Sonntag, 2. Juli 2006
Wildcat schreibt, wie es ist
In der sehr lesenswerten Sommerausgabe der Wildcat werden einige wichtige Dinge zum Thema Klasse, Rassismus und Herrschaftsdiskurs pointierter und straffer ausgedrückt, als ich, der die Neigung hat, wie ein Professor zu denken, es könnte. Ich zitiere: "Natürlich haben wir in Deutschland Unterklassen, sagt seit einigen Jahren der konservative Historiker Paul Nolte und meint damit die <<Arbeits- und Integrationsunwilligen>>, manchmal sagt er auch ganz einfach <<Neukölln>>. Dort isst man zuviel Fast Food, sitzt den ganzen Tag vorm Fernseher (und guckt die falschen Programme!), setzt zu viele Kinder in die Welt (denen man kein Vorbild ist). Diese<<Unterklassen>> seien für ihre Lage selbst verantwortlich zu machen; es sei falsch, sie weiter als Objekte des Sozialstaats zu alimentieren. Das ist die ideologische Begleitmusik zur Duchsetzung der Hartz-Gesetze, die vor allem den Niedriglohnsektor verbreitern sollen. Zu diesem Zweck werden die <<überflüssigen>> und <<delinquenten>> Teile der Klasse als Karikatur dingfest gemacht und diskursiv zum Abschuss freigegenen. Dieses Bild von den <<Unterklassen>> ist ein Angebot an die anderen Teile der Klasse, sich durch Eigeninitiative und Wohlverhalten nach unten abzugrenzen. ..... Zudem konnten wir in den letzten Monaten beobachten, wie solche Konstrukte in der öffentlichen Debatte funktionieren. Ob Ehrenmorde, rassistische Gewalt gegen <<Farbige>> oder ein offener Brief von LehrerInnen, der auf die Auflösung der (Rütli-) Hauptschule zielte: <<gewalttätige SchülerInnen>> (wahlweise aus der Unterschicht oder von ausländischer Herkunft), tumbe deutsche Rassisten (Unterschicht, Fast Food, falsche Fernsehprogramme), muslimische Gefahr (Ausländer) lassen den Ruf nach mehr Bullen, mehr Sozialarbeitern, nach mehr (Zwangs-)Integration in die deutsche Leitkultur erschallen - in jedem Fall Wasser auf die Mühlen des Staates. ... Emanzipatorische Entwicklungen etwa in der dritten und vierten Generation türkischer und kurdischer Zuwanderer - worauf die Ehrenmorde eine eklige und brutale Antwort eines untergehenden Patriarchats sind - gehen dabei völlig unter. Das <<Praktische>< am Unterklassendiskurs von Nolte ist, dass er wahlweise als soziale oder kulturelle Frage gedreht werden kann, bei Bedarf kann so auch locker an den Kulturalismus von junge freiheit oder Le Pen angedockt werden."

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Richtig, es ist das schüren von Ressentiments, um der verarmenden unteren Mittelschicht das Gefühl zu geben: Schlimmer geht's immer.

Nach unten als soziale Frage, gegenüber der etablierten Mittelschicht gerne als kulturelle Frage.

Ich habe in arte einen Bericht über das niederländische Fernsehprogramm gesehen. Die Niederländer sind ja von den Fernsehformaten Dank de Mol Vorreiter für uns und haben vergleichbare Probleme mit Identität und Einwanderung. Dort findet permanent Reality-TV auf Kosten der sozial Schwachen und Ausländer statt. Wenn das ein Vogeschmack auf die Qualität der Auseinandersetzung in Deutschland ist, dann steht uns noch einiges auf der nach unten offenen Geschmacksskala bevor.

Mehr Bullen, mehr Sozialarbeiter, mehr Zwangsintegration..., da habe ich meine Zweifel. Dies lassen die öffentlichen Haushalte nicht zu. Besonders, da nicht erst seit der Förderalismusreform diese Dinge in der Verantwortung der Bundesländer liegen.

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Oh, die Debatte um die neue Ehrenamtlichkeit lässt da noch Einiges zu, etwa Neo-Blockwarte als Bedingung für das Weitrbeziehen sozialer Leistungen. Der Perversionen sind Viele denkbar!

