Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Presseerklärung
30. August 2010
Bundesweiter Gedenktag für die Toten in Abschiebungshaft
PRO ASYL und Interkultureller Rat: Abschiebungshaft muss drastisch reduziert werden
Anlässlich des heutigen Gedenktages für die Toten in Abschiebungshaft fordern PRO ASYL und der Interkulturelle Rat in Deutschland die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, die Abschiebungshaft grundsätzlich neu zu regeln und drastisch zu reduzieren.
Bei jedem neu bekannt werdenden Suizid in der Abschiebungshaft gibt es lediglich Betroffenheitsbekundungen und Lippenbekenntnisse. Diesen steht keine adäquate Bereitschaft gegenüber, notwendige Reformen durchzuführen. Nach wie vor ist die Abschiebungshaft in Deutschland keineswegs die ultima ratio zur Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht. Sie wird noch immer zu schnell beantragt und oft nach oberflächlicher richterlicher Prüfung verhängt, ohne dass Alternativen überhaupt geprüft werden. Mit tragischen Konsequenzen:
* Nach einem Bericht der Berliner Zeitung haben Anfang 2010 innerhalb eines einzigen Tages drei Abschiebehäftlinge in der Haftanstalt Köpenick versucht sich das Leben zu nehmen. Einer trank eine Shampooflasche leer, einer schnitt sich mit der Rasierklinge den ganzen Körper auf und blutete so stark, dass ein Rettungshubschrauber gerufen werden musste. Ein Dritter versuchte sich in der Zelle zu erhängen.
* Am 7. März 2010 erhängte sich ein junger georgischer Abschiebungshäftling im Zentralkrankenhaus für Häftlinge in Hamburg. Anstaltspsychologen hatten mit dem Häftling, dem die Zurückschiebung nach Polen drohte, Gespräche geführt und eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen. Er erhängte sich in der videoüberwachten Krankenzelle.
* Nach achtwöchiger Abschiebungshaft erhängte sich am 16. April 2010 die 34 Jahre alte indonesische Staatsbürgerin Yeni P. in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand in Hamburg. Der für die Hamburger Haftanstalten zuständige Senator ist inzwischen Erster Bürgermeister Hamburgs.
* Am 2. Juli 2010 nahm sich der 58-jährige Slawik C. in der Abschiebehaftanstalt Hannover-Langenhagen das Leben. Fünf Tage vor seiner geplanten Abschiebung nach Armenien erhängte er sich mit dem Kabel eines Wasserkochers. Von Nichtregierungsorganisationen werden heftige Vorwürfe gegen die niedersächsischen Behörden erhoben. Die Inhaftierung habe keine Rechtsgrundlage gehabt und die Ausländerbehörde falsche Identifikationsdaten zur Beschaffung von Passersatzpapieren benutzt. Zudem sei Slawik C. trotz Anzeichen für einen möglichen Suizid nicht überwacht worden.
Völlig unannehmbar ist es zudem, dass in deutschen Haftanstalten, diesen Orten der Verzweiflung, Minderjährige untergebracht werden. Zwischen 2005 und 2007 wurden bundesweit in 377 Fällen unbegleitete Minderjährige in Abschiebungshaft genommen. Auch seitdem sind immer wieder neue Fälle bekannt geworden. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat sehen hierin eine Verletzung der UN-Kinderrechts-konvention.
Die Konsequenzen, die aus der unmenschlichen Vollzugspraxis der Abschiebungshaft in Deutschland ergeben müssen, sind offensichtlich. PRO ASYL und der Interkulturelle Rat fordern,
* Abschiebungshaft für Minderjährige kategorisch auszuschließen;
* in jedem Einzelfall Alternativen zur Verhängung der Abschiebungshaft umfassend zu prüfen und berücksichtigen;
* die Betroffenen konsequent getrennt von Strafgefangenen unterzubringen;
* verbindliche Mindeststandards für Abschiebungshaftanstalten zu schaffen. Diese müssen die Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung gewährleisten, angemessene medizinische Versorgung sicherstellen und kostenlosen Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung ermöglichen.
