Sonntag, 14. Januar 2007
Elemente der Gegenaufklärung - heute: Objektivisten und Hoppeianer
Eigentlich wollte ich diesen Beitrag schon sehr lange schreiben. Nachdem auch das Antibürokratieteam das Thema schon beim Wickel hatte

http://www.antibuerokratieteam.de/?p=1309#comments


, wobei jo@chim und rayson für ein paar klare Worte in Richtung einiger Diktaturrelativirierer zu danken ist, wird es endlich Zeit, mit der Sache zu Rande zukommen (oder zu aynem Rand).

Am rechten Rand des wirtschaftsliberal-libertären Spektrums gibt es eine Ansammlung wirrer Sektierer, bei denen sich die Frage stellt, ob sie mehr wirtschaftsliberal-libertäres Spektrum oder mehr rechter Rand sind. In einer eifreien Zeitschrift und auf dem Kapitalismus-Blog sind solche Sachen zu lesen wie eine Verharmlosung Pinochets, der ja immerhin Antikommunist gewesen sei (das erinnert mich an die Sprüche von Angehörigen der Tätergeneration und selbst eigenen Lehrern in meiner Kindheit, Hitler sei nunmal nötig gewesen, um eine kommunistische Machtübernahme zu verhindern, denn dann hätte die Diktatur länger als 12 Jahre gedauert), Solidarität für die Tsunami-Opfer in Form von Hilfszahlungen der Bundesregierung und der EU wird als Betrug am Steuerbürger kritisiert, usw.


Ayn Rand war eine bürgerliche Russin, die entsetzt vor den Massakern der russischen Revolution floh, in den USA als Romanautorin erfolgreich war, ein Luxusleben im Jet Set führte und im Alter eine politische Ideologie begründete, die sie Objektivismus nannte. Inhaltlich ist das ein drastisch vereinfachter Aristoteles, der, im Gegensatz zu Platons Ideenlehre, davon ausgeht, dass es keinen Unterschied zwischen Objektivität und Identität gäbe, Subjektivität findet also nicht statt, es gibt also auch keine Relativität und keine Tiefenpsychologie, sondern es sieht so aus, dass, wer die wachsten Sinnesorgane, die besten Augen, Ohren usw. hat, auch am meisten von der Realität mitkriegt und am Ehesten in der Lage ist, Realität zu definieren (das survival of the fittest auf die Realitätswahrnehmung bezogen). In Abgrenzung zu allen Soziallehren, auch sozialliberalen oder der christlichen Nächstenliebe, lehrt Ayn Rand den absoluten Egoismus als Richtschnur des menschlichen Handeln.

Das Ayn-Rand-Institut berät heute US-Thinktrusts, Alan Greenspan war dort meines Wissens eine Weile Schüler, und es gibt zwei sektenartige Ayn-Rand-Gesellschaften, die sich mit der für Sekten typischen Verbohrtheit um das Erbe streiten. Literaturkritiker bezeichnen Ayn Rands Werke als "Kitsch".