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@ strappato,
"das schüren von Ressentiments, um der verarmenden unteren Mittelschicht das Gefühl zu geben: Schlimmer geht's immer"
ist doch recht eigentlich das erfolgsrezept der bild-zeitung. jetzt springen da schon echte profs aufs trittbrett. na ja, wenn es der interesselosen suche nach erkenntnis dient...


hier gibts was dazu:
http://www. manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,395921,00.html
und hier:

http://www. manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,395920,00.html

handelt von einer studie des sinus-institut. die sinus-schichtung scheint mir so schlecht nicht zu sein, gerade auch wegen der entwicklung des modells auf belange der marktforschung hin.

der titel "Bedrohte Mitte" scheint das ganze recht gut zu umschreiben.

zitat: "Aus heutiger Sicht erscheint folgendes Szenario am wahrscheinlichsten: Unter dem Druck von Globalisierung und alternder Bevölkerung kommt es zu einem Umbau des Sozial- und Tarifsystems in Richtung des angelsächsischen Musters. Weniger Umverteilung, weniger Absicherung für Mittelschichten und Arbeitnehmer, mehr Eigenverantwortung.

Die Folgen: Es entsteht eine neue Unterschicht - eine Klasse von schlecht qualifizierten Geringverdienern, die bislang durch Tarifverträge geschützt oder durch das Sozialsystem alimentiert wurden. "Prekäre" hat Sinus diese Gruppe genannt. Knapp über ihnen stehen die "Dealer". Ein neues Milieu, das jenseits regulärer Arbeitsverhältnisse versucht, am Traum vom Wohlstand teilzuhaben - mal diesseits, mal jenseits der Legalität. Ein drittes neues Milieu ist die "Counter Culture": Lebens- und sonstige Künstler, geeint durch ihre Fundamentalopposition gegen den materialistischen Lebensstil."

anmerkung:
stand 2006 lt. sinus
traditionsverwurzelte 15%, konsummaterialisten 11%, hedonisten 11%, insgesamt 37% im unteren drittel.
traditionsverwurzelte - das sind die Überlebenden der Kriegsgeneration, der Kleinbürger- oder Arbeiterkultur verhaftet - die gucken keinen de mol
konsummaterialisten - das ist die materialistische Unterschicht; shoppen gegen die Abstiegsangst, und wenn ohne moos nix los, wird de mol geguckt.
hedonisten - das ist die junge, spaßorientierte untere Mittelschicht, gucken auch de mol in den pausen zwischen den spässen

projektion für 2020 lt. sinus
prekäre 5%, dealer 7%, hedonisten 13% counter culture 15%, traditionsverwurzelte 14% - oh. fast 50% im unteren drittel, schöne neue welt!

interessant vor allem die aussage, dass es heutzutage weder prekäre noch dealer gibt...

was ist die nutzanwendung?

eben, die prekären und die dealer gucken nur noch de mol.
die hedonisten sind noch etwas mehr geworden und gucken weiter de mol.
aber die counter culture 15% - mannomann, jeder achte! und die traditionsverwurzelten, immer noch starke 14%, zähe bande das, die sind dann schon in rente, aber weder die einen noch die anderen gucken de mol. das gibt hoffnung!

ach so, am "de mol" oder vornehmer unterschichtenfernsehen geile ich mich deswegen so auf, weil, wer arm ist, braucht nicht auch noch so dumm zu sein, den kakau zu saufen, in den man ihn schon tunkt.

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@ auch-einer

Die mögen vielleicht Kakao.

Und wer bist Du eigentlich, ihnen den abzusprechen ?

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"Die mögen vielleicht Kakao."

dann wäre es wohl am sinnvollsten, dort tätig zu werden, erfahrungen zu sammeln um dann selber...

"Und wer bist Du eigentlich, ihnen den abzusprechen ?"

berechtigter einwand. ich lasse mir ja auch nicht in meinen unterhaltungskonum hineinreden. trotzdem halte ich das, was ich hier als "de mol" benannt habe für volksverdummung im wortsinn.

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"One man's shit is another man's butter".

Und im übrigen sind die De-Mol Gucker in der Überzahl. Demokratie ist auch Abstimmung per Fernbedienung. Es handelt sich dabei um "popular culture", im Gegensatz zur subventionierten Randgruppenkultur.

Und wo ist schon der Unterschied zwischen Heidi Klum und Damian Hirst ? Eben. Und sie sieht doch auch echt besser aus.

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Es ist schön zu sehen, dass sich die "Unterklasse" von ihren selbst ernannten Betreuern emanzipiert.

Der "ehrliche Arbeiter", das Ideal der Linken, ist in einen Fächer von freiwillig Zukunftslosen in der 3. Gerenation bis "unintegrierten", die ihren barmenden Bessermenschen gerne mal zur Belustigung die F*esse polieren würden, wenn die sich denn in ihre Wohnbezirke trauen möchten, zersplittert.

Hässlich, uninteressiert, gar kein "Gärboden" für eine bessere Gesellschaft nicht, unnötig für die gesellschaftliche "Reproduktion", zukunftslos und verarmt, aber mit Geld für teure Markenturnschuhe und Fluppen, so glotzt sie den Linken und den Rechten entgegen.