Zum Hintergrund des Gedenktages am 30. August:
* Am 30. August 1983 starb Kemal Altun, ein 23-jähriger Asylsuchender aus der Türkei, durch einen Sprung aus dem Fenster des Westberliner Verwaltungsgerichts. Während eines von der Türkei in Gang gesetzten Auslieferungsverfahrens saß Altun 13 Monate lang in Auslieferungshaft.
* Am 30. August 1994 erstickte der Nigerianer Kola Bankole an Bord einer Lufthansamaschine während der Abschiebung, geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt, mit Psychopharmaka „ruhig gespritzt“.
* Am 30. August 1999 starb Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren, wo er die Matratze seiner Einzelhaftzelle in Brand gesetzt haben soll.
* Am 30. August 2000 stürzte der 28-jährige Mongole Altankou Dagwasoundel beim Versuch, sich während eines Krankenhausaufenthaltes der Abschiebungshaft in Berlin-Köpenick zu entziehen, in den Tod. Beim Versuch, sich aus dem Fenster des überwachten Krankenzimmers abzuseilen, stürzte er ab.
Initiativen gegen die Abschiebungshaft sowie Initiativen, die Gefangene in Abschiebungshaftanstalten beraten und betreuen, erinnern zum 30. August eines jeden Jahres an die Toten in Abschiebungshaft.
Hinweis:
Mehr Informationen sind einem Übersichtspapier mit aktuellen „Daten und Fakten zur Abschiebungshaft“ zu entnehmen, das Pro Asyl und der Interkulturelle Rat erarbeitet und auf ihren Homepages zum Download bereitgestellt haben.
Kontakt:
Tel. 069 23 06 95
E-Mail presse@proasyl.de
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Es wird Zeit, dass der autonome Flugzeugträger "Klaus Störtebeker" klar Schiff macht.
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Ein Rezensent empfahl, zu Sarrazins Thesen den folgenden Text gegenzulesen: Der Reichsminister des Innern, Dr. Wilhelm Frick in seiner Ansprache auf der ersten Sitzung des Sachverständigenbeirates für Bevölkerungs- und Rassenpolitik am 28. Juni 1933 in Berlin (Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst) 1933. Und er schloss seine Buchbewertung mit den Worten: "Wer danach noch meint, Sarrazin habe recht, ist erstens kein Demokrat, schon gar kein Humanist und zweitens lebt er 70 jahre zu spät." Aber vermutlich geht das über den Horizont der Meisten, die Sarrazin Beifall klatschen, weit hinaus.
98 Prozent der Kunden, die sich diese Buch ansahen, sollen es dann übrigens auch gekauft haben.
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hiermit laden wir Sie herzlichst zum Goethefest auf der Goethestrasse in Hannover ein. Wir freuen uns am 28.08.2010 von 14-20 Uhr über Ihren Besuch. Um 14.15 Uhr präsentieren sich auch Basketballprofis der UBC Tigers.
Herzlichen Gruß
Goetheprojekt Organisationsteam
http://www.goethestrasse-hannover.de/
Sayın Arcadas,
Size bu Cumartesi Goetheplatz'da yapılacak Almanya'nın en ünlü kültür sembollerinden en büyük şaiiri Goethe'nin doğumgününde yapılacak Goethe Festivali'ne davet etmekten mutluluk duyarız. Hannover Belediye Başkanı Sayın Weil tarafından desteklenen festival, 28.08.2010 tarihinde saat 14:00de başlayacak olup, basketbol takımı UBC Tigers'in NBA yıldızlarıyla yapacağı basketbol şov 14:15'de gerçekleşecektir.