Diese und der Professor Hoppe, der eine Mischung aus Anarchokapitalismus und rechtsradikalem Gedankengut vertritt, sind die Ikonen dieses Lagers, das ein seltsam paranoides Weltbild vertritt. Darin sind die USA, Israel und die Juden die Guten, der ungehemmte Kapitalismus wird als eine messianische Heilslehre betrachtet, gleichzeitig werden die schablonenhaft auf einen Nenner gebrachte "Linke", Globalisierungsgegner, Islamisten und Rechtsradikale als einander ähnlich und für die gleiche Sache kämpfend betrachtet. Nun haben Irrungen und Wirrungen antiimperialistischer Bewegungen tatsächlich zu teilweise absurden und schauerlichen Bündnissen geführt (vgl. Oliver Tolmeins sehr gutes Buch "Vom deutschen Herbst zum 11.September und den dortigen Passagen über den Antiamerikanismus und die Antisemitismusblindheit der RAF), aber diese einander zeitweise sogar heftig bekämpfenden und in ihren inneren Strukturen und Mentalitäten sich gegenseitig wesensfremden Kräfte gleichzusetzen zeugt von einem hohen Maß an Realitätsverlust. Mich erinnert das Ganze an eine andere Verschwörungstheorie, derzufolge Juden, Freimaurer, westliche Kapitalisten, besonders Wallstreet und die Kommunisten eine Weltverschwörung zur Knechtung der Menschheit darstellen würden. Im Grunde haben unsere Kapitalismusfreunde dieses Weltbild nur übernommen und ein paar Komponenten ausgetauscht, so ist der Kapitalismus nicht mehr böse, sondern das Gute schlechthin, die Juden, die weiterhin mit dem Kapitalismus und der Zirkulationssphäre in Verbindung gebracht werden (der Antisemitismus bleibt strukturell also erhalten) sind ebenso wie die USA die Guten, dafür sind Nazis oder andere Faschisten böse. Die globalpolitischen Frontstellungen sind diametral Andere, doch bleibt das Weltbild ebenso pathologisch wie die NS-Ideologie, was ja auch kein Wunder ist, da das eigentliche Copyright bei Hitler liegt. Wenn man weiß, dass einer der Hauptautoren des eifreien Blättchens seine politische Sozialisation bei der Burschenschaft Germania erlebt hat, braucht man sich darüber auch nicht weiter zu wundern.

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ergänzend...
...zu deinen ausführungen bezgl. der "objektivisten" möchte ich noch ein paar eigene gedanken einwerfen, die besonders mit den angesprochenen positionen dieser "bewegung" zur menschlichen subjektivität zu tun haben:

http://autismuskritik.twoday.net/stories/1332505/

ansonsten schon mal ein sorry, aber die letztens versprochene antwort schaffe ich heute nicht mehr. ich hoffe, dass es morgen was wird.

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Was Ayn Rand und die Objektivisten angeht, da würde ich uneingeschränkt zustimmen. Vor knapp zwei Jahren war ich selbst mal in eine kleine Auseinandersetzung mit den Randianern verwickelt (http://www.s-and-w.de/?s=ayn+rand) und hatte da ähnliche Kritikpunkte vorgebracht.

Bei Hoppe bin ich mir nicht ganz sicher, ob man dem wirklich vorwerfen kann, daß er sich zu aktuellen politischen Themen mit derart schrägen Positionen zu Wort meldet. Ich kenne den eigentlich nur als Schöpfer einer seltsamen Sozialphilosophie, deren Anhänger sich seit Jahrzehnten weigern, Paul Samuelsons 1954er-Aufsatz über die Theorie öffentlicher Güter zu lesen (oder zu verstehen, je nachdem). Das ist allerdings schräg genug.

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Statler, was Du da nachzeichnest und demontierst, ist ja nichts Anderes, als die Paralogik, die sektiererisches Denken auszeichnet (dem Marx würde ich da etwas rausnehmen, weil es einen deutlichen Unterschied Marxens Denken zu Lebzeiten und dem dogmatisierten Weltbild des Marxismus-Leninismus gibt). Die Rand-Logik bewegt sich in der Tat psychologisch zwischen KPDMbH und Yehovas Zeugen.

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Der KBW der Libertären
Die Randies haben in der Tat etwas von "KBW der Libertären" (oder vielleicht besser: KPD-ML, wenn Du verstehst, was ich meine) an sich :P
Nein, im Ernst, wer Ayn Rand "liberale Bolschewistin" nennt, liegt wohl nicht völlig falsch. "Atlas Shrugged" ist umgedrehter Proletkult in seiner albernsten Form.

Wenn Du aber schreibst ... "[...] sind die Ikonen dieses Lagers, das ein seltsam paranoides Weltbild vertritt. Darin sind die USA, Israel und die Juden die Guten, der ungehemmte Kapitalismus wird als eine messianische Heilslehre betrachtet, [...]" ... ist das natürlich nicht mehr als eine nicht eben gutwillige Karikatur derjenigen Liberalen/Libertären, die sich wie ich positiv auf die aussenpolitische Doktrin der amerikanischen Neokonservativen beziehen (oder bezogen haben).