Die neue Unterklasse will sie nicht, die selbst ernannten Erretter, und warum auch. Integriert ins System, vom Lidl und vom Aldi versorgt, von der Politik zumindest bei den Wahlen entdeckt und gehätschelt, auf Sparflamme versorgt, dammert sie zufrieden vor dem Fernseher einer sicheren Zukunft entgegen. Die Ehrgeizigen arbeiten nebenbei erfolgreich Schwarz.

Die Tragik der neuen Unterklasse ist die Armeseligkeit ihrer Wünsche sagen manche dann.

Falsch. Die neue Unterklasse ist angekommen.

Die Tragik derjenigen von Links und Rechts, die sich die Betreuung und Erziehung der Unterklasse zur - oft bezahlten - Lebensaufgabe gemacht hat, ist das die Unterklasse sie nicht braucht.

Und sie in Wirklichkeit auch ziemlich Scheisse findet.

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Die Tragik des an sich ja sympathischen Zynikers ist, dass er aus seinen Klischees nicht rauskommt. Zu keinem Zeitpunkt hing ich oder hingen die politischen Zusammenhänge, aus denen ich komme, dem Bild des "ehrlichen Arbeiters" an, nie hatten wir Berührungsängste zu Unterschichtsangehörigen, es laufen gemeinsame Aktionen mit welchen von ihnen (auch darum geht es in der Wildcat). Alles eine Spur neben der Sache, lieber Lebemann.

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@ che

sorry, my mistake. Es war nicht auf Dich gemünzt, sondern eine eher allgemeine Feststellung, das die breite neue Unterklasse ihre diversen Erretter und Belehrer von Links und auch von Rechts nicht mehr nötig hat, ihrer vielfach sogar überdrüssig ist. Etwas neben dem Thema der Wildcat, sicher. Sorry again.

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Schon in Ordnung, ist denn ja alles geklärt. Hinsichtlich der pädagogisierenden Besserwissertypen hast Du ja auch recht.

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auch nichts neues, dass die proletarier sehr viel mehr zu verlieren haben als ihre ketten.

letzlich ist der ganze internationalismus und antiimperialismus nur die antwort auf die erkenntnis, dass sowohl die deutschen arbeiter und angestellten ("proletariat") wie auch die unterschichten ("lumpenproletariat") nicht das fussvolk für putschisten machen.

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Wenn Du das ein paar nigerianischen Bürgerkriegsflüchtlingen erzählst, könnte es knapp mit der körperlichen Unversehrtheit werden.

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Und warum sollte der deutsche "Arbeiter" an der CNC-Maschine, fiskalisch längst ein von der Politik als "Besserverdiender" ausgemachtes Melkvieh, für traumtanzende Deppen den nützlichen Idioten machen ?

Und warum einer aus der neuen breiten Unterschicht ? Er hat das, was man 1870 so für das denkbarste aller Paradise des Lumpenproletariates gehalten hätte doch erreicht. Alimentierung auf Sparflamme - bei Großfamilie weit darüber.

Wo sollen da schon die Ketten sein ? Und wenn da welche gesprengt würden, wo sollte es dann hingehen ? In eine Welt der völkisch nützlichen Arbeit mit kernigen Arbeitergesängen ?

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@letzlich ist der ganze internationalismus und antiimperialismus nur die antwort auf die erkenntnis, dass sowohl die deutschen arbeiter und angestellten ("proletariat") wie auch die unterschichten ("lumpenproletariat") nicht das fussvolk für putschisten machen

Aha, daher rührt der Internationalismus und Antiimperialismus. Demzufolge ist es also ganz in der Ordnung, dass die französische Luftwaffe den Tschad quasi als Bombodrom gebrauchte (Luftangriffe auf bewohnte Dörfer sind halt viel realistischer, und zu irgendwas muss der Bimbo - äh Tschadbewohner ja gut sein), die Entsorgung des demokratischen gewählten Patrice Lumumba im Kofferraum war auch OK, denn wenn jemand den beligischen Diamanten- und Mangan-Interessen im Wege steht und er ist noch dazu schwarz, dann ist es völlig d áccord, ihn umzulegen, ebenso, wie die United Fruit Company in Lateinamerika ein hochehrenwertes Geschäft betreibt (hat man dem armen Anastasio Somoza aber auch zugesetzt, aber die Todesschüsse auf den Priester Romero mussten nunmal sein, nicht ganz fein, aber der hat doch tatsächlich zu Landreformen und gegen Folter gepredigt, das geht entschieden zu weit). Wahrscheinlich hat man auch so ab 1941 nur 6 Millionen Arbeitsscheuen die Möglichkeit gegeben, sich zu konzentrieren.