Goethe Projesi Hazırlama Komitesi
http://www.goethestrasse-hannover.de/
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Eine Sendung von Dirk Auer und Chrissi Wilkens
Griechenland ist für Zehntausende schutzsuchender Menschen zum Haupttor nach Europa geworden. Unter ihnen sind besonders viele minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan oder dem Irak. In kleinen Schlauchbooten riskieren sie bei der gefährlichen Überfahrt von der Türkei ihr Leben; wer nicht von der Küstenwache und der europäischen Grenzagentur Frontex zurück in die Türkei gedrängt wird, erreicht die nahe gelegenen griechischen Inseln und versucht, von dort aus weiter nach Athen zu gelangen. Ein funktionierendes Asylsystem gibt es in Griechenland nicht, auch keine soziale Unterstützung. Und so leben die Kinder und Jugendlichen schutz- und obdachlos auf den Straßen. Sie irren zu Tausenden durch das Land und versuchen schließlich, über Italien in ein westeuropäisches Land weiterzureisen, in dem sie Verwandte, Bekannte oder Freunde haben.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/gesichtereuropas/
Livestream: www.dradio.de/dlf
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Kindergarten? Wir sind über 40.
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Angela Davis in der aktuellen konkret.
Die Selbstverständlichjkeit, mit der sie Klassenkampf, das Aufbrechen heterosexistischer Strukturen und Antirassismus in Verbindung zueinander bringt und zu den Aufgaben und Kampffeldern der KommunistInnen rechnet ist nicht nur eindrucksvoll sondern vor allem wohltuend weit weg von den linken Diskussionen in Doitschland.
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http://kritik-und-kunst.blog.de/2010/08/19/haerte-krise-9209804
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http://magazine.web.de/de/themen/beruf/karriere/11022712-Weniger-Urlaub-fuer-Arbeitnehmer.html
In recht vielen Betrieben die ich so kenne beträgt der vertragliche Jahresurlaub 24 Tage, und mehr als 2 Wochen am Stück gestattet man eigentlich niemandem in Urlaub zu fahren, Führungskräfte müssen darüber hinaus per Handy und email erreichbar bleiben. Das ist zumindest so die Arbeitsrealität wie ich sie kenne. Und immer, grundsätzlich, geht es den Deutschen angeblich besser als Menschen im Ausland. Zwar gilt in Italien, dass nach 35 Jahren Lebensarbeitszeit Ruhestand angesagt ist, und das heißt, wer mit 16 zu arbeiten angefangen hat geht mit 50 in Rente, in Frankreich wird gerade um den Erhalt der Rente mit 60 gekämpft, in Norwegen gilt es bereits als Entgleisung und unzumutbare Härte, wenn ein Chef einen Mitarbeiter am Freitag anruft und noch etwas von ihm will, in Großbritannien wären die Arbeitstaktzeiten an deutschen Fließbändern undenkbar, aber nee, schon klar, den deutschen ArbeitnehmerInnen geht es am Besten, und sie müssen von ihren Besitzständen runter.
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Ja, diese Verrücktheit will ich weiter leben, nur Langweiler flüchten sich in die Normalität. Ich will wirklich gerne sehr lange leben, aber das Leben im freien Fall zu beenden ist besser als in einem Pflegeheim. Es ist besser, auszubrennen als zu verblassen.
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Das wird Wirkung zeigen.
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Wörtlich hieß es „und die lebensphilosophische Unterströmung der DdA ist ja offenkundig – die verstehen „Natur“ ja äußerst explizit nicht im Sinne der Naturwissenschaften, sondern eben des Unreglementierten, Lebendigen, dass dann durch internalisierte Naturberrschung auch im Subjekt unterdrückt wird und in der Massengesellschaft, verzerrt und entfremdet, als Barbarei und Gewalt hervor bricht. Entziehen kann man sich dem nur durch die einsame Rezeption des Kunstwerks – und dieses kritisierte Umschlagen von Qualität in Quantität, auf das auch Rayson sich bezieht, ist nun geradezu Zentrum der Gesellschaftskritik Horkdornos.“ --- Dem würde ich nun allerdings widersprechen und antworten, dass die Standpunkte Horkdornos hier zum Teil verzerrt, zum Teil verkürzt werden.