Hinsichtlich der "Hoppeianer" liegst Du damit allerdings *vollkommen* daneben: sie stehen als Geschichtsrevisionisten in der Tradition der amerikanischen "Old Right" und sind daher, wie die meisten Libertären übrigens, Nichtinterventionisten:

"Wie dem auch sei: Der Angriff auf den Irak resultierte aus einer eigentümlich Mischung von evangelistisch-missionarischem Weltverbesserungseifer, Zionismus und abgebrühtem Wirtschaftsimperialismus (Öl), die sich in der Bush-Regierung zusammenfand. Irak war das perfekte Ziel. Es gab anfangs erhebliche Unterstützung für den Irakkrieg in den USA, obwohl offensichtlich keine Verbindung zwischen Saddam Hussein und Osama bin Laden existierte." Das ist Hoppe! Klingt eher nach Deinem "Dunstkreis" ;-)

Ich habe mich mit dieser erzreaktionären Spielart des Libertarianismus (die Hoppe in seinem Buch "Demokratie, der Gott der keiner ist" in beängstigender Konsequenz ausbreitet) schon mehrfach auf antibuerokratieteam.de befasst (vgl. http://www.antibuerokratieteam.de/?p=436 ).

Die konservativ-libertäre Zeitschrift eigentümlich frei komplett dem Hoppe-Fanclub zuzurechnen, halte ich allerdings für falsch. Dort schreibt ein Spektrum von "klassisch Liberalen" über Libertäre in ihren verschiedenen Facetten und (eher progressiven) Marktanarchisten bis hin zu ausgesprochenen Reaktionären (unter "Konservative", wie die sich beschönigend nennen ,verstehe ich etwas anderes!). Btw: Auch der Artikel "ein Tyrann!", auf den ich mich in meiner Auseinandersetzung mit denjenigen, die in Pinochets Regime Liberales entdecken wollen, positiv bezogen habe, ist in der ef erschienen.

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Wer Ayn Rand für voll nimmt, hat nicht alle Lichter am Baum. Und die "klassisch Liberalen" Eifrei-Autoren sind nichts weiter als Paläoliberale übelster Art.

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@dr. dean:

wenn ich das hier sehe

http://www.ef-magazin.de/ef66-bidinotto-ayn-rand.pdf

- dann beschleicht mich allerdings der eindruck, dass - selbst einmal die sympathien des autors berücksichtigt - in den usa so einige leute "nicht mehr alle lichter am baum" haben.

ich hatte unabhängig von diesem text schon vorher den verdacht, dass ihr einfluß eher unterschätzt wird.

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Oben wies ich schon darauf hin, dass Alan Greenspan Rand-Schüler war. Ich habe manchmal den Eindruck, wer im US-Establishment hip sein will, ist entweder Rand-Fan oder bei Scientology. Nein, das ist natürlich bösartig, aber die Verbreitung solcher wirren Lehren ist erschreckend.

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Sowas in der Art wollte ich gerade auch kommentieren. Als dogmatische Lehren, die Erfolg predigen und auf scheinbare Selbst-Vervollkommnung aus sind, sind Rand und Scientology sich erstaunlich ähnlich.

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Man nennt so etwas auch Systeme der Macht: Denkschulen, Trainingssysteme und Ideologien für eine Elite oder was sich dafür hält. Es ist relativ US-spezifisch, dass sich dies in Form pseudophilosophischer oder pseudoreligiöser Denksysteme manifestiert, manchmal auch in logenöhnlichen Verbindungen (Skulls & Bones). In Deutschland nahmen früher die schlagenden Verbindungen einen vergleichbaren Stellenwert ein. Und so sehr ich bestimmte asiatische Kampfsportarten schätze und etwas für Zen-geprägtes Denken übrig habe, es ist auch evident, dass bestimmte Dojos und Samurai-Traditionen die nämliche Rolle in Japan spielen.