Sorry, aber da scheint mir meine Lesart der Geschichte doch wahrscheinlicher, und die geht entschieden anders. Der Charakter des Imperialismus ist nun einmal, dass er Teile der Welt in ein großes Schlachthaus verwandelt hat und dass er dem entwickelten Kapitalismus wesenseigen ist.

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Dazu kommt, dass sich die Klasse permanent neu zusammensetzt und dass der Zyklus sozialer Enteignung und Deklassierung bei gleichzeitiger maximaler Profitabschöpfung gerade gewaltig angeheizt wird, dies auch notwendig ist für die neoliberale Kapitalentwicklung in Deutschland und Widerstand sehr angebracht. lebemann und auch-einer sind bereits ein Resultat der medialen Verdummung: Sie sehen die neue Unterschicht genau so, wie ein Nolte sie zeichnet. Wildcat macht ja immerhin tatsächlich den Versuch einer empirischen Untersuchung in Kontakt und Solidarität mit den Marginalisierten. Das ist allerdings was Anderes, als in Schnöselpose Allgemeinplätze über linke Positionen abzulassen.

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@ workingclasshero

ich lieeeebe "empirische Untersuchungen". Es lässt sich mit ihnen eigentlich alles beweisen, wenn man nur die Grundgesamtheit und die Methodik sorgfältig wählt.

Und danke noch für die Verortung bei den Verdummten : eigentlich ging es mir darum die die trostlose Heimatlosigkeit der selbst ernannten Erwecker, Erretter und Belehrer zu schildern, deren selbst definierte Gemeinde nicht mehr existent ist bzw. sich nicht mehr für ihre Konzepte interessiert.

Das traf dann wohl einen Nerv. Tut mir Leid.

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"Und warum einer aus der neuen breiten Unterschicht ? Er hat das, was man 1870 so für das denkbarste aller Paradise des Lumpenproletariates gehalten hätte doch erreicht."- Es ging bei dem wildcat-Artikel unter anderem um die Rütli-Schule und um aktuelle Hausbesetzungen in Köln, die teilweise von sozial sehr schwachen Leuten getragen werden. Die Rütli-Schüler sind also zufrieden mit der Tatsache, dass keiner von denen einen Job bekommen wird. Aus lauter Zufriedenheit sind die auch so nett zu ihren Lehrern. Jaja, diese Welt ist schon ein wunderliches Ding. Die selbst definierte Gemeinde ist da in einem kleinen Rahmen gerade sehr aktiv. Bei workingclasshero brauchst Du im Übrigen nur auf die url zu klicken, um den Bezugsrahmen zu sehen.

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Die trostlose Heimatlosigkeit diverser Marxisten-Leninisten ist ja real existent und führt dann zu solch merkwürdigen Erscheinungen wie den Antideutschen. Als phasenweise aktiver Bewegungslinker habe ich damit nüscht zu tun. Die Flüchtlinge, Knackis und Streetkids, mit denen wir gemeinsam Konzepte entwickelt hatten, waren stets sehr an unserer Solidarität interessiert.

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Rütlischwur revisited.
@ che
sorry, finde die url nicht, bin ja bei den Verdummten wohl richtig verortet worden.

(Nur zu den Rütlischülern, mal ganz ketzerisch gefragt: wirst Du die, bei den Alternativen die sie haben - alle, nicht nur die einigen echt interessierten - mit dem Angebot von sichern Jobs aufm Bau oder an der Drehbank, also dem was klassisch dieser Lebensweg so bot, also früh aufstehen, recht hart arbeiten, dafür maßvoll entlohnt werden, Bausparen, Traum vom Einfamilienhaus im Grünen aktivieren können ? Jetzt ma' ehrlich ? Zwinkerzwinker - bleibt ja auch bei mir.)

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Haste nen Erwecker gesehen?
Seid ich angefangen habe, mich in linken Kreisen zu tummeln (so Ende der Achtziger) ist mir nie dort jemand vom Schlag Menschheitsbeglücker über den Weg gelaufen. Altruistische Menschen, die das Leid der Welt auf ihre Schultern packen, destruktive Anarchibalde mit Zerstörungslust, ätzende Moralapostel, fröhlich-unbekümmerte Freaks, beschlagen-weltläufige Theoretiker (zu deren besten ich den Gastgeber dieses Blogs rechne) und pragmatische Kampagnenorganisatoren, auch abenteuerliche Fightertypen, aber Belehrer/Erlöser/Erwecker kenne ich nur aus der Literatur oder Filmen wie Life of Brian.

