Sonntag, 9. Juli 2006
The Heart of Darkness oder Congo Troubles
1960 wurde der erste demokratisch gewählte Präsident des Kongo, Patrice Lumumba, auf Anordnung seines Gegenspielers Moise Tchombé ermordet, weil er geplant hatte, die riesigen Erz- und Edelsteinminnen des Landes zu verstaatlichen und damit einen afrikanischen Sozialismus zu finanzieren. Nicht aber Tchombé, der Erfüllungsgehilfe internationaler Bergwerksgesellschaften und der einstigen belgischen Kolonialherren, wurde zum starken Mann des Kongo, sondern General Mobutu Sese Seko, der ein Regime errichtete, das auf drei Säulen basierte:

Ein gemäßigter Sozialismus mit staatlichen Minen und Industrien, kostenlosen Wohnheimen und Kantinen für die Arbeiter und eine mittelständische Privatwirtschaft;

Einhalten der vom Westen bzw. GATT; dann WTO vorgegebenen Terms of Trade, relativ billige Exporte, prowestliche Außenpolitik;


ein nach innen dikatorisches, durch ein gigantisches Korruptionsnetzwerk abgesichertes Regime.


Mobutus Gegner der ersten Stunde war Laurent Kabila, ein persönlicher Schüler Che Guevaras, der etwa 30 Jahre lang im Dschungel einen Guerrillakampf gegen Mobutu mit dem Ziel eines blockfreien sozialistischen Kongo führte, bis Mitte der 90er Jahre schließlich seine Stunde schlug. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht die Regierungen Frankreichs und der USA ihn an die Macht gelassen hätten. Dafür hatte er schon vor dem Sturm auf Kinshasa vertraglich die Ausbeutung kongolesischer Coltan-Kobalt- und Uranvorkommen durch amerikanische und französische Unternehmen zugesichert. Der Sturz Mobutus stellte zwar einen Akt der Befreiung dar, aber nur kurze Zeit später zeigte Kabila durch öffentliche Massenhinrichtungen, dass mit ihm sicher nicht zu spaßen war. Der folgende Bürgerkrieg wurde aber nicht durch Kabilas Grausamkeit ausgelöst, sondern im Gegenteil durch seine soziale Komponente. Er war zwar bereit, staatliche Minengesellschaften zu privatisieren und an ausländische Investoren zu verkaufen, wovon der IWF die weitere Gewährung von Entwicklungskrediten abhängig machte, aber er verlangte die Beibehaltung der Werkswohnungen und kostenlosen Kantinenspeisung in den Betrieben sowie die Gewährleistung sozialer Rechte für die Arbeiter. Die bisherigen Verbündeten Ruanda und Uganda, deren Truppen sich durch Plünderungen und Viehraub im Lande bereicherten, sahen diese Forderungen als unverschämt und als Gefahr für die Ausbeuterverhältnisse im eigenen Lande an und begannen, vom Westen partiell unterstützt, mit einem zweiten Krieg gegen Kabila, in den wiederum auf Seite des Regimes Angola und Zimbabwe eingriffen. Der Krieg kostete 4 Millionen Menschen das Leben, zu einer Zeit, da man sich in Europa hauptsächlich um die Lage im Kosovo kümmerte. Das Programm Völkermord gegen soziale Revolution wurde
erfolgreich durchgezogen, mit dem heute sichtbaren, investorenfreundlichen Resultat :

"In Ruashi soll die südafrikanische Ruashi Mining hinter stacheldrahtbewehrten Zäunen und Mauern die Arbeit aufnehmen. Die im Tagebau betriebene Grube, übersät mit zahllosen Löchern und Kratern, wirkt wie eine Mondlandschaft. Nur mit Hacken haben die Männer Stollen gegraben, in die sich die Kinder hineinzwängen. Die einen graben, andere sortieren das Erz aus und füllen es in Säcke. Ein wenig entfernt stehen Pick-ups bereit, um das Rohmaterial zur sambischen Grenze zu transportieren. Ein Teil des Erzes, das eine Mischung aus Kupfer und Kobalt enthält, wird an Ort und Stelle von Kleinbetrieben in kleinen Schmelzöfen verarbeitet. Nach der ersten Aufbereitung bringt man das Metall gleichfalls nach Südafrika oder in den tansanischen Hafen Daressalam,
wo es von chinesischen Frachtern in Empfang genommen wird. .... Die meisten der 70 000 Bergleute in Katanga verdienen nicht einmal einen Dollar pro Tag. Die Minenarbeiter haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen....um die Begräbniskosten zu bezahlen. Die häufigen Erdrutsche fordern viele Todesopfer." (Le Monde Diplomatique)

So weit ist es also gekommen, dass das stolze Südafrika, das in einer großartigen demokratischen Revolution die Apartheid besiegte, von Ausbeutungsverhältnissen profitiert, die das Schicksal mancher Sklaven als vergleichweise angenehm erscheinen lassen. Der kongolesischen Regierung bleibt nach einem Weltbank-Diktat, das die Abschaffung aller Sozialversicherungen und die Durchrationalisierung der Wirtschaft durch Massenentlassungen vorsieht, gar keine Wahl. Und was die Wahl angeht, werden "unsere" Truppen im Kongo wohl ein Wahlergebnis mit Waffen zu schützen haben, das vorher in Paris beschlossen wurde.

Imperialismus im Jahr 2006.

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und auch die deutschen mischen da kräftig mit, wie dieser artikel (http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56414) auf german foreign policy zeigt.

was fällt mir da ein? "deutsche waffen, deutsches geld morden mit in aller welt" alt, aber zutreffend.

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Black Power, die 2.
Für den Zustand des "stolzen" Zuidafrika und seiner ach so dollen Führungselite empfehle ich die Lektüre von "Noseweek", dem dortigen satirisch-investigativen Magazin. Wie eine Mischung von "Spiegel", "Titanic" und "Konkret" in einem, jeweils zu deren besten Zeiten.

Der Titel ist Topaktuell, lookie here:

http://www.noseweek.co.za/look/ns_index.tpl?IdLanguage=1&IdPublication=5&NrIssue=81

Was sich dort lesen lässt, angefangen über die "Stiftungen" die für und im Namen des Herrn M., dem mit dem Friedensnobelpreis, die in Lizenz dessen angebliche aber tatsächlich gefälschte "Kunst" von Robben Island vertickern, deren Bezüge aber nicht der wohltätigen Stiftung von Herrn M., sondern seiner Familie zukommen, bis hin in die Zustände in den Provinzgouvernements, lässt einen aufbrüllen vor Lachen, bis das Schütteln kommt, wenn man sich vorstellt wohin der beschrittene Weg so führen wird.

Im übrigen kann ich den Anwesenden das Online-Abo von "Noseweek" wärmstens ans Herz legen. neben dem hohem Informations- und Unterhaltungswert stützt man auch eine demokratische Institution: den Stachel im Fleisch der regierenden Klasse. Und den braucht man dort dringend.

Schade, das es vergleichbares bei uns nicht (mehr) gibt.

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Danke für diesen klasse Hinweis. Im Übrigen sind Ausdrücke wie stolzes Südafrika bei mir stets mit Ironie zu lesen.

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@ che

so habe ich mir das auch gleich gedacht :-)

Und die 250 Rand (ca. 30 Euro) pro Jahr für das erwähnte Online-Abo sind gelebte Entwicklungshilfe.

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Ja, das lohnt sich. Werde also wohl meiner erwähnten Zeitschriftenliste einen Titel zufügen.

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