Der Naturbegriff der Dialektik der Aufklärung wurzelt auf dem von Engels, der zwischen Realismus und Naturalismus, zwischen Abbildung der Wirklichkeit und Projektion der äußeren Natur in das Kunstwerk oder auch das Wesen des Menschen hinein unterscheidet, eine Unterscheidung, die schon für Engels Auseinandersetzung mit dem Sozialdarwinismus etwa im Anti-Dühring entscheidend war.
Ich würde schon sagen, dass Horkdorno Natur als Solche durchaus im Sinne der Naturwissenschaften verstehen, die eigentliche Dynamik aber im dialektischen Wechselpiel aus Naturbeherrschung durch den Menschen und dem Zurückschlagen von Aufklärung in Mythologie erwächst und zum Anderen auch aus der Bedeutung der Natur als Inspiration für die Kunst. Von Bedeutung ist da einmal die Reduzierung des Menschen auf das Naturhaft-Besondere durch den Menschen, durch Ideologie, mit anderen Worten: Die Naturalisierung gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse und die Reduktion des Anderen auf den Körper, die ihren Höhepunkt in der Rassenideologie findet (direkte Weiterentwicklung von Engels Naturbegriff auf der Höhe der eigenen Zeit):
„»Rasse« ist nicht, wie die völkischen es wollen, unmittelbar das naturhaft Besondere. Vielmehr ist sie die Reduktion aufs Naturhafte, auf bloße Gewalt, die verstockte Partikularität, die im Bestehenden gerade das Allgemeine ist. Rasse heute ist die Selbstbehauptung des bürgerlichen Individuums, integriert im barbarischen Kollektiv.« (DdA, S. 178)
Hier besteht also ein deutlicher Unterschied in der Natur, wie sie ist und in der Funktion, die die Reduktion auf die Natur oder die Naturalisierung als 1944 aktuellste und modernste Form des Umschlagens des rationalen Fortschritts in destruktive und barbarische Gewalt in der Geschichte menschlicher Naturbeherrschung darstellte. Das Gleichsetzen von Natur mit dem Unreglementierten, Lebendigen gibt es dann auch, aber als Teil der menschlichen Imagination, durch die Natur mittelbar auf Menschen wirkt, durchaus ganz stark als – immer in sich gebrochene – Stimulanz für künstlerisches Schaffen: „Kunst will einlösen, was Natur verspricht. Fähig ist sie dazu nur, indem sie jenes Versprechen bricht, in der Zurücknahme auf sich selbst“ (Ästhetische Theorie, 1970, S. 104). In diesem Zusammenhang habe ich das Durchbrechen des Unreglementierten, wilden, Animalischen immer auch als eine positive Möglichkeit gesehen, was deutlich wurde in den Triebbefreiungstheorien Reichs, Hodanns, Marcuses und letztlich auch noch im Mensch vs. Maschine- Antagonismus der Operaisten (Rage against the machine) und auch in Adornos Resümé über Kulturindustrie kurz angesprochen wurde. Ich denke auch nicht, dass die einsame Rezeption des Kunstwerks hier Desiderat war, sondern eher die Entwicklung einer nichtaffirmativen sog. Unpopulären Volkskunst , womit mit z.T. explizitem Bezug auf die Ästhetische Theorie zum Beispiel die Künstlergruppe COBRA, die Gruppe SPUR, die Subversive Aktion, überhaupt die Situationisten sich dann ja auch beschäftigt haben, bis hin zu jenem „Lucifer Dyoniysios“, der in „Genießen Sie den Untergang des Abendlandes“ schrub, angesichts des Entwicklungsstandes der Produktivkräfte sei Sperrmüllabfuhr die einzige gerechte und rationale Form der Distribution. Eigentlich nur eine konsequente Antwort auf den Satz. "angesichts solcher Möglichkeit aber, wandelt Aufklärung sich zum totalen Betrug der Massen um". Noch der spezielle Humor der Titanic wurzelt ja in Adornos Suche nach einer kritischen nichtaffirmativen Kunst. Das Umschlagen von Qualität in Quantität (und umgekehrt war ja auch am Bild des Übermenschen die Möglichkeit vom Umschlagens von Quantität in Qualität thematisiert worden) steht m.E. in einem anderen Kontext als die „Vermassungs"-Konzepte Spenglers, Freyers oder y Gassets. Kritisiert wurde hier die Entwertung des Kunstwerks durch seine massenhafte Reproduzierbarkeit für Zwecke, nämlich einmal Profitabschöpfung und zum Anderen Integration der Massen in den