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@letzlich ist der ganze internationalismus und antiimperialismus nur die antwort auf die erkenntnis, dass sowohl die deutschen arbeiter und angestellten ("proletariat") wie auch die unterschichten ("lumpenproletariat") nicht das fussvolk für putschisten machen

das war eigentlich auf die brd und westberlin bzw. bundesdeutsche und westberliner bezogen.

es gab da seinerzeit schon sonderbare geschichten aus der maoistischen ecke vorzugsweise, wenn ich da an die sammelaktion für waffen durch den kbw oder an die äußerungen des kb, glaube ich, von wegen das kambodschanische volk verwandelt sein land in einen blühenden garten denke.

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das hier

"Demzufolge ist es also ganz in der Ordnung, dass die französische Luftwaffe den Tschad quasi als Bombodrom gebrauchte (Luftangriffe auf bewohnte Dörfer sind halt viel realistischer, und zu irgendwas muss der Bimbo - äh Tschadbewohner ja gut sein)"

weise ich von mir.

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hallo workingclasshero

wer beschimpft hat recht.

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Sorry, auch-einer, es ist einfach so: Ich komme aus der antiimperialistischen Ecke (worunter ich aber etwas anderes verstehe als K-Gruppen, deren aktive Zeit in meine Kindheit fällt), habe ziemlich viel Herzblut in unsere Aktivitäten gesteckt (dazu gehörte z.B. der Wiederaufbau einer zerbombten Schule und einer zerbombten Brücke in Kurdistan, und GenossInnen haben die dafür akquirierten Gelder in der eigenen Unterwäsche bis zu den Bedürftigen geschmuggelt, wir haben auch schon mal wen aus einem Folterknast rausgeholt) und Dritte-Welt-Elend life gesehen. Antiimperialismus bedeutet für mich den Kampf gegen die in meinem betreffenden Posting beschriebenen Auswüchse imperialistischer Politik. Und dann erfahre ich auch noch vom Tod eines alten Genossen von mir. Sieh mir also nach, dass ich momentan etwas dünnhäutig bin.

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che,

schon in ordnung.

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@lebemann: Es geht mir um etwas Anderes. Im Augenblick wird, z.B. von jenem Nolte, versucht, propagandistisch ein Subproletariat zu konstruieren, das an seinem eigenen Elend selber schuld und aufgrund Massendelinquenz für den guten Bürger gefährlich ist, und es wird hierbei zu allerlei Formen von Ressentiment und Dämonisierung gegriffen. Volkspädagogischer Hintergrund scheint mir dabei zu sein, einen Sündenbock zu schaffen, auf den auch der ALGII-Empfänger noch herabsehen kann und gleichzeitig begründen zu können, warum man staatlicherseits für diese Leute nichts tut. Das hat den Geruch von Triage; sozial deklassierte Menschen werden schrittweise zu "Untermenschen" umgestrickt. Dagegen wendet sich Wildcat, ebenso wie ich mich dagegen wende. Die url: Klick einfach auf den Namen workingclasshero, und Du landest auf der Webseite eines linken Medienprojektes.

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@ che

thx, da schau' ich doch mal rein.

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Hey auch-einer, war nicht so gemeint. Nur, wer mit pauschalisierungen wie "der ganze antiimperialismus" daherkommt muss auch im Eifer des Gefechts mit watschigen Retourkutschen rechnen. Ich wollte weder beleidigen noch unhöflich sein.

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Lebe Er nicht in der Vergangenheit, Mann!
Die "Erretter und Belehrer von links" gab es tatsächlich: im ersten Drittel der 70er Jahre. Das war voriges Jahrhundert. Wir schreiben das Jahr 2006, nur mal so als Hinweis.

Die selbsternannten Avantgarden des Proletariats, die K-Gruppen, wollten damals Flugblätter vor den Werkstoren verteilen, und wie ich die Teilnehmer dieses Threads sehe, ist der Nörgler der einzige Zeitzeuge.

Ich war nämlich nicht nur dabei, sondern mittendrin, als ich, Salon-Marxologe schon damals, ihnen erklärte, daß das Ding nicht funzt, weil unter der Voraussetzung des durchgesetzten Kapitals die Proleten jeglichen Angriff auf dessen Selbstverwertung logischerweise als Angriff auf sich selbst verstehen, da die Reproduktion der Proleten abhängig ist von der Reproduktion des Kapitals.

Selbst ciceronisch deklamierte, im Tumult regelmäßig untergehende Marx-Zitationen meinerseits hinderten die studentischen Speerspitzen der Revolution freilich nicht daran, die Agitation vor den Werkstoren dennoch durchzuführen. Wenn sie Glück hatten, wurden sie ignoriert. Oft hatten sie kein Glück.

