vor ihm landete ein Helikopter, man nahm ihn fest und verband ihm die Augen, und als man ihm die Augenbinde abnahm, fand er sich in einem Marmorpalast wieder, und Saddam Hussein saß ihm gegenüber. Dieser erklärte ihm, sein Auto, ein Ford aus den 1960ern wäre mal von einem Kommando der Baath-Partei für Attentate benutzt worden und sollte deshalb in einem Museum ausgestellt werden. Daher wäre er beschlagnahmt, und Massoud könnte sich ein Ersatzauto auswählen. Manm führte ihn auf einen Parkplatz, wo vom Ferrari bis zum Nasr (ägyptische Automarke, billiger Fiat-Nachbau) alles da war. Sicherheitshalber entschied er sich für ein preiswertes Modell, einen Zastava. Er meinte später, das wäre das Herrschaftsmodell von Harun al Rashid: volkstümlich tun, absolute Macht ausüben, Mischung aus Einschüchterung und Großzügigkeit.

Szenenwechsel: Azad erstieg einen Berg, auf dessen Spitze sich ein Fort der der Republikanischen Garde befand, vier Bunker, nach innen offen. Er warf einen vollen Gurt Handgranaten hinein, runterrollen, oben bumm!

Perdosh erzählte, Hubschrauber des deutschen Typs BK117 hätten über seinem Dorf Giftgasbomben abgeworfen, sie seien in die Berge geflüchtet, hätten sich in Höhlen verkrochen, aber Bashir hätte nur eine Felsspalte gefunden, aus der seine Beine herausragten. Das reichte für den Meister aus Deutschland, in diesem Fall eine 30 mm Mauser MK. Später konnten sie einen roten Fleischbrei bestatten.


Nach einer Kundgebung gegen Abschiebungen, bei der ich den letzten Redebeitrag gehalten hatte, sprachen mich vier persisch aussehende Männer an und fragten mich, ob ich in der Stadt ein Restaurant kenne, wo Iraner verkehrten. Ich wollte es ihnen gerade sagen, als Azad mich in die Rippen stieß. Ich meinte also, nein, ein solches Restaurant gäbe es in der Stadt nicht. Hinterher fragte ich ihn, was das denn gesollt hätte. Er sagte: "Das ist ein Killerkommando!" Ich hielt ihn für paranoid. Am nächsten Tag kam die Meldung, dass im Berliner Restaurant Mykonos ein Kurdenführer erschossen wurde.

Im Iran werden Verdächtige gefragt, ob sie lieber Coca oder Pepsi trinken würden. Es bezieht sich auf die Art der Flaschen, die man ihnen als erste Stufe der Folter mit Kronkorken drauf inh den Hintern rammen wird.

In der demokratischen Türkei gibt es stattddessen in den Polizeirvieren einen Raum, auf dessen Eingangstürnder Spruch steht: "Hier gibt es keinen Gott." Wer hier vernommen wird, wird mit dem Hintern auf die Herdplatte gesetzt.


Als Shahine vernommen wurde, hängte man sie nackt mit den Armen an einem Schlachterhaken auf, prügelte sie mit Stöcken durch, dröhnte sie mit überlauter Musik voll, erklärte, sie wäre als armenische Topp-Terroristin identifiziert, bis wir sie rausholten. Ihre Brüder meinte, das wäre doch nur das Kleine-Mädchen-Programm gewesen.

Das habe ich als Erinnerung intus, wenn ich die Blogeinträge deutscher Blogger zum Thema Irak oder Naher Osten lese.Ich kenne das. Sie nicht.

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Samstag, 25. November 2006
Auf Feindfahrt im Westpazifik
Nachdem China Taiwan überrannt hat und nordkoreanische Truppen die südkoreanische Grenze überschritten haben, befinden sich Südkorea und die USA mit Nordkorea, die Philippinen mit China und Japan mit China und Nordkorea im Krieg. Eine Kampfgruppe der französischen Marine, bestehend aus dem Flugzeugträger Charles de Gaulle, zwei Zerstörern und drei Fregatten, kreuzt im Westpazifik, um Französisch-Polynesien gegen den Kampfraum abzuschirmen. Ein chinesischer Zerstörer der Harbin-Klasse, begleitet von zwei Fregatten, ein in Deutschland gebautes superleises Uboot der Volksbefreiungsmarine und 6 mit Silkworm-Raketen bewaffnete Badger-Bomber greifen den französischen Verband konzentrisch an.