Kapitalismus. Dies beinhaltet aber keinen abwertenden Blick auf die Massen selbst, sondern vielmehr Verzweiflung darüber, dass aus diesen Massen keine Massenkultur, keine Volkskunst hervorgegangen ist; im Grunde ist das eine durchaus klassenkämpferische Perspektive. Im ersten Drittel des Zwanzigsten Jahrhunderts war es ja eine wichtige Perspektive der Linken und, so sie sich zur Linken rechnete der künstlerischen Avantgarde, dass die bürgerliche Gesellschaft, die bürgerliche Kultur überwunden wurde durch eine Gleichzeitigkeit des Sichentfaltens der traditionellen Arbeiterkultur, damals durchaus eine Gegenkultur, aber schon zu mächtig, um noch als Subkultur zu gelten und der Kunst der Moderne, endlich auch der alternativen Lebensstile der Lebensreformbewegungen jener Zeit und das Zusammenwachsen dieser Komponenten zu einer Volkskunst und einer Massenkultur. Antonio Gramsci ging ja soweit, eine eigene Revolutionstheorie zu entwickeln, derzufolge die soziale Revolution genau dann möglich sei, wenn das Proletariat die kulturelle Hegemonie der Bourgeoisie gebrochen und die eigene gewonnen habe. Von Spengler bis zu den Nazis fürchtete die Rechte genau das – siehe „Kulturbolschewismus“. Hierzu Jay: "Lenins Forderung nach Tendenzliteratur, aufgestellt im Kampf gegen den ästhetischen Formalismus der Jahrhundertwende, gipfelte letztlich in der sterilen Orthodoxie des stalinistischen sozialistischen Realismus. Der zweite Leitsatz, den Steiner und viele andere für den fruchtbareren halten, folgt Engels, der Kunstwerke weniger nach den politischen Intentionen ihrer Urheber als nach ihrer immanenten gesellschaftlichen Bedeutung beurteilte. Der objektive gesellschaftliche Gehalt eines Kunstwerks, so Engels, der Kunstwerke weniger nach den politischen Intentionen ihrer Urheber als nach ihrer immanenten gesellschaftlichen Bedeutung beurteilte. ….. Diesem zweiten Ansatz sind jene Kritiker gefolgt, die nicht dem Sowjetblock angehörten und die Michel Crouzet einmal als Paramarxisten bezeichnet hat. Zu ihren prominentesten Vertetern zählten irgendwann in ihrem Leben Jean-Paul Sartre und Lucien Goldmann in Frankreich, Edmund Wilson und Sidney Finkelstein in Amerika sowie einige Mitglieder der Frankfurter Schule in Deutschland. … Die Frankfurter Schule machte sich … die Engelssche Unterscheidung zwischen Realismus und Naturalismus zu eigen, die zu unterstreichen Lukacs so viel getan hatte, wobei ihnen die Definition des Naturalismus mehr einleuchtete als die des Realismus…. Das Institut wurde nicht müde, die Gegenüberstellung von Kultur als einer höheren Sphäre menschliche Strebens und materieller Existenz als einem niederen Aspekt menschlichen Seins immer wieder zu kritisieren. So pries Adorno Spengler dafür, dass er demonstriert habe, „wie Kultur selber als Form und Ordnung verschworen ist der blinden Herrschaft“ (Spengler tat dies nicht absichtlich und erklärterweise, er wurde eher für einen unfreiwilligen Beweis gepriesen, Anm. d. Verf) und Benjamin stellte nüchtern fest: „Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.“ Gleichermaßen fremd war dem Institutsdenken die Beurteilung von Kunstprodukten als bloßem Ausdruck individueller Schöpferkraft…Das künstlerische Schaffen sei in einem bestimmten Sinne sowohl gesellschaftlich wie individuell. Kunstwerke drückten deshalb objektive gesellschaftliche Tendenzen aus, die von ihren Schöpfern gar nicht beabsichtigt seien…. Damit galt das ästhetische Grunprinzip des Expressionismus, einer Strömung, die insbesondere bei der Jugend Deutschlands Anklang fand, der Frankfurter Schule letztlich als falsch…“Je mehr das Ich des Expressionismus auf sich selber zurückgeworfen wird, umso mehr ähnelt es der ausgeschlossenen Dingwelt an sich“…..Eine dialektische oder immanente Kunstkritik, erklärte Adorno, „nimmt das Prinzip ernst, nicht die Ideologie an sich sei unwahr, sondern ihre Prätention, mit der Wirklichkeit übereinzustimmen.“ (Martin Jay, Dialektische Phantasie, S. 209 ff.)