Diese historische Nummer nun auf Che et al projezieren zu wollen, zielt 30 Jahre vorbei. Die Jungs und die faszinierende netbitch hier – deren aller Ansatz nicht der salonmarxologische ist – sind historisch und im Kopf schon ein paar Umdrehungen weiter.

Und so ein Verhauer, lebemann, entspricht doch nicht Deinem Anspruch an Dich selbst.

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Privathistorische Nachbemerkung
Nicht nur Rudi Dutschke habe ich noch persönlich gekannt, den alten Schwafelhans, der er endgültig wurde nach der Kopfverletzung durch das Attentat. Ich kannte und kenne auch die maoistischen Durchknaller von damals, und sie kennen mich. Sie haben inquisitionsergeben abgeschworen und bedienen längst das Verlags-, Medien- und Politikgeschäft.

>Tut mir leid, Nörgler, Du hattest recht, ich hatte Unrecht. Du hast es 1974 besser gewußt, ich hab' nicht drauf gehört. Sorry, wie vernagelt wir waren.<

Auf eine solche Äußerung warte ich bis heute. Das hängt wohl damit zusammen, daß ein jeder von denen ein je schon herumkasperndes Funktionselement der "gesellschaftlichen Oberfläche" (Marx) war, dessen wesentliches Ziel die Salvierung seiner trostlosen Subjektivität war und ist.

"Was wird" kann ich nicht sagen. "Was war" schon.

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Interessant ist, dass viele von denen in einer sehr staatstragenden, um nicht zu sagen, EU-imperialistischen Ecke gelandet sind und wahrscheinlich deutschnational wären, wenn es diese politische Option noch gäbe. Meine einzige Begegnung mit dem Maoismus als Erwachsener war folgende: 1992 verteilten Studierende am Bremer Campus die Mao-Bibel und forderten auf einem Plakat, das die Große Mauer zeigte, in chinesischer Sprache "Die Mauer muss weg!". Spaßguerrilla at it´s best.

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Wenn ich mir durchlese, was hier immer wieder für Missverständnisse hinsichtlich linker Positionen und Gleichsetzungen mit ekligen Stalinisten auftauchen, überlege ich mir ja doch, mir die Domain www.umerziehungslager.de zu sichern und den Herren Kommentatoren in Lack und Leder politisches Bewusstsein einzubleuen ;-)

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Aber nur, wenn Du Maoiste von Chanel aufträgst :-))

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I'm proud to be Doof ...
zumindest manchmal wenn ich mit solchen "Argumenten" wie sie zum Teil auch hier geaeussert wurden konfrontiert werde.
Ich meine die Tatsache das ich in meinem Leben noch keine einzige Seite Marx gelesen habe und sich mein Klassenkaempferdasein, aus bisweilen schmerzlicher, ganz praktischer Lebenserfahrung ergab.
Wer mich einen Marxisten oder gar Stalinisten nennt wird erbarmungslos ausgelacht.

Ich halte diese Verdrehungen uebrigens keineswegs fuer Missverstaendnisse.

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Netbitchs Nachhilfe für Marxlaien
Hmm. Die Wertformel auswändig aufsagen, bei jedem Stottern oder Aussetzer ne Watsche, hinterher 12 auf die Nämlichen und das ist dann der Mehrwert?

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Ich verstehe doch selber nichts davon. Das müsste der Nörgler machen; er als Inquisitor, ich als Domina.

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@ loellie
Kritik, die den Namen verdient, ist nicht das Anlegen eines externen Maßstabs, sondern immanent. Was will uns der Dichter damit sagen?
Meine damaligen oben erwähnten Mitstudenten, die sich als Avantgarde des Proletariats verstanden, beanspruchten, dies auf der gesicherten und ihnen wohlvertrauten Grundlage der Marxschen Theorie zu tun. Wenn ich ihnen nachwies, daß sie den Marx bestenfalls aus ihren von mir als "Schmutz- und Schundhefte" bezeichneten Kurzfassungen, also überhaupt nicht kannten, so habe ich lediglich ihren eigenen Anspruch ernst genommen und sie daran gemessen. Eine Differenz von Anspruch und Wirklichkeit ist also der Punkt.

Bei Marx selbst sieht es so aus, daß die bürgerliche Ökonomie, die er kannte, den Anspruch erhob, den Wert zu erklären. Dieser Anspruch wurde nicht oder nur unzureichend eingelöst. Diese Differenz nimmt Marx sich vor. Daher heißt das Ding auch "Kritik der Politischen Ökonomie" und nicht etwa "Kritik des Kapitalismus", "Aufruf zum Aufruhr" oder dergleichen.

Die Revolution schafft das Bildungsprivileg ab, nicht die Bildung.