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"The essence of femininity is hero worship - the desire to look up to man." Ayn Rand (http://de.wikipedia. org/wiki/Ayn_Rand)

Solcher Quatsch dient offensichtlich in erster Linie dazu, Bücher zu verkaufen. Siehe auch Eva Herrmann. Oder wie sich die Tante schreibt.

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Ist dieser Freudsche Versprecher
in der Überschrift zum Beitrag von »ziwo« eigentlich beabsichtigt?
O.k., n Scherz, es gitb keine absichtlichen Freudschen, deswegen ist das ja auch so geil...
Kann aber auch an fehlenden Orthographiekenntnissen liegen.
mule

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am rande: interview mit ayn rand
http://thefreedomchannel.blogspot.com/2007/01/ayn-rand-mike-wallace-interview-1959.html

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Von meinem Eindruck wird Ayn Rand von vielen us-amerikanischen aber auch osteuropäischen und indischen Programmierern mit ziemlicher Begeisterung gelesen. Selbst ich fand das ein bischen befremdlich und konnte die Begeisterung so nicht teilen.

Interessante Diskussion, btw.

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Darauf hat Robert Anton Wilson ja eine wunderbare Satire geschrieben, nämlich "Telemachus nieste" von Atlanta Hope.

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Amerikanische Schulbuchlektüre
@Monoma
Der große Einfluss von Ayn Rand könnte damit zusammen hängen, dass diese merkwürdige Dogmatikerin zur Schulbuchlektüre (!) in den meisten Staaten der USA gehört.

Außerdem scheint es besonders für Nerds ganz wunderbar zu sein, wenn hemmungsloser und selbstsüchtiger Egoismus als "heroisch" oder gar Quintessenz des Zusammenlebens gezeichnet wird.

Dass diese Dame mit ihren Ansichten höchst widersprüchlich ist (z.B. die von ihr geforderte selbstlose Unterordnung der Frau unter dem Mann...), nunja, das lernen amerikanische Schulkids nicht. Sie bekommen vielmehr beigebracht, dass es sich bei Ayn Rand um eine "führende" Philosophin handele.

P.S.
Es wäre wohl besser gewesen, wenn Kant, Erich Mühsam, Erich Fromm oder wenigstens noch ein Popper Amerikaner gewesen wären.

John Rawls ist den amerikanischen Lehrbuchverlagen vermutlich zu links, zu wenig "heroisch" und irgendwie wohl, *räusper*, unamerikanisch.

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Wie wär´s denn mit Michael Walzer, Amitai Etzioni, Ralph Waldo Emerson, oder aber, ein wirklich origineller Denker, Timothy Leary? Noam Chomsky? Martin Luther King und der späte Malcolm X, Angela Davis, Stokeley Carmichael?

Allen Ginsberg und Jack Kerouac?

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Dass Ayn Rand zur Schulbuchlektüre in den USA gehört, verwundert nicht. Das ist Verblödungsstrategie par excellence. Dieser Vom-Tellerwäscher-zum-Millionärs-Mythos wird einfach immer weiter gepflegt, die Leute in den unteren Schichten werden verarscht, so von wegen "du kannst es schaffen". Ein Obama Barak oder ein Colin Powell sind lediglich Posterboys für etwas, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Mittlerweile glaube ich, dass die bundesrepublikanische Gesellschaft demokratischer und durchlässiger ist als die amerikanische.

Nachtrag: Che, schön, dass Du Allen Ginsberg und Jack Kerouac erwähnst :-) Mit diesen beiden und William Burroughs habe ich mich sehr intensiv beschäftigt. Und - in aller Kürze - da kommt der ganze Dreck der Verfasstheit der amerikanischen Gesellschaft hoch. Daran hat sich in den vergangenen 50 Jahren nichts geändert.

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meins ist ja eher vonnegut

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Never forget T.C. Boyle and Salinger.

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