Nein, das ist kein Drehbuch für den übernächsten Bond oder ein neues Strategiespiel, auch keine Stabsrahmenübung der französischen Marine, sondern ein kleiner Fingerzeig, was so passieren könnte, wenn die China-Blase platzt und man sich dort entschließt, die eigenen Probleme sozialimperialistisch durch militärische Expansion zu lösen. Die Krisenherde der Zukunft liegen nicht unbedingt im Nahen Osten.

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Jetzt mache ich mal platte Werbung
Nämlich für den Beitritt in die Vereinigung zur Kritik der politischen Ökonomie und die Lektüre der Zeitschrift PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft.


www.prokla.de

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Samstag, 25. November 2006
Der lupenreine Dämokrator
Die Geschichte mit dem radiokotiv vergifteten Regimekritiker erinnert mich stark an den bulgarischen Regenschirm (ein bulgarischer Dissident wurde mit einer Giftkapsel aus einem James-Bond-mäßig präparierten Regenschirm erschossen). Seit finstersten KGB-Zeiten haben die sich nicht verändert, nur jetzt unter kapitalistischen Vorzeichen. China 2 ?

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Transparency for VW!
Allerdings nicht durch einen Verein wie Transparency International, sondern durch Profis. Ob sich da was ändert?

http://www.dr-buchert.de/index.php?section=ombudsmann

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Freitag, 24. November 2006
Hartz IV vor dem Bundesverfassungsgericht
Es ist also verfassungskonform, dass ALG2 bei 345 Euronen liegt, weil diese GEldmenge zur materiellen Versorgung und zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausreiche. Was für ein gesellschaftliches Leben? Wenn man darunter Theater- Kino- Opern- Kongress- und Restaurantbesuche oder Vereins- und ehrenamtliche Tätigkeit oder Unterstützung sozialer Projekte versteht, ist das unsinnig. Ich habe mir also überlegt, was es sonst bedeuten könnte. Vielleicht gehen die ALG2-Bezieher ja zu öffentlichen Veranstaltungen und großen Events, um die knappe Kasse durch Handtaschendiebstähle aufzufrischen oder betteln in öffentlichen Parks. Ja, so könnte es klappen!

Richtig subversiv, unsere Verfassungsrichter. Alle Achtung ;-)

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Der endlich erfolgte Nachschlag zu StudiVZ
hier:


http://www.blogbar.de/archiv/2006/11/23/studivz-700-stalker-und-der-datenschutz/

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200 Tote in Nasr City
sind erneut ein schrecklicher Beweis für das völlige Versagen der Streitkräfte der US of A und ihres Krisenmanagements. Man muss sich ja wirklich nicht wundern: Erst wurden alle staatlichen Organisationen des Irak zerschlagen, nicht etwa nur der zugebenerweise äußerst aufgeblähte Terrorapparat, sondern auch alle möglichen Einrichtungen der Zivilverwaltung bis hin zum Bagdader Nationalmuseum, dessen unermesslich kostbare Antiken, darunter die Ältesten der Menschheitsgeschichte, man Plünderern überließ. Der Wiederaufbau der irakischen Polizei erfolgte nach der vollständigen Entlassung der alten Polizei, anstelle einer mühseligen, aber notwendigen Entfaschisierung der vorhandenen Kräfte. Dazu kam ein fast völliges Fehlen von Aufbauhilfen - mit der sehr bedeutenden Ausnahme der sozialbürokratischen Verteilungsapparate für Nahrungsmittel, die von der Baath-Partei unter der Embargowirtschaft entwickelt wurden und als Infrastruktur der elementarsten Grundversorgung, aber auch der Zwangsverwaltung und Erfassung der Unterschichten für die Nachkriegsordnung beibehalten werden sollen. Hätten die Westalliierten, die 1945 in diesem Sinne alles richtig gemacht hatten, sich ebenso verhalten, so hätte das bedeutet, nicht nur Wehrmacht und NS-Organisationen aufzulösen, sondern nahezu die gesamte öffentliche Verwaltung (ach ja, und Plünderer auf der Berliner Museumsinsel), auf den Wiederaufbau dank Marschallgeldern zu verzichten und auch 1948 noch keine funktionierende Strom- und Wasserversorgung zu haben. Ich wage zu vermuten, dass es unter diesen Voraussetzungen auch in Deutschland noch Nazis gegeben hätte, die Wehrwolfaktionen gegen die Aliierten durchgeführt hätten. Ein Erhalt funktionierender Institutionen unter neuer Führung und sehr viel Geld für einen schnellen Wiederaufbau und rasch steigendes Konsumvermögen des Normalverbrauchers waren Voraussetzungen der Demokratie in Westdeutschland. Die US of A blamieren sich vor den Leistungen ihrer eigenen Geschichte.