Bis dahin wird nicht schuldig, wer das Privileg nutzt, sondern wer es nicht oder falsch nutzt.

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Neulich im Umerziehungslager
Der Wind schaukelt sanft den mit Kleidungsresten behangenen Stacheldraht. Aus den über das Gelände verteilten Qualitätslautsprechern ertönt der Motivationssatz: "Nicht für die Schule, sondern für das Weiterleben lernen wir."

Im "Pädagogicum Maximum", der zentralen Baracke, befinden sich ein Schüler, der Inquisitor und die blutgierigste aller Peitschenbestien: Netbitch!
Inquisitor: "Bei dem Satz '20 Nicht-Marxologen = 1 Dreck wert': Welche Seite der Gleichung ist die Äquivalentform; welche Seite befindet sich in relativer Wertform?"
Schüler, mit den Zähnen klappernd: "Ähm, äh …"
Netbitch: "Ich benutze heute meine Eierpeitsche, mit den zwei Stahlkugeln dran!"

Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn Sie den Nörgler sagen hören wollen: "Duuhuu, Netbitch, ich war heute ein gaaanz böser Junge."

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das tragische am "lebemann"
ist nicht, dass er aus seinen klischees nicht rausfindet. das tragische an ihm und seinesgleichen ist, dass sie immer nur in der kalten analyse steckenbleiben und zu faul sind, lösungsmöglichkeiten zu erdenken. aber warum sollten sie auch? sie können ja "lebemännern" und was die anderen tun, interessiert sie einen feuchten kehricht. was sie beherrschen, ist das scheinbar souveräne, in wirklichkeit aber angstgetriebene distinktionsverhalten gegenüber denen, die noch ein bißchen weiter unten stehen als der mit dem geleasten geschäfts-irgendwas durch deutsch lande bretternde, arglosen hausfrauen vorwerk-sauger aufschwatzende kleinbürger, der sich in der vr "lebemann" nennt. mag sein, dass ein "lebemann" schonmal gescheitert ist: das nächste wird endgültig sein. und dann: addio haus, auto, boot, frau, kinder....

ps: ich erlebe das gerade live mit: ein ex-kollege, der sich "verbessern" wollte, ist in ein großes missverständnis geraten und steht jetzt auf der straße. das haus ist schon nicht mehr bezahlbar, die ehe kriselt....

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Theorie und Praxis
Wenn das so kommt, dann muß ich mal eine Lanze für den Lebemann brechen. Das meiste, was er sagt, stimmt doch, wenn ich die letzten 15 Monate seiner über mehrere Blogs verstreuten Postings überblicke. Viele seiner Sichtweisen und Formulierungen sind originell, und ich möchte sie nicht missen. Daß ich ihm immer wieder Kontra gebe, liegt an den 5 Prozent, die er vergurkt. Zu den 95 %, die von ihm zu lesen mir Spaß macht, habe ich mich nie geäußert.
Hier im Thread allerdings hat er, sogar für seine Verhältnisse, besonders scharf auf die Kacke gehauen, und ich habe oben gegengehalten.

Was mir aber auch nicht gefällt, ist der Spruch vom Steckenbleiben in der kalten Analyse – als ob diese Welt an einem Zuviel an kalter Analyse krankt – wegen Faulheit bei der Entwickelung von Veränderungsmöglichkeiten.
Sachlich knüpft dieser Einwand arturs an die Theorie-Praxis-Debatte der 60er und vor allem 70er Jahre an.

Seither hatten die Praktischen genug Zeit – nämlich Jahrzehnte – "Lösungsmöglichkeiten zu erdenken".
Ich verzichte mal darauf, süffisant anzumerken, daß das "Erdenken" wohl der Sphäre der Theorie anheimfiele, und noch süffisanter Marx zu zitieren, der sah, daß die Unfreien den künftigen Freien wohl kaum Vorschriften machen könnten, wie sie zu leben hätten.

Ich erinnere jedoch jene Diskussionen in den 70ern, in denen ich die Praktischen aufforderte, doch endlich einmal praktisch zu werden. Dem Praxis-Argument mißtraute ich schon damals, weil es zwar als Killerphrase gegen die Theorie in Stellung gebracht wurde, aber die großmäulig beanspruchte verändernde Praxis nirgendwo stattfand. "Wenn ihr in der Praxis halb so gut wärt wie wir in der Theorie, dann hätten wir schon die Hannoveraner Räterepublik." Da steppte dann der Bär.