Hieran wird deutlich, dass der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Kunstkritik und empirisch betriebener Gesellschaftskritik bei der Frankfurter Schule und besonders Adorno ein sehr unmittelbarer und sehr dialektischer war, hätte Engels zu Adornos Zeiten gelebt hätte er wahrscheinlich sehr ähnlich argumentiert. Dies eingedenk, noch einmal zurück zur Massengesellschaft bzw. Kulturindustrie.
Den terminologischen Unterschied zwischen beiden machte Adorno in seinem „Resümé über Kulturindustrie“ sehr klar:
„Das Wort Kulturindustrie dürfte zum ersten Mal in dem Buch 'Dialektik der Aufklärung' verwendet worden sein, das Horkheimer und ich 1947 in Amsterdam veröffentlichten. In unseren Entwürfen war von Massenkultur die Rede. Wir ersetzten den Ausdruck durch »Kulturindustrie«, um von vornherein die Deutung auszuschalten, die den Anwälten der Sache genehm ist: daß es sich um etwas wie spontan aus den Massen selbst aufsteigende Kultur handele, um die gegenwärtige Gestalt von Volkskunst. Von einer solchen unterscheidet Kulturindustrie sich aufs äußerste. Sie fügt Altgewohntes zu einer neuen Qualität zusammen. In all ihren Sparten werden Produkte mehr oder minder planvoll hergestellt, die auf den Konsum durch Massen zugeschnitten sind und in weitem Maß diesen Konsum von sich aus bestimmen. Die einzelnen Sparten gleichen der Struktur nach einander oder passen wenigstens ineinander. Sie ordnen sich fast lückenlos zum System. Das gestatten ihnen ebenso die heutigen Mittel der Technik wie die Konzentration von Wirtschaft und Verwaltung. Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben. Sie zwingt auch die jahrtausendelang getrennten Bereiche hoher und niederer Kunst zusammen. Zu ihrer beider Schaden. Die hohe wird durch die Spekulation auf den Effekt um ihren Ernst gebracht; die niedrige durch ihre zivilisatorische Bändigung um das ungebärdig Widerstehende, das ihr innewohnte, solange die gesellschaftliche Kontrolle nicht total war. Während die Kulturindustrie dabei unleugbar auf den Bewußtseins- und Unbewußtseinsstand der Millionen spekuliert, denen sie sich zuwendet, sind die Massen nicht das Primäre sondern ein Sekundäres, Einkalkuliertes; Anhängsel der Maschinerie. Der Kunde ist nicht, wie die Kulturindustrie glauben machen möchte, König, nicht ihr Subjekt, sondern ihr Objekt. Das Wort Massenmedien, das für die Kulturindustrie sich eingeschliffen hat, verschiebt bereits den Akzent ins Harmlose. Weder geht es um die Massen an erster Stelle, noch um die Techniken der Kommunikation als solche, sondern um den Geist, der ihnen eingeblasen wird, die Stimme ihres Herrn. Kulturindustrie mißbraucht die Rücksicht auf die Massen dazu, ihre als gegeben und unabänderlich vorausgesetzte Mentalität zu verdoppeln, zu befestigen, zu verstärken. Durchweg ist ausgeschlossen, wodurch diese Mentalität verändert werden könnte. Die Massen sind nicht das Maß sondern die Ideologie der Kulturindustrie, so wenig diese auch existieren könnte, wofern sie nicht den Massen sich anpaßte.
