Samstag, 29. Juli 2006
Das Fachwissen deutscher Kriegsberichterstatter
Ein nie endender Quell der Belustigung. Hieß es nicht gestern in der Tagesshow, erstmals habe Hisbollah auch Langstreckenraketen vom Typ Fadschr eingesetzt? Nun, diese Raketen haben eine Reichweite von etwas mehr als 45 Km, maximal 60, das ist immerhin mehr als die Reichweite der allerdings wesentlich präziseren israelischen Panzerhaubitzen. Aber Langstreckenraketen sind qua definitionem Raketen mit größerer Reichweite als Mittelstreckenraketen, also mehr als 4000 Kilometern, etwa SS9 oder Poseidon. So etwas erlebt man öfter, im Bosnien Krieg war von Schwerer Artillerie die Rede, wenn Mörser und Maschinenkanonen eingesetzt wurden, und ein Kommentator beim 1986er US-Raid gegen Libyen sprach gar von libyschen Schlachtkreuzern (gemeint waren kleine Korvetten der Nanouchka-Klasse). Wenn solche Dünntexter mir unter die Augen kommen, gibt´s was mit meiner überschweren, getriggerten und rückstoßgebremsten Feld-Maschinenzwille :-)))

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bulletin
"bulletin of the atomic scientists" hieß das us-amerikanische Fachmagazin, dass schon vor dreißg Jahren sehr präzise den neusten Chic des jeweiligen militärtechnischen Fortschritts (> Atomwaffen, Trägerraketen, etc.) auflistete. Was die neuen Waffen alles können, was sie kosten (ABM-Projekte, Eurofighter z.B.) und wofür man sie jeweils einsetzen kann, interessiert die Leser oder Fernsehzuschauer - abgesehen von ein paar 'verrückten' Friedensaktivisten - bis heute eigentlich nicht (vgl. Streubomben- und Phosphorbombeneinsatz, aktuell im Libanon..). Gut so? Schlecht so? Die Journalisten jedenfalls wissen es zumeist auch nicht besser. Warum auch...

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so ist das eben, wenn ich lange genug töne, soldaten sind mörder, alle, dann habe ich eben so nach fünfundzwanzig, dreissig jahren die entsprechende negative auswahl in meinen streitkräften. veraltetes material, schlechte bezahlung, überforderung bei einsätzen tun ein übriges, diejenigen, die auch woanders genommen werden, von der verpflichtung abzuhalten.

und das schlägt dann eben auf die berichterstattung durch. vermutlich macht den schreibtischstrategen in der redaktion auch der, der zu allem anderen nicht zu brauchen ist. aber macht nichts, solange der leser das nicht spannt. ab und zu eine truppenbesichtigung mit kameradschaftsabend, und die fressen der führung aus der hand, und übernehmen dankbar die pressemitteilungen.

vielleicht kommt das mal, ein zunehmendes interesse das publikums an verteidigungspolitischen fragen - obwohl, das war während der ganzen alten brd nicht, und jetzt, wo man stickum auf berufsarmee umstellt - das neue gleichberechtigungsgesetz dürfte nämlich, sobald einige wehrpflichtige gut beraten sind, das ende der fahnenstange markieren - wird es erst recht nicht kommen, schade eigentlich.

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dass solche leute ein artilleriegranate nicht von einer rakete unterscheiden können, ist oft ein zeichen für ihre differenzierungsfähigkeit. da sieht's genauso mau aus.

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Doch andererseits ist es vielleicht ja auch nicht die größte Katastrophe, wenn detaillierte Kenntnisse in diesem Fach nicht mehr selbstverständlich sind. Oder wäre Ihnen lieber, wenn wir wieder in einer derart durchmilitarisierten Gesellschaft lebten, daß jeder Abiturient ein nahendes Kavallerie-Regiment am Hufschlag identifizieren kann?

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Das scheitert schon am Nichtvorhandensein der Pferde....

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@zeichensatz: von einem normalmenschen verlange ich das nicht. von einem journalisten, zumal von kriegsberichterstattern schon. das ist ein kompetenzthema. aber vorgetäuschter sachverstand hat ja in deutschland schon immer mehr gezählt als tatsächlicher, nicht wahr? hauptmann von köpenick lässt schön grüßen.

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Es hat noch eine andere Komponente als fehlende Kompetenz: Es wird dramatisiert. Die "Schwere Artillerie" im Bosnien-Krieg (statt von Fernwaffen der Infanterie zu reden) war die verdeckte Verbalisierung von "das ist ganz ganz schlimm und da muss die NATO eingreifen", während gleichzeitig im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidjan wirkliche Schwere Artillerie eingesetzt wurde und das in unseren Mainstream-Medien keine Sau interessierte. Ich vermute, dass sich hier echte Unwissenheit, die Mediengewohnheit, alles ein bißchen aufzublasen
("Mann beißt Hund") und dezidierte Absichten zu einem trüben Brei vermischen.

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abstoßend. aber jeder, der schonmal mit medienvetretern zu tun hatte, kennt das.

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Der Krieg der Bilder
Kennst Du den Schlöndorff-Film "Die Fälschung" über den libanesischen Bürgerkrieg? Da interviewt ein Journalist Christenmilizen in Beirut, konkret gesagt Scharfschützen auf einem Dach, und die fragen ihn, welche Passanten sie abballern sollen, er könne sich einen aussuchen, einfach nur für die Kamera. Und ich weiß von einem deutschen Asylbewerberheim, das 1991 für ein Fernsehteam angezündet wurde.

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nä, sagt mir nichts der film. aber ich denke, die skrupellosigkeit bestimmter medienleute ähnelt durchaus der von killern. schließlich "schießen" sie ihre bilder...

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Kindersoldaten der Presse
Unter Kriegsberichterstattern gibt es den Job der "Kamerahunde", wie sie genannt werden. Das sind 14-17 jährige Jungs aus den Krisengebieten, die für ein Handgeld vorgeschickt werden, um Fotos aus der Kampfzone zu machen, während der Herr Pressefotograf im Hotel sitzt.

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"Die Fälschung"
basiert auf dem gleichnamigen Roman von Nicolas Born (1979), wobei wie so oft – banal, aber wahr – das Buch dem Film vorzuziehen ist.

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Danke für den Hinweis, werde ich mir dann mal besorgen.

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