Kurdische Genossen von mir, die in das Land zurückgekehrt sind, um es wiederaufzubauen, sind inzwischen wieder in Deutschland und sehen keine Perspektive für den Irak. Was haben wir uns abgemüht vor 15, 12, 10 Jahren. Genossinen haben in Deutschland gesammeltes Geld in der Unterwäsche nach Kurdistan-Irak geschmuggelt, mit dem wir eine Schule und eine zerbombte Brücke wieder aufgerbaut haben. Wir haben eine Genossin aus dem Folterknast herausgeholt. Unsere irakischen Freunde sind vor deutschem Giftgas nach Deutschland geflohen, das von deutschen, französischen uns sowjetischen Hubschraubern abgeworfen wurde, während die tolle Streitmacht der USA in der Region präsent war und ungerührt zu sah, wie Saddam 165 000 Menschen vergasen, erschießen oder lebendig mit Bulldozern in de Boden pflügen ließ. 1991 hätte das irajkische Volk die Möglichkeit gehabt, sich selbst zu befreien. Hierzu schreiben Detlef Hartmann und Dirk Vogelskamp in "Irak. Schwelle zum sozialen Weltkrieg": "Der Aufstand war simultan und erschien unkoordiniert. Das heißt nur, dass die Organisationsprozesse ihren Grund in sozialen Zusammenhängen und Vernetzungen hatten, die unserem Organisationsverständnis unzugänglich blieben und das Widerstandspotential zum Ausdruck brachten, das sich in den vorausgegangenen Konfrontationen aus der tradierten Gesellschaftlichkeit entwickelt hatte. Er griff bald auf Basra und dann weitere große Städte im gesamten Irak über. Auch die Stämme aus den ländlichen Regionen griffen ein. Ein offenbares Zusammenspiel zwischen den Strategien Saddams und der USA erstickten den Volksaufstand blutig. Saddam brachte vor allem seine Garden und Geheimdiensteinheiten in Sicherheit und überließ die Armee, in der große Teile der Aufständischen aus dem städtischen Proletariat und den bäuerlichen Unterklassen rekrutiert waren, dem amerikanischen Bombardement. Wenn es den USA au die Durchsetzung des Aufstandes gegen Saddam und das Baath-Terrorregime angekommen wäre, so wäre es ihnen ein Leichtes gewesen, den Aufstand zu unterstützen und Saddam Hussein und seine entwicklungsdiktatorischen Apparate hinwegzufegen. Dies geschah nicht. Sie überließen den Aufstand den saddamtreuen hochgerüsteten und gut ausgebildeten Garden, die ihr Terrorregime in öffentlichkeitswirksam durchgeführten Massenexekutionen wieder herstellten und den Widerstand in Blut ertränkten."

Kein Wunder, denn nichts fürchten die Herrschenden im Westen so sehr wie eine soziale Revolution am Golf.