Die Kulturwaren der Industrie richten sich, wie Brecht und Suhrkamp schon vor dreißig Jahren aussprachen, nach dem Prinzip ihrer Verwertung, nicht nach dem eigenen Gehalt und seiner stimmigen Gestaltung. Die gesamte Praxis der Kulturindustrie überträgt das Profitmotiv blank auf die geistigen Gebilde. Seitdem diese als Waren auf dem Markt ihren Urhebern das Leben erwerben, hatten sie schon etwas davon. Aber sie erstrebten den Profit nur mittelbar, durch ihr autonomes Wesen hindurch. Neu an der Kulturindustrie ist der unmittelbare und unverhüllte Primat der ihrerseits in ihren typischesten Produkten genau durchgerechneten Wirkung. Die Autonomie der Kunstwerke, die freilich kaum je ganz rein herrschte und stets von Wirkungszusammenhängen durchsetzt war, wird von der Kulturindustrie tendenziell beseitigt, mit oder ohne den bewußten Willen der Verfügenden. Diese sind sowohl Vollzugsorgane wie Machthaber. Ökonomisch sind oder waren sie auf der Suche nach neuen Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals in den wirtschaftlich entwickeltesten Ländern. Die alten werden immer prekärer durch den gleichen Konzentrationsprozeß, der seinerseits die Kulturindustrie als allgegenwärtige Einrichtung allein ermöglicht. Kultur, die dem eigenen Sinn nach nicht bloß den Menschen zu Willen war, sondern immer auch Einspruch erhob gegen die verhärteten Verhältnisse, unter denen sie leben, und die Menschen dadurch ehrte, wird, indem sie ihnen gänzlich sich angleicht, verhärteten Verhältnisse eingegliedert und entwürdigt die Menschen noch einmal. Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger auch Waren, sondern sind es durch und durch. Diese quantitative Verschiebung ist so groß, daß sie ganz neue Phänomene zeitigt. Schließlich braucht die Kulturindustrie gar nicht mehr überall die Profitinteressen direkt zu verfolgen, von denen sie ausging. Sie haben in ihrer Ideologie sich vergegenständlicht, zuweilen sich unabhängig gemacht vom Zwang, die Kulturwaren zu verkaufen, die ohnehin geschluckt werden müssen. Kulturindustrie geht über in public relations, die Herstellung eines good will schlechthin, ohne Rücksicht auf besondere Firmen oder Verkaufsobjekte. An den Mann gebracht wird allgemeines unkritisches Einverständnis, Reklame gemacht für die Welt, so wie ein jedes kulturindustrielles Produkt seine eigene Reklame ist. ….. Der Gesamteffekt der Kulturindustrie ist der einer Anti-Aufklärung; in ihr wird, wie Horkheimer und ich es nannten, Aufklärung, nämlich die fortschreitende technische Naturbeherrschung, zum Massenbetrug, zum Mittel der Fesselung des Bewußtseins. Sie verhindert die Bildung autonomer, selbständiger, bewußt urteilender und sich entscheidender Individuen. Die aber wären die Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft, die nur in Mündigen sich erhalten und entfalten kann. Werden die Massen, zu Unrecht, von oben her als Massen geschmäht, so ist es nicht zum letzten die Kulturindustrie, die sie zu den Massen macht, die sie dann verachtet, und sie an der Emanzipation verhindert, zu der die Menschen selbst so reif wären, wie die produktiven Kräfte des Zeitalters sie erlaubten.“
Eine elitären Adlerblick auf die Massen herunter sehe ich darin ebenso wenig wie eine Elfenbeinturmperspektive, eher einen basisdemokratischen Anspruch, den es einzulösen gilt.