Daran hat sich nun, wie ich sehe, seit 30 Jahren nichts geändert. Drei Jahrzehnte (!) hatten die Praxismacher zusätzliche Zeit, um mal in die Gänge zu kommen und mich zu widerlegen. Unterdessen machte ich manch anderes und gucke jetzt mal wieder hin. Und ich sehe: Nichts, nada, niente, totale Null-Praxis, keine verändernden Resultate, im Gegenteil: Es wurde gesellschaftlich alles noch viel schlimmer.

Bei einem derartigen Totalversagen haben sich die "Praktiker" erst mal mit hochrotem Kopf in die Ecke zu stellen, Abbitte zu tun und die Klappe zu halten.

Es wirkt auf mich auch nicht sehr wie vom Impetus der Veränderung getrieben, wenn dem lebemann Kleinbürgerlichkeit vorgeworfen und ihm auf gut Kleinbürgerlich die Pest an den Hals gewünscht wird. Kleinbürger der schwindenden gesellschaftlichen Mitte sind wir alle hier. Und Sprüche wie "addio haus, auto, boot, frau, kinder" lassen nur den nicht gut aussehen, der sie macht. Nicht erst mit der noch einen draufsetzenden Suada "ich erlebe das gerade live mit" – artur scheint das regelrecht zu genießen – spielt die Nummer ins leicht Ekelhafte; eine Empfindung, die auf diesem Blog offenbar alleine zu haben mich doch verwundert.

Und wenn Du, artur, gegen all das auch nur den allerklitzekleinsten Einwand hast, dann sage ich Dir: Mach doch Praxis, ich hindere Dich nicht. Munter voran!

Ich warte doch jeden Tag darauf, daß es an meiner Tür klingelt und zwei freundliche junge Menschen sagen: "Herr Nörgler, wir haben jetzt in Europa den Kommunismus im Marxschen Sinn des 'Vereins freier Menschen' eingeführt!"

Bis es aber soweit ist, haben die unpraktischen Praktiker meine Erlaubnis, den Ball flach zu halten.

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Theorie & Praxis II
(Wozu mir doch glatt eine nicht mehr existente Göttinger Politgruppe einfällt, aber das wäre ein entschieden anderes Thema) Der Lebemann, zunächst einmal, ist ein der Herkunft nach ausgesprochen großbürgerlicher, nihilistisch-radikaldemokratisch eingestellter Humorist und Zyniker. Artur wiederum ein Praktiker in dem Sinne, ziemlich viele politische Auseinandersetzungen geführt zu haben, die juristische und sonstwie ernstzunehmende Folgen hatten. Beide sind von mir sehr geschätzte Kommentatoren, wobei ich mich, was Lebemanns Ausfälle angeht, dem Nörgler anschließe. Dass es Leute gibt, denen die abstrakte Analyse alles bedeutet, politische Praktiker und Aktivisten auf der anderen Seite, und Solche, die beides miteinander verbinden, macht sowohl die Verschiedenheit der Menschennaturen als auch die Ambivalenz politischer Richtungen aus. Darum sollte man nicht hadern (und ich weiß, dass ich damit für gewisse frühere GenossInnen bereits sowas wie ein Verräter bin, weil Einheit von Theorie und Praxis für diese Leute bereits die Glaubwürdigkeit eines Menschen an sich ausmacht, aber das ist nicht mein Programm).

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@ che

Danke für die Blumen :-)

Mir ging es ja seinerzeit nur darum anzumerken, dass sich nach meinem Empfinden vielfach die Betreuten von den Betreuern (egal aus welcher Ecke sie auch kommen mögen) und ihren Konzepten gelangweilt abwenden. Sollte ich mit meiner Sprache angeeckt sein, so war das nicht beabsichtigt, sorry.

@ artur

Die Vorwerk-Vertreter gelten in der Vertriebsbranche als High-Class. Ihre Produkte sind es fraglos, die Qualität ist Universen von den Produkten aus dem Discount-Markt entfernt und sie sind nicht unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt worden, sondern sichern hiesige sozialversicherte Arbeitsplätze. Bei den Preisen von Vorwerk ist auch ein blosses "aufschwatzen" schwer. Und der Vertriebler, diese verachtete kleinbürgerliche Spezies, ermöglicht es mittelbar vielen von uns unseren bequemen Schreibtischjob haben zu können. Und deren Leben will ich nicht führen müssen, sollen sie ruhig ihren Dienstwagen dafür haben dürfen.

Just my 2 cents.

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sorry wenn ich mich im ton vergriffen habe aber ich reg' mich halt auf, wenn immer nur "konstatiert" wird. es ist schon schlimm genung, dass menschn nur noch als kundennummern beim arbeitsamt oder als kostenstellen in der wirtschaft angesehen werden. und ich halte das unterklassendenken für rückschrittlich, abwertend und entwürdigend. auch wenn das jetzt naiv oder sonstwie klingt. mir egal.

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