Hier ein paar Stimmen, die dazu gehört werden sollten:




http://che2001.blogger.de/stories/468568/#468914

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Globalisierung/williams.html

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Mal wieder ein Lesetipp
http://capitalverbrecher.twoday.net/

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Gruß zu thanksgiving
an meine Freunde, Kollegen und Verwandten in den USA mit Hinweis auf einen lesenswerten Artikel bei einem Freund: http://gebloggtewelten.wordpress.com/2006/11/23/achtung-%e2%80%93-truthahn

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Die Aktualität des Internet
Was ich, ganz und gar ein Kind der 1970er Jahre, ärgerlich finde, ist die Tatsache, dass man Dinge aus dieser Zeit bei Webrecherchen eher selten findet. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, dass es damals einen Ohrwurm gab, ein richtig schlechtes Lied auf dem Niveau von Opus´"Life is life" oder "Dschingis Khan", mit dem Refrain "Sa-Sa-Savardak!". Das ist nun serbokroatisch und müsste "Köh-Köh-Köhlerhütte" heißen, was nun gar nicht hip klingt, aber damals tanzte man dazu ab. Wenn man das Wort googelt, findet man nichts davon. Auch, wieso Topset groovy ist weiß das Internet nicht, ja, zeitlich viel jüngere Dinge, wie die Tatsache, dass Norbert ein Glatter ist, ist online nicht erfahrbar. Es ist beruhigend, dass noch lange nicht jeder Furz erfasst und katalogisiert ist.

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Rasant, rasant, Herr Asylant!
Bald ist wieder Abschiebetag. Die Innenministerkonferenz beschließt:

1. Die Innenminister und –senatoren der Länder nehmen den Bericht des
Bundesministers des Innern über die Kontaktaufnahme mit Vertretern der
irakischen Regierung und der nordirakischen Regionalregierung sowie über die
gegenwärtige Lage in den kurdischen Nordprovinzen zustimmend zur Kenntnis.

2. Die IMK stellt fest, dass nunmehr mit Rückführungen von
ausreisepflichtigen irakischen Staatsangehörigen, die in Deutschland wegen
Straftaten verurteilt wurden, unter
Beachtung der vom UNHCR eingeräumten Möglichkeiten begonnen werden kann. Sie
begrüßt das Angebot des Bundesministers des Innern, diese Abschiebungen auf
dem Luftweg in den Nordirak durch Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei
erforderlichenfalls begleiten zu lassen.

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Streifzüge
Nicht nur Volkert sitzt in Haft, es zeichnet sich auch ab, dass Peter Hartz ganz tief drin hängt in der VW-Affäre. Nun sollte man niemanden vorher verurteilen und gilt zunächst die Unschuldsvermutung, trotzdem hat es natürlich einen haut gout, wenn Gesetze nach mutmaßlichen Verbrechern benannt werden. Wann kommt das Meyer-Lanski-Gesetz? Oder Hamann 1-4 (zur Bekämpfung von Gammelfleisch)? Die Didi-Degowski-Regelung für den öffentlichen Busverkehr? Das Jürgen-Bartsch-Gesetz zum Jugendschutz? Das Mucki-Pinzner-Edikt zum öffentlichen Wettbewerb?


- Das Merkel unternimmt Anstalten, die bislang unvergleichlichen Dikti ihres Übervaters Kohl zu erreichen. So hörte ich sie heute morgen im Radio: "Ich bin mir da sehr zweifelhaft." Immerhin ist sie sich, was sie mir ist, wie du mir, so ich dir sozusagen.


Demnächst sollen nicht nur GEZ-Gebühren für Internet-Anschlüsse kassiert werden (wofür eigentlich? Gibt es öffentlich-rechtliche Provider mit einer Informationspflicht?), sondern multimediafähige PCs generell unter die Gebührenregelung fallen, weil der Besitzer ja das Gerät habe, mit dem er ins Internet gehen könne. Deswegen hat ein kinderloser Junggeselle nun angekündigt, er wolle Kindergeld beantragen, da er ja das Gerät habe, um Kinder zu zeugen.

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