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"Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs und vor allen Dingen auch in einer Zwischenwelt der Ratlosigkeit. Die Probleme unserer Arbeitsgesellschaft spitzen sich derart krisenhaft zu, dass der innere Zusammenhalt des demokratischen Gemeinwesens nicht mehr gesichert scheint. In dieser brisanten Lage zwischen einem Nicht-Mehr und einem Noch-Nicht müsste die gesellschaftliche Phantasie eigentlich alle Kräfte darauf konzentrieren, Auswege zu suchen und zu finden. Stattdessen bildet sich eine zwiespältige Wirklichkeit, eine Aufteilung von Wirklichkeitsschichten."......"Das sind ja keine richtigen Reformen, sondern bestenfalls kosmetische Korrekturen, Randerscheinungen halt. Vergleichen Sie das gegenwärtige Flickwerk mal mit den preußischen Reformen von Stein und Hardenberg nach der Niederlage gegen Napoleon, mit Bismarcks Sozialgesetzgebung oder mit der Domestizierung des Kapitalismus durch den Sozialstaat bei der Gründung der Bundesrepublik!
SPIEGEL: Mit Verlaub: Das sind Wendepunkte der Geschichte, zum Teil erzwungen durch große Katastrophen, mit denen die Wirtschafts- und Finanzkrise, die wir heute erleben, kaum vergleichbar ist.
Negt: Mein erkenntnisleitendes Interesse, meine Idee von der sozialen Verantwortung des politischen Menschen besteht gerade darin, solche historischen Unglückskonstellationen rechtzeitig aufzudecken und sie durch eingreifendes Denken zu verhindern, statt zu warten, bis die kollektive Katastrophe passiert ist. Insofern ist mein Buch auch als eine Art Notschrei gemeint.
SPIEGEL: Nach dem Scheitern des Sozialismus ist aber kein neues Weltprojekt, kein radikal anderer Gesellschaftsentwurf zu sehen.
Negt: Ja, das bestimmende Merkmal der Krisenbewältigung ist heute die gleichsam betriebswirtschaftliche Rationalisierung der gesellschaftlichen Einzelbereiche. Die Realität, mit der wir konfrontiert sind, hat eine gespensterhafte Qualität. Ein Rettungsfonds von 480 Milliarden für angeschlagene Banken - das ist für mich eine negative Utopie. Noch vor zwei, drei Jahren hätte man sich so etwas nicht vorstellen können. Die Realitätslosigkeit dieses Umgangs mit der Krise ist eines der wesentlichen Motive, die mich umtreiben."
"als kritische Methode enthält das Denken von Marx und Engels nach wie vor tragfähige Leitmotive. Der Tod der Utopien, der nach 1990 so lauthals gefeiert wurde, hat dazu geführt, dass wir es in Politik und Wirtschaft mit sogenannten Realisten, Tatsachenmenschen zu tun haben, die nur noch darauf verweisen, was nicht geht, so dass die Potentiale, die in der Gesellschaft stecken, nicht zur Entfaltung kommen.
SPIEGEL: Das heißt, es bildet sich keine Kraft, die eine tragfähige Alternative aufbauen könnte? Droht die politische Ordnung an ihrem Stillstand zu scheitern, nicht an äußeren Mächten?
Negt: Die gegenwärtig vorherrschende Form des falschen, verdrehten Bewusstseins, das, was ich die Ideologie betriebswirtschaftlicher Rationalisierung mit ihrer Umverteilung nach oben und dem Sparzwang nach unten nenne, läuft den traditionellen Emanzipationsidealen von Aufklärung, Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichheit zuwider. Dieser verkürzte, auf Anpassung an das Bestehende ausgerichtete Realitätssinn höhlt die politische Moral aus und gefährdet damit das Fundament unserer Demokratie."
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,710880,00.html
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http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/wegezoll-ohne-rechtsgrundlage/
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