Sonntag, 2. Juli 2006
Wildcat schreibt, wie es ist
In der sehr lesenswerten Sommerausgabe der Wildcat werden einige wichtige Dinge zum Thema Klasse, Rassismus und Herrschaftsdiskurs pointierter und straffer ausgedrückt, als ich, der die Neigung hat, wie ein Professor zu denken, es könnte. Ich zitiere: "Natürlich haben wir in Deutschland Unterklassen, sagt seit einigen Jahren der konservative Historiker Paul Nolte und meint damit die <<Arbeits- und Integrationsunwilligen>>, manchmal sagt er auch ganz einfach <<Neukölln>>. Dort isst man zuviel Fast Food, sitzt den ganzen Tag vorm Fernseher (und guckt die falschen Programme!), setzt zu viele Kinder in die Welt (denen man kein Vorbild ist). Diese<<Unterklassen>> seien für ihre Lage selbst verantwortlich zu machen; es sei falsch, sie weiter als Objekte des Sozialstaats zu alimentieren. Das ist die ideologische Begleitmusik zur Duchsetzung der Hartz-Gesetze, die vor allem den Niedriglohnsektor verbreitern sollen. Zu diesem Zweck werden die <<überflüssigen>> und <<delinquenten>> Teile der Klasse als Karikatur dingfest gemacht und diskursiv zum Abschuss freigegenen. Dieses Bild von den <<Unterklassen>> ist ein Angebot an die anderen Teile der Klasse, sich durch Eigeninitiative und Wohlverhalten nach unten abzugrenzen. ..... Zudem konnten wir in den letzten Monaten beobachten, wie solche Konstrukte in der öffentlichen Debatte funktionieren. Ob Ehrenmorde, rassistische Gewalt gegen <<Farbige>> oder ein offener Brief von LehrerInnen, der auf die Auflösung der (Rütli-) Hauptschule zielte: <<gewalttätige SchülerInnen>> (wahlweise aus der Unterschicht oder von ausländischer Herkunft), tumbe deutsche Rassisten (Unterschicht, Fast Food, falsche Fernsehprogramme), muslimische Gefahr (Ausländer) lassen den Ruf nach mehr Bullen, mehr Sozialarbeitern, nach mehr (Zwangs-)Integration in die deutsche Leitkultur erschallen - in jedem Fall Wasser auf die Mühlen des Staates. ... Emanzipatorische Entwicklungen etwa in der dritten und vierten Generation türkischer und kurdischer Zuwanderer - worauf die Ehrenmorde eine eklige und brutale Antwort eines untergehenden Patriarchats sind - gehen dabei völlig unter. Das <<Praktische>< am Unterklassendiskurs von Nolte ist, dass er wahlweise als soziale oder kulturelle Frage gedreht werden kann, bei Bedarf kann so auch locker an den Kulturalismus von junge freiheit oder Le Pen angedockt werden."

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Guten Appetit!
Gerade in einem Hörfunkbeitrag über bürgerkriegsartige Unruhen in Neuguinea gehört: "Da die besiegten Gegner nicht mehr einverleibt werden, gibt es auch keine Siege mehr auszukosten."

Tja, das nennt man wohl Rückgang der Lebensqualität ;-)

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